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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 19.09.2023, Az.: 3 StR 216/23
Anrechenbarkeit vollstreckten Beugearrestes bei Verhängung einer neuen Einheitsjugendstrafe
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 19.09.2023
Referenz: JurionRS 2023, 41801
Aktenzeichen: 3 StR 216/23
ECLI: ECLI:DE:BGH:2023:190923B3STR216.23.0

Verfahrensgang:

vorgehend:

AG Wesel - 06.10.2020

LG Duisburg - 09.01.2023 - AZ: 33 KLs- 299 Js 19/22-15/22

Rechtsgrundlage:

§ 31 Abs. 2 S. 2 JGG

Verfahrensgegenstand:

Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.

BGH, 19.09.2023 - 3 StR 216/23

Amtlicher Leitsatz:

Zur Anrechenbarkeit vollstreckten Beugearrestes bei Verhängung einer neuen Einheitsjugendstrafe.

Redaktioneller Leitsatz:

  1. 1.

    Das mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilte europäische Patent 1 671 505, das die Auswahl einer Redundanzstrategie für die automatische Anforderung von Wiederholungen in einem Kommunikationsnetz betrifft, ist teilweise nichtig.

  2. 2.

    Es ist unzulässig, einen mit einer Teilnichtigkeitsklage angegriffenen Patentanspruch in der Weise beschränkt zu verteidigen, dass er mit sämtlichen Merkmalen eines nicht angegriffenen Unteranspruchs kombiniert wird.

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 19. September 2023 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 analog StPO einstimmig beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Duisburg vom 9. Januar 2023 im Strafausspruch dahin ergänzt, dass verbüßter mit Urteil des Amtsgerichts Wesel vom 6. Oktober 2020 festgesetzter Freizeitarrest und verbüßter mit dessen Beschluss vom 18. August 2021 festgesetzter Beugearrest im Verhältnis 1:1 auf die verhängte Einheitsjugendstrafe angerechnet werden.

  2. 2.

    Die weitergehende Revision wird verworfen.

  3. 3.

    Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1

Das Landgericht hat den Angeklagten unter Einbeziehung des Urteils des Amtsgerichts Wesel vom 6. Oktober 2020 wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, Diebstahls, versuchten Diebstahls in zwei Fällen, Besitzes von Betäubungsmitteln und Hausfriedensbruchs zu einer zur Bewährung ausgesetzten Einheitsjugendstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt und ihn im Übrigen freigesprochen. Die auf die unausgeführte allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten führt lediglich zu einer Ergänzung des Strafausspruchs und ist im Übrigen unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

2

Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge hat zum Schuldspruch keinen dem Angeklagten nachteiligen Rechtsfehler ergeben. Der Strafausspruch ist allein insofern rechtsfehlerhaft, als das Landgericht die Prüfung der Anrechnung von in dem Verfahren des einbezogenen Urteils vollstreckten Arrestzeiten nach § 31 Abs. 2 Satz 2 JGG verabsäumt hat. Bei dieser Ermessensentscheidung wäre über den - im Antrag des Generalbundesanwalts zutreffend benannten - verbüßten mit diesem Urteil festgesetzten Freizeitarrest von zwei Tagen hinaus allerdings auch ein verbüßter Beugearrest von einer Woche zum Gegenstand der Prüfung zu machen gewesen; diese Maßnahme hatte das Amtsgericht Wesel nachträglich durch Beschluss vom 18. August 2021 gemäß § 15 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. § 11 Abs. 3 Satz 1 JGG angeordnet, weil der Angeklagte eine mit dem Urteil erteilte Auflage schuldhaft nicht erfüllt hatte (zur gleichgelagerten Frage der Einbeziehung eines unerledigten Beugearrestes in eine neue Einheitsjugendstrafe vgl. BGH, Beschluss vom 26. Mai 2009 - 3 StR 177/09, juris Rn. 2; für eine Anrechenbarkeit weiterhin LG Limburg, Beschluss vom 7. Mai 2021 - 2 Qs 56/21, NStZ-RR 2021, 189 f. [BGH 13.04.2021 - 4 StR 109/20]; Eisenberg/Kölbel, JGG, 24. Aufl., § 26a Rn. 26, § 31 Rn. 51; NK-JGG/Ostendorf, 11. Aufl., § 31 Rn. 23; Meier/Rössner/Trüg/Wulf, JGG, 2. Aufl., § 26 Rn. 13; Schady, ZIS 2015, 593, 596 ff.; aA BeckOK JGG/Schlehofer, 30. Ed., § 31 Rn. 47a f.; Diemer/Schatz/Sonnen, JGG, 8. Aufl., § 31 Rn. 43; Brunner/Dölling, JGG, 14. Aufl., § 31 Rn. 39).

3

Entscheidend für eine grundsätzliche Anrechenbarkeit auch von Beugearresten spricht trotz aller Unterschiedlichkeiten der verschiedenen Arrestformen die Erwägung, dass hierdurch dem Einheitsprinzip am besten Rechnung getragen wird (vgl. LG Limburg, Beschluss vom 7. Mai 2021 - 2 Qs 56/21, NStZ-RR 2021, 189, 190; Eisenberg/Kölbel, JGG, 24. Aufl., § 26a Rn. 26). Dieses soll eine verhältnismäßige jugendstrafrechtliche Sanktion, die auf den aktuell erzieherisch erforderlichen Einwirkungsbedarf abgestimmt ist, sicherstellen und eine Mehrheit sich womöglich widersprechender oder miteinander unverträglicher Sanktionen verhindern (vgl. Eisenberg/Kölbel, JGG, 24. Aufl., § 31 Rn. 3; Diemer/Schatz/Sonnen, JGG, 8. Aufl., § 31 Rn. 3; Streng, Jugendstrafrecht, 5. Aufl., Rn. 266; Beulke/Swoboda, Jugendstrafrecht, 16. Aufl., Rn. 279, 281). Das Gegenargument, der Beugearrest sei aufgrund seiner abweichenden Rechtsnatur nicht anrechnungsfähig (vgl. Diemer/Schatz/Sonnen, JGG, 8. Aufl., § 31 Rn. 43; BeckOK JGG/Schlehofer, 30. Ed., § 31 Rn. 47a f.), überzeugt indessen nicht. Die formalen Umstände, dass derselbe außerhalb des Urteils durch Beschluss verhängt wird und unmittelbar ein anderes Sanktionsbedürfnis erfüllen soll, besagen nicht, dass er als mit der durch Urteil bestimmten Weisung oder Auflage untrennbar verbundene, mithin akzessorische Maßnahme (vgl. Schady, ZIS 2015, 593, 597; vgl. auch LG Limburg, Beschluss vom 7. Mai 2021 - 2 Qs 56/21, NStZ-RR 2021, 189, 190 [BGH 13.04.2021 - 4 StR 109/20]: "aus Anlass einer Tat") bei der Bestimmung der verhältnismäßigen jugendstrafrechtlichen Sanktion keine Berücksichtigung finden darf.

4

Der Senat holt die gemäß § 31 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 105 Abs. 1 JGG erforderliche Anrechnungsentscheidung nach und ordnet, um jedwede Benachteiligung des Angeklagten auszuschließen, die Anrechnung beider verbüßten Arrestzeiten auf die erkannte Einheitsjugendstrafe an (vgl. BGH, Beschlüsse vom 22. Oktober 2013 - 4 StR 409/13, juris Rn. 2; vom 15. März 2016 - 4 StR 15/16, juris Rn. 2).

5

Angesichts des geringfügigen Erfolgs der Revision ist es nicht unbillig, den Angeklagten insgesamt mit den Kosten seines Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).

Berg

Paul

Erbguth

Kreicker

Voigt

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