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Bundesgerichtshof
Urt. v. 01.12.1993, Az.: XII ZR 177/92

Verzögerung der Klagezustellung; Zurechenbarkeit des Klägerverhaltens; Geringfügigkeit

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
01.12.1993
Aktenzeichen
XII ZR 177/92
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1993, 14809
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Fundstellen

  • BB 1994, 245 (amtl. Leitsatz)
  • FamRZ 1994, 299-300 (Volltext mit amtl. LS)
  • FuR 1994, 113 (red. Leitsatz mit Anm.)
  • JurBüro 1994, 271 (Kurzinformation)
  • MDR 1994, 508 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW 1994, 1073-1074 (Volltext mit amtl. LS)
  • VersR 1994, 455-456 (Volltext mit amtl. LS)
  • WM 1994, 439-441 (Volltext mit amtl. LS)

Amtlicher Leitsatz

Eine der klagenden Partei zuzurechnende Verzögerung der Klagezustellung um bis zu 14 Tage ist regelmäßig als geringfügig und damit im Rahmen des § 270 Abs. 3 ZPO unschädlich anzusehen. Hat die Partei eine zur Vorbereitung der Klagezustellung ergangene Verfügung des Gerichts (z. B. eine Streitwertanfrage) zu beantworten, so ist jene Zeitspanne überschritten, wenn die Antwort der Partei um mehr als 14 Tage später eingeht, als es bei der gebotenen zügigen Bearbeitung der Fall gewesen wäre. (301) BGH, Urteil vom 1.12.1993 (XII ZR 177/92, Hamm).

Tatbestand:

1

Die Ehe der Parteien ist durch Urteil des Amtsgerichts A. vom 29. August 1988 geschieden worden. In Anwesenheit der Parteien haben ihre Prozeßbevollmächtigten unmittelbar nach der Verkündung des Verbundurteils einen umfassenden Rechtsmittelverzicht erklärt. Im Rahmen des Scheidungsverbundverfahrens ist kein Zugewinnausgleichsanspruch geltend gemacht worden.

2

Ab Oktober 1988 haben die Parteien bzw. ihre Anwälte wegen des Zugewinnausgleichs miteinander korrespondiert. Ab Januar 1990 hat die Klägerin auf Schreiben des Beklagten nicht mehr reagiert. Die Parteien konnten insbesondere wegen des Wertes und der Verwertung eines Hausgrundstücks keine Einigung erzielen.

3

Am 29. August 1991 reichte die Klägerin beim Amtsgericht die vorliegende Stufenklage ein, mit der sie die Vorlage eines schriftlichen Bestandsverzeichnisses zum Eheendvermögen sowie Auskunft über den Wert einiger Vermögensgegenstände und die anschließende Verurteilung des Beklagten zur Zahlung eines sich aus der Auskunftserteilung ergebenden Zugewinnausgleichsbetrages begehrte. Die Klageschrift enthält keine Angaben zum Streitwert und die Klägerin hat zunächst - beim Einreichen der Klage - keinen Gerichtskostenvorschuß eingezahlt. Mit Verfügung vom 2. September 1991, die dem Prozeßbevollmächtigten der Klägerin nach der Annahme des Berufungsgerichts spätestens am 9. September 1991 zugegangen ist, hat das Amtsgericht die Klägerin aufgefordert, den Streitwert anzugeben. Mit Schriftsatz ihres Prozeßbevollmächtigten vom 27. September 1991, der auch an diesem Tage bei Gericht eingegangen ist, hat die Klägerin mitgeteilt, der Streitwert betrage 40.000 DM. Dem Schriftsatz beigefügt war in Form eines Verrechnungsschecks der - für einen Streitwert von 40.000 DM richtig berechnete - Gerichtskostenvorschuß. Aufgrund einer richterlichen Verfügung vom 1. Oktober 1991 wurde die Klage dem Beklagten zu Händen seines Prozeßbevollmächtigten am 7. Oktober 1991 zugestellt.

4

Der Beklagte beruft sich u.a. auf Verjährung. Beide Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. In der Berufungsinstanz hat die Klägerin ihren Zahlungsantrag beziffert, den Auskunftsantrag aber gleichwohl aufrechterhalten. Mit der zugelassenen Revision verfolgt sie die in der Berufungsinstanz gestellten Anträge weiter.

Entscheidungsgründe

5

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

6

1. Das Berufungsgericht führt aus, die Klage sei schon deshalb unbegründet, weil ein eventuell bestehender Zugewinnausgleichsanspruch der Klägerin verjährt sei und der Beklagte die Einrede der Verjährung geltend gemacht habe. Gemäß § 1378 Abs. 4 BGB verjähre ein Zugewinnausgleichsanspruch drei Jahre nach Kenntnis des Anspruchsberechtigten von der Rechtskraft des Scheidungsurteils. Da die Prozeßbevollmächtigten der Parteien am 29. August 1988 nach der Verkündung des Scheidungsurteils in Anwesenheit der Parteien auf Rechtsmittel verzichtet hätten, wisse die Klägerin seit diesem Tage, daß das Scheidungsurteil rechtskräftig sei. Verjährung sei somit mit Ablauf des 29. August 1991 eingetreten. Eine Unterbrechung der Verjährung durch Klageerhebung (§ 209 BGB) sei nicht rechtzeitig erfolgt, da die Klage erst am 7. Oktober 1991 zugestellt worden sei. Zwar sei die Klageschrift am letzten Tag der Verjährungsfrist bei Gericht eingereicht worden. Nach § 270 Abs. 3 ZPO werde die Verjährung aber nur dann schon mit dem Einreichen einer Klageschrift unterbrochen, wenn die Zustellung der Klage "demnächst" erfolge. Davon könne man im vorliegenden Fall nicht ausgehen. § 270 Abs. 3 ZPO wolle dem Kläger, nachdem auch in Anwaltsprozessen die Amtszustellung der Klage eingeführt worden sei, die Verantwortung für eine Verzögerung der Klagezustellung abnehmen, die seinem Einflußbereich entzogen und ausschließlich in dem gerichtlichen Geschäftsbetrieb begründet sei. Dagegen seien der klagenden Partei Verzögerungen zuzurechnen, die sie oder ihr Prozeßbevollmächtigter bei gewissenhafter Prozeßführung hätten vermeiden können. Werde die Zustellung der Klage durch ein (auch nur leicht) fahrlässiges Verhalten nicht nur geringfügig verzögert, so sei die Zustellung nicht mehr "demnächst" im Sinne des § 270 Abs. 3 ZPO erfolgt. Zwar sei es in diesem Zusammenhang unschädlich, wenn in der Klageschrift entgegen § 23 GKG der Streitwert eines Auskunftsantrages nicht angegeben sei und wenn der erforderliche Gerichtskostenvorschuß nicht vor Ablauf der Verjährungsfrist eingezahlt werde. Die klagende Partei dürfe eine Streitwertanfrage des Gerichtes abwarten und müsse den Gerichtskostenvorschuß erst einzahlen, wenn er aufgrund dieser Streitwertangabe vom Gericht berechnet und angefordert worden sei. Die klagende Partei müsse sich aber um eine beschleunigte Beantwortung einer solchen Streitwertanfrage bemühen. Bei nicht nur geringfügigen Verzögerungen der Klagezustellung, die darauf zurückzuführen seien, daß die Streitwertanfrage des Gerichtes nicht innerhalb einer angemessenen Frist beantwortet werde, sei § 270 Abs. 3 ZPO nicht anwendbar.

7

Insofern entsprechen die Ausführungen des Berufungsgerichts der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGHZ 69, 361, 363 f; BGH, Urteil vom 6. April 1972 - III ZR 210/69 - NJW 1972, 1948, 1949 f. [BGH 06.04.1972 - III ZR 210/69]; Urteil vom 25. November 1985 - II ZR 236/84 - NJW 1986, 1347, 1348; vgl. auch MünchKomm-ZPO/Lüke, § 270 Rdn. 49 und 54 m.N.) und werden von der Revision auch nicht angegriffen.

8

Weiter führt das Berufungsgericht aus, eine der Klägerin zuzurechnende Verzögerung der Klagezustellung, die die Anwendung des § 270 Abs. 3 ZPO ausschließe, sei dadurch eingetreten, daß ihr Prozeßbevollmächtigter die ihm spätestens am 9. September 1991 zugegangene Streitwertanfrage des Gerichtes erst mit Schriftsatz vom 27. September 1991 beantwortet habe. Eine Verzögerung von mehr als zwei Wochen sei nicht hinzunehmen. Diese Verzögerung habe der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin auch nicht dadurch ausgeglichen, daß er (wozu er - wie bereits ausgeführt ist - nicht verpflichtet war) am 27. September 1991 auch den von ihm selbst berechneten Gerichtskostenvorschuß eingezahlt habe. Die zuvor eingetretene schuldhafte Verzögerung des Verfahrens könne nicht durch eine spätere Beschleunigung des Verfahrens geheilt werden.

9

Diese Ausführungen des Berufungsgerichts halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.

10

2. Das Berufungsgericht meint, durch die verspätete Beantwortung der Streitwertanfrage sei eine von dem Prozeßbevollmächtigten der Klägerin verschuldete und damit der Klägerin zuzurechnende Verzögerung von mehr als zwei Wochen eingetreten. Dies ist nicht zutreffend. Das Berufungsgericht berechnet die zurechenbare Verzögerung offensichtlich von dem Tage an, an dem dem Prozeßbevollmächtigten der Klägerin die Streitwertanfrage spätestens zugegangen ist (dem 9. September 1991), bis zu dem Tage, an dem seine Antwort bei Gericht eingegangen ist. Der Partei sind aber nur solche Verzögerungen zuzurechnen, die sie oder ihr Prozeßbevollmächtigter bei gewissenhafter Prozeßführung hätten vermeiden können (Senatsurteil vom 8. Juni 1988 - IVb ZR 92/87 - BGHR ZPO § 270 Abs. 3 demnächst 2 und 3 = FamRZ 1988, 1154, 1156).

11

Da die Rechtsprechung es der Partei gestattet, den Streitwert nicht in der Klageschrift anzugeben, sondern eine Streitwertanfrage des Gerichts abzuwarten, kann die Zeit, die die Partei zur Beantwortung dieser Streitwertanfrage auch bei zügiger Bearbeitung benötigt, nicht als ihr zuzurechnende schuldhafte Verzögerung angesehen werden. Ihr zuzurechnen ist vielmehr nur eine Verzögerung, die dadurch eintritt, daß sie die Streitwertanfrage nicht zügig beantwortet (ebenso BGH, Urteil vom 1. Oktober 1986 - IVa ZR 108/85 - NJW 1987, 255, 257 unter 3 e, insoweit in BGHZ 98, 295 nicht abgedruckt). Nach den bedenkenfreien Feststellungen des Berufungsgerichts ist im vorliegenden Fall die Streitwertanfrage dem Prozeßbevollmächtigten der Klägerin spätestens am 9. September 1991 (einem Montag) zugegangen. Man kann davon ausgehen, daß bei der gebotenen zügigen Bearbeitung der die Antwort enthaltende Schriftsatz im Laufe der Woche abgesandt worden und spätestens am darauffolgenden Montag (dem 16.9.1991) bei Gericht eingegangen wäre.

12

Der Klägerin zuzurechnen ist somit eine Verzögerung um elf Tage, nämlich vom 16. September bis zum 27. September 1991.

13

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine zurechenbare Verzögerung der Zustellung um bis zu 14 Tage als geringfügig anzusehen und deshalb im Rahmen des § 270 Abs. 3 ZPO unschädlich (BGH NJW 1987 aaO.; Senatsurteil BGHR aaO. m.N.; Zöller/Greger aaO. § 270 Rdn. 7; MünchKomm-ZPO/Lüke § 270 Rdn. 47). Da die zurechenbare Verzögerung im vorliegenden Fall nur elf Tage betrug, ist die Klage im Sinne des § 270 Abs. 3 ZPO demnächst zugestellt worden mit der Folge, daß durch die am letzten Tag der Verjährungsfrist eingereichte Klage die Verjährung rechtzeitig unterbrochen worden ist (vgl. auch das zitierte Urteil des Bundesgerichtshofs vom 6. April 1972 aaO.: Auch in dieser Entscheidung ist es im Ergebnis als eine nur geringfügige Verzögerung angesehen worden, daß die Antwort auf eine Streitwertanfrage - wie im vorliegenden Fall - erst nach 18 Tagen bei Gericht eingegangen ist).

14

3. Da ein eventuell der Klägerin zustehender Zugewinnausgleichsanspruch nicht verjährt wäre, kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben. Da das Berufungsgericht die zur Prüfung des geltend gemachten Zugewinnausgleichsanspruchs notwendigen Feststellungen - aus seiner Sicht zu Recht - nicht getroffen hat, muß die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.