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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 19.05.2011, Az.: IX ZB 27/10
Bei Vergütungsberechnung des Insolvenzverwalters zählt die Forderungen aus unterschiedlichen Rechtsverhältnissen durch verschiedene Behörden anmeldende Gebietskörperschaft als eine Gläubigerin; Gläubigereigenschaft der durch verschiedene Behörden mehrere Forderungen aus unterschiedlichen Rechtsverhältnissen anmeldenden Gebietskörperschaft i.R.d. Vergütungsberechnung des Insolvenzverwalters
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 19.05.2011
Referenz: JurionRS 2011, 19017
Aktenzeichen: IX ZB 27/10
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

AG Chemnitz - 08.10.2009 - AZ: 1517 IN 2372/06

LG Chemnitz - 25.01.2010 - AZ: 3 T 778/09

Rechtsgrundlage:

§ 2 Abs. 2 InsVV

Fundstellen:

BB 2011, 1665

EBE/BGH 2011, 212-213

FStBW 2012, 101-102

FStHe 2012, 303-304

FStNds 2012, 327-328

KomVerw/B 2012, 96-97

KomVerw/LSA 2012, 93-94

KomVerw/MV 2012, 95-96

KomVerw/S 2012, 107-108

KomVerw/T 2012, 100-101

MDR 2011, 1009-1010

NJW 2011, 8

NWB 2011, 2359

NWB direkt 2011, 769

NZI 2011, 542

Rpfleger 2011, 561-562

RVGreport 2011, 320

StuB 2011, 728

WM 2011, 1279-1280

ZInsO 2011, 1251-1252

ZIP 2011, 1479-1480

BGH, 19.05.2011 - IX ZB 27/10

Amtlicher Leitsatz:

InsVV § 2 Abs. 2

Eine Gebietskörperschaft zählt bei der Berechnung der Mindestvergütung des Insolvenzverwalters auch dann als (nur) eine Gläubigerin, wenn sie durch verschiedene Behörden mehrere Forderungen aus unterschiedlichen Rechtsverhältnissen angemeldet hat.

Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser,
die Richter Prof. Dr. Gehrlein, Dr. Fischer, Grupp und
die Richterin Möhring
am 19. Mai 2011
beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Chemnitz vom 25. Januar 2010 wird auf Kosten der weiteren Beteiligten zurückgewiesen.

Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 232,05 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die weitere Beteiligte war Verwalterin in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners. In dem Verfahren meldeten neben der Landesjustizkasse Chemnitz und dem Finanzamt Schwarzenberg 19 Gläubiger Forderungen an. Das Insolvenzgericht hat die (Mindest-)Vergütung der weiteren Beteiligten für ihre Tätigkeit als Insolvenzverwalterin gemäß § 2 Abs. 2 InsVV auf 2.059,65 € festgesetzt (1.300 € Vergütung, 390 € Auslagen, 40,80 € Zustellkosten, 19 v.H. Umsatzsteuer). Es hat seiner Berechnung eine Anzahl von 20 Gläubigern zugrunde gelegt, die ihre Forderungen angemeldet haben. Die sofortige Beschwerde der Verwalterin, mit der sie eine Berechnung nach 21 Gläubigern erreichen wollte, hat keinen Erfolg gehabt. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt sie ihr Begehren weiter.

II.

2

Die statthafte (§§ 7, 6, 64 Abs. 3 Satz 1 InsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und auch sonst zulässige (§§ 575, 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

3

1.

Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, sowohl hinter der Landesjustizkasse Chemnitz als auch hinter dem Finanzamt Schwarzenberg stehe der Freistaat Sachsen. Er sei bei der Bestimmung der Gläubigerzahl nur einmal zu berücksichtigen. Dass unterschiedliche Behörden tätig geworden seien, ändere daran nichts.

4

2.

Diese Beurteilung trifft zu.

5

a)

Die Mindestvergütung des Insolvenzverwalters beträgt nach § 2 Abs. 2 InsVV in Insolvenzverfahren, in denen nicht mehr als zehn Gläubiger ihre Forderungen angemeldet haben, regelmäßig 1.000 €. Sie erhöht sich, wenn in dem Verfahren 11 bis 30 Gläubiger ihre Forderungen angemeldet haben, für je angefangene fünf Gläubiger um 150 Euro. Ab 31 Gläubiger erhöht sich die Vergütung je angefangene fünf Gläubiger um 100 Euro. Die mit der Änderungsverordnung vom 4. Oktober 2004 (BGBl. I S. 2569) eingeführte Regelung soll dem unterschiedlichen Aufwand der Verwalter in den jeweiligen Verfahren Rechnung tragen. Die Anzahl der Gläubiger wurde als geeignetes Differenzierungskriterium erachtet, das den Aufwand des Verwalters in etwa abbildet (vgl. die Begründung der Verordnung, abgedruckt u.a. in ZIP 2004, 1927, 1930 f). Maßgebend ist die Kopfzahl der anmeldenden Gläubiger, nicht die Anzahl der angemeldeten Forderungen (BGH, Beschluss vom 16. Dezember 2010 - IX ZB 39/10, ZIP 2011, 132 Rn. 4). Der Verordnungsgeber hat sich damit für ein Kriterium entschieden, das den tatsächlichen Arbeitsaufwand des Insolvenzverwalters nur näherungsweise wiedergibt, dafür aber dem Insolvenzgericht eine einfache und sichere Handhabung ermöglicht. Er hat durch die Verwendung eines pauschalierenden Maßstabs im Interesse der Praktikabilität in Kauf genommen, dass die Mindestvergütung nicht in jedem Fall genau mit der Belastung des Verwalters korreliert (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Februar 2010 - IX ZB 129/08, ZIP 2010, 486 Rn. 8). Diese Regelung ist von der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage gedeckt und verfassungsgemäß (BGH, Beschluss vom 13. März 2008 - IX ZB 63/05, ZIP 2008, 976 Rn. 6 ff).

6

b)

Der typisierenden Regelungsweise entspricht es, die maßgebliche Anzahl der Gläubiger formal zu bestimmen. Entscheidend ist, wer jeweils materiell-rechtlich Inhaber der angemeldeten Forderung ist (vgl. § 241 Abs. 1 Satz 1 BGB). Unerheblich ist hingegen, ob ein Gläubiger mehrere Forderungen geltend macht, auch wenn diese auf unterschiedlichen Rechtsverhältnissen beruhen und von verschiedenen Organisationseinheiten des Gläubigers bearbeitet werden. Handelt es sich bei dem Gläubiger wie hier um eine öffentlichrechtliche Gebietskörperschaft, die durch verschiedene Behörden rechtlich selbständige Forderungen angemeldet hat, ist sie bei der Ermittlung der Mindestvergütung nach § 2 Abs. 2 InsVV nur einmal zu zählen, auch wenn im konkreten Fall für den Insolvenzverwalter ein ähnlicher Arbeitsaufwand entsteht wie bei der Forderungsanmeldung durch unterschiedliche Gläubiger (aA Graf-Schlicker/Kalkmann, InsO, 2. Aufl., § 2 InsVV Rn. 19). Eine auskömmliche Vergütung muss im Blick auf den Gesichtspunkt der Querfinanzierung nicht in jedem einzelnen Verfahren erzielt werden (BGH, Beschluss vom 13. März 2008, aaO Rn. 11 f).

7

c)

Die Rechtsbeschwerde befürwortet unter Hinweis auf den Beschluss des Senats vom 4. Februar 2010 (IX ZB 129/08, aaO) eine mehr wertende Betrachtung. Dort ging es jedoch nicht um die Vergütung des endgültigen, sondern um diejenige des vorläufigen Insolvenzverwalters. Da im Eröffnungsverfahren die Zahl der Gläubiger, die nach Verfahrenseröffnung Forderungen anmelden, noch nicht bekannt ist, hat der Senat für diesen Verfahrensabschnitt die Zahl der Gläubiger für maßgeblich erachtet, bei denen nach der Eröffnung des Verfahrens mit einer Forderungsanmeldung zu rechnen ist. Daraus ist nicht der Schluss zu ziehen, auch im eröffneten Verfahren müsse die Anzahl der Gläubiger, die in diesem Verfahrensstadium bekannt sind, wertend bestimmt werden.

8

d)

Meldet ein Gläubiger mehrere Forderungen an, erhöht dies nach der geltenden Regelung nicht die Mindestvergütung des Insolvenzverwalters. Eine daraus resultierende Diskrepanz zwischen dem Arbeitsaufwand des Verwalters und der Höhe seiner Vergütung ist im Grundsatz hinzunehmen. In besonderen Fällen kann eine unangemessen niedrige Vergütung durch einen Zuschlag nach § 3 Abs. 1 InsVV vermieden werden. Die Umstände des vorliegenden Falles rechtfertigen einen solchen Zuschlag jedoch nicht.

Kayser
Gehrlein
Fischer
Grupp
Möhring

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