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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 24.06.2020, Az.: XIII ZB 9/19
Verlängerung der Anordnung der Haft zur Sicherung der Abschiebung gegen den Betroffenen; Darstellungsanforderungen an den Haftantrag der beteiligten Behörde; Beschleunigungsgebot bei Freiheitsentziehungen i.R.d. Abschiebungshaft
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 24.06.2020
Referenz: JurionRS 2020, 34772
Aktenzeichen: XIII ZB 9/19
ECLI: ECLI:DE:BGH:2020:240620BXIIIZB9.19.0

Verfahrensgang:

vorgehend:

AG Ingolstadt - 21.09.2017 - AZ: 8 XIV 105/17

LG Ingolstadt - 15.11.2017 - AZ: 22 T 1511/17

BGH, 24.06.2020 - XIII ZB 9/19

Redaktioneller Leitsatz:

1. Die Heilung von Antragsmängeln im Verfahren über die Beschwerde gegen eine Haftanordnung setzt eine erneute persönliche Anhörung des Betroffenen voraus. Die Heilung tritt nicht schon mit der persönlichen Anhörung, sondern erst mit der Entscheidung des Gerichts ein.

2. Das Beschleunigungsgebot erfordert bei der Abschiebungshaft, dass diese auf das unbedingt erforderliche Maß beschränkt wird und die Ausländerbehörde die Abschiebung ohne unnötige Verzögerung betreibt. Ein Verstoß kann vorliegen, wenn die Ausländerbehörde nicht alle notwendigen Anstrengungen unternimmt, um Passersatzpapiere zu beschaffen.

Der XIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24. Juni 2020 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck, die Richterin Prof. Dr. Schmidt-Räntsch, die Richter Prof. Dr. Kirchhoff und Dr. Tolkmitt und die Richterin Dr. Linder
beschlossen:

Tenor:

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird festgestellt, dass die durch den Beschluss des Amtsgerichts Ingolstadt vom 21. September 2017 angeordnete und durch den Beschluss des Landgerichts Ingolstadt vom 15. November 2017 insoweit aufrechterhaltene Sicherungshaft den Betroffenen auch nach dem 25. Oktober 2017 in seinen Rechten verletzt hat.

Gerichtskosten werden in allen Instanzen nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen in allen Instanzen werden dem Freistaat Bayern auferlegt.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 5.000 €.

Gründe

1

I. Der Betroffene, nach seinen Angaben ein "Araber", reiste am 10. März 2017 ohne gültige Papiere in das Bundesgebiet ein und stellte am 16. März 2017 einen Asylantrag. Bei seiner Anhörung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (fortan: Bundesamt) am 20. März 2017 gab er an, marokkanischer Staatsangehöriger zu sein. Das Bundesamt lehnte mit Bescheid vom 29. März 2017 seine Anträge auf Anerkennung als Flüchtling sowie auf Gewährung sekundären Schutzes als offensichtlich unbegründet ab, forderte den Betroffenen auf, Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen, und drohte ihm unter Belehrung über seine Anzeigepflicht nach § 50 Abs. 4 AufenthG in deutscher und arabischer Sprache die Abschiebung nach Marokko an. Dieser Bescheid wurde dem Betroffenen am 3. April 2017 zugestellt und mit dem 11. April 2017 bestandskräftig. Der Betroffene war danach zunächst nicht auffindbar. Er wurde am 20. Juli 2017 aus den Niederlanden, wo er einen weiteren Asylantrag gestellt hatte, nach Deutschland überstellt. Auf Antrag der beteiligten Behörde wurde gegen den Betroffenen am gleichen Tag Haft zur Sicherung seiner Abschiebung nach Marokko bis zum 22. September 2017 angeordnet. Unmittelbar nach der Verkündung der Haftanordnung erklärte der Betroffene, er sei kein Marokkaner, sondern Algerier, erläuterte seine Erklärung, auch auf Nachfrage des Gerichts, aber nicht.

2

Mit Bescheid vom 15. August 2017 lehnte das Bundesamt einen Asylfolgeantrag des Betroffenen, der sich auch in diesem Verfahren als Marokkaner ausgab, als unzulässig ab. Am 22. August 2017 erfuhr die beteiligte Behörde, dass die um einen Fingerabdruckvergleich gebetenen marokkanischen Behörden keine Übereinstimmung der Fingerabdrücke des Betroffenen mit Fingerabdrücken in ihren Datenbeständen gefunden hatten. Die beteiligte Behörde forderte den Betroffenen deshalb auf, das Formular zur Beschaffung von Passersatzpapieren bei den algerischen Behörden auszufüllen, und meldete ihn, da er das nicht tat, zur Vorstellung bei den algerischen Konsularbehörden am 21. und 23. November 2017 an.

3

Auf ihren Antrag hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 21. September 2017 die Sicherungshaft gegen den Betroffenen bis zum 6. März 2018 verlängert. Auf die Beschwerde des Betroffenen hat das Landgericht festgestellt, dass diese Anordnung den Betroffenen bis einschließlich 25. Oktober 2017 in seinen Rechten verletzt hat. Im Übrigen hat das Landgericht die Beschwerde des Betroffenen unter Aufrechterhaltung der weitergehenden Haftverlängerung zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde, deren Zurückweisung die beteiligte Behörde beantragt, möchte der Betroffene - nach Ablauf der angeordneten Haftzeit - die Feststellung erreichen, dass die angeordnete Haft ihn auch nach dem 25. Oktober 2017 in seinen Rechten verletzt hat.

4

II. Das Rechtsmittel hat Erfolg.

5

1. Nach Auffassung des Beschwerdegerichts hat der Haftanordnung des Amtsgerichts ein unzulässiger Haftantrag zu Grunde gelegen. Die beteiligte Behörde habe die erforderliche Haftdauer nicht mit dem notwendigen Bezug zum Fall des Betroffenen dargestellt. Dieser Mangel sei aber mit Zuleitung des Schriftsatzes der beteiligten Behörde vom 23. Oktober 2017 an den Verfahrensbevollmächtigten des Betroffenen - am 25. Oktober 2017 - geheilt worden. Davon abgesehen, sei die Haftanordnung aber für den Zeitraum ab dem 26. Oktober 2017 nicht zu beanstanden. Der Betroffene sei vollziehbar ausreisepflichtig. In seinem Fall lägen die Haftgründe nach § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AufenthG in der bis zum 20. August 2019 geltenden Fassung (fortan: aF) und nach § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 mit § 2 Abs. 14 Nr. 2 und 3 AufenthG aF vor. Der Betroffene habe falsche Personalien angegeben und seine Pflicht zur Mitwirkung an der Feststellung seiner Identität verletzt. Die Haft sei auch nicht unverhältnismäßig. Mildere Mittel stünden nicht zur Verfügung. Aus dem Umstand, dass die Haftverlängerung um mehr als fünf Monate bereits nach sehr kurzer Inhaftierung erfolge, ergebe sich entgegen der Auffassung des Betroffenen nicht die Unzulässigkeit der Haftverlängerung. Die beteiligte Behörde habe vielmehr nachvollziehbar dargelegt, welche Schritte bis zur Durchführung der geplanten Abschiebung erforderlich und welcher Zeitraum hierfür zu veranschlagen sei. Sie habe auch den Beschleunigungsgrundsatz nicht verletzt und das Ergebnis der Prüfung der Fingerabdrücke des Betroffenen durch die marokkanischen Behörden abwarten dürfen. Bei widersprüchlichen Angaben eines Betroffenen sei die beteiligte Behörde auch unter Beachtung des Beschleunigungsgrundsatzes nicht gehalten, zeitgleich sämtliche Auslandsvertretungen aller von dem Betroffenen genannten Heimatländer zu konsultieren. Der Betroffene habe es selbst in der Hand, die Haftdauer durch seine Mitwirkung am Identifizierungsverfahren abzukürzen. Der Haftanordnung stehe auch nicht entgegen, dass die Haftverlängerung zu einer Dauer der Haft von insgesamt mehr als sechs Monaten führe. Denn der Betroffene habe durch bewusst falsche Angaben zu seiner Person und seiner Staatsangehörigkeit die Abschiebung verhindert.

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2. Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

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a) Die von dem Beschwerdegericht zutreffend angenommene Heilung der Mängel des Haftantrags der beteiligten Behörde vom 18. September 2017 ist entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts erst mit seiner Entscheidung am 15. November 2017 eingetreten. Bis zu diesem Zeitpunkt war die gegen den Betroffenen angeordnete Sicherungshaft schon mangels zulässigen Haftantrags rechtswidrig.

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aa) Haft zur Sicherung der Abschiebung darf gegen den Betroffenen nach § 417 Abs. 1 FamFG nur angeordnet werden, wenn der Haftantrag der beteiligten Behörde den Darstellungsanforderungen des § 417 Abs. 2 Satz 2 FamFG genügt. Diesen Anforderungen genügte der Haftantrag der beteiligten Behörde nicht, weil er die erforderliche Dauer der Haft nicht mit dem notwendigen Bezug zum Fall des Betroffenen dargestellt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Juni 2017 - V ZB 8/17, Asylmagazin 2018, 58 Rn. 8). Das hat das Beschwerdegericht zutreffend erkannt.

9

bb) Richtig gesehen hat das Beschwerdegericht ferner, dass der Mangel des Haftantrags nicht die Einleitung eines neuen Haftanordnungsverfahrens vor dem Amtsgericht erfordert, sondern im laufenden Beschwerdeverfahren geheilt werden kann (BGH, Beschluss vom 15. September 2011 - V ZB 136/11, InfAuslR 2011, 471 Rn. 9) und dass dies auch durch zusätzlichen Vortrag der beteiligten Behörde geschehen kann, der ihre Darlegungen ergänzt, dadurch die Lücken in ihrem Haftantrag schließt und zu dem der Betroffene Stellung nehmen kann (BGH, Beschlüsse vom 15. September 2011 - V ZB 136/11, InfAuslR 2011, 471 Rn. 10, und vom 16. Juli 2014 - V ZB 80/13, InfAuslR 2014, 384 Rn. 22). Richtig ist ferner, dass der Schriftsatz der beteiligten Behörde vom 23. Oktober 2017 diesen inhaltlichen Anforderungen genügt. Die Haftdauer wird in diesem Schriftsatz mit Bezug auf den Betroffenen aus der Sicht der beteiligten Behörde dargestellt. Dass sich die beteiligte Behörde in diesem Schriftsatz nicht zu der Möglichkeit äußert, die Fingerabdrücke des Betroffenen zur Identifizierung des Betroffenen durch die algerischen Behörden zu verwenden, ändert daran nichts. Diese Gesichtspunkte betreffen die Richtigkeit des Vorgehens der beteiligten Behörde und damit eine Frage der Begründetheit (vgl. dazu BGH, Beschlüsse vom 12. Dezember 2013 - V ZB 214/12, juris Rn. 9, und vom 15. Oktober 2015 - V ZB 82/14, juris Rn. 7).

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cc) Das bedeutet aber entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts nicht, dass die Heilung ohne weiteres schon mit dem Zugang eines entsprechenden Schriftsatzes der beteiligten Behörde bei dem Verfahrensbevollmächtigten des Betroffenen eintritt. Die Einreichung eines solchen Schriftsatzes ist vielmehr nur notwendige, aber nicht hinreichende Voraussetzung für die Heilung. Die Heilung von Antragsmängeln im Verfahren über die Beschwerde gegen eine Haftanordnung setzt vielmehr nach § 68 Abs. 3, § 420 FamFG eine erneute persönliche Anhörung des Betroffenen voraus (BGH, Beschlüsse vom 12. Oktober 2016 - V ZB 8/15, juris Rn. 9, und vom 20. September 2018 - V ZB 4/17, InfAuslR 2019, 23 Rn. 14), die das Beschwerdegericht hier auch durchgeführt hat. Die Heilung tritt nicht schon mit der persönlichen Anhörung, sondern erst mit der Entscheidung des Gerichts ein (BGH, Beschlüsse vom 25. Januar 2018 - V ZB 71/17, InfAuslR 2018, 218 Rn. 6, 9, vom 12. Juli 2018 - V ZB 184/17, Asylmagazin 2019, 78 Rn. 10, vom 22. August 2019 - V ZB 179/17, juris Rn. 21, und vom 22. August 2019 - V ZB 39/19, InfAuslR 2019, 454 Rn. 9). Der Mangel des Haftantrags der beteiligten Behörde ist deshalb erst mit der Entscheidung des Beschwerdegerichts am 15. November 2017 geheilt worden.

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b) Das Beschwerdegericht hätte die Beschwerde des Betroffenen nicht zurückweisen dürfen, sondern die Haftverlängerung nach § 62 Abs. 1 Satz 2 AufenthG, § 426 Abs. 1 FamFG von Amts wegen für die Zukunft aufheben müssen (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 20. Oktober 2016 - V ZB 167/14, NVwZ 2017, 733 [20] = juris Rn. 13). Die beteiligte Behörde hat nämlich schon während der mit dem Beschluss vom 20. Juli 2017 angeordneten Sicherungshaft und auch in den ersten beiden Monaten der hier zu überprüfenden Verlängerung dieser Haft gegen das aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2, Art. 104 GG und Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK analog folgende (BGH, Beschluss vom 19. Mai 2011 - V ZB 247/10, juris Rn. 6) Beschleunigungsgebot verstoßen.

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aa) Das Beschleunigungsgebot bei Freiheitsentziehungen verlangt, dass die Abschiebungshaft auf das unbedingt erforderliche Maß beschränkt wird und die Ausländerbehörde die Abschiebung ohne unnötige Verzögerung betreibt. Ein Verstoß kann vorliegen, wenn die Ausländerbehörde nicht alle notwendigen Anstrengungen unternimmt, um Passersatzpapiere zu beschaffen (BGH, Beschlüsse vom 11. Juli 1996 - V ZB 14/96, BGHZ 133, 235, 239, und vom 18. August 2010 - V ZB 119/10, juris Rn. 18), und führt dazu, dass die Haft aus Gründen der Verhältnismäßigkeit nicht mehr weiter aufrechterhalten werden darf (BGH, Beschlüsse vom 10. Juni 2010 - V ZB 205/09, FGPrax 2010, 261 [25] = juris Rn. 16, und vom 10. Oktober 2013 - V ZB 25/13, juris Rn. 6; Bergmann/Dienelt/Winkelmann, Ausländerrecht, 13. Aufl., § 62 AufenthG Rn. 37).

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bb) So liegt es hier. Die beteiligte Behörde ist den Anforderungen, die sich aus dem Beschleunigungsgebot für die Verfahrensgestaltung der Ausländerbehörde ergeben, nicht gerecht geworden.

14

(1) Das ergibt sich allerdings entgegen der Ansicht des Betroffenen nicht schon daraus, dass die beteiligte Behörde seinen Hinweis nach Verkündung der ersten Haftanordnung im Anschluss an seine persönliche Anhörung am 20. Juli 2017, er sei Algerier, nicht zum Anlass genommen hat, sich umgehend auch bei den algerischen Behörden um Passersatzpapiere für ihn zu bemühen. Die Ausländerbehörden haben nämlich bei der Umsetzung des Beschleunigungsgebots einen organisatorischen Spielraum (BGH, Beschluss vom 21. Oktober 2010 - V ZB 56/10, juris Rn. 13). Sie müssen Erfolg versprechende Bemühungen um Passersatzpapiere bei einem als Heimatland in Betracht kommenden Zielstaat nicht allein deshalb abbrechen oder um Bemühungen um die Beschaffung von Passersatzpapieren bei einem anderen Zielstaat ergänzen, weil der Betroffene behauptet, Angehöriger eines anderen Staates zu sein. Solche Bemühungen sind erst, dann aber auch stets angezeigt, wenn sich greifbare Anhaltspunkte dafür ergeben, dass eine solche Behauptung des Betroffenen zutreffen kann. Hier gab die Behauptung des Betroffenen nach der Verkündung der Haftanordnung vom 20. Juli 2017 keinen Anlass, von der Bemühung um Passersatzpapiere bei den marokkanischen Behörden Abstand zu nehmen oder zusätzlich Bemühungen um Passersatzpapiere bei den algerischen Behörden aufzunehmen. Der Betroffene hatte sich im Asylverfahren vor dem Bundesamt als marokkanischer Staatsangehöriger ausgegeben. In der der Haftanordnung vom 20. Juli 2017 unmittelbar vorausgegangenen persönlichen Anhörung hatte er die aus dem Bescheid des Bundesamtes übernommenen Personalien widerspruchslos feststellen lassen und auch in der Sache nicht zu erkennen gegeben, dass Marokko nicht sein Heimatland sei. Er hat auf Vorhalt des Amtsrichters, er habe doch gerade erklärt, er stamme aus Marokko, keine nähere Erläuterung oder Erklärung gegeben. Die beteiligte Behörde durfte deshalb davon ausgehen, dass der Betroffene mit seiner Behauptung, er sei Algerier, nur Verwirrung stiften wollte. Bestätigt wurde sie in dieser Einschätzung dadurch, dass der Betroffene sich auch in einem Asylfolgeverfahren wiederum als marokkanischer Staatsangehöriger, wenn auch mit abweichendem Geburtsdatum und -ort, ausgab.

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(2) Die beteiligte Behörde hat das Beschleunigungsgebot allerdings durch die Verfahrensweise verletzt, die sie nach der Auskunft der marokkanischen Behörden vom 22. August 2017, die vorgelegten Fingerabdrücke des Betroffenen zeigten in den dortigen Datensätzen keine Entsprechung, wählte. Sie hat sich darauf beschränkt, den Betroffenen zur Ausfüllung des für die Beschaffung von Passersatzpapieren bei den algerischen Behörden benötigten Formulars aufzufordern, an seine Mitwirkungspflichten zu erinnern und ihn für den nächsten Sammelprüfungstermin bei den algerischen Konsularbehörden anzumelden, der etwa drei Monate später lag. Dieses Vorgehen entspricht den Anforderungen des Beschleunigungsgebots nicht. Richtig ist zwar, dass die beteiligte Behörde die Identifizierung des Betroffenen durch die algerischen Behörden nicht mit den in Art. 1 des Protokolls zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Demokratischen Volksrepublik Algerien über die Identifizierung und die Rückübernahme vom 14. Februar 1997 (vorläufig angewandt seit dem 1. November 1999, gemäß Bekanntmachung vom 4. Dezember 2003, BGBl. 2004 II S. 16, in Kraft getreten am 12. Mai 2006 gemäß Bekanntmachung vom 2. November 2006, BGBl. II S. 1144 - Dt.-Alg. Rückführungsabkommen) vorgesehenen amtlichen algerischen Dokumenten nachweisen konnte. Daraus durfte die beteiligte Behörde aber nicht den Schluss ziehen, sie dürfe in Ermangelung von "Sachbeweisen" den nächsten Sammeltermin bei den algerischen Konsularbehörden in Deutschland am 21./23. November 2007 abwarten. Sie hatte die elektronischen Fingerabdrücke des Betroffenen, die ebenso wie gegenüber den marokkanischen Behörden auch gegenüber den algerischen Behörden als Mittel der Identifizierung des Betroffenen dienen konnten. Sie war nach Art. 2 Abs. 4 des Abkommens verpflichtet, diese Fingerabdrücke als Mittel der Glaubhaftmachung der Identität des Betroffenen den algerischen Behörden unverzüglich vorzulegen, die sie ebenso unverzüglich hätten prüfen müssen. Diese Möglichkeit hatte sie in dem zweiten Monat der am 20. Juli 2017 gegen den Betroffenen angeordneten ersten Haft ebenso wenig genutzt wie in den ersten beiden Monaten der Verlängerungshaft. Nach dem von der Behörde dargestellten Vorgehensplan war die Nutzung dieser sich aufdrängenden Beschleunigungsmöglichkeiten auch weiterhin nicht beabsichtigt. Auf dieser Grundlage hatte das Beschwerdegericht die Haft aufzuheben. Sie ist auch für den Zeitraum nach der Entscheidung des Beschwerdegerichts am 15. November 2017 rechtswidrig, was auf Antrag des Betroffenen festzustellen ist.

16

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 83 Abs. 2 FamFG. Die Festsetzung des Beschwerdewerts folgt aus § 36 Abs. 2 und 3 GNotKG.

Meier-Beck

Schmidt-Räntsch

Kirchhoff

Tolkmitt

Linder

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