Bundesgerichtshof
Urt. v. 23.11.1994, Az.: IV ZR 48/94
Sachbeförderung; Zerstörte Sachen; Entsorgungskosten
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 23.11.1994
- Aktenzeichen
- IV ZR 48/94
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1994, 15549
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlage
- § 11 III AKB
Fundstellen
- DAR 1995, 156-157 (Volltext mit amtl. LS)
- MDR 1995, 259-260 (Volltext mit amtl. LS)
- NJW-RR 1995, 276-277 (Volltext mit amtl. LS)
- NZV 1995, 107-108 (Volltext mit amtl. LS)
- TranspR 1995, 171-172 (Volltext mit amtl. LS)
- VRS 1995, 251
- VersR 1995, 162-163 (Volltext mit amtl. LS)
- zfs 1995, 59-61 (Volltext mit amtl. LS)
Amtlicher Leitsatz
Der Anspruch auf Ersatz der Kosten der Entsorgung von mit dem Fahrzeug beförderten und darauf zerstörten Sachen fällt nicht unter die Ausschlußklausel des § 11 Abs. 3 S. 1 AKB.
Tatbestand:
Die Klägerin verlangt von der Beklagten Deckungsschutz aus einer Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung, der die Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung (AKB) zugrunde liegen.
Die F. GmbH erhielt von der S. GmbH einen Speditionsauftrag zur Beförderung von Fernsehgeräten nach Italien. Sie beauftragte mit der Durchführung des Transports die Klägerin, die dafür einen bei der Beklagten haftpflichtversicherten Lastkraftwagen einsetzte. Während des Transports am 25. Mai 1991 geriet das mit Fernsehgeräten beladene Fahrzeug der Klägerin in Brand, weil es durch Reibung der Fahrzeughinterreifen an der Ladepritsche zu einer starken Erhitzung der Ladefläche gekommen war. Die mit dem Fahrzeug beförderten Fernsehgeräte wurden zerstört. Den insoweit der S. GmbH entstandenen Schaden hat der Transportversicherer ersetzt. Brandschutt, der auf die Straße geraten war, wurde beseitigt; hierfür entstandene Kosten übernahm die Beklagte. Den auf dem Fahrzeug verbliebenen, von Fernsehgeräten und deren Verpackung herrührenden Brandschutt entsorgte die S. GmbH, die die Entsorgungskosten der F. GmbH mit 52.346,14 DM in Rechnung stellte. Letztere nimmt die Klägerin auf Ausgleich dieser Kosten in Anspruch.
Die Beklagte lehnt es ab, Deckungsschutz zu gewähren. Sie vertritt die Auffassung, es handele sich um einen Anspruch wegen Beschädigung und Zerstörung der mit dem versicherten Fahrzeug beförderten Ladung, der nach § 11 Nr. 3 Satz 1 AKB von der Versicherung ausgeschlossen sei. Der Ausschluß ergreife auch Ansprüche wegen der Folgekosten einer Beschädigung.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben; die Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit der zugelassenen Revision begehrt die Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage.
Entscheidungsgründe
Die Revision bleibt ohne Erfolg.
1. Das Berufungsgericht geht zutreffend davon aus, daß der gegen die Klägerin geltend gemachte Schadensersatzanspruch nach § 10 Abs. 1b AKB grundsätzlich in den Deckungsbereich der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung fällt. Denn durch den Gebrauch des bei der Beklagten versicherten Fahrzeugs der Klägerin sind Sachen - hier Fernsehgeräte - zerstört worden; der Ersatz eines durch die Zerstörung entstandenen Schadens ist Gegenstand des gegen die Klägerin gerichteten Anspruchs. Also kommt es darauf an, ob dieser Anspruch gemäß § 11 Nr. 3 Satz 1 Alt. 2 AKB von der Versicherung ausgeschlossen ist.
2. Nach § 11 Nr. 3 Satz 1 AKB sind von der Versicherung ausgeschlossen Haftpflichtansprüche wegen Beschädigung, Zerstörung oder Abhandenkommens des Fahrzeugs, auf das sich die Versicherung bezieht, oder der mit diesem beförderten Sachen.
a) Das Berufungsgericht nimmt an, der Risikoausschluß greife nicht ein. Unter Berufung auf das Senatsurteil vom 28. Mai 1969 - IV ZR 615/68 - VersR 1969, 726 unter 3 - vertritt es die Auffassung, daß, soweit es um Haftpflichtansprüche wegen Beschädigung, Zerstörung oder Abhandenkommens der mit dem Fahrzeug beförderten Sachen gehe, der Risikoausschluß nur die Haftung des Versicherungsnehmers für solche Schäden erfasse, die an den von ihm beförderten Sachen selbst eingetreten sind. Der zu ersetzende Schaden müsse sich in der Wertminderung der geschädigten Sache selbst und dem dadurch entgangenen Nutzen erschöpfen. Darum gehe es im vorliegenden Falle aber nicht. Denn der gegen die Klägerin geltend gemachte Schadensersatzanspruch sei nicht auf Ersatz des Substanzwertes der Fernsehgeräte, sondern auf Erstattung der aus der Zerstörung erwachsenen Folgekosten gerichtet.
b) Dagegen ist die Revision der Auffassung, der Risikoausschluß erfasse auch Haftpflichtansprüche, die aus den Folgen eines unmittelbar an den beförderten Sachen selbst entstandenen Schadens hergeleitet werden. Der Wortlaut des § 10 Abs. 1b AKB einerseits und des § 11 Nr. 3 AKB andererseits rechtfertige es nicht, die Regelungsbereiche beider Klauseln im Hinblick auf die von ihnen erfaßten Versicherungsschutzbereiche unterschiedlich zu bestimmen. Wenn § 10 Abs. 1b AKB auch Schadensersatzansprüche umfasse, die sich auf mittelbare Folgen der an der Sache selbst entstandenen Schäden stützen, müsse das auch bei § 11 Nr. 3 AKB angenommen werden. § 11 Nr. 3 AKB spreche nicht von Ansprüchen auf Ersatz von Schäden "an" beförderten Sachen. Abgesehen von diesen Erwägungen müsse - so meint die Revision - das in den letzten Jahren gewandelte Umweltbewußtsein zu einer veränderten Betrachtungsweise des wirtschaftlichen Wertes einer beschädigten oder zerstörten Sache führen. Diese habe nicht mehr einen Restwert, bedeute vielmehr eine wirtschaftliche Belastung des Eigentümers, wenn mit ihrer Entsorgung Kosten verbunden sind. Deshalb müsse der Begriff des unmittelbaren Sachschadens ausweitend verstanden und ihm auch der negative Restwert einer zerstörten Sache zugerechnet werden.
3. Der gegen die Klägerin erhobene Anspruch ist nicht gemäß § 11 Nr. 3 AKB von der Versicherung ausgeschlossen.
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats sind Allgemeine Versicherungsbedingungen so auszulegen, wie sie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhanges verstehen muß (BGHZ 123, 83, 85). Der Versicherungsnehmer geht zunächst vom Wortlaut der Klausel aus. Nach § 11 Nr. 3 Satz 1 Alt. 2 AKB sind von der Versicherung ausgeschlossen Haftpflichtansprüche, die "wegen Beschädigung, Zerstörung oder Abhandenkommens der (mit dem Fahrzeug) beförderten Sachen" geltend gemacht werden. Dieser Wortlaut weist den Versicherungsnehmer besonders darauf hin, daß der Ausschluß immer dann eingreifen soll, wenn sich ein Anspruch auf die "beförderten Sachen" bezieht. Auch die in der Klausel beschriebenen anspruchsauslösenden Umstände ("wegen Beschädigung ...") wird der Versicherungsnehmer deshalb auf die beförderten Sachen beziehen; sie müssen sich also an den beförderten Sachen verwirklicht haben. Schon wegen dieser Verknüpfung wird der verständige Versicherungsnehmer die Ausschlußregelung nur so verstehen, daß es bei den ausgeschlossenen Ansprüchen um die Haftung für Schäden geht, die unmittelbar an den beförderten Sachen selbst eingetreten sind. Daß darüber hinaus auch die Haftung für anderweite Schäden ausgeschlossen werden soll, die sich nicht als an der beförderten Sache verwirklichende Schäden darstellen, kann der Versicherungsnehmer dem Wortlaut der Klausel dagegen nicht entnehmen.
In diesem Sinne hat der Senat bereits den Wortlaut der Ausschlußklausel des § 11 Nr. 6 AKB 1962 ausgelegt (Senatsurteil vom 28. Mai 1969, aaO.). Soweit nunmehr teilweise Abweichungen im Wortlaut vorliegen, lassen diese die für die Auslegung maßgeblichen Begriffe und Verknüpfungen unberührt.
b) Entgegen der Auffassung der Revision legt es auch ein Vergleich des Wortlauts der Ausschlußklausel mit dem Wortlaut des § 10 Abs. 1b AKB nicht nahe, auch einen Schaden, der nicht an der beförderten Sache selbst eingetreten ist, als vom Ausschluß umfaßt anzusehen. § 10 Abs. 1 AKB beschreibt grundsätzlich Umfang und Rahmen des Deckungsbereiches in der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung, wenn durch den Gebrauch des versicherten Fahrzeugs die dort näher angeführten Verletzungen oder Schäden eintreten. § 11 Nr. 3 AKB schließt von den dort umfaßten Schadensersatzansprüchen - zu denen auch nach Auffassung der Revision der hier in Rede stehende rechnet - bestimmte Haftpflichtansprüche aus. Wie weit dieser Ausschluß reicht, ergibt sich aber nicht aus einem bloßen Vergleich der Wortwahl in beiden Klauseln, sondern durch Auslegung der den Ausschluß konkretisierenden Regelung selbst. Dabei ist nach der ständigen Rechtsprechung des Senats der Grundsatz maßgeblich, daß Risikoausschlußklauseln eng auszulegen sind und nicht weiter ausgelegt werden dürfen, als es ihr Sinn unter Beachtung ihres wirtschaftlichen Zwecks und der gewählten Ausdrucksweise erfordert (vgl. BGHZ 88, 228, 231; Senatsurteil vom 29. Juni 1994 - IV ZR 229/93 - VersR 1994, 1058 unter 2 b). Auch die Berücksichtigung des Zwecks der Regelung in den Grenzen der Wortwahl führt hier aber nicht zu dem von der Revision erstrebten Auslegungsergebnis.
Die Ausschlußklausel dient zunächst der Abgrenzung der Haftpflichtversicherung zum Bereich der Kaskoversicherung. Das hat der Bundesgerichtshof bereits für § 11 Nr. 3 Satz 1 Alt. 1 AKB ausgesprochen (Urteil vom 18. März 1986 - VI ZR 213/84 - VersR 1986, 755 unter II, 1); für den hier in Rede stehenden Anwendungsbereich der Klausel gilt nichts anderes. Der Risikoausschluß will also wegen des Ausgleichs eines Schadens an den beförderten Sachen auf den Bereich der Sachversicherung verweisen (vgl. auch Knappmann in Prölss/Martin, VVG 25. Aufl. § 11 AKB Anm. 4). Dem entspricht es, wenn mit dem Ausschluß auch nur Ansprüche erfaßt werden, die auf Ersatz des Schadens an der beförderten Sache selbst gerichtet sind. Des weiteren liegt der Regelung aber auch der Gedanke zugrunde, daß die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung nicht dazu bestimmt ist, dem Versicherungsnehmer das normale Unternehmerrisiko abzunehmen, ihn also insbesondere von vertraglichen Erfüllungs- und Gewährleistungsansprüchen freizustellen (Senatsurteil vom 28. Mai 1969, aaO.). Mit der Klausel wird dem insoweit Rechnung getragen, als nach ihrem Wortlaut der Ausschluß gerade Ansprüche wegen Beschädigung der "beförderten" Sachen erfassen soll. Auch unter diesem Blickwinkel kann unter Berücksichtigung der Wortwahl daher nicht davon ausgegangen werden, daß mit dem Ausschluß auch Ansprüche auf Ersatz von Schäden erfaßt werden sollten, die über den Schaden an der beförderten Sache hinaus eingetreten sind.
Der Senat hält deshalb daran fest, daß der Risikoausschluß in § 11 Nr. 3 Satz 1 Alt. 2 AKB auf Haftpflichtansprüche wegen solcher Schäden beschränkt ist, die an den beförderten Sachen selbst eintreten. Dagegen fallen anderweite Schäden, die sich nicht als Schäden an der beförderten Sache, sondern als deren weitere Auswirkung darstellen, auch dann nicht unter den Deckungsausschluß, wenn ihre Ursache in der Beschädigung der beförderten Sache selbst liegt (Senatsurteil vom 28. Mai 1969, aaO.).
4. Demgemäß trifft die Annahme des Berufungsgerichts zu, wonach der gegen die Klägerin geltend gemachte Anspruch auf Ersatz von Entsorgungskosten nicht unter die Ausschlußklausel des § 11 Nr. 3 Satz 1 Alt. 2 AKB fällt (vgl. Knappmann, aaO.). Denn der zu ersetzende Schaden stellt sich nicht als Schaden an den beförderten Fernsehgeräten selbst dar, vielmehr hat sich deren Zerstörung dahin ausgewirkt, daß weiterer Schaden in Gestalt von Entsorgungskosten eingetreten ist.
Ob - wie die Revision meint - das gewandelte Umweltbewußtsein eine andere Wertung des an der beförderten Sache selbst eingetretenen Schadens rechtfertigt, kann auf sich beruhen. Denn die hier in Rede stehende Ausschlußklausel gibt nach Wortlaut und Zweck keinen Anhalt für eine Auslegung dahin, daß unter einem Schaden an der beförderten Sache selbst auch die bei deren völliger Zerstörung anfallenden Entsorgungskosten zu verstehen sein könnten.