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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 19.09.2023, Az.: VIII ZB 44/22
Aufhebung der Kosten gegeneinander nach übereinstimmender Erledigungserklärung in einem mietrechtlichen Verfahren
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 19.09.2023
Referenz: JurionRS 2023, 40458
Aktenzeichen: VIII ZB 44/22
ECLI: ECLI:DE:BGH:2023:190923BVIIIZB44.22.0

Verfahrensgang:

vorgehend:

AG Bremen - 28.04.2022 - AZ: 17 C 159/21

LG Bremen - 10.05.2022 - AZ: 1 T 122/22

Fundstellen:

NJW-RR 2023, 1572-1573

NZM 2023, 947-948

BGH, 19.09.2023 - VIII ZB 44/22

Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. September 2023 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Bünger, den Richter Kosziol, die Richterin Wiegand sowie die Richter Dr. Reichelt und Messing
beschlossen:

Tenor:

Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Der Wert des Verfahrensgegenstands wird bis zur übereinstimmenden Erklärung der Erledigung in der Hauptsache auf 1.788 € und für die Zeit danach auf bis 1.500 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Antragstellerin verpflichtete sich in einem gerichtlichen Vergleich gegenüber dem Antragsgegner, eine von ihr bewohnte, in Bremen gelegene Wohnung bis zum 30. April 2022 zu räumen und an den Antragsgegner herauszugeben. Zugleich verzichtete sie auf die Stellung weiterer Räumungsschutzanträge.

2

Am 13. April 2022 hat die Antragstellerin beim Amtsgericht einen Antrag nach § 794a ZPO auf Verlängerung der Räumungsfrist bis zum 31. Oktober 2022 gestellt. Das Amtsgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Die dagegen erhobene sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist erfolglos geblieben. Mit ihrer vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde hat die Antragstellerin ihr Begehren zunächst weiterverfolgt. Nachdem am 22. August 2022 die Zwangsräumung der Wohnung stattgefunden hat, haben die Parteien das Verfahren in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt.

II.

3

Aufgrund der Erledigungserklärungen der Parteien hat der Senat über die Kosten des Verfahrens gemäß § 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands nach billigem Ermessen zu entscheiden. Im Verfahren nach § 794a ZPO sind auch für die Kosten erster Instanz die §§ 91 ff. ZPO maßgeblich (Senatsbeschluss vom 28. Oktober 2008 - VIII ZB 28/08, NJW-RR 2009, 422 Rn. 4; Zöller/Geimer, ZPO, 34. Aufl., § 794a Rn. 6 i.V.m. § 721 Rn. 15; Musielak/Voit/Lackmann, ZPO, 20. Aufl., § 794a Rn. 6 i.V.m. § 721 Rn. 9). Dabei ist der mutmaßliche Ausgang des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu berücksichtigen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 10. Februar 2016 - I ZB 36/15, juris Rn. 10; vom 17. Mai 2017 - VII ZB 64/15, NJW-RR 2017, 1342 Rn. 6; vom 9. Februar 2021 - VIII ZR 346/19, NJW 2021, 1887 Rn. 4). Bei Anlegung des vorgenannten Prüfungsmaßstabs sind im Streitfall die Kosten des Verfahrens gegeneinander aufzuheben.

4

1. Es ist - auch im Rechtsbeschwerdeverfahren - nicht Zweck einer Kostenentscheidung nach § 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO, Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu klären oder das Recht fortzubilden, soweit es um Fragen des Zwangsvollstreckungsrechts geht (Senatsbeschluss vom 28. Oktober 2008 - VIII ZB 28/08, NJW-RR 2009, 422 Rn. 5; vgl. auch BGH, Beschlüsse vom 19. Oktober 2004 - VIII ZR 327/03, WuM 2004, 725 unter II; vom 17. Juli 2006 - II ZR 163/03, AG 2006, 666 Rn. 3; vom 15. September 2009 - IX ZB 36/08, ZInsO 2009, 2113 Rn. 3; vom 23. Oktober 2013 - V ZB 166/11, juris Rn. 3; vom 30. April 2020 - VII ZB 23/19, juris Rn. 7; vom 15. Juli 2020 - IV ZB 11/20, NJW-RR 2020, 983 [LG Potsdam 14.05.2020 - 2 O 26/18] Rn. 7; vom 25. Oktober 2022 - VIII ZB 58/21, NJW 2022, 3778 Rn. 6). Grundlage der Entscheidung ist demgemäß lediglich eine summarische Prüfung, bei der das Gericht grundsätzlich davon absehen kann, in einer rechtlich schwierigen Sache nur wegen der Verteilung der Kosten alle für den hypothetischen Ausgang bedeutsamen Rechtsfragen zu klären (vgl. BGH, Beschlüsse vom 19. Oktober 2004 - VIII ZR 327/03, aaO; vom 17. Juli 2006 - II ZR 163/03, aaO; vom 28. Oktober 2008 - VIII ZB 28/08, aaO; vom 15. September 2009 - IX ZB 36/08, aaO; vom 23. Oktober 2013 - V ZB 166/11, aaO; vom 30. April 2020 - VII ZB 23/19, aaO; vom 15. Juli 2020 - IV ZB 11/20, aaO).

5

2. Der Senat sieht sich deshalb nicht veranlasst, die - für die Zulassung der Rechtsbeschwerde maßgebliche - in der Instanzrechtsprechung und im Schrifttum umstrittene Rechtsfrage, ob ein rechtsgeschäftlicher Verzicht auf den Antrag auf Bewilligung oder Verlängerung einer Räumungsfrist nach § 794a ZPO zulässig ist (dafür LG Aachen, WuM 1996, 568; LG München, NZM 2008, 839; Musielak/Voit/Lackmann, ZPO, 20. Aufl., § 794a Rn. 2; BeckOK-ZPO/Hoffmann, Stand: 1. Juli 2023, § 794a Rn. 1.1; aA Zöller/Geimer, ZPO, 34. Aufl., § 794a Rn. 7; MünchKommZPO/Wolfsteiner, 6. Aufl., § 794a Rn. 1; differenzierend: Schmidt-Futterer/Lehmann-Richter, Mietrecht, 15. Aufl., § 794a ZPO Rn. 31) zu entscheiden (vgl. Senatsbeschluss vom 28. Oktober 2008 - VIII ZB 28/08, NJW-RR 2009, 422 Rn. 5). Bleibt diese Frage damit offen, ist ungewiss, welchen Ausgang das Verfahren genommen hätte. Mangels anderer Verteilungskriterien sind die Kosten daher gegeneinander aufzuheben.

Dr. Bünger

Kosziol

Wiegand

Dr. Reichelt

Messing

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