Bundesgerichtshof
Urt. v. 08.04.1997, Az.: X ZR 62/95
Ansprüche aus Servicevertrag und Wartungsvertrag; Vorliegen sittenwidriger Knebelung; Bedeutung der langen Dauer eines Servicevertrages für Telefonanlage; Unwirksamkeit allgemeiner Geschäftsbedingungen; Unerfahrenheit des Geschäftspartners; Erfordernis von Investitionen; Fehlen einer Abwägungsentscheidung
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 08.04.1997
- Aktenzeichen
- X ZR 62/95
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1997, 17577
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- OLG Dresden - 06.06.1995
- LG Zwickau - 01.03.1994
Rechtsgrundlagen
- § 181 BGB
- § 35 Abs. 4 GmbHG
- § 138 BGB
- § 11 Nr. 12a AGBG
- § 9 Abs. 1 AGBG
- § 621 BGB
Fundstellen
- NJW-RR 1997, 942-943 (Volltext mit red. LS)
- WM 1997, 1624-1627 (Volltext mit red. LS)
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Sittenwidrigkeit eines Vertrages nach § 138 BGB wird bei einer langfristigen Bindung bejaht, wenn durch die Bindung allein oder ihre Ausgestaltung im Einzelfall die persönliche Selbständigkeit und Freiheit sowie ein Mindestmaß an wirtschaftlichem Bewegungsspielraum eines der Vertragspartner so beschränkt werden, dass er dem Gegenüber auf Gedeih und Verderb ausgeliefert ist. Dies kann aber auch bei einem mehr als zehnjährigen Servicevertrag nicht pauschal bejaht werden, es ist Vielmehr die Erfahrung des Geschäftspartners mit in die Betrachtung einzubeziehen.
- 2.
Dem steht es nicht entgegen, einen Vertrag wegen Verstoßes gegen § 9 Abs. 1 AGBG für unwirksam zu erklären. Wird daher ein Wartungsvertrag für eine veraltete Telefonanlage über einen Zehnjahreszeitraum geschlossen, so fehlt es offenbar an einer der Norm Rechnung tragenden Abwägungsentscheidung.
In dem Rechtsstreit
hat der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes
auf die mündliche Verhandlung vom 4. Februar 1997
durch
den Vorsitzenden Richter Rogge und
die Richter Dipl.-Ing. Frhr. v. Maltzahn, Dr. Broß, Scharen und Keukenschrijver
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Rechtsmittel der Beklagten werden das Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 6. Juni 1995 aufgehoben und das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Zwickau vom 1. März 1994 abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 9.898,60 DM nebst 12,5 % Zinsen p. a. hieraus seit 2. Oktober 1992 zu bezahlen.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Tatbestand
I.
1.
Dia Klägerin ist die ehemalige Geschäftsführerin und Alleingesellschafterin der M.
GmbH (im folgenden : MKS). Sie macht aus von der MKS abgetretenem Recht Servicegebühren aus einem Kooperation- und einem Wartungsvertrag zwischen der MKS und der Beklagten geltend.
Die MKS und die Beklagte hatten am 24. Juli 1991 einen Kooperationsvertrag geschlossen. Wesentlicher Inhalt waren die Wartung und Lieferung von Kommunikationsanlagen, Fernkopierern, Funk, Funktelefonen, Betriebsüberwachungsanlagen, Feuermeldern und ähnlichem durch die MKS. Diese übernahm drei Mitarbeiter der Beklagten. Es wurde eine. Wartungspauschale von 14.000,-- DM monatlich vereinbart. Des weiteren sollte der Vertrag unbegrenzt rückwirkend ab 1. Juni 1991 laufen. Die ordentliche Kündigung war ausgeschlossen. Im übrigen war eine - man muß wohl ergänzen: außerordentliche -Kündigung frühestens zum 31. Dezember 1995 mit einer Kündigungsfrist von einem Jahr vorgesehen.
In einem Schreiben der MKS von 29. Juli 1991. das der damalige Geschäftsführer der Beklagten mitunterzeichnet hat, erläuterte die MKS anläßlich der Übermittlung einer Kopie des Kooperationsvertrages:
"Um Auslegungsproblemen vorzubeugen, darf ich noch folgendes klarstellen:
1.
Der Kooperationsvertrag vom 24. Juli 1991 gilt auch für eventuelle Rechtsnachfolger der Z.GmbH.
2.
Der Kooperationsvertrag ist seitens der Z....GmbH und/oder deren Rechtsnachfolger unkündbar, soweit der MKS GmbH i.G. aus diesem Vertragsverhältnis keine unerlaubten Handlungen nachzuweisen sind."
Am l. Juni 1991/1. Oktober 1991 schlossen die MKS und die Beklagte einen vorformulierten Servicevertrag mit Versicherungsschutz. Es wurde eine monatliche wartungspauschale von 14.000,-- DM zuzüglich 14 % MwSt vereinbart. Als Vertragsgegenstand wurden unter der Nr. 01 2 GWN Anlagen, unter der Nr. 02 2 TA SEL 5604 und unter der Nr. 03 Brandmelderanlagen und Stechuhrenanlagen aufgeführt. Nr. 7 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen für Servicevertrag besagt:
"Vertragsbeginn ist bei von MKS zu installierenden und bestehenden Anlagen der Tag der Übernahme bzw. der Übernahmeprüfung, sonst der Tag der Lieferung.
Die Vertragsdauer beträgt:
bei Daten- und Textsystemen einschließlich Fernkopierern und Fernschreibeanlagen:
laufendes Kalenderjahr und anschließend drei Jahre; bei sonstigen Anlagen:
laufendes Kalenderjahr und anschließend zehn Jahre."
Nr. 9 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen für Servicevertrag besagt:
"Überlassung an Dritte
Überläßt der Kunde Systeme und Endeinrichtungen einem Dritten, so bleiben seine Verpflichtungen aus diesem Vertrag bestehen, es sei denn, daß der Dritte mit Zustimmung von MKS in diesen Vertrag eintritt."
2.
Privatisierungen (durch die Treuhand) machten im Dezember 1991 Umstrukturierungen im Betrieb der Beklagten notwendig. Das sogenannte Werk 2 wurde von einem anderen Unternehmen übernommen und es traten weitere kleine Unternehmen in die Nutzergemeinschaft gemäß den genannten Verträgen zwischen der MKS und der Z. ... GmbH ein. In diesem Zusammenhang fanden Verhandlungen über eine anteilige Vertragsübernahme zumindest mit einigen der Nachfolgeunternehmen statt. Hierüber wurde ein Aufteilungsprotokoll erstellt, das nicht datiert ist und sowohl von einem Vertreter der MKS als auch einem Vertreter der Treuhandanstalt und einer Firma H. ... sowie einer Firma G. unterschrieben ist.
Das Berufungsgericht hat festgestellt, daß die MKS die dort vorgesehenen Zahlungen von dritter Seite unstreitig nicht erhalten habe.
Am 3. September 1992 faßte die Klägerin als damals alleinige Gesellschafterin der MKS den Beschluß, alle Rechte und Pflichten der MKS im Zusammenhang mit der Forderungsangelegenheit aus dem Servicevertrag mit der Beklagten an sie abzutreten.
Die Beklagte kündigte mit Anwaltsschreiben vom 21. September 1992 das Vertragsverhältnis mit der MKS fristlos. Durch die vorweggenommenen Privatisierungen zu einer Restverwaltung zwecks Abwicklung habe sich der Zweck der Beklagten gewandelt und deshalb sei die von beiden Parteien gebildete Geschäftsgrundlage in Fortfall geraten. Schließlich baute sie die von der MKS zu wartende Anlage ab. Am 29. Oktober 1992 wurde eine neue Anlage in Betrieb gesetzt.
II.
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Zahlung rückständiger sowie aller bis zum Jahre 2001 künftig fällig werdender Wartungspauschalen. Sie vertritt die Auffassung, durch den Abbau der Altanlage seitens der Beklagten sowie mangels Neueinrichtung von Anlagen durch ihre Rechtsvorgängerin sei sie von ihren Wartungsverpflichtungen aus dem Servicevertrag frei geworden, hingegen sei die Zahlungsverpflichtung der Beklagten bestehengeblieben. Sie behauptet weiter, sie habe bis zur Inbetriebnahme der Neuanlage der Beklagten im Oktober 1992 die Wartungsleistungen erbringen können.
Das Landgericht hat der Klage antragsgemäß stattgegeben.
Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht das Urteil des Landgerichts teilweise abgeändert.
Der Senat hat die gegen ihre Verurteilung gerichtete Revision der Beklagten angenommen, hingegen die unselbständige Anschlußrevision der Klägerin nicht zur Entscheidung angenommen. Die Klägerin tritt der Revision der Beklagten entgegen und beantragt deren Zurückweisung.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten hat weit überwiegend Erfolg. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, weil die Sache aufgrund der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen zur Endentscheidung reif ist (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO).
I.
Das Berufungsgericht nimmt an, die Klägerin sei Inhaberin der Ansprüche aus dem Servicevertrag.
Es beurteilt den "Beschluß" vom 3. September 1992 als Abtretungsvertrag. Dieser sei wirksam, weil die gesellschaftsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt seien und die Klägerin von den Beschränkungen der §§ 181 BGB, 35 Abs. 4 GmbHG befreit gewesen sei. Diese Auslegung ist möglich und deshalb revisionsrechtlich entgegen der von der Revision vertretenen Auffassung nicht zu beanstanden. Ob die übrigen Erwägungen des Berufungsgerichts in diesem Zusammenhang zu überzeugen vermögen, was die Revision in Abrede stellt, bedarf keiner Erörterung; denn sie tragen die Entscheidung nicht.
II.
1.
Das Berufungsgericht hält den Kooperationsvertrag vom 24. Juli 1991 wegen sittenwidriger Knebelung der Beklagten gemäß § 138 BGB für unwirksam. Die Revision nimmt das als ihr günstig hin. Rechtsfehler treten insoweit auch nicht hervor.
2.
Das Berufungsgericht hält hingegen den wartungs- bzw. Servicevertrag zwischen der MKS und der Beklagten für wirksam zustande gekommen und zumindest bis zur Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens über das vermögen der MKS als gegenseitiger Austauschvertrag (teils) für unbeendet bestehengeblieben. Die Unwirksamkeit des Kooperationsvertrages wirke sich hierauf nicht aus. Die zehnjährige Laufzeit des Servicevertrages sei unbedenklich.
a)
Das Berufungsgericht sieht den Servicevertrag als Werkvertrag mit Dauerschuldcharakter an. Das nimmt die Revision hin. Rechtsfehler treten nicht hervor.
b)
Hingegen macht die Revision zu Recht geltend, der Servicevertrag sei wegen der Laufzeit von über zehn Jahren unwirksam, weil er die Beklagte entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteilige.
Nr. 7 des Servicevertrages über die Vertragsdauer ist gemäß § 9 Abs. 1 AGBG unwirksam.
Nach den vom. Berufungsgericht getroffenen Feststellungen ist im Streitfall die zehnjährige Laufzeit im Anschluß an das laufende Kalenderjahr bei "sonstigen Anlagen" einschlägig; denn die Klägerin hatte aufgrund des Servicevertrages Telefonanlagen, Feuermelder sowie Stechuhren und ähnliche Einrichtungen zu warten.
Der Servicevertrag ist bezüglich der zehnjährigen Vertragsdauer nicht schon nach § 11 Nr. 12 a AGBG unwirksam, weil die Beklagte Kaufmann ist und § 11 AGBG nach § 24 Satz 1 Nr. 1 AGBG keine Anwendung findet. § 11 Nr. 12 a AGBG enthält kein Indiz dafür, daß entsprechende Allgemeine Geschäftsbedingungen im kaufmännischen Geschäftsverkehr unwirksam wären (etwa BGH, Urt. v. 27.02.1985 - VIII ZR 85/84, NJW 1985, 2693, 2695 [BGH 27.02.1985 - VIII ZR 85/84]; Wolf/Horn/Lindacher, AGBG, 3. Aufl., § 11 Rdn. 26; Ulmer/Brandner/Hensen. AGBG, 7. Aufl., § 11 Rdn. 18). Es muß vielmehr in jedem Einzelfall geprüft werden, ob die in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen vereinbarte Laufzeit den Anforderungen der Generalklausel des § 9 Abs. 1 AGBG genügt (etwa BGH, Urt. v. 08.03.1984 - IX ZR 144/83, NJW 1984, 1531, 1532; BGH, Urt. V. 13.02.1985 - VIII ZR 154/84, NJW 1985, 2328 [BGH 13.02.1985 - VIII ZR 154/84]).
Das Berufungsgericht verneint einen Verstoß gegen S 9 Abs. 1 AGBG (wie auch gegen § 138 BGB) mit der Erwägung, bei Telefonanlagen würden Mietverträge wegen der einerseits hohen Anschaffungs- und Installationskosten seitens des Vermieters und andererseits des Interesses des Kunden an langfristiger Planung bei Laufzeiten von zehn Jahren für wirksam erachtet. Das gelte selbst dann, wenn innerhalb dieser Vertragslaufzeit die Anlage veralte und damit den Ansprüchen des Mieters nicht mehr genüge.
Dem kann nicht gefolgt werden. Gemäß § 9 Abs. 1 AGBG sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Unangemessen ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes eine Klausel, in der der Verwender mißbräuchlich eigene Interessen auf Kosten des Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein die Interessen seines Partners hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen; ein wesentliches Indiz dafür ist die Abweichung von dispositiven gesetzlichen Bestimmungen, soweit sie dem Gerechtigkeitsgebot Ausdruck verleihen (BGHZ 89, 206, 210 f.) [BGH 21.12.1983 - VIII ZR 195/82].
Gesetzliche Bestimmungen, die die Länge der Vertragsdauer beschränken, gibt es nicht (BGH, Urt. v. 13.02.1985 - VIII ZR 154/84, NJW 1985, 2328 [BGH 13.02.1985 - VIII ZR 154/84]; BGH, Urt. v. 10.02.1993 - XII ZR 74/91, NJW 1993, 1133, 1134). In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes wird, wie die genannten Entscheidungen (NJW 1985, 2328 [BGH 13.02.1985 - VIII ZR 154/84] u. NJW 1993, 1133) ergeben, eine vertragliche Bindung von zehn Jahren (und mehr) allerdings als kritisch angesehen. Es müssen dann besondere Umstände auf der Seite des Klauselverwenders gegeben sein, die eine Bindungsfrist von zehn Jahren als nicht unangemessen erscheinen lassen (vgl. hierzu desweiteren etwa Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG. 7. Aufl., 1993, Anh. §§ 9-11, Rdn. 250-252; Wolf/Horn/ Lindacher, AGBG, 3. Aufl., 1994, § 9 Rdn. M 89 u. T 20, W 14 sowie § 11 Nr. 12 Rdn. 23 je a.w.N.).
Im Unterschied hierzu wird in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes Sittenwidrigkeit bei einer langfristigen Bindung bejaht, wenn durch die Bindung allein oder ihre Ausgestaltung im Einzelfall die persönliche Selbständigkeit und Freiheit sowie ein Mindestmaß an wirtschaftlichem Bewegungsspielraum eines der Vertragspartner so beschränkt werden, daß er dem Gegenüber auf Gedeih und Verderb ausgeliefert ist (VIII. ZS, BGHZ 64, 288, 291; st. Rspr. d. Sen., z.B. Urt. v. 25.05.1993 - X ZR 79/92, NJW-RR 1993, 1460).
Aufgrund der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen kann Sittenwidrigkeit des Servicevertrages gemäß § 138 Abs. 1 oder Abs. 2 BGB verneint werden. Die Beklagte ist zwar in ihren Investitionsentscheidungen für neue Anlagen, deren Wartung Gegenstand des Servicevertrages ist, nicht unerheblich beeinträchtigt; denn die Wartungskosten laufen weiter und demgemäß ist die betriebswirtschaftliche Kalkulation ungünstiger als ohne die, zehnjährige vertragliche Bindung. Andererseits ist aufgrund der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen die in diesem Zusammenhang von der Revision in den Vordergrund gestellte ''Unerfahrenheit" der Beklagten zu verneinen. Es handelt sich um ein Großunternehmen, das in erheblichem Umfang am Wirtschaftsleben teilnimmt. Es bedeutete auch eine nicht billigenswerte Abwertung der Unternehmen im Beitrittsgebiet, ihnen die Tauglichkeit für eine verantwortungsvolle Gestaltung von Verträgen im Geschäftsleben abzusprechen, wie es die Revision tut. Ausschlaggebend ist aber letztlich, daß die dem Servicevertrag unterliegenden Anlagen zwar wichtige Infrastruktureinrichtungen im Betrieb der Beklagten sind, nicht aber dessen Kern betreffen, so daß von einer Abhängigkeit auf "Gedeih und Verderb" nicht die Rede sein kann.
Hingegen führt die gemäß § 9 Abs. 1 AGBG gebotene Gesamtabwägung der für und gegen die langfristige Bindung sprechenden Gesichtspunkte und die Frage von deren Angemessenheit dazu, daß sie keinen Bestand haben kann. Für die MKS als Klauselverwender spricht lediglich der Umstand, daß sie nach den Feststellungen des Berufungsgerichts gemäß Nr. 2 2. Spiegelstrich des Kooperationsvertrages vom 24. Juli 1991 drei Mitarbeiter der Beklagten übernommen hat. Das ist, darin verdient das Berufungsgericht Zustimmung, ein Umstand, der für die von der MKS vorformulierte zehnjährige Vertragsbindung sprechen könnte. Allerdings ergibt eine nähere Betrachtung, daß diesem Umstand kein besonderes Gewicht für die Abwägung beigemessen werden darf. Die MKS bedurfte für eine geordnete Geschäftstätigkeit einer entsprechenden personellen Ausstattung, d.h. sie brauchte Arbeitnehmer, die mit den veralteten Anlagen, wie sie nach den Feststellungen des Berufungsgerichtes bei der Beklagten vorhanden waren, vertraut waren. Hatte die MKS diese drei Mitarbeiter nicht übernehmen können, hatte sie entsprechend geschultes und erfahrenes Personal auf dem freien Arbeitsmarkt suchen müssen, um die ihr nach dem Servicevertrag obliegenden Leistungen gegenüber der Beklagten - und anderen vergleichbaren Kunden - erbringen zu können. Bei der gebotenen objektiven, aber auch vernünftigen, Betrachtung handelt es sich sonach bei der Übernahme der drei Mitarbeiter der Beklagten, durch die MKS nicht um eine Belastung, sondern um einen ihr günstigen Umstand, zumal diese Mitarbeiter auch anderweitig eingesetzt werden konnten.
Des weiteren ergibt sich, daß die in den genannten Entscheidungen des Bundesgerichtshofes (NJW 1985, 2328 [BGH 13.02.1985 - VIII ZR 154/84] u. NJW 1993, 1133) genannten "Amortisationsgesichtspunkte" nicht greifen; denn das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, daß die MKS Investitionen in nennenswertem Umfang hätte tätigen müssen, um die ihr nach dem Servicevertrag obliegenden Leistungen gegenüber der Beklagten zu erbringen. Vielmehr stand der Gegenstand der Wartungsleistungen im Eigentum der Beklagten. Hinzu kommt, daß die Telefonanlagen der Beklagten nach den Feststellungen des Berufungsgerichts auf einem deutlich - und nicht nur geringfügig - veralteten Stand waren. Im Hinblick darauf ist eine so lange Bindung über Serviceleistungen eine sehr große Benachteiligung für den Auftraggeber, weil er auf diese Weise erheblich in seiner Entscheidung behindert wird, seine Kommunikations- und sonstigen Einrichtungen, die hier in Rede stehen, modernen Erfordernissen und der allgemeinen Entwicklung anzupassen und damit im Wettbewerb mit seinen Konkurrenten zu bestehen. Bei der Rentabilitätsberechnung und Entscheidung über eine Auswechslung der Anlage würde sich die im allgemeinen mit einer Modernisierung verbundene erhebliche Reduzierung der Wartungskosten oder deren Übernahme durch die frei zu wählende Lieferfirma nicht auswirken. Mit veralteten Anlagen wäre die Beklagte jedoch erheblich im Wettbewerb beeinträchtigt. Moderne Kommunikations- und die übrigen dem Wartungsvertrag unterfallenden Anlagen sind zudem im Wettbewerb ein Aushängeschild und dementsprechend ein gewichtiges Werbemittel.
Wer rückständige Anlagen in diesem Bereich hat, wird bezüglich seines Leistungsvermögens als nicht wettbewerbsfähig eingeschätzt. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts kann man bei Anlagen aus den 30er, Jahren in diesem Bereich nicht mehr davon sprechen, daß sie noch etwa zehn Jahre hätten sinnvoll genutzt werden können. Ein solcher Anlagenbestand muß bei der bestehenden großen Dynamik der Entwicklung im Kommunikationsbereich ehestmöglich ersetzt werden. Wer davor die Augen verschließt, trifft keine sachgerechte Gewichtung des Abwägungsmaterials und verfehlt damit eine sachgerechte und dem § 9 Abs. 1 AGBG standhaltende Abwägung.
c)
Gemäß § 6 Abs. 2 AGBG tritt an die Stelle der unwirksamen Laufzeitbestimmung Gesetzesrecht. Für das Werkvertragsrecht regelt § 649 Satz 1 BGB. daß der Besteller bis zur Vollendung des Werks jederzeit den Vertrag kündigen kann. Nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen hatte die Klägerin fortlaufend Serviceleistungen zu erbringen, es handelt sich der Sache nach um einen Dienstleistungsvertrag. Aus diesem Grunde ist die Schließung der entstandenen Lücke unter Rückgriff auf § 649 Satz 1 BGB nicht sachgerecht. Demgegenüber kommt die zeitlich unbefristete Erbringung von Serviceleistungen nach seinem äußeren Erscheinungsbild einem auf unbestimmte Dauer eingegangenen Dienstverhältnis nahe. Für ein solches sieht § 620 Abs. 2 BGB vor, daß jeder Teil das Dienstverhältnis nach Maßgabe der §§ 621 oder 622 BGB kündigen kann. § 621 Nr. 3 BGB erklärt die Kündigung bei einem solchen Dienstverhältnis, wenn die Vergütung nach Monaten bemessen ist, spätestens am 15. eines Monats für den Schluß des Kalendermonats für zulässig. Eine solche Kündigungsregelung hätten redliche Vertragspartner bei ihren Erwägungen in den Vordergrund gestellt, wenn sie den Vertragsabschluß auf unbestimmte Dauer durch Allgemeine Geschäftsbedingungen als unwirksam erkannt hatten. An dieser Beurteilung ändert sich nichts dadurch, daß nach Nr. 4.1 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der MKS die nach Monaten bemessene Vergütung für das Vierteljahr im voraus zu entrichten war; denn hierdurch ist die Bemessung der Vergütung nach Monaten nicht berührt.
Das Schließen der durch die Unwirksamkeit der Laufzeit-Klausel entstandenen Vertragslücke unter Rückgriff auf die Regelung des § 621 BGB ist sachgerecht und wird der beiderseitigen Interessenlage bei Abschluß des Servicevertrages gerecht. Dessen Laufzeit wäre bei objektiver und die Interessenlage beider Vertragsparteien angemessen berücksichtigender Betrachtungsweise mit einem Jahr angemessen gewesen. Bei der gegebenen besonderen Sachverhaltsgestaltung, die sich aus den Feststellungen des Berufungsgerichts ergibt, war ein rasches Ende des Wartungsbedarfs für die Anlagen der Beklagten abzusehen, weil diese ehestmöglich durch eine zeitgemäßen Anforderungen genügende Anlage ersetzt werden müßten. Hinzu kommt, daß die MKS keine Investitionen tätigen mußte, deren Amortisation eine längere Laufzeit als ein Jahr erfordert hätte. Der Servicevertrag ist ein Jahr gelaufen, so daß eine Kündigung nach § 621 BGB, wie hier ausgesprochen, möglich ist und aufgrund der genannten Besonderheiten des Streitfalls nicht zu für die Klägerin unangemessenen Ergebnissen führt.
Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Beklagte mit Anwaltsschreiben vom 21. September 1992 das Vertragsverhältnis mit der MKS fristlos gekündigt. Da der 15. September 1992 verstrichen war, wurde die Kündigung durch die Beklagte sonach zum 31. Oktober 1992 wirksam. Der Wartungsvertrag zwischen der MKS und der Beklagten ist deshalb zu diesem Zeitpunkt beendet worden. Dafür, daß die Kündigung zur Unzeit ausgesprochen worden wäre, hat die Klägerin nichts vorgetragen und ist auch nichts ersichtlich.
Gründe für eine frühere Beendigung des Servicevertrages sind nicht erkennbar. Das Berufungsgericht hat weiter festgestellt, daß die Beklagte am 29. Oktober 1992 eine neue Anlage in Betrieb gesetzt hat. Durch diese Handlung der Beklagten ist das Substrat für die Wartungsarbeiten der Klägerin entfallen. Im Hinblick darauf entspricht es einer die Interessen beider Vertragsparteien angemessen berücksichtigenden Abwägung, daß in Anbetracht der Unwirksamkeit der Bestimmung über die unbefristete Vertragsdauer das anwaltliche Kündigungsschreiben vom 21. September 1992 als Kündigung zum 31. Oktober 1992 angenommen wird.
3.
Die Revision greift ohne Erfolg die Auffassung des Berufungsgerichts bezüglich der anderen Anlagen (Feuermeldetechnik, Stechuhren usw.) an, die Beklagte sei mit der Annahme der Wartungsarbeiten der Firma MKS in Verzug gewesen, bis diese mit der Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens leistungsunfähig geworden sei. Es gehe hierbei konkret um 6.500,-- DM monatlich netto für die Zeit von Juli 1992 bis einschließlich März 1993, also für neun Monate.
Aufgrund der vorstehenden Erwägungen ergibt sich, daß die Beklagte den Servicevertrag wirksam erst zum 31. Oktober 1992 gekündigt hat. Daraus folgt des weiteren, daß sie bis zu diesem Zeitpunkt verpflichtet war, der MKS die vereinbarte Vergütung zu bezahlen.
III.
Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, weil aufgrund der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen die Sache zur Endentscheidung reif ist (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO).
Die Abrechnung des Berufungsgerichts unter V. (BU 51-53) ist wegen Wirksamkeit der Kündigung des Servicevertrages durch die Beklagte zum 31. Oktober 1992 wie folgt zu berichtigen:
Unter der Position Nr. 1 betreffend Wartung für Feuermelder und Stechuhren sind statt neun Monate nur vier Monate (Juli bis Oktober 1992) anzusetzen. Unter Nr. 3 a verbleibt es bei dem vom. Berufungsgericht angesetzten Monat, während unter Nr. 3 b statt der vom Berufungsgericht angenommenen 36 Monate nur die Monate August bis Oktober 1992 angesetzt werden dürfen. Von dem sich sonach ergebenden Betrag in Höhe von 45.455,04 DM sind die vom Berufungsgericht unter Nr. 5 angesetzten Zahlungen der Beklagten im Gesamtbetrag von 35.556,44 DM abzuziehen, so daß die Beklagte noch 9.898,60 DM an die Klägerin zu entrichten hat.
Der Zinsanspruch der Klägerin in Höhe von 12,5 % Zinsen p. a. seit 2. Oktober 1992 ergibt sich aus dem insoweit nicht zu beanstandenden Ausspruch des Berufungsurteils.
IV.
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 92 Abs. 2 ZPO.