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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 10.05.2022, Az.: 2 ARs 170/21
Zuständigkeitsstreit für die Untersuchung und Entscheidung in einem Bußgeldverfahren
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 10.05.2022
Referenz: JurionRS 2022, 23900
Aktenzeichen: 2 ARs 170/21
ECLI: ECLI:DE:BGH:2022:100522B2ARS170.21.0

Verfahrensgang:

vorgehend:

AG Stuttgart - 04.05.2021 - AZ: 20 OWi 73 Js 128756/20

AG Karlsruhe - AZ: 6 OWi 400 Js 5470/21

Rechtsgrundlagen:

§ 29a Abs. 5 OWiG

§ 28 Abs. 1 Nr. 5 a), Abs. 2 ZuVOJu BW

Fundstellen:

NStZ-RR 2022, 256

ZInsO 2022, 1726-1727

Hinweis:

Verbundenes Verfahren:
BGH - 10.05.2022 - AZ: 2 AR 131/21

Verfahrensgegenstand:

hier: Gerichtsstandbestimmung gemäß § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 14 StPO

BGH, 10.05.2022 - 2 ARs 170/21

Redaktioneller Leitsatz:

  1. 1.

    Auch selbständige Einziehungsverfahren sind von der Verordnungsermächtigung des § 68 Abs. 3 OWiG erfasst.

  2. 2.

    § 28 Abs. 1 Nr. 5 a), Abs. 2 ZuVOJu BW kann sich auf diese Verordnungsermächtigung stützen. Damit unterfallen auch selbstständige Einziehungsverfahren, die anstelle eines Verfahrens wegen Ordnungswidrigkeiten nach §§ 24, 24a StVG durchgeführt werden, der Regelung des § 28 Abs. 1 Nr. 5 a), Abs. 2 ZuVOJu BW.

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und der Betroffenen am 10. Mai 2022 beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Der Beschluss des Amtsgerichts Stuttgart vom 4. Mai 2021 wird aufgehoben.

  2. 2.

    Für die Untersuchung und Entscheidung der Sache ist das

    Amtsgericht Stuttgart

    zuständig.

Gründe

1

Die Amtsgerichte Karlsruhe und Stuttgart streiten über die Zuständigkeit für die Untersuchung und Entscheidung in einem Bußgeldverfahren.

2

1. Das Regierungspräsidium Karlsruhe - Zentrale Bußgeldstelle - hat gegen die Betroffene einen Einziehungsbescheid gemäß § 29a Abs. 5 OWiG erlassen, mit dem die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 2.323,92 Euro angeordnet worden ist. Der Tatort der zugrundeliegenden Ordnungswidrigkeit liegt im Landgerichtsbezirk Stuttgart. Gegen diesen Bescheid hat der Verteidiger der Betroffenen Einspruch eingelegt. Das Amtsgericht Karlsruhe (als Gericht am Sitz der Bußgeldbehörde) und das Amtsgericht Stuttgart (als Gerichtsstand des Tatortes) haben sich jeweils durch Beschluss für unzuständig erklärt.

3

2. Der Bundesgerichtshof ist für die Entscheidung des zwischen den Amtsgerichten bestehenden Streits gemäß § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 14 StPO als gemeinschaftliches oberes Gericht berufen, weil die Amtsgerichte Stuttgart (Bezirk des Oberlandesgerichts Stuttgart) und Karlsruhe (Bezirk des Oberlandesgerichts Karlsruhe) in den Bezirken verschiedener Oberlandesgerichte liegen.

4

3. Für die Untersuchung und Entscheidung der Sache ist das Amtsgericht Stuttgart zuständig. Der Generalbundesanwalt hat hierzu in seiner Zuschrift u. a. Folgendes ausgeführt:

"a) Ein Einziehungsbescheid steht (...) nach dem Gesetz einem Bußgeldbescheid gleich (§ 87 Abs. 3 Satz 2 OWiG). Es entspricht der oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung, dass dies sowohl in formeller als auch in materieller Hinsicht, insbesondere hinsichtlich der Anfechtung, gilt (vgl. BayObLG, Beschluss vom 22. August 1997 - 3 ObOWi 87/97, NStZ-RR 1998, 23 mwN). Damit sind auch selbständige Einziehungsverfahren von der Verordnungsermächtigung des § 68 Abs. 3 OWiG erfasst.

b) § 28 Abs. 1 Nr. 5 a), Abs. 2 ZuVOJu BW kann sich auf diese Verordnungsermächtigung stützen. Zwar sieht § 68 Abs. 3 Satz 2 OWiG vor, dass der Bezirk, von dem die Zuständigkeit des Amtsgerichts nach Satz 1 der Norm abhängt, "die Bezirke mehrere Amtsgerichte umfassen" kann, wohingegen § 28 Abs. 2 ZuVOJu BW auf Landgerichtsbezirke abstellt; dies stellt indes lediglich einen sprachlichen, jedoch keinen sachlichen Unterschied dar.

c) Auch selbstständige Einziehungsverfahren, die anstelle eines Verfahrens wegen Ordnungswidrigkeiten nach §§ 24, 24a StVG durchgeführt werden, unterfallen der Regelung des § 28 Abs. 1 Nr. 5 a), Abs. 2 ZuVOJu BW.

Bereits in der Begründung zur Einführung des § 29a OWiG hat der Gesetzgeber darauf abgestellt, dass "die Grundlage für diese Anordnung die mit Geldbuße bedrohte Handlung (§ 1 Abs. 2 OWiG) ist" (vgl. BTDrs 10/318 S. 38). Dementsprechend hat die Einziehung des Wertes von Taterträgen die Rechtsnatur einer Nebenfolge der betreffenden Ordnungswidrigkeit (vgl. KK-OWiG/Mitsch OWiG § 29a Rn. 7 mwN). Das Amtsgericht wird daher im Einziehungsverfahren zu prüfen haben, ob die fragliche Verkehrsordnungswidrigkeit überhaupt begangen wurde, weil der Einziehungsbeteiligte anderenfalls denknotwendig nichts "durch eine mit Geldbuße bedrohte Handlung oder für sie etwas erlangt" (§ 29a Abs. 1 OWiG) haben kann. Es sind keine Gründe dafür ersichtlich, die gerichtliche Zuständigkeit abweichend zu regeln, wenn darüber hinaus auch die Bestimmung des Wertes des Tatertrages zu überprüfen ist, zumal mit der Regelung des § 68 Abs. 3 OWiG in Verbindung mit der jeweiligen landesrechtlichen Verordnung erreicht werden soll, dass die Sachnähe des Gerichts erhalten bleibt (vgl. Senat, Beschluss vom 17. Oktober 2001 - 2 ARs 245/01, NStZ 2002, 153, Rn 4).

d) Das Amtsgericht Stuttgart ist gemäß § 28 Abs. 1 Nr. 5 a), Abs. 2 Nr. 2 ZuVOJu BW örtlich zuständig, weil der Einziehungsanordnung eine auf einer Autobahn begangene Ordnungswidrigkeit nach § 24 StVG zugrunde liegt und der Tatort (Sindelfingen) im Zuständigkeitsbereich des Landgerichts Stuttgart liegt."

5

Diesen Ausführungen schließt sich der Senat an.

Franke

Appl

Zeng

Grube

Schmidt

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