Bundesgerichtshof
Urt. v. 08.10.1997, Az.: IV ZR 220/96
Transparenzgebot; Anwendbarkeit des AGBG auf Allgemeine Versicherungsbedingungen von Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit (VVaG); Begründetheit eines Anspruchs auf Unterlassung von Klauseln aus Allgemeinen Geschäftsbedingungen; Voraussetzung für eine analoge Anwendung einer Vorschrift; Schutz des Verbrauchers über den Weg der Verbandsklage ; Transparenz von Vertragsklauseln; Inhaltskontrolle; Formelle Kontrolle; Richterliche Überprüfbarkeit der Unangemessenheit von AGB-Klauseln
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 08.10.1997
- Aktenzeichen
- IV ZR 220/96
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1997, 15685
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- OLG Celle - 20.06.1996
- LG Hannover
Rechtsgrundlagen
Fundstellen
- BGHZ 136, 394 - 402
- BB 1997, 2551-2553 (Volltext mit amtl. LS)
- DB 1998, 466-467 (Volltext mit amtl. LS)
- EWiR 1998, 1-2 (Volltext mit amtl. LS u. Anm.) "HDI"
- JZ 1999, 902-904 (Volltext mit amtl. LS)
- MDR 1998, 90-91 (Volltext mit amtl. LS)
- NJW 1998, 454-456 (Volltext mit red./amtl. LS) "Abänderungsvorbehalte"
- NJW-RR 1998, 1322 (red. u. amtl. Leitsatz)
- NVersZ 1998, 29-31
- VersR 1997, 1517-1519 (Volltext mit amtl. LS)
- VersR 2000, 257-268 (Urteilsbesprechung von Dr. Martin Fricke)
- WM 1998, 558-561 (Volltext mit amtl. LS)
- WuB 1998, 611-612
- ZIP 1997, A99 (Kurzinformation)
- ZIP 1997, 2123-2126 (Volltext mit amtl. LS)
- zfs 1998, 97-99 (Volltext mit amtl. LS)
Amtlicher Leitsatz
- a)
Allgemeine Versicherungsbedingungen, die in Satzungen von Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit enthalten sind, unterliegen der richterlichen Kontrolle nach dem AGB-Gesetz.
- b)
Das gilt auch für solche Satzungsbestimmungen, die sowohl das vereinsrechtliche als auch das versicherungsrechtliche Verhältnis betreffen.
- c)
Klauseln, mit denen sich der Versicherer ein uneingeschränktes Recht vorbehält, Prämien, Tarife und sonstige versicherungsvertragliche Rechte und Pflichten abzuändern, sind wegen Verstoßes gegen § 9 AGBG unwirksam.
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat
durch
den Vorsitzenden Richter Dr. Schmitz und
die Richter Römer, Dr. Schlichting, Terno und Seiffert
auf die mündliche Verhandlung vom 8. Oktober 1997
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Revision gegen das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 20. Juni 1996 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Tatbestand
Der Kläger ist ein rechtsfähiger Verband zur Förderung gewerblicher Interessen. Der Beklagte betreibt als Versicherungsunternehmen in der Rechtsform eines Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit (VVaG) Geschäfte in verschiedenen Versicherungszweigen, Kraftfahrtversicherung, Hausratversicherung, Wohngebäudeversicherung, Unfallversicherung und allgemeine Haftpflichtversicherung mit privaten Endverbrauchern, Feuerversicherung, technische Versicherung, Transportversicherung und allgemeine Haftpflichtversicherung mit Industrie und Gewerbe. Er schließt nach § 5 Abs. 1 seiner Satzung vom 25. August 1993 Versicherungsverträge auf der Grundlage seiner Satzung und verschiedener Versicherungsbedingungen ab.
§ 6 seiner Satzung lautet:
"Änderung der Satzung, der Versicherungsbedingungen, der Tarifbestimmungen und der Beiträge
(1)
...(2)
Der Vorstand kann mit Zustimmung der Hauptversammlung eine Änderung der Tarifbestimmungen, der Beiträge und der Versicherungsbedingungen, letztere nur soweit sie Bestimmungen über Versicherungsschutz, Pflichten des Versicherungsnehmers, Willenserklärungen und Anzeigen betreffen, auch für bestehende Versicherungsverhältnisse beschließen.(3)
...
§ 13 der Satzung lautet:
"Geschäftsordnung, Änderungen der Satzung und der Versicherungsbedingungen
(1)
...(2)
...(3)
Der Aufsichtsrat ist außerdem ermächtigt, die allgemeinen Versicherungsbedingungen, die Tarifbestimmungen und die Beiträge bei einem dringenden Bedürfnis vorläufig zu ändern. Etwaige Genehmigungserfordernisse der Aufsichtsratsbehörde bleiben unberührt. Die Ermächtigung gilt auch für Änderungen mit Wirkung für bestehende Versicherungsverhältnisse; § 6 Abs. 3 gilt entsprechend. Die Änderungen sind der Hauptversammlung bei ihrem nächsten Zusammentreffen vorzulegen und außer Kraft zu setzen, wenn diese es verlangt."
Die frühere Regelung zu § 6 Abs. 3 der Satzung lautet:
"Beitragsarten, Beitragstarife
Eine Änderung der Beitragstarife gilt auch für bestehende Versicherungsverhältnisse. Sie ist erstmals für die nach der Änderung beginnende Versicherungsperiode anzuwenden."
Der Kläger hält diese Satzungsbestimmungen wegen Verstoßes gegen § 9 AGBG für unwirksam. Seiner Aufforderung, eine Unterlassungserklärung abzugeben, ist der Beklagte nicht gefolgt.
Der Kläger hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 500.000 DM, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren, letztere zu vollstrecken am Vorstand, zu unterlassen, im Rahmen seiner Satzung mit Wirkung für künftig abzuschließende Versicherungsverträge wörtlich oder inhaltsgleich folgende Bestimmungen zu verwenden und/oder sich im Rechtsverkehr bei der Abwicklung von nach dem 1. April 1977 abgeschlossenen Versicherungsverträgen auf diese Klauseln, insbesondere bei bestehenden Versicherungsverträgen auf eine auf diesen Klauseln beruhende Beitragserhöhung, zu berufen, soweit es sich nicht um Verträge mit einer Person des öffentlichen Rechts, einemöffentlich-rechtlichen Sondervermögen oder einem Kaufmann im Bereich seines Handelsgewerbes handelt:
- a)
"Der Vorstand kann mit Zustimmung der Hauptversammlung eine Änderung der Tarifbestimmungen, der Beiträge und der Versicherungsbedingungen, letztere nur, soweit sie Bestimmungen über Versicherungsschutz, Pflichten des Versicherungsnehmers, Willenserklärungen und Anzeigen betreffen, auch für bestehende Versicherungsverhältnisse beschließen."
- b)
"Der Aufsichtsrat ist außerdem ermächtigt, die allgemeinen Versicherungsbedingungen, die Tarifbestimmungen und die Beiträge bei einem dringenden Bedürfnis vorläufig zuändern. Etwaige Genehmigungserfordernisse der Aufsichtsbehörde bleiben unberührt. Die Ermächtigung gilt auch fürÄnderungen mit Wirkung für bestehende Versicherungsverhältnisse;§ 6 Abs. 3 gilt entsprechend. Die Änderungen sind der Hauptversammlung bei ihrem nächsten Zusammentreffen vorzulegen und außer Kraft zu setzen, wenn diese es verlangt."
- c)
"Eine Änderung der Beitragstarife gilt auch für bestehende Versicherungsverhältnisse. Sie ist erstmals für die nach der Änderung beginnende Versicherungsperiode anzuwenden."
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung blieb erfolglos. Mit der Revision erstrebt der Beklagte sein Ziel der Klagabweisung weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Beklagten hat keinen Erfolg.
1.
Der Kläger kann den Beklagten nach § 13 Abs. 1 AGBG auf Unterlassung der Klauseln in Anspruch nehmen, denn bei diesen handelt es sich auch (siehe unter 2. c)) um Allgemeine Geschäftsbedingungen, die gemäß § 9 Abs. 1 AGBG unwirksam ist (siehe unter 3.).
Der Kläger ist ein Verband zur Förderung gewerblicher Interessen, der den Anspruch auf Unterlassung nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 AGBG geltend machen kann. Die Verfolgung solcher Ansprüche entspricht gemäß § 2 seiner Satzung dem Vereinszweck.
Soweit die Revision meint, § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG i.d.F. des Gesetzes vom 25. Juli 1994 (BGBl. I 1738) sei auch entsprechend auf die Klagebefugnis des § 13 Abs. 2 Nr. 2 AGBG anwendbar, kann ihr nicht gefolgt werden. Nach dem Gesetz vom 25. Juli 1994 ist ein Verband in UWG-Sachen nur dann klagebefugt, wenn ihm eine erhebliche Zahl von Gewerbetreibenden angehört, die Waren oder gewerbliche Leistungen gleicher Art oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben. Eine solche Vorschrift fehlt bei § 13 AGBG. Es kann auch nicht angenommen werden, daß darin eine Gesetzeslücke besteht, denn der Gesetzgeber hätte ohne weiteres auch das AGB-Gesetz entsprechend ergänzen können, wenn er dies für erforderlich gehalten hätte. Sinn des § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG n.F. ist es, die Berechtigung eines derartigen Verbandes zur Verfolgung von Wettbewerbsverstößen auf die kollektive Wahrnehmung von Mitgliederinteressen zu beschränken (vgl. BGH, Urteil vom 11. Mai 1995 - I ZR 107/93 - BGHR UWG § 13 Abs. 2 Nr. 2 Verbandsklagebefugnis 4). Einen Anlaß, die abstrakte Kontrolle von AGBRegelungen allein auf die Verfolgung von Mitgliederinteressen zu beschränken, gibt es aber nicht bei der Verbandsklage nach § 13 Abs. 2 AGBG. Damit fehlt es an der Voraussetzung für eine entsprechende Anwendung, nämlich einer Regelungslücke.
2.
Das AGB-Gesetz ist bei Verträgen auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts unanwendbar, § 13 Abs. 1 AGBG. Dem Sinn dieser Regelung entsprechend muß sich die Bereichsausnahme des § 13 Abs. 1 AGBG grundsätzlich auch auf Satzungen von Vereinen erstrecken (vgl. Ulmer in Ulmer/- Brander/Hensen, AGB-Gesetz, 7. Aufl. § 23 Rdn. 22; Horn in Wolf/Horn/Lindacher, AGB-Gesetz 3. Aufl. § 23 Rdn. 77; vgl. für Satzungen von Genossenschaften BGHZ 103, 219, 224).
a)
Die Ausnahme des § 13 Abs. 1 AGBG greift jedoch nicht ein bei Allgemeinen Versicherungsbedingungen von Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit, soweit es um Regelungen geht, die das Versicherungsverhältnis betreffen (vgl. Horn, aa0 Rdn. 79; Ulmer, aa0 Rdn. 22; Sieg, VersR 1977, 489; Helm, NJW 1978, 129; Basedow in MünchKomm, 3. Aufl. § 23 AGBG Rdn. 13; a.A. Löwe/v. Westphalen, AGBGesetz§ 23 Rdn. 15). Das ist selbstverständlich für die Fälle, in denen der VVaG durch von der Satzung getrennte Versicherungsbedingungen Verträge mit Nichtmitgliedern schließt. So kann der Beklagte nach § 4 Abs. 3 seiner Satzung bis zu 30% der Gesamtbeitragseinnahme Versicherungsverträge auch mit Nichtmitgliedern schließen.
Aber auch wenn Versicherungsbedingungen, die nicht Bestandteil der Satzung sind, zum Inhalt des Vertrages mit Mitgliedern gemacht werden, ist das AGB-Gesetz zur Inhaltskontrolle dieser Versicherungsbedingungen anwendbar. Die vereinsrechtliche Form des Vertragspartners eines Versicherungsverhältnisses ist kein ausreichender Grund, die Versicherungsbedingungen der Inhaltskontrolle nach dem AGB-Gesetz zu entziehen. In diesen Fällen unterliegt Vertragsrecht und nicht Gesellschaftsrecht bzw. Vereinsrecht der Inhaltskontrolle. § 23 Abs. 1 AGBG trifft schon seinem Wortlaut nach nicht zu.
b)
Anders liegt der Fall, wenn der VVaG Regelungen von Tatbeständen in die Satzung mit aufnimmt, die bei Aktiengesellschaften in Allgemeinen Versicherungsbedingungen geregelt sind. Dann erfaßt eine Inhaltskontrolle die Vereinssatzung unmittelbar. Aber auch in diesem Falle greift die Bereichsausnahme des § 23 Abs. 1 AGBG nicht ein, wenn die Regelung nicht die Stellung als Vereinsmitglied, sondern die als Partner eines Vertragsverhältnisses, also eines Versicherungsnehmers betrifft (so bereits angedeutet im Senatsurteil vom 23. November 1994 - IV ZR 124/93 unter B II 1. - VersR 1995, 77, insoweit in BGHZ 128, 54 nicht abgedruckt; überwiegende Meinung, vgl. Horn, aa0 Rdn. 79; Sieg, aa0; Helm, aa0; Basedow, aaO; Fricke, VersR 1996, 1449, 1450; Präve, RuS 1996, 249; Lorenz, VersR 1996, 1206 unter II 1; wohl auch Ulmer, aaO Rdn. 22 Fn. 63). Regelt die Satzung allein das vertragliche Austauschverhältnis zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer, handelt es sich lediglich um eine nur äußerlich (als unechter Satzungsbestandteil) in die Satzung aufgenommene vorformulierte Regelung versicherungsrechtlicher Vertragsbeziehungen ohne materiellen Satzungscharakter (vgl. BGHZ 103, 219, 222). In solchen Fällen treffen die Gründe nicht zu, die eine Ausnahme von der Inhaltskontrolle nach dem AGBGesetz rechtfertigen. Für eine Inhaltskontrolle von organisationsrechtlichen Vereinssatzungen sind die Vorschriften des AGB-Gesetzes nicht systemgerecht. So sind die §§ 9-11 AGBG auf Austauschverträge und nicht auf organisationsstatuten zugeschnitten (vgl. insbesondere Ulmer, aaO Rdn. 20).
c)
Die hier von dem Beklagten in seine Satzung aufgenommenen Anpassungsklauseln betreffen indessen nicht nur das Austauschverhältnis zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer, wie es auch von Aktiengesellschaften in ihren Allgemeinen Versicherungsbedingungen geregelt ist. Zwar finden sich auch in diesen Versicherungsbedingungen Anpassungsklauseln. Den hier zu beurteilenden Klauseln kommt daneben aber auch noch eine organisationsrechtliche, für den VVaG typische Bedeutung zu. Sie haben einen Doppelcharakter. Sie betreffen sowohl die versicherungsvertragliche Beziehung als auch das vereinsrechtliche Verhältnis.
aa)
Im Gegensatz zur Aktiengesellschaft kann der VVaG etwaige Verluste nicht durch Kapitalerhöhungen oder Ausfall von Dividenden ausgleichen. Er hat nur die Möglichkeit, die Beiträge der Mitglieder zu erhöhen oder Leistungen zu vermindern. Deshalb sind Satzungsbestimmungen über diese Tatbestände organisationsvertragliche Regelungen, was sich auch aus § 24 VAG ergibt. Aus dieser Vorschrift folgt das für den VVaG ebenso typische Prinzip der Ausgabendeckung. Der Verein ist gehalten, die Ausgaben durch Beiträge der Mitglieder zu decken (vgl. im einzelnen Weigel in Prölss, VAG, 11. Aufl. § 24 Rdn. 1 ff.), wobei die Wahl des Beitragssystems eine in der Satzung zu regelnde Aufgabe ist und mithin das Verhältnis zwischen Verein und Mitglied betrifft. Die Durchsetzung notwendiger Änderungen auch für bestehende Vertragsverhältnisse erleichtert § 41 Abs. 3 VAG. Dabei ist der Eingriff in bestehende Vertragsverhältnisse durch in Satzungen geregelte Beitragsanpassungsklauseln an das Gebot der Gleichbehandlung aller Mitglieder gebunden, § 21 VAG, was den vereinsrechtlichen Charakter einer solchen Satzungsbestimmung unterstreicht (vgl. Weigel, aaO § 41 Rdn. 14 f.; vgl. zum vereinsrechtlichen Charakter von Satzungsbestimmungen über Beitragsänderungen auch Fricke, VersR 1996, 1449 unter II 3 a).
bb)
Dennoch kann daraus nicht gefolgert werden, daß die Bereichsausnahme des § 23 Abs. 1 AGBG auch die hier zur Prüfung stehenden Bestimmungen erfaßt. Zwar unterliegen Rechtsverhältnisse zwischen Gesellschaft und Gesellschafter - hier, zwischen Verein und seinen Mitgliedern -, die Warenlieferungen oder Dienstleistungen zum Gegenstand haben, nicht der Inhaltskontrolle nach dem AGB-Gesetz, wenn sie unmittelbar auf dem Gesellschaftsvertrag beruhen, mitgliedschaftlicher Natur sind und dazu dienen, den Gesellschaftszweck zu verwirklichen ( BGHZ 103, 219, 222 f.). Hier liegt aber, anders als in dem der genannten Entscheidung zugrunde liegenden Fall, zumindest die Voraussetzung nicht vor, daß das Rechtsverhältnis über den Austausch der Leistungen unmittelbar auf der Vereinssatzung beruht. In jenem Falle hatte das Rechtsverhältnis ausschließlich die Satzung zur Grundlage und gehörte so der korporationsrechtlichen Sphäre an (vgl. BGH, aaO). Demgegenüber sind hier nur die Voraussetzungen einer Änderung der Regelung über das Austauschverhältnis in die Satzung aufgenommen. Die Regelungen selbst, die das Versicherungsverhältnis in seiner einzelnen Ausgestaltung über Leistung und Gegenleistung erfassen, liegen außerhalb der Satzung. Sie finden sich in den neben der Satzung bestehenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen. Der Doppelcharakter der Satzungsregelungen, wonach Tarifbestimmungen, Beiträge und Versicherungsbedingungen auch für bestehende Versicherungsverhältnisse geändert werden können, führt noch nicht zu der Annahme, daß das Rechtsverhältnisüber den Austausch der Leistungen ausschließlich die Satzung als Grundlage hat. Damit erfaßt eine Kontrolle dieser Satzungsregelungen nach dem AGB-Gesetz auch noch nicht den Zweck des vereinsrechtlichen Zusammenschlusses (für eine Kontrolle nach dem AGBGesetz im Ergebnis auch Präve, RuS 1996, 249; Kaulbach in Fahr/Kaulbach, VAG 2. Aufl.§ 42 Rdn. 4).
Auch soweit eine Inhaltskontrolle des in die Satzung aufgenommenen Änderungsvorbehalts nach dem AGB-Gesetz für unzulässig gehalten wird, werden als Maßstab die Gebote von Treu und Glauben, § 242 BGB, und § 315 BGB herangezogen (vgl. Weigel, aaO § 41 Rdn. 15). Mögen die Ergebnisse einer Kontrolle nach diesen Maßstäben und denen des AGBGesetzes nicht immer übereinstimmen, so ist doch zu bedenken, daß insbesondere § 9 Abs. 1 AGBG im wesentlichen eine Kodifizierung der von der Rechtsprechung zu § 242 BGB entwikkelten Grundsätze zur Inhaltskontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen darstellt (vgl. Senatsurteil vom 23. November 1994 - IV ZR 124/93 - VersR 1995, 77 unter B II 1). Für den vorliegenden Fall würde das Ergebnis einer Kontrolle nach § 9 Abs. 1 AGBG (dazu unter 3. b)) und nach § 242 BGB nicht differieren.
Eine Inhaltskontrolle nach §§ 242, 315 BGB würde allerdings nicht in einem Verbandsverfahren zulässig sein, denn nach § 13 AGBG können die Verbände nur Ansprüche auf Unterlassung solcher Klauseln geltend machen, die nach den §§ 9 bis 11 AGBG unwirksam sind. Der Schutzzweck der Norm trifft indessen auch auf die hier zu prüfenden Satzungsbestimmungen zu. Das Verfahren nach den §§ 13 ff. AGBG soll den Rechtsverkehr von der Verwendung Allgemeiner Geschäftsbedingungen freihalten, die nach dem AGB-Gesetz unzulässig sind (BGHZ 109, 29, 33 m.w.N.; Hensen in Ulmer/Brandner/Hensen, aaO § 13 Rdn. 1; Lindacher in Wolf/Horn/Lindacher, aaO § 13 Rdn. 1). Auch wenn der Beklagte die Anpassungsklauseln in seine Satzung aufgenommen hat, nimmt er damit doch am Rechtsverkehr teil, denn die Klauseln haben unmittelbare Einwirkungen auf die vom Beklagten im Wettbewerb verwendeten Allgemeinen Versicherungsbedingungen. Auch der Schutz des Verbrauchers, der über den Weg der Verbandsklage erreicht wird (vgl. Lindacher, aaO), verdient im vorliegenden Fall Beachtung. Nach § 4 Abs. 1 der Satzung wird der Versicherungsnehmer Mitglied des VVaG durch Abschluß eines Versicherungsvertrages mit dem Beklagten. Jedenfalls in den Versicherungssparten des Massengeschäfts tritt der Versicherungsinteressent dem Beklagten als Anbieter genau so gegenüber, wie dies auch bei einem Versicherer in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft der Fall ist. Er wird sich in der Vielzahl der Fälle nicht einmal bewußt machen, daß er durch Abschluß eines Versicherungsvertrages auch einer vereinsrechtlichen Organisation beitritt. Aber auch wenn der Versicherungsnehmer des Beklagten auf den Unterschied zwischen einer Aktiengesellschaft und einem VVaG beim Abschluß des Versicherungsvertrages aufmerksam wird, ist er von den Vor- und Nachteilen einer Anpassungsklausel in gleicher Weise betroffen wie ein Versicherungsnehmer einer Aktiengesellschaft. Er ist deshalb in gleicher Weise schutzwürdig.
3.
Bei den Anpassungsklauseln handelt es sich jedenfalls auch um Allgemeine Versicherungsbedingungen. Sie unterliegen deshalb der Inhaltskontrolle nach § 9 Abs. 1 AGBG.
a)
Wie bei den Ausführungen zu § 23 Abs. 1 AGBG bereits dargelegt (unter 2c), haben die Klauseln einen Doppelcharakter; sie betreffen sowohl das vereinsrechtliche als auch das versicherungstechtliche Verhältnis. Lorenz weist zutreffend darauf hin (VersR 1996, 1206), daß der vereinsrechtliche Charakter sich auch aus § 43 Abs. 3 Satz 2 VAG ergibt, denn diese Norm setzt die Möglichkeit einer Anpassungsklausel in der Vereinssatzung voraus. Daraus läßt sich aber nicht der zwingende Schluß ziehen, bei der Anpassungsklausel handele es sich ausschließlich um eine vereinsrechtliche Kompetenznorm, die deshalb der Inhaltskontrolle nach § 9 AGBG entzogen sei (so aber Lorenz, aaO). Inhaltlich erlauben die Anpassungsklauseln eine Änderung der Tarifbestimmungen, der Beiträge und der Versicherungsbedingungen. Damit greifen sie auch unmittelbar in das Vertragsverhältnis zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer ein. Diese Bedingungen sind für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert. Der Beklagte stellt sie dem Versicherungsinteressenten bei seinem Angebot auf Abschluß des Versicherungsvertrages. Sie werden mit dem Abschluß des Versicherungsvertrages dessen Bestandteil. Damit erfüllen sie auch alle Merkmale Allgemeiner Geschäftsbedingungen im Sinne des § 1 Abs. 1 AGBG. Folglich unterliegen sie insoweit auch der Inhaltskontrolle nach § 9 AGBG, ebenso wie die Anpassungsklauseln in Allgemeinen Versicherungsbedingungen von Versicherungsunternehmen in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft (vgl. z.B. BGHZ 119, 55 zu §§ 8a MB/KK und MB/KT).
b)
Die Anpassungsklauseln, deren Unwirksamkeit in ihren einzelnen Abschnitten das Landgericht im Ergebnis zutreffend festgestellt hat, verstoßen gegen das sich aus § 9 AGBG ergebende Transparenzgebot. Danach ist der Verwender von Allgemeinen Geschäftsbedingungen entsprechend den Grundsätzen von Treu und Glauben verpflichtet, Rechte und Pflichten seines Vertragspartners möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Dabei kommt es nicht nur darauf an, daß die Klausel in ihrer Formulierung für den durchschnittlichen Vertragspartner verständlich ist. Vielmehr gebieten Treu und Glauben auch, daß die Klausel die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen so weit erkennen läßt, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann. Ist der Verwender diesem Gebot nicht gefolgt, liegt schon darin eine unangemessene Benachteiligung des Kunden (vgl. grundlegend BGHZ 106, 42; 112, 115; Brandner in Ulmer/Brandner/Hensen, aaO § 9 Rdn. 103).
Mit seinen Klauseln hat sich der Beklagte ein uneingeschränktes Abänderungsrecht vorbehalten. Die Klauseln enthalten keine dem Beklagten irgendwie gezogenen Grenzen für die Anpassung der Tarifbestimmungen, Beiträge und sonstigen versicherungsvertraglichen Rechte und Pflichten. Der Versicherungsnehmer ist jeder Beurteilung des Beklagten über die Richtigkeit und Notwendigkeit einer Anpassung ausgeliefert, ohne daß er vor Vertragsschluß oder auch nur danach vorhersehen kann, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang ihn zusätzliche Belastungen treffen werden. Ein so weitgehendes Bestimmungsrecht des Beklagten ist unangemessen und auch wegen etwaiger Besonderheiten eines VVaG nicht gerechtfertigt.
Die Unangemessenheit der Klauseln wird nicht dadurch beseitigt, nicht einmal gemildert, daß der Versicherungsnehmer den Vertrag gemäß § 6 Abs. 3 der Satzung innerhalb von zwei Wochen kündigen kann. Die Kündigungsmöglichkeit ändert nichts an der Ungewißheit etwaiger künftiger Belastungen, die allein schon, wenn die Unklarheit ein solches Ausmaß hat wie hier, eine unangemessene Benachteiligung darstellt. Ebensowenig führt zu einer anderen Beurteilung, daß Vertragsänderungen nach § 6 Abs. 2 der Satzung an die Zustimmung der Hauptversammlung gebunden sind. Dieses Zustimmungserfordernis beseitigt die vor jeder Änderung bestehende Unklarheit und Unvorhersehbarkeit über Art und Umfang des Eingriffs in das Vertragsverhältnis nicht.
Römer
Dr. Schlichting
Terno
Seiffert