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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 24.01.2023, Az.: 6 StR 488/22
Besonders schwere räuberische Erpressung; Gesonderte Prüfung des fehlgeschlagenen Versuchs für jeden Tatbeteiligten
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 24.01.2023
Referenz: JurionRS 2023, 11027
Aktenzeichen: 6 StR 488/22
ECLI: ECLI:DE:BGH:2023:240123B6STR488.22.0

Verfahrensgang:

vorgehend:

LG Magdeburg - 06.07.2022 - AZ: 21 KLs 1/22 834 Js 80541/21

Fundstellen:

JA 2023, 430-431

Jura 2023, 1099

NStZ 2023, 541

Verfahrensgegenstand:

Besonders schwere räuberische Erpressung u.a.

BGH, 24.01.2023 - 6 StR 488/22

Der 6. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24. Januar 2023 beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Magdeburg vom 6. Juli 2022 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,

    1. a)

      soweit die Angeklagten im Fall II.1 der Urteilsgründe verurteilt worden sind, wobei die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen Bestand haben,

    2. b)

      betreffend den Angeklagten S. in den Aussprüchen über

      1. aa)

        die Gesamtstrafe,

      2. bb)

        der Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung.

    Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

  2. 2.

    Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.

Gründe

1

Das Landgericht hat den Angeklagten S. wegen versuchter räuberischer Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (Fall II.1) und wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung (Fall II.2) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt, die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Den Angeklagten St. hat es wegen Beihilfe zur versuchten räuberischen Erpressung in Tateinheit mit Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung und mit Diebstahl (Fall II.1) zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt. Die jeweils auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen der Angeklagten erzielen den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

2

1. Die Verurteilung der Angeklagten im Fall II.1 der Urteilsgründe hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.

3

a) Nach den Feststellungen verlangte der Angeklagte S. von dem Zeugen R. die Herausgabe von dessen Mobiltelefon und Betäubungsmitteln. Da der Zeuge sich weigerte, schlug der Angeklagte S. dem Zeugen dreimal mit der Faust ins Gesicht, um die Herausgabe der Gegenstände zu erzwingen, woraufhin dem Zeugen die Flucht gelang. Der Angeklagte St. und eine weitere unbekannt gebliebene Person unterstützten den Angeklagten S. bei seinen Handlungen durch ihre Bereitschaft zum Eingreifen, um Widerstandshandlungen des Zeugen von vornherein zu unterbinden.

4

b) Feststellungen zum Vorstellungsbild des Angeklagten nach dem Abschluss der letzten Ausführungshandlung (vgl. zum Rücktrittshorizont etwa BGH, Beschluss vom 19. Mai 1993 - GSSt 1/93, BGHSt 39, 221, 227 f.) hat das Landgericht nicht getroffen. Die Urteilsgründe belegen deshalb nicht, dass die Angeklagten keine Möglichkeit mehr sahen, die Gegenstände von dem Zeugen ausgehändigt zu erhalten, weil er sich zwischenzeitlich in Sicherheit gebracht hätte und eine Verfolgung ohne Erfolg bliebe (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Februar 2022 - 6 StR 625/21).

5

Der Generalbundesanwalt hat hierzu im Wesentlichen das Folgende ausgeführt:

Das Landgericht ist ohne nähere Begründung von einem fehlgeschlagenen Versuch ausgegangen (UA S. 14). Dahingehende Erörterungen waren nicht deswegen entbehrlich, weil vorliegend gleich mehrere Tatbeteiligte in das Tatgeschehen eingebunden waren (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Juli 2009 - 3 StR 257/09, NStZ-RR 2009, 335). Die Frage nach einem fehlgeschlagenen Versuch bedarf vielmehr für jeden Tatbeteiligten gesonderter Prüfung (vgl. BGH, Beschluss vom 26. September 2006 - 4 StR 347/06, NStZ 2007, 91). Zur Bewertung eines Fehlschlags sind daher regelmäßig Feststellungen zur Tätervorstellung nach seiner letzten Ausführungshandlung, dem sogenannten Rücktrittshorizont, erforderlich (vgl. BGH, Beschluss vom 21. September 2022 - 6 StR 332/22).

Diesen Anforderungen werden die Darlegungen in den Gründen des angefochtenen Urteils nicht gerecht. Das Landgericht hat aus den getroffenen Feststellungen keine Rückschlüsse auf das Vorstellungsbild der Angeklagten nach Abschluss der letzten Ausführungshandlung gezogen. Festgestellt ist dazu lediglich, dass der Geschädigte, während er vom Angeklagten S. mit Faustschlägen traktiert wurde, sein Fahrrad fallen ließ und die Flucht ergriff (UA S. 13). Welche Vorstellungen die Angeklagten in diesem Moment des Entkommenlassens hatten, bleibt indessen unerörtert. Der Umstand, dass der Geschädigte dem Herausgabeverlangen des Angeklagten nicht entsprach, begründet für sich betrachtet noch keinen Fehlschlag des Erpressungsversuchs (vgl. BGH, Beschluss vom 5. April 2022 - 6 StR 99/22, juris Rn. 5). Es versteht sich vorliegend auch nicht von selbst, dass sich die Befreiung und die Flucht des Geschädigten für die Angeklagten als unbezwingbar darstellten und beide davon ausgingen, dass der Tatplan in der konkreten Situation gescheitert war.

Einem strafbefreienden Rücktritt steht zudem nicht von vornherein entgegen, dass die Regelung des § 24 Abs. 2 Satz 1 StGB von jedem zurücktretenden Beteiligten ohne Rücksicht auf die Frage, ob ein beendeter oder unbeendeter Versuch vorliegt, die Verhinderung der Vollendung verlangt. Hiervon werden von der höchstrichterlichen Rechtsprechung nämlich auch Fälle erfasst, in denen die Tatbeteiligten den Rücktritt einvernehmlich durchführen. Dabei genügt es, wenn ein Beteiligter mit dem Rücktritt des anderen einverstanden ist. Handeln alle Beteiligten einvernehmlich, kann das bloße Nicht-Weiterhandeln für die Erfolgsverhinderung im Sinne von § 24 Abs. 2 Satz 1 StGB ausreichen (vgl. BGH, Urteil vom 14. Mai 1996 - 1 StR 51/96, BGHSt 42, 158, 162; und vom 17. März 2022 - 4 StR 223/21, juris Rn. 23). Diese Grundsätze gelten auch für den Gehilfen, der anderenfalls bei einem wirksamen, den Erfolg verhindernden Rücktritt des Haupttäters nicht zurücktreten könnte (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Februar 2012 - 4 StR 621/11, NStZ-RR 2012, 167, 168).

6

Dem tritt der Senat bei.

7

2. Die Aufhebung der Schuldsprüche im Fall II.1 entzieht den für diese Tat verhängten Strafen sowie betreffend den Angeklagten S. dem Gesamtstrafenausspruch und - aufgrund des damit verbundenen Wegfalls einer Anlasstat - der Maßregelanordnung (§ 66 Abs. 3 Satz 2 StGB) die Grundlage.

8

Die rechtsfehlerfreien Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO); ergänzende Feststellungen dürfen getroffen werden, wenn sie den bisherigen nicht widersprechen.

Sander

Feilcke

Wenske

Fritsche

Arnoldi

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