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Bundesgerichtshof
Urt. v. 02.04.2019, Az.: XI ZR 687/17
Wirksamkeit des Widerrufs des Verbraucherdarlehensvertrages; Unrichtige Belehrung über das Widerrufsrecht nach § 495 Abs. 1 BGB; Verwirkung des Widerrufsrechts; Ordnungsgemäße Nachbelehrung
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Urteil
Datum: 02.04.2019
Referenz: JurionRS 2019, 20280
Aktenzeichen: XI ZR 687/17
ECLI: ECLI:DE:BGH:2019:020419UXIZR687.17.0

Verfahrensgang:

vorgehend:

LG Duisburg - 07.10.2016 - AZ: 10 O 32/16

OLG Düsseldorf - 27.10.2017 - AZ: I-17 U 215/16

Rechtsgrundlage:

§ 495 Abs. 1 BGB

BGH, 02.04.2019 - XI ZR 687/17

Redaktioneller Leitsatz:

Die Unkenntnis des Darlehensnehmers vom Fortbestand des Widerrufsrechts hindert keine Verwirkung. Für das Umstandsmoment der Verwirkung kommt es weder auf die Kenntnis des Darlehensnehmers vom Fortbestand seines Widerrufsrechts noch auf das Vertrauen des Darlehensgebers an, der Darlehensnehmer habe in sonstiger Weise Kenntnis vom Fortbestand seines Widerrufsrechts erlangt.

Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat gemäß § 128 Abs. 2 ZPO im schriftlichen Verfahren, in dem Schriftsätze bis zum 19. März 2019 eingereicht werden konnten, durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. Ellenberger, die Richter Dr. Joeres und Dr. Matthias, die Richterin Dr. Menges und den Richter Dr. Tolkmitt
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 17. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 27. Oktober 2017 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als das Berufungsgericht zum Nachteil der Beklagten erkannt hat.

Auf die Anschlussrevision der Kläger wird unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen das vorbezeichnete Urteil weiter insoweit aufgehoben, als das Berufungsgericht die Berufung der Kläger ihren Antrag betreffend zurückgewiesen hat, die Beklagte zur Zahlung von Zinsen in Höhe von zweieinhalb Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 9.309,65 € zwischen dem 14. Juni 2010 und dem 30. September 2015 zu verurteilen.

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg vom 7. Oktober 2016 wird auch insoweit zurückgewiesen, als die Kläger die Erstattung außergerichtlicher Kosten der Rechtsverfolgung nebst Zinsen begehrt haben.

Im übrigen Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit des Widerrufs der auf den Abschluss dreier Verbraucherdarlehensverträge gerichteten Willenserklärungen der Kläger.

2

Die Parteien schlossen im September 2003 drei Verbraucherdarlehensverträge, zum Ersten über 44.000 € mit einem bis zum 30. Juni 2011 festen Nominalzinssatz von 4,850% p.a. (effektiv 4,96%), zum Zweiten über 66.000 € mit einem bis zum 30. Juni 2013 festen Nominalzinssatz von 4,650% p.a. (effektiv 4,75%) und zum Dritten aus Mitteln der Kreditanstalt für Wiederaufbau über 46.000 € mit einem bis zum 30. September 2013 festen Nominalzinssatz von 4,150% p.a. (effektiv 4,22%). In den Darlehensverträgen über 44.000 € und 66.000 € war ausdrücklich vorgesehen, die Darlehen könnten "erst in Anspruch genommen werden, wenn alle Voraussetzungen dafür erfüllt" seien, "dass die vereinbarten Sicherheiten" - unter anderem eine "neue" Grundschuld über 156.000 € - der Beklagten "zur Verfügung" stünden. In dem Darlehensvertrag über 46.000 € hieß es, der Beklagten werde unter anderem als Sicherheit eine "neue" Grundschuld über 156.000 € gestellt. Bei Abschluss der Darlehensverträge belehrte die Beklagte die Kläger anhand des Formulars, das Gegenstand des Senatsurteils vom 12. Juli 2016 (XI ZR 564/15, BGHZ 211, 123 ff.) war. Die Kläger erbrachten vertragsgemäße Leistungen. Am 31. März 2010 einigten sie sich mit der Beklagten auf eine vorzeitige Beendigung der Darlehensverträge. Die Beklagte vereinnahmte am 14. Juni 2010 Aufhebungsentgelte in Höhe von insgesamt 9.309,65 €. Sie gab die Sicherheiten frei. Unter dem 27. Juni 2015 widerriefen die Kläger ihre auf Abschluss der Darlehensverträge gerichteten Willenserklärungen. Die Beklagte wies den Widerruf mit Schreiben vom 10. Juli 2015 zurück. Daraufhin setzten die vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Kläger der Beklagten mit Schreiben vom 16. September 2015 eine Frist zur Rückzahlung der Aufhebungsentgelte bis zum 30. September 2015. Die Beklagte kam dieser Aufforderung nicht nach.

3

Ihre Klage auf Erstattung der Aufhebungsentgelte nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14. Juni 2010, auf Herausgabe mutmaßlich auf Leistungen der Kläger bis zum 14. Juni 2010 gezogener Nutzungen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nebst Zinsen und auf Erstattung vorgerichtlich verauslagter Anwaltskosten hat das Landgericht abgewiesen. Auf die Berufung der Kläger hat das Berufungsgericht unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen das landgerichtliche Urteil teilweise abgeändert. Es hat die Beklagte verurteilt, an die Kläger 9.309,65 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 1. Oktober 2015 zu zahlen. Weiter hat es die Beklagte - entsprechend den in der Berufungsinstanz reduzierten Anträgen der Kläger - zur Herausgabe von auf deren Leistungen bis zum 14. Juni 2010 gezogenen und in Höhe von zweieinhalb Prozentpunkten über dem Basiszinssatz vermuteten Nutzungen nebst Zinsen sowie zur Erstattung vorgerichtlich verauslagter Anwaltskosten nebst Rechtshängigkeitszinsen verurteilt. Dagegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Beklagten, mit der sie ihren Antrag auf vollständige Zurückweisung der Berufung der Kläger weiterverfolgt. Die Kläger erstreben mit der Anschlussrevision die weitere Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 9.309,65 € zwischen dem 14. Juni 2010 und dem 30. September 2015.

Entscheidungsgründe

A. Revision der Beklagten

4

Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Sie führt, soweit das Berufungsgericht zum Nachteil der Beklagten erkannt hat, zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

5

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung - soweit für die Revision der Beklagten von Bedeutung - im Wesentlichen ausgeführt:

6

Die Darlehensverträge der Parteien hätten sich aufgrund des Widerrufs der Kläger in Rückgewährschuldverhältnisse umgewandelt, weil die Beklagte die Kläger, ohne dass sie sich auf die Gesetzlichkeitsfiktion des Musters für die Widerrufsbelehrung berufen könne, unzureichend deutlich über das ihnen zukommende Widerrufsrecht belehrt habe.

7

Die Kläger hätten ihr Widerrufsrecht nicht verwirkt. Es fehle jedenfalls am erforderlichen Umstandsmoment. Die Beklagte habe sich im Juni 2015 noch nicht darauf einrichten dürfen, dass die Kläger einen Widerruf nicht mehr erklärten. Die Kläger hätten keinen entsprechenden Vertrauenstatbestand gesetzt. Weder die Erfüllung ihrer Zahlungspflichten noch deren vorzeitige Ablösung und die damit einhergehende Rückgabe der Sicherheiten rechtfertigten ein solches Vertrauen. Entscheidend sei, dass die Beklagte als Darlehensgeberin dafür verantwortlich gewesen sei, den Klägern eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung zu erteilen, und mittels der unzureichenden Widerrufsbelehrung selbst dafür gesorgt habe, dass die Widerrufsfrist nicht angelaufen sei. Da für die Beklagte kein Anlass bestanden habe anzunehmen, dass die Kläger von der fortbestehenden Möglichkeit des Widerrufs gewusst hätten, habe sie das Verhalten der Kläger während der Laufzeit der Darlehensverträge und im Zusammenhang mit deren vorzeitiger Beendigung nicht so verstehen dürfen, ein Widerruf werde nicht mehr erklärt.

8

Das Berufungsgericht verkenne nicht, dass es Darlehensgebern bei beendeten Darlehensverträgen möglich sein müsse, sich wegen der Wechselwirkung von Zeit- und Umstandsmoment ab einem bestimmten Zeitpunkt darauf einzustellen, dass der Darlehensnehmer Forderungen nicht mehr geltend mache. Eine zeitliche Zäsur in diesem Sinne liege in dem Ablauf der handelsrechtlichen Aufbewahrungsfristen, die hier allerdings noch nicht verstrichen gewesen seien.

9

Dispositionen darauf, ein Widerruf der Kläger werde unterbleiben, habe die Beklagte nicht getroffen. Da sie von der Ordnungsmäßigkeit der Widerrufsbelehrung ausgegangen sei, habe sie weder vor Abschluss der Aufhebungsverträge Rückstellungen gebildet noch nach Abschluss der Aufhebungsverträge solche Rückstellungen aufgelöst. Dass sie mit den "von den Klägern erhaltenen Geldern geschäftsmäßig gearbeitet" habe, wie es ihrem Satzungszweck entspreche, reiche zur Begründung des Umstandsmoments nicht aus.

10

Insgesamt halte das Berufungsgericht auch bei einer einverständlichen Beendigung eines Darlehensvertrags den "nachträglichen Widerruf nur dann für verwirkt", wenn das Vertrauen des Darlehensgebers, der Darlehensnehmer werde nicht mehr widerrufen, sich auf besondere Umstände stützen könne. Dies könne etwa der Fall sein, wenn die Parteien ein "Gesamtpaket" vereinbart hätten, der Darlehensnehmer die Vorteile dieser Vereinbarung habe nutzen können und sein Widerruf deshalb als illoyales Verhalten erscheine, mit dem der Darlehensgeber nicht habe rechnen müssen. Ein Umstandsmoment könne auch darin liegen, dass die Bank im Zuge einer unechten Abschnittsfinanzierung den Darlehensnehmer neu und zutreffend über sein Widerrufsrecht unterrichte, der Darlehensnehmer das Darlehen zu veränderten Konditionen weiter nutze und gleichwohl den "Ursprungsvertrag" widerrufe. Eine tatsächliche Vermutung des Inhalts, der Darlehensnehmer werde nach Ablauf von sechs Monaten nach der einvernehmlichen Beendigung des Darlehensvertrags von seinem Widerrufsrecht keinen Gebrauch mehr machen, vermöge das Berufungsgericht dagegen ebenso wenig anzuerkennen wie die Wertung, in der einvernehmlichen Beendigung des Darlehensvertrags liege immer dann das Umstandsmoment, wenn die Parteien diesen Zustand als endgültig angesehen hätten.

11

Der Anspruch auf Erstattung vorgerichtlich verauslagter Anwaltskosten beruhe auf Verzug, weil die Beklagte den Widerruf der Kläger mit Schreiben vom 10. Juli 2015 zurückgewiesen habe.

II.

12

Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht in allen Punkten stand:

13

1. Das Berufungsgericht ist allerdings entgegen den Einwänden der Revision zutreffend davon ausgegangen, auf der Grundlage des nach Art. 229 § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 22 Abs. 2, § 32 Abs. 1, § 38 Abs. 1 EGBGB maßgeblichen Rechts habe die Beklagte die Kläger unrichtig über das ihnen zustehende Widerrufsrecht nach § 495 Abs. 1 BGB belehrt, ohne dass sie sich auf die Gesetzlichkeitsfiktion des Musters für die Widerrufsbelehrung gemäß Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV in der hier maßgeblichen, zwischen dem 1. September 2002 und dem 7. Dezember 2004 geltenden Fassung habe berufen können (vgl. Senatsurteile vom 12. Juli 2016 - XI ZR 564/15, BGHZ 211, 123 Rn. 17 ff., 20 ff., vom 7. November 2017 - XI ZR 369/16, WM 2018, 45 Rn. 15, vom 16. Oktober 2018 - XI ZR 69/18, WM 2018, 2275 Rn. 10 und vom 27. November 2018 - XI ZR 111/17, juris Rn. 10). Einen von der Revision behaupteten konkludenten "Verzicht" der Kläger auf ihr Widerrufsrecht hat das Berufungsgericht weder festgestellt noch sind dafür sonst Anhaltspunkte ersichtlich.

14

2. Rechtsfehlerhaft sind dagegen die Erwägungen, mit denen das Berufungsgericht das Umstandsmoment der Verwirkung des Widerrufsrechts verneint hat.

15

a) Nicht beschwert ist die Beklagte allerdings durch die vom Berufungsgericht ohne Entscheidungsrelevanz angestellte rechtsfehlerhafte Überlegung, das "Umstandsmoment" könne "auch darin liegen", dass der Darlehensgeber im Zuge einer unechten Abschnittsfinanzierung den Darlehensnehmer "neu und zutreffend über sein Widerrufsrecht" informiere, der Darlehensnehmer das Darlehen "zu veränderten Konditionen weiter" nutze "und gleichwohl den Ursprungsvertrag" widerrufe. Eine "zutreffende" Widerrufsbelehrung "im Zuge einer unechten Abschnittsfinanzierung" könnte nur eine gesetzmäßige Nachbelehrung sein, weil für eine Konditionenanpassung im Rahmen der unechten Abschnittsfinanzierung kein gesetzliches Widerrufsrecht besteht (vgl. Senatsurteil vom 28. Mai 2013 - XI ZR 6/12, WM 2013, 1314 Rn. 19 ff.; Senatsbeschluss vom 15. Januar 2019 - XI ZR 202/18, WM 2019, 251 Rn. 2) und der eine Widerrufsbelehrung erteilende Darlehensgeber dem Darlehensnehmer für die Konditionenanpassung die Vereinbarung eines vertraglichen Widerrufsrechts nicht anbietet (Senatsurteil vom 23. Januar 2018 - XI ZR 359/16, WM 2018, 664 Rn. 19 f.). Im Falle einer ordnungsgemäßen Nachbelehrung erlosch indessen nach dem hier intertemporal maßgebenden Recht ein Recht zum Widerruf der auf Abschluss des "Ursprungsvertrags" gerichteten Willenserklärung mit Ablauf der Monatsfrist des § 355 Abs. 2 Satz 2 BGB in der bis zum 10. Juni 2010 geltenden Fassung, ohne dass es eines Rückgriffs auf das Institut der Verwirkung bedurft hätte.

16

b) Zu Lasten der Beklagten rechtsfehlerhaft ist dagegen die Annahme des Berufungsgerichts, dem Umstandsmoment sei eine zeitliche Komponente immanent, die hier nicht gegeben sei. So wenig, wie die Verwirkung ein "Mindestzeitmoment" voraussetzt (Senatsurteile vom 10. Oktober 2017 - XI ZR 393/16, WM 2017, 2247 Rn. 9 und - XI ZR 455/16, juris Rn. 21 sowie vom 15. Mai 2018 - XI ZR 508/16, juris Rn. 12), existieren für die Erfüllung des Umstandsmoments Mindestfristen. Zwar kann der Zeitraum zwischen der Beendigung des Verbraucherdarlehensvertrags und dem Widerruf gerade im Hinblick auf die Rechtsfolgen des Widerrufs (Senatsbeschluss vom 12. September 2017 - XI ZR 365/16, WM 2017, 2146 Rn. 8) bei der Prüfung des Umstandsmoments Berücksichtigung finden (Senatsbeschlüsse vom 23. Januar 2018 - XI ZR 298/17, WM 2018, 614 Rn. 14 und vom 25. September 2018 - XI ZR 462/17, juris Rn. 11). Anders, als das Berufungsgericht mit seinen Ausführungen zum Ablauf der handelsrechtlichen Aufbewahrungsfristen in den Raum gestellt hat, bedarf es für die Annahme, das Umstandsmoment sei nach Beendigung des Darlehensvertrags erfüllt, aber keiner Mindestzeitspanne.

17

c) Das Berufungsgericht hat bei der Prüfung der Verwirkung überdies die höchstrichterliche Rechtsprechung verkannt, der zufolge die Unkenntnis des Darlehensnehmers vom Fortbestand des Widerrufsrechts eine Verwirkung nicht hindert. Es hat unterstellt, solange der Darlehensgeber davon ausgehen müsse, der Darlehensnehmer habe vom Fortbestehen des Widerrufsrechts keine Kenntnis, könne der Darlehensgeber schutzwürdiges Vertrauen im Sinne des Umstandsmoments nicht bilden. Damit hat das Berufungsgericht, was die Revision der Sache nach zu Recht beanstandet, einen Rechtssatz formuliert, der zu der höchstrichterlichen Rechtsprechung in Widerspruch steht. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt es für das Umstandsmoment der Verwirkung weder auf die Kenntnis des Darlehensnehmers vom Fortbestand seines Widerrufsrechts noch auf das Vertrauen des Darlehensgebers an, der Darlehensnehmer habe in sonstiger Weise Kenntnis vom Fortbestand seines Widerrufsrechts erlangt. Dass der Darlehensgeber davon ausgeht oder ausgehen muss, der Darlehensnehmer habe von seinem Widerrufsrecht keine Kenntnis, schließt vielmehr eine Verwirkung nicht aus (st. Rspr., vgl. zusammenfassend Senatsbeschluss vom 23. Januar 2018 - XI ZR 298/17, WM 2018, 614 Rn. 17 mwN).

18

d) Das Berufungsgericht hat schließlich rechtsfehlerhaft außer Acht gelassen, dass der Umstand, dass der Darlehensgeber Sicherheiten freigegeben hat, ein Aspekt ist, den der Tatrichter bei der Prüfung des Umstandsmoments berücksichtigen kann. Dem steht entgegen der Rechtsmeinung des Berufungsgerichts nicht entgegen, dass der Darlehensgeber nach Beendigung des Darlehensvertrags und vollständiger Erfüllung der aus dem unwiderrufenen Darlehensvertrag resultierenden Pflichten des Darlehensnehmers die Sicherheiten ohnehin freizugeben hätte. Die Sicherheiten sichern regelmäßig auch Ansprüche aus einem Rückgewährschuldverhältnis nach § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB in der bis zum 12. Juni 2014 geltenden Fassung (künftig: aF) in Verbindung mit §§ 346 ff. BGB. Dem Rückgewähranspruch des Darlehensnehmers aus der Sicherungsabrede haftet die für den Fall des Widerrufs auflösende Rechtsbedingung einer Revalutierung an. Beendet der Darlehensgeber trotz der Möglichkeit der Revalutierung durch Rückgewähr der Sicherheit den Sicherungsvertrag, kann darin die Ausübung beachtlichen Vertrauens im Sinne des § 242 BGB liegen (Senatsurteile vom 11. September 2018 - XI ZR 125/17, WM 2018, 2128 Rn. 34 und vom 16. Oktober 2018 - XI ZR 45/18, WM 2018, 2274 Rn. 17 sowie - XI ZR 69/18, WM 2018, 2275 [BGH 16.10.2018 - XI ZR 69/18] Rn. 15; Senatsbeschluss vom 23. Januar 2018 - XI ZR 298/17, WM 2018, 614 Rn. 20 mwN). Indem das Berufungsgericht einen unzumutbaren Nachteil - richtig verstanden: im Sinne der relevanten Ausübung von Vertrauen durch die Beklagte - ausgeschlossen hat, hat es sich in Widerspruch zur höchstrichterlichen Rechtsprechung gesetzt.

19

e) Dass die Beklagte mit Leistungen der Kläger nach Beendigung der Darlehensverträge gearbeitet hat, ist im Übrigen ein Umstand, der bei der Entscheidung über die Verwirkung des Widerrufsrechts veranschlagt werden kann (Senatsurteile vom 16. Oktober 2018 - XI ZR 45/18, WM 2018, 2274 Rn. 16 sowie - XI ZR 69/18, WM 2018, 2275 [BGH 16.10.2018 - XI ZR 69/18] Rn. 14). Das Berufungsgericht, das gemeint hat, dass die Beklagte "mit den von den Klägern erhaltenen Geldern geschäftsmäßig gearbeitet" habe, reiche "zur Begründung eines Umstandsmoments nicht aus", hat ihn bei der Prüfung der Verwirkung des Widerrufsrechts nicht wie geboten mit in den Blick genommen.

20

3. Rechtsfehlerhaft sind schließlich die Ausführungen des Berufungsgerichts dazu, den Klägern stehe gegen die Beklagte ein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlich verauslagter Anwaltskosten zu. Ein solcher Anspruch besteht unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt (vgl. Senatsurteile vom 21. Februar 2017 - XI ZR 467/15, WM 2017, 906 Rn. 23 ff., 34 f., vom 19. September 2017 - XI ZR 523/15, juris Rn. 22, vom 10. Oktober 2017 - XI ZR 443/16, WM 2017, 2248 Rn. 27, vom 7. November 2017 - XI ZR 369/16, WM 2018, 45 Rn. 19, vom 21. November 2017 - XI ZR 106/16, WM 2018, 51 Rn. 16 und vom 27. November 2018 - XI ZR 174/17, juris Rn. 18).

III.

21

Das Berufungsurteil unterliegt mithin, soweit das Berufungsgericht zum Nachteil der Beklagten erkannt hat, der Aufhebung (§ 562 ZPO), weil es sich nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 561 ZPO). Soweit die Kläger einen nicht bestehenden Anspruch auf Erstattung vorgerichtlich verauslagter Anwaltskosten geltend gemacht haben, entscheidet der Senat in der Sache selbst und weist die Berufung der Kläger zurück (§ 563 Abs. 3 ZPO). Im Übrigen verweist der Senat, der der dem Tatrichter obliegenden Würdigung der konkreten Umstände nach § 242 BGB nicht vorgreifen kann (st. Rspr., vgl. zuletzt nur Senatsurteil vom 27. November 2018 - XI ZR 111/17, juris Rn. 12 mwN), die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurück.

B. Anschlussrevision der Kläger

22

Die statthafte und auch im Übrigen zulässige (vgl. Senatsurteil vom 27. Februar 2018 - XI ZR 480/16, juris Rn. 20) Anschlussrevision der Kläger hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet.

I.

23

Das Berufungsgericht hat - soweit für die Anschlussrevision von Bedeutung - ausgeführt:

24

Die von den Klägern für den Zeitraum zwischen dem 14. Juni 2010 und dem 30. September 2015 beantragten Zinsen könnten nicht zuerkannt werden. Die Kläger hätten von der Beklagten die Rückzahlung der Aufhebungsentgelte erstmals mit Schreiben vom 28. Juni 2015 verlangt, ohne insoweit eine Frist zu setzen. Erst mit Schreiben vom 16. September 2015 hätten ihre vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigten eine Frist zum 30. September 2015 gesetzt. Deshalb sei die Beklagte erst am 1. Oktober 2015 in Verzug geraten.

II.

25

Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nur insoweit stand, als das Berufungsgericht die Berufung der Kläger betreffend ihren Antrag zurückgewiesen hat, die Beklagte zur Zahlung von Zinsen in Höhe von mehr als zweieinhalb Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 9.309,65 € zwischen dem 14. Juni 2010 und dem 30. September 2015 zu verurteilen. Im Übrigen - Antrag auf Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von Zinsen in Höhe von zweieinhalb Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 9.309,65 € zwischen dem 14. Juni 2010 und dem 30. September 2015 - hat das Berufungsgericht übersehen, dass die Beklagte - sollte das Widerrufsrecht der Kläger bei dessen Ausübung nicht verwirkt gewesen sein - den Klägern nach § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB aF in Verbindung mit § 346 Abs. 1 Halbsatz 2 BGB zur Herausgabe mutmaßlich auf die Aufhebungsentgelte gezogener Nutzungen verpflichtet ist.

26

1. Zugunsten der Kläger streitet die Vermutung, die Beklagte habe auf die Aufhebungsentgelte Nutzungen in Höhe von zweieinhalb Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gezogen.

27

Bei den Darlehensverträgen der Parteien handelte es sich um Immobiliardarlehensverträge im Sinne des § 492 Abs. 1a Satz 2 BGB in der zwischen dem 1. August 2002 und dem 10. Juni 2010 geltenden Fassung (Senatsurteile vom 19. Januar 2016 - XI ZR 103/15, BGHZ 208, 278 Rn. 17, vom 4. Juli 2017 - XI ZR 741/16, WM 2017, 1602 Rn. 20 und vom 5. Dezember 2017 - XI ZR 253/15, juris Rn. 20) mit der Folge, dass die beiderseits widerlegliche Vermutung an § 497 Abs. 1 Satz 2 BGB in der zwischen dem 1. August 2002 und dem 10. Juni 2010 geltenden Fassung anknüpft (Senatsurteil vom 12. Juli 2016 - XI ZR 564/15, BGHZ 211, 123 Rn. 58).

28

2. Ein höherer Anspruch aus dem Gesichtspunkt des Verzugs kommt den Klägern entgegen der Rechtsmeinung der Anschlussrevision auch nicht ab dem 11. Juli 2015 als dem Tag zu, der auf die Zurückweisung des Widerrufs durch die Beklagte nachfolgte. Die Zurückweisung des Widerrufs durch die Beklagte am 10. Juli 2015 führte nicht dazu, dass sie sich ab diesem Zeitpunkt in Schuldnerverzug befand (vgl. Senatsurteil vom 21. Februar 2017 - XI ZR 467/15, WM 2017, 906 Rn. 27 ff.).

III.

29

Das Berufungsurteil unterliegt mithin, soweit nicht die Anschlussrevision zurückzuweisen ist, auch zugunsten der Kläger in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang der Aufhebung (§ 562 ZPO), weil es sich insoweit nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 561 ZPO). In diesem Umfang verweist der Senat die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurück (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO), das - sollte das Widerrufsrecht nicht verwirkt sein - auf die Ausführungen des Senats mit Urteil vom 25. April 2017 (XI ZR 573/15, WM 2017, 1004 Rn. 17 ff.) Bedacht zu nehmen haben wird.

Ellenberger

Joeres

Matthias

Menges

Tolkmitt

Von Rechts wegen

Verkündet am: 2. April 2019

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