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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 13.10.2011, Az.: VII ZR 222/10
Prüfung des Anspruchs auf restlichen Werklohn aus abgetretenem Recht
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 13.10.2011
Referenz: JurionRS 2011, 27212
Aktenzeichen: VII ZR 222/10
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LG Stade - 12.07.2007 - AZ: 4 O 93/03

OLG Celle - 25.09.2008 - AZ: 6 U 130/07

BGH - 08.07.2010 - AZ: VII ZR 195/08

OLG Celle - 16.12.2010 - AZ: 6 U 130/07

Fundstellen:

IBR 2012, 7

ZfBR 2012, 138-139

BGH, 13.10.2011 - VII ZR 222/10

Redaktioneller Leitsatz:

1.

Bei der Auslegung eines Rechtsgeschäfts muss auch das nachträgliche Verhalten der Partei berücksichtigt werden, soweit dieses Rückschlüsse auf den tatsächlichen Willen und das tatsächliche Verständnis der am Rechtsgeschäft Beteiligten zulassen kann.

2.

Macht ein wegen der Zahlung von Werklohn in Anspruch genommener Beklagter erstmals Jahre nach Prozessbeginn geltend, den der Forderung zu Grunde liegenden Auftrag nicht der klagenden Kapitalgesellschaft, sondern deren Geschäftsführer persönlich erteilt zu haben, darf das Gericht dieses Verhalten in seinen Erwägungen zur Auslegung des Vertrages nicht unberücksichtigt lassen.

Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 13. Oktober 2011 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kniffka, den Richter Bauner, die Richterin Safari Chabestari, den Richter Dr. Eick und den Richter Prof. Leupertz

beschlossen:

Tenor:

Der Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision wird stattgegeben.

Das Schlussurteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 16. Dezember 2010 wird gemäß § 544 Abs. 7 ZPO aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, an einen anderen Senat des Oberlandesgerichts Celle zurückverwiesen.

Gegenstandswert: 74.125 €

Gründe

I.

1

Die Klägerin verlangt restlichen Werklohn aus abgetretenem Recht der B.-GmbH, die ihr als Subunternehmerin die Ausführung der Gewerke Sanitär, Heizung und Lüftung für ein Bauvorhaben des Beklagten übertragen hatte. Sie macht geltend, der Beklagte und seine Ehefrau (im Folgenden: der Beklagte) habe die B.-GmbH als Generalunternehmerin mit der Errichtung des Zweifamilienhauses beauftragt, wohingegen der Beklagte behauptet, den Vertrag nicht mit der B.-GmbH, sondern mit deren Geschäftsführer B. persönlich geschlossen zu haben.

2

Das Landgericht hat der Klage hinsichtlich der aus abgetretenem Recht geltend gemachten Forderung (74.125 €) in Höhe von 42.186,67 €, teilweise Zug-um-Zug gegen Nachbesserung, stattgegeben und die Klage in diesem Punkt im Übrigen abgewiesen. Gegen dieses Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt. Das Berufungsgericht hat durch Schlussurteil vom 25. September 2009 der Berufung des Beklagten unter Zurückweisung des Rechtsmittels der Klägerin stattgegeben und die auf Forderungen aus abgetretenem Recht gestützte Klage wegen Verjährung abgewiesen. Dieses Urteil hat der Senat nach Zulassung der Revision gemäß § 544 Abs. 7 ZPO aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Das hat daraufhin durch Schlussurteil vom 16. Dezember 2010 der Berufung des Beklagten erneut stattgegeben und das Rechtsmittel der Klägerin abermals zurückgewiesen. Die Revision hat es wiederum nicht zugelassen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit der Nichtzulassungsbeschwerde, mit der sie ihr Klageziel weiterverfolgt.

II.

3

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision hat Erfolg. Das Berufungsurteil beruht auf einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, Art. 103 Abs. 1 GG. Es ist deshalb aufzuheben und die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, § 544 Abs. 7 ZPO.

4

1. Das Berufungsgericht meint, der Klägerin stünden Forderungen der B.-GmbH gegen den Beklagten aus abgetretenem Recht nicht zu. Vertragspartner des Beklagten und damit Inhaber der zedierten Forderungen sei nicht die GmbH, sondern sei deren Geschäftsführer B. persönlich gewesen. Die Abtretung dieser Forderungen durch die B.-GmbH an die Klägerin sei deshalb ins Leere gegangen. Seine Auffassung stützt das Berufungsgericht darauf, dass B. in der Zeit vor dem Abschluss des Vertrages mit dem Beklagten bei fünf anderen Bauvorhaben persönlich Bauverträge mit den jeweiligen Bauherren geschlossen habe und die B.-GmbH mit einer Ausnahme erst danach als Vertragspartner aufgetreten sei. Dass im schriftlichen Vertrag mit dem Beklagten von der "Firma B." die Rede sei, ändere nichts daran, dass der Beklagte angesichts der anderen zeitnah geschlossenen Verträge das Auftreten des B. ihm gegenüber nicht als solches im Namen der GmbH verstehen musste. Es komme, wie dem Berufungsgericht aus "unzähligen Fällen von Klag- und Berufungsschriften" bekannt sei, oft vor, dass gewerblich tätige Einzelpersonen sich als "Firma" bezeichneten, obwohl sie keine Kaufleute im Rechtssinne seien und deshalb keine Firma führen könnten. Soweit die Klägerin erstmals mit Schriftsatz vom 7. Mai 2008 Ansprüche aus abgetretenem Recht des B. geltend gemacht und sich insoweit auf eine Abtretungsvereinbarung vom 6. Mai 2008 bezogen habe, sei die Klageforderung verjährt.

5

2. Diese Erwägungen des Berufungsgerichts, mit denen es das Zustandekommen eines Vertrages zwischen der B.-GmbH und dem Beklagten verneint hat, beruhen auf einer Verletzung des Rechts der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs.

6

a) Im Ausgangspunkt zutreffend hat das Berufungsgericht durch Auslegung des schriftlichen Vertrages zu ermitteln versucht, ob der Beklagte die dort niedergelegten rechtsgeschäftlichen Erklärungen des B. dahin verstehen musste, dass dieser die von ihm repräsentierte GmbH verpflichten wollte (§ 164 Abs. 1 Satz 2 BGB). Dabei hat es allerdings unter Verletzung des Anspruchs der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs auslegungsrelevanten Tatsachenvortrag der Klägerin übergangen, den diese durch entsprechende Bezugnahme auf ihr erstinstanzliches Vorbringen auch im Berufungsverfahren gehalten hat.

7

aa) Mit Recht weist die Klägerin darauf hin, dass der Beklagte ihrer schon in der Klageschrift aufgestellten Behauptung, er habe den Vertrag mit der B.-GmbH geschlossen, zunächst nicht entgegengetreten sei. Im Schriftsatz vom 15. Oktober 2003 habe er zur Verteidigung gegen die Inanspruchnahme für Forderungen aus abgetretenem Recht der B.-GmbH vielmehr selbst darauf hingewiesen, dass die B.-GmbH im letzten Quartal 2002 nicht mehr in der Lage gewesen sei, ihre Verpflichtungen aus dem Vertrag mit dem Beklagten zu erfüllen. Im Schriftsatz vom 10. Januar 2005 habe er diese Sichtweise bestätigt, indem er geltend gemacht habe, der Vertrag sei zwischen einem Verbraucher und einer Kapitalgesellschaft - womit nur die B.-GmbH habe gemeint gewesen sein können - geschlossen worden. In ähnlicher Weise belegten die mit Schriftsatz vom 3. Mai 2007 vorgelegten Schreiben des Beklagten vom 15. Januar 2003 und 6. Januar 2003 sowie das ebenfalls zur Akte gereichte Schreiben des damaligen Anwalts der B.-GmbH vom 4. Februar 2003, dass der Beklagte stets die B.-GmbH als seinen Vertragspartner angesehen habe. Erstmals vier Jahre nach Prozessbeginn habe er mit Schriftsatz vom 9. Januar 2007 geltend gemacht, den Vertrag doch mit B. persönlich geschlossen zu haben.

8

bb) Diesen Sachvortrag hätte das Berufungsgericht nicht außer Betracht lassen dürfen.

9

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind zwar bei der Auslegung einer Willenserklärung nur solche Umstände zu berücksichtigen, die dem Empfänger bei Zugang der Willenserklärung erkennbar waren. Aus Umständen, die erst nach Zugang der Erklärung zutage treten, kann grundsätzlich nicht der Schluss gezogen werden, dass der Empfänger diese Erklärung in einem anderen als in dem zum Zeitpunkt des Zugangs erkennbaren Sinn verstehen musste. Nur um solche Umstände geht es hier. Allerdings kann (und muss) nach dieser Rechtsprechung bei der Auslegung eines Rechtsgeschäfts auch das nachträgliche Verhalten der Partei in dem Sinne berücksichtigt werden, dass spätere Vorgänge Rückschlüsse auf den tatsächlichen Willen und das tatsächliche Verständnis der am Rechtsgeschäft Beteiligten zulassen können (BGH, Urteil vom 7. Dezember 2006 - VII ZR 166/05, BauR 2007, 574, 575 = NZBau 2007, 241 = ZfBR 2007, 330; Urteil vom 20. Juni 1985 - IX ZR 173/84, BGHZ 95, 88, 93 f.; Urteil vom 28. Juni 1971 - III ZR 103/68, WM 1971, 1513, 1515). Die von der Klägerin angeführten Tatsachen betreffen solche Vorgänge, weil sie ein Verhalten des Beklagten offenbaren, welches sich jedenfalls auf erste Sicht vernünftig nur damit erklären lässt, dass er die B.-GmbH als seine Vertragspartnerin angesehen und die auf den Abschluss jenes Vertrages gerichteten rechtsgeschäftlichen Erklärungen des B. in eben diesem Sinne verstanden hat. Das Berufungsgericht hat sie in seine Erwägungen zur Auslegung des Vertrages nicht erkennbar einbezogen.

10

Der darin liegende Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör ist entscheidungserheblich. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsgericht bei Berücksichtigung des bisher übergangenen Tatsachenvorbringens der Klägerin zum nachträglichen Verhalten des Beklagten zu einer Auslegung des Vertrages gelangt, wonach die B.-GmbH Vertragspartnerin des Beklagten ist. Dabei wird es nach obigen Grundsätzen und entgegen seiner bisherigen Auffassung auch zu berücksichtigen haben, dass der Beklagte von der B.-GmbH gestellte Rechnungen bezahlt hat. Denn es liegt nahe, dass der Besteller nur Rechnungen seines Vertragspartners bezahlt. Bei einem dementsprechenden Auslegungsergebnis wäre die B.-GmbH Inhaberin der zedierten Forderungen gewesen, welche die Klägerin wirksam von ihr erworben und in unverjährter Zeit geltend gemacht hätte.

III.

11

Der Senat hat von der durch § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO eröffneten Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Sache an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts zurückzuverweisen.

Kniffka

Bauner

Safari Chabestari

Eick

Leupertz

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