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Bundesgerichtshof
Urt. v. 04.11.2021, Az.: III ZR 249/20
Wasserversorgungsunternehmen als Inhaber der über das Grundstück des Anschlussnehmers führenden und in dessen Eigentum stehenden Rohrleitungsanlage in Gestalt der Hausanschlussleitung; Ausübung der tatsächlichen Gewalt über die Leitung (hier: Verantwortlichkeit für die Instandhaltung der Hausanschlussleitung)
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Urteil
Datum: 04.11.2021
Referenz: JurionRS 2021, 51092
Aktenzeichen: III ZR 249/20
ECLI: ECLI:DE:BGH:2021:041121UIIIZR249.20.0

Verfahrensgang:

vorgehend:

LG Stralsund - 11.04.2018 - AZ: 7 O 54/17

OLG Rostock - 04.09.2020 - AZ: 5 U 48/18

Fundstellen:

MDR 2022, 366-368

NJW 2022, 1258-1260

NJW-Spezial 2022, 163

NZM 2022, 350-352

r+s 2022, 86-89

VersR 2022, 321-322

ZfIR 2022, 99

BGH, 04.11.2021 - III ZR 249/20

Amtlicher Leitsatz:

  1. a)

    Zur Frage, wann das Wasserversorgungsunternehmen, Inhaber der über das Grundstück des Anschlussnehmers führenden und in dessen Eigentum stehenden Rohrleitungsanlage in Gestalt der Hausanschlussleitung ist, mithin die tatsächliche Gewalt über die Leitung ausübt (hier: Verantwortlichkeit für die Instandhaltung der Hausanschlussleitung).

  2. b)

    Allein der Umstand, dass der Anschlussnehmer die Kosten für die Instandhaltung oder Reparatur der Anschlussleitung zu tragen hat, macht ihn noch nicht zum Inhaber der Leitung.

Redaktioneller Leitsatz:

  1. 1.

    Bei Anschlussleitungen zu den Abnehmern einer Versorgungsanlage hängt es wesentlich von den Regelungen in den Satzungen oder Versorgungsbedingungen der Unternehmen sowie den entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen ab, wo die Übergabestelle liegt und somit die haftungsrechtliche Verantwortlichkeit des Versorgungsunternehmens endet und die des Anschlussnehmers beginnt.

  2. 2.

    Grundsätzlich werden Hausanschlüsse ausschließlich von dem Wasserversorgungsunternehmen hergestellt, unterhalten, erneuert, geändert, abgetrennt und beseitigt, woraus sich zugleich die tatsächliche Herrschaft über die Anlage ergibt.

Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 4. November 2021 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Herrmann, die Richterinnen Dr. Arend und Dr. Böttcher sowie die Richter Dr. Kessen und Liepin
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Oberlandesgerichts Rostock - 5. Zivilsenat - vom 4. September 2020 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des dritten Rechtszugs, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die klagende Versicherung macht nach der Regulierung eines Leitungswasserschadens Ansprüche auf Schadensersatz aus übergegangenem Recht ihrer Versicherungsnehmerin - einer Wohnungsbaugesellschaft - gegen das beklagte regionale Wasserversorgungsunternehmen geltend.

2

Am 21. Mai 2015 kam es zu einem Bruch der Trinkwasserleitung auf dem in Stralsund belegenen Grundstück der Versicherungsnehmerin. Der Rohrbruch ereignete sich in dem Abschnitt zwischen der Abzweigstelle des Verteilungsnetzes und der im Gebäude befindlichen Wasseruhr, das heißt in der Hausanschlussleitung außerhalb des Gebäudes. Infolgedessen kam es zu einer Überflutung des Kellergeschosses. Die Klägerin regulierte den der Höhe nach im einzelnen streitigen Schaden. Sie verlangt nunmehr von der Beklagten 122.620,31 € ersetzt. Die Kosten für die Reparatur der geborstenen Leitung sind in diesem Betrag nicht enthalten. Die Parteien streiten um die Verantwortlichkeit für die Anschlussleitung auf dem Grundstück der Versicherungsnehmerin, namentlich darüber, wer Inhaber der Leitungsanlage ist.

3

Die Klage ist in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr ursprüngliches Begehren weiter.

Entscheidungsgründe

4

Das Rechtsmittel hat Erfolg. Es führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

5

Das Oberlandesgericht hat einen Anspruch der Klägerin gemäß § 2 Abs.1 HaftPflG verneint. Es hat zur Begründung ausgeführt, die Klägerin habe nicht bewiesen, dass die Beklagte Inhaberin der Hausanschlussleitung gewesen sei. Inhaber einer Anlage sei derjenige, der die tatsächliche Verfügungsgewalt über die Anlage ausübe. Gemäß § 10 Abs. 1 und 3 Satz 2 AVBWasserV sei zwar grundsätzlich die Beklagte als Wasserversorgungsunternehmen für die Unterhaltung und Erneuerung des Leitungsabschnitts verantwortlich. Nach § 10 Abs. 6 AVBWasserV könnten jedoch von § 10 Abs. 3 AVBWasserV abweichende Vorschriften hinsichtlich des Eigentums am Hausanschluss und der daraus folgenden Pflichten, die bereits vor Erlass der Verordnung bestanden hätten, beibehalten werden. Dies gelte entsprechend auch für das Beitrittsgebiet. Die Versicherungsnehmerin der Klägerin sei am Tag des Wirksamwerdens des Beitritts der DDR zur Bundesrepublik unstreitig Eigentümerin der Leitung gewesen. Darüber hinaus sei sie unstreitig für die Instandhaltung der im Bereich ihres Privatgrundstücks befindlichen Leitung zuständig, was als starkes Indiz für ihre Inhaberschaft der Anlage anzusehen sei. Hinzu komme, dass es wesentlich von den Regelungen in der Satzung oder den Versorgungsbedingungen der Unternehmen abhänge, wo die Übergabestelle liege und damit die haftungsrechtliche Verantwortlichkeit des Versorgungsunternehmens ende und die des Anschlussnehmers beginne. Die von der Beklagten vorgelegten und von ihr bestätigten Wasserlieferbedingungen ihrer Rechtsvorgängerin seien am 13. November 1991, etwa 13,5 Monate nach Außerkrafttreten der Wasserversorgungsbedingungen der DDR in Kraft getreten. Darin sei die frühere Regelung des § 4 Abs. 4 WasserVB-DDR inhaltlich beibehalten worden. Darauf, dass die Versicherungsnehmerin die Instandhaltungsarbeiten an der Leitung nicht selbst habe ausführen dürfen, komme es für die tatsächliche Sachherrschaft nicht entscheidend an. Sie habe dafür zu sorgen, dass die Anlage technisch einwandfrei funktioniere und nicht schadhaft sei. Es habe in ihrer Hand gelegen, die entsprechenden Weisungen zur Instandhaltung ihres Eigentums an der Rohrleitung zu erteilen und der Beklagten zur Ausführung der Arbeiten den Zutritt zu ihrem Grundstück zu ermöglichen, so wie dies letztlich auch zur Schadensbeseitigung erfolgt sei. Da nach der Intention des Gesetzgebers bei der Einführung der strengen Gefährdungshaftung in vertragliche Beziehungen zwischen Versorgungsunternehmen und Abnehmern, die regelmäßig Haftungsvereinbarungen enthielten, möglichst nicht habe eingegriffen werden sollen, seien die vom Landgericht geäußerten Bedenken gegen eine Trennung zwischen dem Eigentum an der Leitung nebst vereinbarter Verpflichtung zur Instandhaltung der Leitung auf dem privaten Gelände sowie der haftungsrelevanten Inhaberschaft gemäß § 2 Abs. 1 HaftPflG nicht von der Hand zu weisen. Würde die Auffassung der Klägerin zutreffen, könnte die Versicherungsnehmerin die Instandhaltung ihrer Leitung auf ihrem Grundstück vernachlässigen, ohne im Schadensfall einer Haftung ausgesetzt zu sein.

II.

6

Dies hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Auf der Grundlage des bisherigen Sach- und Streitstands kann ein Anspruch der Klägerin aus gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1 VVG übergegangenem Recht ihrer Versicherungsnehmerin gegen die Beklagte auf Schadensersatz wegen des erlittenen Leitungswasserschadens gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 HaftPflG nicht ausgeschlossen werden.

7

1. Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 HaftPflG ist der Inhaber einer Anlage unter anderem dann zum Schadensersatz verpflichtet, wenn durch die Wirkungen von Flüssigkeiten aus einer Rohrleitungsanlage eine Sache beschädigt wird.

8

Um eine solche Anlage handelt es sich bei der hier betroffenen Versorgungsleitung. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts kam es infolge des Bruchs der Trinkwasseranschlussleitung zu einer Überflutung des Kellergeschosses in dem auf dem Grundstück der Versicherungsnehmerin stehenden Gebäude. Inhaberin der Anlage auch in dem hier betroffenen Leitungsabschnitt war die Beklagte.

9

a) Inhaber einer Anlage ist, wer die tatsächliche Herrschaft über den Betrieb ausübt und die hierfür erforderlichen Weisungen erteilen kann (vgl. zB Senat, Urteile vom 7. Februar 2008 - III ZR 307/05, NJW-RR 2008, 771 Rn. 17 und vom 1. Februar 2007 - III ZR 289/06, NJW-RR 2007, 823 Rn. 10; jew. mwN). Bei Anschlussleitungen zu den Abnehmern einer Versorgungsanlage hängt es wesentlich von den Regelungen in den Satzungen oder Versorgungsbedingungen der Unternehmen sowie den entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen ab, wo die Übergabestelle liegt und somit die haftungsrechtliche Verantwortlichkeit des Versorgungsunternehmens endet und die des Anschlussnehmers beginnt (vgl. Senatsurteile jew. aaO).

10

Vorliegend war die Hausanschlussleitung betroffen. Der Hausanschluss beginnt an der Abzweigstelle des Verteilungsnetzes und endet an der Hauptabsperrvorrichtung, der Wasseruhr (vgl. § 10 Abs. 1 der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Wasser - AVBWasserV - vom 20. Juni 1980 [BGBl. I S. 750] sowie Nr. 7 Abs. 1 der zwischen den Parteien geltenden Wasserlieferbedingungen der Beklagten, nachfolgend auch WLB). Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen liegen die Verfügungsgewalt über die gesamte Hausanschlussleitung und damit die haftungsrechtliche Verantwortung nach den Wasserlieferungsbedingungen der Beklagten bei dieser selbst. Dabei kann der Senat diese Bedingungen selbst auslegen, ohne an das tatrichterliche Verständnis der Vorinstanzen gebunden zu sein (vgl. zB Senat, Urteile vom 7. Februar 2008 aaO und vom 1. Februar 2007 aaO Rn. 11; BGH, Urteile vom 21. April 2015 - XI ZR 200/14, BGHZ 205, 83 Rn. 20 und vom 13. November 2012 - XI ZR 500/11, BGHZ 195, 298 Rn. 15). Allgemeine Geschäftsbedingungen sind ausgehend von den Verständnismöglichkeiten eines rechtlich nicht vorgebildeten Durchschnittskunden nach dem objektiven Inhalt und typischen Sinn der in Rede stehenden Klausel einheitlich so auszulegen, wie ihr Wortlaut von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der regelmäßig beteiligten Verkehrskreise verstanden wird (BGH, Urteile vom 21. April 2015 aaO und vom 13. November 2012 aaO Rn. 16).

11

b) Gemessen hieran erweist sich das Verständnis der Vorinstanzen insbesondere von Nummer 7 Abs. 6 WLB als unzutreffend.

12

aa) Die Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Wasser unterscheidet zwischen Betriebsanlagen und Kundenanlagen (vgl. § 10 Abs. 3 Satz 1 einerseits und § 12 AVBWasserV andererseits). Nach § 10 Abs. 3 Satz 1 AVBWasserV gehören Hausanschlüsse zu den Betriebsanlagen des Versorgungsunternehmens und stehen vorbehaltlich abweichender Vereinbarungen in dessen Eigentum. Gemäß § 10 Abs. 3 Satz 2 AVBWasserV bleibt aber im Gebiet der ehemaligen DDR das am Tag des Wirksamwerdens des Beitritts bestehende Eigentum eines Kunden an einem Hausanschluss, den er auf eigene Kosten errichtet oder erweitert hat, bestehen, solange er es nicht auf das Wasserversorgungsunternehmen überträgt (ebenso Anl. I Kap. V Sachgebiet D Abschn. III Nr. 16 lit. b des Einigungsvertrags vom 31. August 1990, BGBl. II S. 885). Allerdings ist die - auch hier vom Berufungsgericht festgestellte - Eigentümerstellung bei der Anlagenhaftung nicht der entscheidende Gesichtspunkt, sondern kann lediglich ein Indiz für die Inhaberschaft im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 HaftpflG sein (Senat, Urteil vom 30. April 2008 - III ZR 5/07, NVwZ 2008, 1157 [BGH 30.04.2008 - III ZR 5/07] Rn. 12 mwN). Dementsprechend werden unbeschadet der Regelung in Satz 2 gemäß § 10 Abs. 3 Satz 3 AVBWasserV Hausanschlüsse grundsätzlich ausschließlich von dem Wasserversorgungsunternehmen hergestellt, unterhalten, erneuert, geändert, abgetrennt und beseitigt, woraus sich zugleich die tatsächliche Herrschaft über die Anlage ergibt.

13

bb) Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ergibt sich vorliegend - unter Berücksichtigung einer möglichen Indizwirkung im obigen Sinne - auch nicht aus § 10 Abs. 6 AVBWasserV in Verbindung mit den Wasserlieferbedingungen der Beklagten.

14

(1) Gemäß § 10 Abs. 6 AVBWasserV können, soweit hinsichtlich des Eigentums am Hausanschluss und der daraus folgenden Pflichten zur Herstellung, Unterhaltung, Erneuerung, Änderung, Abtrennung und Beseitigung bestehende allgemeine Versorgungsbedingungen von Absatz 3 abweichen, diese Regelungen auch nach Inkrafttreten der Verordnung beibehalten werden. Diese zum 1. April 1980 - und damit mit Blick auf im damaligen Bundesgebiet bereits geltende Regelungen - in Kraft getretene Vorschrift (siehe § 37 Abs. 1 AVBWasserV) findet für das Beitrittsgebiet entsprechende Anwendung (BGH, Urteile vom 23. November 2011 - VIII ZR 23/11, NJW-RR 2012, 351 Rn. 37 und vom 26. September 2007 - VIII ZR 17/07, NZM 2008, 56 [BGH 26.09.2007 - VIII ZR 17/07] Rn. 18). Es muss sich daher aus den nach dem Beitritt in Kraft getretenen Bestimmungen ergeben, dass eine frühere - von § 10 AVBWasserV abweichende - Regelung weitergelten sollte.

15

(2) Dies ist vorliegend nicht der Fall.

16

In Betracht kommt eine Beibehaltung von § 4 Abs. 4 der Anordnung über die allgemeinen Bedingungen für den Anschluss von Grundstücken an die öffentlichen Wasserversorgungsanlagen und für die Lieferung und Abnahme von Trink und Betriebswasser vom 28. Januar 1978 (GBl. I S. 89; WasserVB-DDR). Hiernach oblagen Betrieb und Instandhaltung der Anschlussleitungen dem Rechtsträger beziehungsweise Eigentümer der Anlagen. Dieser wäre damit in der Regel auch Inhaber der Leitung im Sinne des § 2 Abs. 1 HaftPflG. Eigentümer der Anlagen war, wie sich aus Anl. I Kap. V Sachgebiet D Abschn. III Nr. 16 lit. b des Einigungsvertrags und § 10 Abs. 3 Satz 2 AVBWasserV erschließt, zumeist der Anschlussnehmer für die auf seinem Grundstück belegenen Teile der Hausanschlussleitung. § 4 Abs. 4 WasserVB-DDR war jedoch ab dem 3. Oktober 1990 nicht mehr anwendbar. Anders als in Bezug auf das Eigentum an dem Hausanschluss enthält der Einigungsvertrag hinsichtlich der Pflichten zur Herstellung, Unterhaltung, Erneuerung, Änderung, Abtrennung und Beseitigung des Anschlusses keine Bestimmung über die Fortgeltung der WasserVB-DDR (BGH aaO).

17

Auch den Wasserlieferbedingungen der Beklagten (WLB) ist nicht zu entnehmen, dass auf ihrer Grundlage die sich aus § 4 Abs. 4 WasserVB-DDR ergebende Instandhaltungspflicht des Anschlussnehmers beibehalten werden sollte. Im Gegenteil ergibt sich aus Nummer 7 Abs. 6 Satz 6 und 8 WLB die (technische und bauliche) Instandhaltungspflicht der Beklagten auch für die Teile der Hausanschlussleitung, die sich auf dem Grundstück des Anschlussnehmers befinden. Hieraus folgt weiter, dass sie über die tatsächliche Gewalt auch über diesen Leitungsteil verfügt und damit dessen Inhaber im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 HaftPflG ist. Dabei sind nach dem Regelungskonzept der Nummer 7 Abs. 6 WLB die Pflichten zur tatsächlichen technischen und baulichen Durchführung der Instandhaltungsmaßnahmen einerseits sowie die Last, die hierfür notwendigen Kosten zu tragen, andererseits zu unterscheiden.

18

Nummer 7 Abs. 6 WLB lautet, soweit vorliegend von Bedeutung:

"1Die Hausanschlussleitung von der Grundstücksgrenze bis zur Wasserzählanlage (...), mit Ausnahme des Wasserzählers, geht in das Eigentum des Kunden über, sobald sie fertiggestellt und abgenommen sind.

2Der Wasserzähler sowie der Teil der Hausanschlussleitung vom Verteilungsnetz bis zur Grundstücksgrenze sind Eigentum der R. GmbH [Beklagte].

3...

4Bei Hausanschlüssen mit einer Länge über 15 m vom Verteilungsnetz bis zur Grundstücksgrenze trifft (...) zu, dass vom Anschluss am Verteilungsnetz maximal 15 m Anschlussleitung entschädigungslos in das Eigentum der R. GmbH übergehen.

5Die Instandhaltung, Änderung und Auswechselung der restlichen Anschlusslänge des Anschlusses geht demzufolge zu Lasten des Anschlussnehmers.

6Die R. GmbH hält auf ihre Kosten die Hausanschlussleitung vom Verteilernetz bis zur Grundstücksgrenze und mit Ausnahme der in § 18 Abs. 3 AVBWasserV vorgesehenen Fälle auch den Wasserzähler instand.

7Wohnungsbaugesellschaften haben sämtliche Arbeiten an Leitungsabschnitten außerhalb öffentlicher Wege und Straßen zu tragen.

8Die R. GmbH ist allein berechtigt, Arbeiten zur Instandhaltung, Änderung und Auswechselung der übrigen Teile der Hausanschlussleitung auszuführen oder ausführen zu lassen.

9Das gilt auch für die Beseitigung der von unbefugter Seite ausgeführten Veränderungen an der Hausanschlussleitung.

10Diese Arbeiten gehen zu Lasten des Kunden.

11..."

19

Nummer 7 Abs. 8 WLB hat folgenden Wortlaut:

"1Die Hausanschlussleitung auf dem Grundstück - außerhalb wie innerhalb des Gebäudes - muss leicht zugänglich sein. 2Nach den gültigen technischen Regeln darf ihre Trasse weder überbaut (z.B. Garage, Müllbox, Stützmauer, Treppe) noch mit aufwendigen Sträuchern oder Bäumen überpflanzt sein oder ungewöhnlich hohe Überdeckungen haben. 3Bei Zuwiderhandlungen entstehende zusätzliche Kosten werden bei Reparatur oder Erneuerung nach Aufwand in Rechnung gestellt. 4Außerdem sind die Aufwendungen für die über den üblichen Rahmen hinausgehenden Oberflächenausführungen zu erstatten."

20

Die Sätze 1, 2 und 4 von Nummer 7 Abs. 6 WLB regeln die Eigentumsverhältnisse an den verschiedenen Teilen der Hausanschlussleitung. Sätze 5 und 6 bestimmen - sprachlich allerdings verunglückt - die Kostenlast unter anderem für die Instandhaltung der Leitungen. Dies gilt - anders als der Prozessbevollmächtigte der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vertreten hat - auch für Satz 7, der lediglich eine Modifikation der in Satz 5 und 6 getroffenen Regelungen beinhaltet.

21

Entgegen der Ansicht der Beklagten folgt aus der Bestimmung, wer die Kosten der Instandhaltung zu tragen hat, nichts zur Frage, wer die tatsächliche technische und bauliche Instandhaltung durchzuführen hat. Dies ist vielmehr in den Sätzen 8 und 9 geregelt. In Satz 8 behält sich die Beklagte das alleinige Recht vor, "Arbeiten zur Instandhaltung, Änderung und Auswechselung der übrigen Teile der Hausanschlussleitung auszuführen oder ausführen zu lassen." Unter den "übrigen Teilen der Hausanschlussleitung" im Sinne dieser Bestimmung sind die auf dem Grundstück des Anschlussnehmers belegenen Teile der Leitung zu verstehen. Denn die vom Abzweig bis zur Grundstücksgrenze verlaufenden Teile stehen - von der Ausnahme in Satz 4 abgesehen - im Eigentum der Beklagten (Nummer 7 Abs. 6 Satz 2 WLB), so dass ohnehin nur sie befugt ist, Arbeiten hieran auszuführen oder ausführen zu lassen (§ 903 Satz 1 BGB). Satz 8 ergibt damit nur Sinn, wenn er auch die dem Anschlussnehmer gehörenden Leitungsteile erfasst. Gleiches gilt für Satz 9. Diese Regelung wäre ebenfalls überflüssig, wenn sie nur die der Beklagten gehörenden Leitungsteile beträfe. Bestätigt wird diese Auslegung durch Satz 10, nach dem "diese Arbeiten zu Lasten des Kunden" gehen. Diese Regelung, die sich auf die davorstehenden Sätze bezieht, würde in einem sachlich nicht zu rechtfertigenden Widerspruch zur Kostenregelung in Satz 6 stehen, wenn die Sätze 8 und 9 auch die der Beklagten gehörenden Leitungsteile erfassten. Der Widerspruch bestünde nur dann nicht, wenn der Anschlussnehmer für die "von unbefugter Seite ausgeführten Veränderungen der Hausanschlussleitung" verantwortlich wäre. Satz 9 erfasst aber nicht nur diese Fallgestaltung, sondern auch Veränderungen durch Dritte.

22

Gestützt wird diese Auslegung von Nummer 7 Abs. 6 Satz 8 und 9 WLB durch Absatz 8. Diese Bestimmung regelt - unter Angabe von Details -, dass die Hausanschlussleitung auf dem Grundstück des Anschlussnehmers leicht zugänglich sein muss. Diese Klausel, die voraussetzt, dass die Beklagte dort Arbeiten an der Leitung ausführt, fügt sich darin ein, dass ihr die technische und bauliche Instandhaltungspflicht für die Hausanschlussleitung auch auf dem Grundstück des Anschlussnehmers obliegt.

23

Schließlich ist es - gerade mit Blick auf die von der Beklagten zu gewährleistende Sicherheit der Wasserversorgung - interessengerecht, dass die Instandhaltung der gesamten Hausanschlussleitung technisch in einer Hand verbleibt und der tatsächliche Zugriff auf diese Leitung ausschließlich der Beklagten zusteht.

24

d) Vor dem Hintergrund der einschlägigen Bestimmungen ist es ohne Bedeutung, dass die Vorinstanzen angenommen haben, es sei - wie im Übrigen tatsächlich nicht - unstreitig, dass die Versicherungsnehmerin für die Instandhaltung der Leitung zuständig gewesen sei. Wen die Pflicht zur Instandhaltung traf, ist eine - den Kern des Rechtsstreits darstellende - Rechts- und keine Tatsachenfrage.

25

2. Für den Ersatz des durch den Bruch der Leitung am Eigentum der Versicherungsnehmerin - mit Ausnahme der Anschlussleitung als solcher - verursachten Schadens hat die Beklagte aufzukommen. Dazu, ob der geltend gemachte Schaden auf den Wirkungen der Rohrleitungsanlage beruhte, hat das Berufungsgericht - aus seiner Sicht konsequent - aber ebenso wenig Feststellungen getroffen wie zu dessen Höhe oder einem schadensmindernden Mitverschulden der Klägerin beziehungsweise von deren Versicherungsnehmerin.

III.

26

Da die Sache folglich noch nicht zur Endentscheidung reif ist, ist der Senat an einer eigenen Sachentscheidung nach § 563 Abs. 3 ZPO gehindert. Das Urteil ist gemäß § 562 Abs. 1 ZPO aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO).

Herrmann

Arend

Böttcher

Kessen

Liepin

Von Rechts wegen

Verkündet am: 4. November 2021

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