Bundesgerichtshof
Urt. v. 28.10.1993, Az.: IX ZR 141/93
Bürgschaft auf erstes Anfordern; Hauptforderung; Darlegung; Urkundenprozeß; Verurteilung unter Vorbehalt der Rechte; Einwendungen im Rückforderungsprozeß
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 28.10.1993
- Aktenzeichen
- IX ZR 141/93
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1993, 15371
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
Fundstellen
- BB 1994, 312-313 (Volltext mit amtl. LS)
- BauR 1994, 144 (amtl. Leitsatz)
- DB 1994, 1031-1032 (Volltext mit amtl. LS)
- IBR 1994, 93 (Volltext mit amtl. LS u. Anm.)
- JuS 1994, 438-439 (Volltext mit amtl. LS)
- MDR 1994, 721-722 (Volltext mit amtl. LS)
- NJW 1994, 380-382 (Volltext mit amtl. LS)
- WM 1994, 106-108 (Volltext mit amtl. LS)
- ZBB 1994, 60
- ZIP 1993, A153 (Kurzinformation)
- ZIP 1993, 1851-1853 (Volltext mit amtl. LS)
- ZfBR 1994, 1 (amtl. Leitsatz)
- ZfBR 1994, 70-72 (Volltext mit amtl. LS)
Amtlicher Leitsatz
1. Wer aufgrund einer Bürgschaft auf erstes Anfordern Zahlung verlangt, ist nicht verpflichtet, schlüssig darzulegen, daß die durch die Bürgschaft gesicherte Hauptforderung besteht.
2. Wer sich auf erstes Anfordern verbürgt hat und deswegen im Urkundenprozeß unter Vorbehalt seiner Rechte verurteilt worden ist, kann seine Einwendungen grundsätzlich noch nicht im Nachverfahren, sondern erst in einem künftigen Rückforderungsprozeß geltend machen.
Tatbestand:
Durch Bauvertrag vom 22./28. März 1990 wurde die Klägerin als Generalunternehmerin von der Streithelferin der beklagten Bank mit der Durchführung zweier Bauvorhaben beauftragt. Als Vergütung wurde ein Pauschalpreis vereinbart. Zahlungen waren nach Baufortschritt zu erbringen. Der erste Teilbetrag sollte bei Baubeginn fällig sein. Dieser war für den 15. Mai bzw. 15. Juni 1990 vorgesehen. Für die Erfüllung der Pflichten der Streithelferin aus dem Bauvertrag übernahm die Beklagte am 30. April 1990 eine Bürgschaft auf erstes Anfordern bis zum Betrage von 240.000 DM.
Der Baubeginn verzögerte sich aus Gründen, die unter den Parteien streitig sind. Mit Schreiben vom 13. Februar 1991 übersandte die Klägerin der Streithelferin eine "1. Abschlags-Rechnung" vom 11. Februar 1991 in Höhe von 267. 538, 61 DM über ihre bis dahin angeblich erbrachten Leistungen. Unter dem 18. Februar 1991 kündigte die Streithelferin den Bauvertrag fristlos; mit gleichem Datum nahm die Klägerin die Beklagte aus der Bürgschaft in Anspruch. Zahlung erfolgte nicht.
Die Klägerin hat - im Urkundenprozeß klagend - ein Vorbehaltsurteil über 240.000 DM gegen die Beklagte erwirkt. Im Nachverfahren hat das Landgericht das Vorbehaltsurteil aufrechterhalten; das Oberlandesgericht hat das Schlußurteil in Höhe von 37. 651, 77 DM bestätigt und die Klage im übrigen abgewiesen. Mit ihrer Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat Erfolg.
I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, auch bei einer Bürgschaft auf erstes Anfordern könne nicht auf die schlüssige Darlegung von Bestand und Umfang der Hauptforderung verzichtet werden. Hinreichend schlüssig dargetan seien nur Ansprüche nach Maßgabe eines Teils der in der "1. Abschlagsrechnung" aufgeführten Positionen.
II. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
1. Im Schrifttum wird allerdings teilweise die Ansicht vertreten, auch bei einer Bürgschaft (oder Garantie) auf erstes Anfordern brauche der Schuldner auf die bloße Anforderung nicht zu zahlen, wenn es dieser an der Schlüssigkeit fehle. Darüber hinaus müsse die Behauptung, der Bürgschafts- (oder Garantie-)Fall sei eingetreten, in gewisser Weise substantiiert werden. Das folge schon daraus, daß die Bank andernfalls die Schlüssigkeitsprüfung nicht vornehmen könne und auch keine Grundlage für die Erkenntnis eines etwaigen Rechtsmißbrauchs habe. Im übrigen sei eine Substantiierung deshalb unerläßlich, weil sonst die Mißbrauchsrisiken in einem Maße wüchsen, daß die institutionelle Funktionsfähigkeit der Bürgschaft (oder Garantie) auf erstes Anfordern in Frage gestellt würde und sogar die rechtliche Zulässigkeit im Hinblick auf § 138 BGB problematisch erscheine (Canaris, in: GroßKomm zum HGB 4. Aufl. Bankvertragsrecht Rdnr. 1130; zustimmend Heinze, Der einstweilige Rechtsschutz im Zahlungsverkehr der Banken 1984 S. 148).
2. Dieser Ansicht ist nicht zu folgen. Durch die Bürgschaft auf erstes Anfordern, die im Bankverkehr weitgehend das früher übliche "Bardepot" abgelöst hat, sollen dem Gläubiger sofort liquide Mittel zugeführt werden, wenn er den Bürgschaftsfall für eingetreten hält. Dieser Zweck läßt sich nur erreichen, wenn die Anforderungen an die Erklärung, welche die vorläufige Zahlungspflicht auslöst, streng formalisiert sind, d. h. sich auf das beschränken, was in der Verpflichtungserklärung als Voraussetzung der Zahlung genannt und für jeden ersichtlich ist (BGH, Urt. v. 24. November 1983 - IX ZR 2/83, NJW 1984, 923; v. 13. Juli 198 - IX ZR 223/88, WM 1989, 1496, 1497).
Die gegenteilige Ansicht nimmt in Kauf, daß gerade darüber, ob der Gläubiger seinen Anspruch schlüssig begründet hat, Streit entstehen kann. Müßte dieser erst ausgefochten werden, ehe der Gläubiger Zahlung erwarten kann, wäre die Bürgschaft auf erstes Anfordern ihrer Funktion beraubt (wie hier: Graf v. Westphalen, Die Bankgarantie im Internationalen Handelsverkehr 2. Aufl. S. 165; Zahn/Eberding/Ehrlich, Zahlung und Zahlungssicherung im Außenhandel 6. Aufl. Rdnr. 9/20; Lohmann, Einwendungen gegen den Zahlungsanspruch aus einer Bankgarantie und ihre Durchsetzung in rechtsvergleichender Sicht 1984 S. 119; Dohm, Bankgarantien im Internationalen Handel 1985 Rdnr. 199; Mülbert, Mißbrauch von Bankgarantien und einstweiliger Rechtsschutz 1985 S. 39; Nielsen, Bankgarantien bei Außenhandelsgeschäften 1986 S. 81 f; Liesecke WM 1968, 22, 26; Pleyer WM 1973 Beilage 2 S. 9; Brändel, Festschrift Werner 1984 S. 48 ff).
Der Berechtigte muß das erklären, was als Voraussetzung der Zahlung auf erstes Anfordern in der Bürgschaft niedergelegt ist (BGH, Urt. v. 24. November 1983 - IX ZR 2/83, NJW 1984, 923). Nur in bezug auf die vertragsgemäße Anforderung der Bürgenleistung, nicht in bezug auf die verbürgte Hauptforderung, hat der Zahlungspflichtige die Schlüssigkeit zu prüfen (ebenso Graf v. Westphalen, aaO S. 164, Schütze RiW/AWD 1981, 83, 84; derselbe, in: Münchener Vertragshandbuch 2. Aufl. III. 19, S. 415).
In der Bürgschaftserklärung der Beklagten heißt es: "Wir zahlen auf erste schriftliche Anforderung des Generalunternehmers". Die Zahlungspflicht der Beklagten hing demnach davon ab, daß die Klägerin ihr mitteilte, die Streithelferin habe die aufgrund des Bauvertrages angeforderten Zahlungen nicht erbracht. Dem entsprach das Schreiben der Klägerin vom 18. Februar 1991. Einer weiteren Erläuterung oder gar Beweisführung bedurfte es nach dem Bürgschaftsvertrag nicht. Insbesondere brauchte die Klägerin danach nicht darzutun, daß die Hauptforderung bestand. Hat der Bürge insoweit Einwendungen, kann er diese - einschließlich der Behauptung, die verbürgte Hauptschuld sei nicht schlüssig dargetan - grundsätzlich erst nach Zahlung durch Rückforderungsklage gegen den Begünstigten geltend machen (BGHZ 74, 244, 248; 90, 287, 294; BGH, Urt. v. 24. November 1983 - IX ZR 2/83, NJW 1984, 923, 924; v. 21. April 1988 - IX ZR 113/87, NJW 1988, 2610; v. 17. Januar 1989 - XI ZR 65/88, NJW 1989, 1480, 1481; v. 13. Juli 1989 - IX ZR 223/88, WM 1989, 1496).
Das Recht des Gläubigers, sofortige Zahlung verlangen zu können, ohne seine materielle Berechtigung darlegen und beweisen zu müssen, findet nur im Falle des Mißbrauchs seine Schranke. Ist es offensichtlich oder liquide beweisbar, daß trotz Vorliegens der formellen Voraussetzungen der Bürgschaftsfall nicht eingetreten ist, steht dem Bürgen der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung zu (BGH, Urt. v. 21. April 1988 - IX ZR 113/87, aaO). Dieser Einwand ist jedoch auf die Fälle zu beschränken, in denen die mißbräuchliche Ausnutzung einer formalen Rechtsstellung für jedermann klar erkennbar ist. Alle Streitfragen tatsächlicher und rechtlicher Art, deren Beantwortung sich nicht von selbst ergibt, sind in einem Rückforderungsprozeß auszutragen (BGHZ 90, 287, 294; BGH, Urt. v. 21. April 1988 - IX ZR 113/87, aaO; v. 17. Januar 1989 - XI ZR 65/88, aaO; v. 13. Juli 1989 - IX ZR 223/88, WM 1989, 1496, 1498).
Zu Unrecht meint das Berufungsgericht, dem offensichtlichen Fehlen des materiellen Anspruchs gegen den Hauptschuldner sei der Fall gleichzuachten, daß der Gläubiger Bestand und/oder Umfang eines derartigen Anspruchs nicht schlüssig darlegen. Ob ein Anspruch schlüssig dargelegt ist, läßt sich nur aufgrund einer juristischen Subsumtion beurteilen. Daß diese jedermann nachvollziehen - und auf dieser Grundlage ein rechtsmißbräuchliches Vorgehen erkennen - könne, kann man gewiß nicht sagen.
Um einen Rechtsmißbrauch aufzudecken, reicht es andererseits nicht aus, von dem Anspruchsteller eine schlüssige Darlegung zu verlangen. Wer betrügen will, dem bereitet auch die Aufstellung schlüssiger Behauptungen keine Schwierigkeiten. Am ehesten ist der Mißbrauchsgefahr zu begegnen, indem der Bürge sich beim Hauptschuldner vergewissert, ob der Bürgschaftsfall eingetreten ist.
2. Die Annahme, daß der Bürgschaftsfall offensichtlich nicht eingetreten sei, verbietet sich insbesondere dann, wenn feststeht, daß dem Gläubiger eine verbürgte Forderung gegen den Hauptschuldner zusteht und lediglich deren Höhe unsicher ist. So verhält es sich im vorliegenden Fall. Das Berufungsgericht geht selbst davon aus, daß einige Positionen der Rechnung vom 11. Februar 1991 schlüssig begründet sind. Sie betreffen die Aufwendungen für die Einholung eines geologischen Gutachtens, dessen Vorlage die Baugenehmigungsbehörde von der Streithelferin gefordert hatte, und für die damit verbundenen Erdarbeiten. Die entsprechenden Forderungen der Klägerin in Höhe von insgesamt 37. 651, 77 DM fallen zweifelsfrei unter die Bürgschaft. Ist aber der Bürgschaftsfall als solcher gewiß und nur die Höhe der Bürgenhaftung im Streit, kann dem Bürgen, der sich zur Zahlung auf erstes Anfordern verpflichtet hat, um so eher zugemutet werden, den Streit in einem Rückforderungsprozeß auszutragen.
Selbst bei den Positionen, die das Berufungsgericht nicht als schlüssig begründet angesehen hat, kann es sich um verbürgte Forderungen handeln. Hier hat die Klägerin angebliche Architektenleistungen für Ausschreibung und Bauleitung (37. 146, 90 DM) und Allgemeine Nebenkosten (180.000, 00 DM) abgerechnet, die - wenn es zur Durchführung des Bauvertrages gekommen wäre - mit dem Pauschalpreis abgegolten gewesen wären. Auch das Berufungsgericht hält es für möglich, "daß bei einem Bauunternehmen, insbesondere bei einem Generalunternehmer, grundsätzlich bereits vor Aufnahme der eigentlichen Bautätigkeit vorbereitende kostenverursachende Maßnahmen in nicht geringem Umfang anfallen können". Darüber hinaus schließt es nicht aus, daß "die von ... (der Klägerin) geltend gemachten Nebenkosten ... generell überwiegend bereits vor dem eigentlichen Baubeginn an"-fallen. Damit liegt selbst das Bestehen der Ansprüche zu diesen Positionen der Rechnung nicht fern. Zu Recht macht die Revision in diesem Zusammenhang darauf aufmerksam, daß die Bürgschaft auf erstes Anfordern für die Klägerin ihren Zweck verfehlen würde, wenn diese - wie es das Berufungsgericht verlangt - die bereits vor Baubeginn erbrachten vorbereitenden Maßnahmen im einzelnen benennen und dem Werte nach konkret beziffern müßte, um die Beklagte zur Zahlung zu veranlassen. Diese normalerweise in den Pauschalpreis einkalkulierten Aufwendungen gesondert zusammenzustellen und abzurechnen, kann im Einzelfall derart aufwendig sein, daß das Ziel, im Bürgschaftsfall sofort liquide Mittel zu erhalten, auch aus diesem Grunde schwerlich zu erreichen wäre.
3. Daß die Klägerin die Position Nr. 6 der Rechnung vom 11. Februar 1991 (Preiserhöhung von 12.739, 94 DM) in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht nicht mehr geltend machen wollte, ist für die hier zu treffende Entscheidung unerheblich. Denn die angebliche Restforderung, die danach verbleibt, beträgt immer noch mehr als 240.000 DM.
4. Die Inanspruchnahme der Beklagten aus der Bürgschaft stellt sich auch dann nicht als rechtsmißbräuchlich dar, wenn der Bauvertrag infolge Kündigung durch die Streithelferin beendet ist.
In diesem Falle ist die Vergütung für erbrachte Leistungen allerdings erst fällig, wenn eine Schlußrechnung gemäß § 16 Nr. 3 Abs. 1 Nr. 1 VOB/B erteilt ist (BGH, Urt. v. 9. Oktober 1986 - VII ZR 249/85, NJW 1987, 382, 383). Abschlagszahlungen kann die Klägerin dann nicht mehr verlangen (BGH, Urt. v. 26. Februar 1987 - VII ZR 217/85, BGHR VOB/B § 16 Nr. 1 Abs. 3 "Kündigung 1"). Ob die Abschlagsrechnung als Schlußrechnung angesehen werden kann - wie das Berufungsgericht meint -, erscheint zweifelhaft, weil sich die Klägerin nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen vorbehält, neben der Vergütung für bereits erbrachte Leistungen auch eine solche gemäß § 649 BGB zu verlangen.
Die möglicherweise mangelnde Fälligkeit der Hauptforderung ist indessen eine Einwendung, die erst nach Zahlung in einem Rückforderungsprozeß geltend gemacht werden kann.
5. An der dargestellten Rechtslage ändert nichts, daß die Klägerin im Urkundenprozeß bereits ein rechtskräftiges Vorbehaltsurteil gegen die Beklagte erwirkt hat.
Allerdings hat Horn (NJW 1980, 2153, 2155; derselbe, Bürgschaften und Garantien 4. Aufl. S. 82) unter Berufung auf die Möglichkeit des Rückgriffs auf materielle Einwendungen im Wechselnachverfahren (vgl. BGH, Urt. v. 21. Dezember 1959 - II ZR 121/58, WM 1960, 253, 255; BGHZ 51, 69, 75; 57, 292, 300) [BGH 24.11.1971 - VIII ZR 81/70]die Ansicht vertreten, dem Bürgen, der sich auf erstes Anfordern verbürgt habe und im Urkundenprozeß unter Vorbehalt verurteilt worden sei, müsse bereits im Nachverfahren - auch wenn er noch nicht gezahlt habe - der Rückgriff auf die Einwendungen möglich sein. Dieser Meinung ist indessen nicht zu folgen.
Die erleichterte (vorläufige) Durchsetzung eines Zahlungsanspruchs im Urkundenprozeß ist immer möglich, wenn sämtliche zur Begründung des Anspruchs erforderlichen Tatsachen durch Urkunden bewiesen werden können (§ 592 ZPO). Selbst bei einer einfachen Bürgschaft ist dies denkbar (vgl. RGZ 97, 162). Daß Einwendungen, für die ein im Urkundenprozeß zulässiges Beweismittel nicht angeboten wird, im Nachverfahren weiterverfolgt werden können, spricht nicht dafür, daß dies auch bei einer Bürgschaft auf erstes Anfordern möglich sein müsse. Denn der Ausschluß von Einwendungen im Urkundenprozeß (vgl. § 598 ZPO) beruht auf prozessualen Gründen. Der Einwendungsausschluß bei der Wechselforderung soll in erster Linie die Verkehrsfähigkeit des Wechsels gewährleisten und in zweiter Linie die beschleunigte Erreichbarkeit eines Titels (BGH, Urt. v. 28. September 1977 - VIII ZR 51/77, NJW 1978, 43 [BGH 28.09.1977 - VIII ZR 51/77]). Demgegenüber hat der Einwendungsausschluß bei der Bürgschaft auf erstes Anfordern materiellrechtliche Gründe und - wie oben dargestellt - eine andere Funktion. Sie läßt sich auf den Nenner bringen: erst zahlen, dann prozessieren (Liesecke WM 1968, 22, 26; Nielsen, aaO S. 107; Weth AcP 189 (1989), 303, 317; Bydlinski AcP 190 (1990), 165, 169; Heinsius, Festschrift Merz 1992 S. 177, 180).
Das Vorbehaltsurteil verschafft dem Gläubiger nicht die liquiden Mittel, die er aufgrund einer Bürgschaft auf erstes Anfordern erwarten darf. Solange es noch nicht rechtskräftig ist, kann der Schuldner die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung abwenden, wenn nicht der Gläubiger zuvor Sicherheit leistet (§ 711 Satz 1 ZPO). Darüber hinaus kann - selbst bei rechtskräftigen Vorbehaltsurteilen (vgl. BGH, Urt. v. 28. September 1977 - VIII ZR 51/77, aaO) - die Zwangsvollstreckung einstweilen eingestellt werden (§ 707 ZPO). Das ist im Streitfall auch geschehen.
III. Da sich das Urteil nicht aus anderen Gründen als richtig erweist (§ 563 ZPO), ist es aufzuheben. Die Sache ist entscheidungsreif, denn ergänzende Feststellungen kommen nicht in Betracht. Deshalb kann der Senat abschließend entscheiden und das landgerichtliche Urteil wiederherstellen (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO).