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Bundesgerichtshof
Urt. v. 15.10.1993, Az.: V ZR 19/92

Revision; Anschlußberufung; Hilfsantrag; Auflassung; Bestimmtheit

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
15.10.1993
Aktenzeichen
V ZR 19/92
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1993, 15108
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Fundstellen

  • JurBüro 1994, 210 (Kurzinformation)
  • MDR 1994, 1242-1243 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW 1994, 586-589 (Volltext mit amtl. LS)
  • WM 1994, 351-355 (Volltext mit amtl. LS)

Amtlicher Leitsatz

1. Wird der Rechtsstreit auf die Revision des Berufungsbeklagten zurückverwiesen, so kann sich dieser mit seinem in erster Instanz abgewiesenen Hauptantrag der Berufung gegen das nach dem Hilfsantrag ergangene Urteil anschließen.

2. Eine Klage auf Auflassung Zug um Zug gegen Vergütung des durch ein Schiedsgutachten erst für den Zeitpunkt der Eigentumsumschreibung des Grundstücks festzustellenden Verkehrswert des vom Beklagten errichteten Hauses ist mangels Bestimmtheit des Antrages unzulässig. Eine Fristsetzung entsprechend §§ 356, 431 Abs. 1 ZPO zur Beibringung des Gutachtens und damit zur Nachholung der Antragsbezifferung kommt in diesem Fall nicht in Betracht.

Tatbestand:

1

Die Klägerin hatte durch Vertrag vom 26. Januar 1972 dem Beklagten und seiner Ehefrau ein Erbbaurecht bestellt. Der Vertrag sah einen Heimfallanspruch unter der Voraussetzung vor, daß das auf dem Erbbaugrundstück zu errichtende Wohnhaus nicht innerhalb von 24 Monaten bezugsfertig war. Das Haus wurde in dieser Frist nicht fertiggestellt. Daher machte die Klägerin von dem Heimfallrecht Gebrauch, indem sie aufgrund ihr im voraus erteilter Vollmacht das Erbbaurecht auf sich übertrug. In einem deswegen eingeleiteten Rechtsstreit verglichen sich die Vertragspartner am 23. Juni 1983 darauf, dem Beklagten und seiner Ehefrau das Erbbaurecht zu den vereinbarten Bedingungen wieder einzuräumen und mit ihrer - am 28. September 1983 erfolgten - Grundbucheintragung die Bebauungsfrist erneut in Kraft zu setzen. Diese Frist wurde in notarieller Urkunde vom 26. März 1986 noch einmal bis zum 30. Juni 1986 mit der Abrede verlängert, daß bei Nichterfüllung bis 31. Dezember 1986 die im Erbbaurechtsvertrag bestimmten Rechtsfolgen eintreten. Auch diese Frist wurde nicht eingehalten.

2

Mit notariellem Vertrag vom 30. April 1987 verkaufte die Klägerin das Erbbaugrundstück dem Beklagten zu einem Preis von 186.921 DM; die gleichzeitig erklärte Auflassung ist in das Grundbuch eingetragen worden. In dem Vertrag verpflichtete sich der Beklagte zur Fertigstellung des Hauses bis zum 31. Dezember 1988. Die Klägerin behielt sich das Recht vor, sonst von dem Kaufvertrag zurückzutreten. In diesem Fall sollte die Klägerin den ihr gezahlten Kaufpreis erstatten und für das Gebäude eine Entschädigung "nach Maßgabe der Bestimmungen des Erbbaurechtsvertrages" leisten. Dieser Vertrag sah für den Fall der Ausübung des Heimfallrechts die Zahlung einer Vergütung von mindestens 2/3 desjenigen Verkehrswerts des Erbbaurechts vor, den dieses im Zeitpunkt seiner Übertragung auf die Klägerin hat; den Wert sollte der städtische Gutachterausschuß feststellen.

3

Die Klägerin hat mit Schreiben vom 11. Mai 1989 den ihr vorbehaltenen Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt, weil der Beklagte seiner Bauverpflichtung nicht fristgemäß nachgekommen sei.

4

Die Klägerin hat beantragt, den Beklagten zur Rückübertragung des Grundstücks und zur Bewilligung der Eigentumsumschreibung zu verurteilen. Außerdem hat sie mehrere Hilfsanträge gestellt. Das Landgericht hat entsprechend dem letzten dieser Hilfsanträge - unter Abweisung der Klage im übrigen - den Beklagten verurteilt, das Grundstück der Klägerin zu übertragen und deren Eintragung in das Grundbuch zu bewilligen, und zwar

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"Zug um Zug gegen Zahlung des Kaufpreises von 186.921 DM für den Grund und Boden sowie Zahlung von mindestens zwei Dritteln des von dem Gutachterausschuß der Stadt K., bezogen auf den Tag der Eintragung der Klägerin als Eigentümerin im Grundbuch zu ermittelnden Verkehrswerts des auf dem Grundstück errichteten Gebäudes, unter Anrechnung und Freistellung des Beklagten von den auf dem Grundstück zugunsten der Stadtsparkasse K. lastenden Grundschulden ... in Höhe der zum Zeitpunkt der Eintragung der Klägerin als Eigentümerin im Grundbuch erfolgten Inanspruchnahme."

6

Das Oberlandesgericht hat dieses Urteil - unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung des Beklagten - im Ausspruch über die von der Klägerin Zug um Zug zu erbringenden Gegenleistungen sowie im Kostenpunkt aufgehoben und insoweit die Sache an das Landgericht zurückverwiesen.

7

Mit der zugelassenen Revision begehrt die Klägerin Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Der Beklagte will mit seiner Revision völlige Abweisung der Klage erreichen. Die Parteien beantragen jeweils Zurückweisung des Rechtsmittels der Gegenseite.

Entscheidungsgründe

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I. Revision der Klägerin:

9

Das Berufungsgericht sieht einen Verfahrensmangel des erstinstanzlichen Urteils darin, daß dieses die von der Klägerin dem Beklagten zu zahlende Vergütung in Höhe von 2/3 des Gebäudewerts nicht beziffert. Es hat deshalb das Urteil gemäß § 539 ZPO im Umfang der Entscheidung über die Zug um Zug zu erbringenden Gegenleistungen der Klägerin aufgehoben und insoweit den Rechtsstreit an das Landgericht zurückverwiesen.

10

Die dagegen gerichtete Revision ist zulässig; denn die Zurückverweisung beschwert die Klägerin, weil damit ihrem Antrag auf eine Sachentscheidung nicht entsprochen worden ist (BGH, Urt. v. 24. Februar 1983, IX ZR 35/82, NJW 1984, 495 und v. 30. Oktober 1990, XI ZR 173/89, NJW 1991, 704). Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits.

11

1. Die Frage, ob ein wesentlicher Verfahrensmangel im Sinne des § 539 ZPO vorliegt, ist zwar auch dann vom sachlich-rechtlichen Standpunkt des erstinstanzlichen Gerichts aus zu beurteilen, wenn dieser unrichtig ist (BGHZ 18, 107, 109;  31, 358, 362;  86, 218, 221 [BGH 12.01.1983 - IVa ZR 135/81];  BGH, Urt. v. 30. Oktober 1990, aaO). Darauf verweist die Revision. Sie verkennt aber, daß die an eine Urteilsformel zu stellende Anforderung, einen Titel mit vollstreckungsfähigem Inhalt zu schaffen, sich allein aus dem Verfahrensrecht ergibt und nicht von der Beurteilung der Ansprüche abhängt.

12

Zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, daß nicht alle Leistungen, welche die Klägerin Zug um Zug gegen Erfüllung der dem Beklagten auferlegten Leistungen erbringen muß, im Urteil des Landgerichts hinreichend bestimmt worden sind.

13

a) Unklar ist der Sinngehalt der auf die Pflicht zur Vergütung des Gebäudewerts bezogenen Formulierung: "unter Anrechnung und Freistellung des Beklagten" von den eingetragenen Grundschulden "in Höhe der ... erfolgten Inanspruchnahme". Der gleichlautende Hilfsantrag der Klägerin beruhte auf der Annahme, daß der Beklagte - abweichend von der gesetzlichen Rechtsfolge des Rücktritts vom Kaufvertrag - das Grundstück nicht lastenfrei rückübereignen müsse, sondern daß entsprechend der für einen Heimfallanspruch maßgebenden Vorschrift des § 33 ErbbauVO die vom Beklagten bestellten Grundschulden bestehen bleiben sollen und zum Ausgleich dafür einerseits ein Betrag in Höhe ihres Valutierungsstands auf die von der Klägerin zu leistende Zahlung anzurechnen sei, andererseits aber der Beklagte Freistellung von den durch die Grundschulden gesicherten Verbindlichkeiten verlangen könne. Dies ergibt sich jedoch nicht aus der Urteilsformel und auch nicht aus den zur Auslegung heranziehbaren Entscheidungsgründen. Umstände, die nicht aus dem Urteil hervorgehen, sind bei Auslegung des Titels nicht berücksichtigungsfähig (vgl. BGH, Urt. v. 6. November 1985, IVb ZR 73/84, NJW 1986, 1440 [BGH 06.11.1985 - IVb ZR 73/84]).

14

b) Die Bemessung der Gegenleistung mit "mindestens" zwei Drittel des Gebäudeverkehrswerts läßt offen, ob die Klägerin nur zwei Drittel schuldet. Das Landgericht hat den Vertrag möglicherweise in diesem Sinne auslegen wollen (vgl. Senatsurt. v. 22. November 1991, V ZR 187/90, NJW 1992, 1454, 1456 - insoweit nicht abgedruckt in BGHZ 116, 161 [BGH 22.11.1991 - V ZR 187/90]). Dies kommt jedoch im Urteil nicht zum Ausdruck. Da hiervon nicht der Leistungsanspruch, sondern die Zug um Zug zu gewährende Gegenleistung betroffen ist, genügt es nicht, daß ein Sockelbetrag von 2/3 des Verkehrswerts bestimmbar bezeichnet ist (vgl. Senatsbeschl. BGHZ 88, 62, 64); denn es bleibt unklar, hinsichtlich welchen Betrages die Klägerin die Voraussetzungen für die Vollstreckung der ihr zuerkannten Ansprüche gemäß § 726 Abs. 2 ZPO nachweisen muß.

15

c) Das Landgericht hat - worauf das Berufungsgericht abstellt - die auf eine Geldzahlung gerichtete Zug-um-Zug-Leistung, soweit sich diese auf die Vergütung des Gebäudewerts erstreckt, in der Urteilsformel nicht beziffert.

16

Nach § 894 Abs. 1 Satz 2 ZPO gelten die Willenserklärungen, zu deren Abgabe der Beklagte verurteilt worden ist (Auflassung und Eintragungsbewilligung) , als abgegeben, sobald das Urteil rechtskräftig ist und eine vollstreckbare Ausfertigung erteilt wird. Zur Erteilung der Ausfertigung bedarf es gemäß § 726 Abs. 2 ZPO des Beweises durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden, daß der Beklagte im Umfang der ihm gebührenden Gegenleistung befriedigt ist oder sich in Annahmeverzug befindet. Somit ist die Vollstreckung des Urteils nur möglich, wenn die Gegenleistung im Klauselerteilungsverfahren der Höhe nach bestimmt werden kann. Entgegen einer vor allem im Zusammenhang mit Wertsicherungsklauseln vertretenen Meinung (vgl. KG, OLGZ 1983, 213 ff; MünchKomm-ZPO/Wolfsteiner § 726 Rdn. 8 m.w.N.) muß ein Zahlungsanspruch grundsätzlich schon im Erkenntnisverfahren beziffert werden (BGHZ 22, 54, 61; BGH, Urt. v. 6. November 1986, IVb ZR 73/84, NJW 1986, 1440 [BGH 06.11.1985 - IVb ZR 73/84]; OLG Düsseldorf, DNotZ 1988, 243, 246; OLG Nürnberg, Rpfleger 1990, 306; OLG Karlsruhe, OLGZ 1991, 227, 228; Stürner/Münch, JZ 1987, 178, 185). Auch bei Verurteilung zu einer bedingten oder künftigen Leistung ist deren Höhe bereits im Titel festzustellen (Senatsbeschl. BGHZ 88, 62, 65). Das gilt im Falle einer Zug-um-Zug-Verurteilung ebenso für die Gegenleistung. Diese muß im Urteil so bestimmt sein, daß sie ihrerseits zum Gegenstand einer Leistungsklage gemacht werden könnte (BGH, Urt. v. 10. Juli 1986, I ZR 102/84, BGHR ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2 - Zug-um-Zug-Verurteilung 1; Senatsurt. v. 18. September 1992, V ZR 86/91, NJW 1993, 324, 325) [BGH 18.09.1992 - V ZR 86/91]. Die Bezifferung schon im Titel ist daher auch dann nötig, wenn die Höhe der Gegenleistung - wie hier - von einem Taxwert abhängig ist, der vereinbarungsgemäß durch ein Schiedsgutachten ermittelt werden muß (Senatsurt. v. 18. September 1992, aaO).

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2. Dieser Mangel des erstinstanzlichen Urteils rechtfertigte jedoch nicht die auf den Ausspruch über die Gegenleistungspflicht der Klägerin beschränkte Aufhebung und Zurückverweisung.

18

Eine solche Verfahrensweise läßt sich nicht, wie das Berufungsgericht meint, auf das Urteil des VII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofes vom 2. Juni 1966 (BGHZ 45, 287 [BGH 02.06.1966 - VII ZR 162/64] = NJW 1966, 1755) stützen. Denn im Unterschied zu dem dort entschiedenen Fall geht es hier darum, daß die Klägerin die von ihr zu erbringenden Leistungen derzeit nicht vollständig beziffern kann, Weil die dazu nötige Feststellung des Gebäudewerts nach dem Vertrag einem erst noch einzuholenden Schiedsgutachten vorbehalten ist. Zur Bezifferung ihrer Gegenleistung ist aber die Klägerin verpflichtet, da sie mit dem in der Berufungsinstanz zur Entscheidung angefallenen Hilfsantrag nur Zug-um-Zug-Verurteilung des Beklagten verlangt. Bei dieser Sachlage durfte das Berufungsgericht dem Antrag mangels Zulässigkeit nicht entsprechen und deshalb die Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils nicht auf den Ausspruch über die Gegenleistungspflicht der Klägerin beschränken (Senatsurt. v. 18. September 1992, aaO). Da auch der Beklagte Revision eingelegt hat und diese wegen des Verfahrensfehlers begründet ist, stellt sich nicht die Frage, ob sonst im Hinblick auf das Verbot der reformatio in peius die vom Berufungsgericht aufrechterhaltene Verurteilung des Beklagten zur Auflassung und Eintragungsbewilligung hätte bestehen bleiben müssen (vgl. zu diesem Problemkreis BGH, Beschl. v. 18. Dezember 1985, IVb ZR 677/81, NJW 1986, 1494 ff).

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Die auf die Gegenleistungspflicht der Klägerin beschränkte Aufhebung und Zurückverweisung an das Landgericht ließe sich auch dann nicht rechtfertigen, wenn dieses Gericht die Möglichkeit hätte, entsprechend den §§ 356, 431 ZPO eine Frist zur Beibringung des Schiedsgutachtens zu setzen. Das ist möglich, sofern die sachliche Berechtigung einer Leistungsklage von dem Ergebnis eines noch ausstehenden Schiedsgutachtens abhängt, also die Klage zur Zeit unbegründet ist (BGH, Urt. v. 8. Juni 1988, VIII ZR 105/87, WM 1988, 1500, 1503). Gleiches könnte gelten, wenn der Klageantrag mangels Bezifferung der Zug-um-Zug-Einschränkung derzeit unzulässig ist. Vorliegend kommt jedoch hinzu, daß die einem Schiedsgutachter vorbehaltene Bewertung des Gebäudes, wonach sich die Höhe der dem Beklagten zustehenden Entschädigung richtet, erst für den Zeitpunkt der Eigentumsumschreibung des Grundstücks auf die Klägerin vorzunehmen ist, die Umschreibung aber den Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung über die Gegenleistung voraussetzt (§§ 894 Abs. 1, 726 Abs. 2 ZPO). Es kann also noch längere Zeit bis zu dem Bewertungsstichtag vergehen. Das Berufungsgericht meint allerdings, auch bei steigenden Immobilienpreisen werde bis dahin keine so erhebliche Werterhöhung des Hauses eintreten, daß sie der gutachtlichen Feststellung des Verkehrswerts schon für den jetzigen Zeitpunkt entgegenstehe. Diese Prognose wäre allenfalls dann hinzunehmen, wenn sich der Beklagte im Rahmen seiner Zug-um-Zug-Verurteilung mit der Berücksichtigung nur eines Teils seiner Gegenforderung begnügen müßte. Darauf jedoch kann er nicht verwiesen werden, weil die Klägerin in ihrem Antrag die von ihr geschuldete Entschädigung nach dem Wertmaßstab zum Zeitpunkt der Eigentumsumschreibung berücksichtigt hat. Hinter diesem Antrag darf das Urteil nicht zum Nachteil des Beklagten zurückbleiben, da nur er Berufung eingelegt hatte (§ 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Eine Fristsetzung zur Beibringung des Schiedsgutachtens und damit zur Nachholung der Bezifferung scheidet deshalb aus.

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3. Das Berufungsurteil ist daher insgesamt aufzuheben. Die Sache ist jedoch noch nicht zu einer Endentscheidung reif.

21

Auf der Grundlage des Hilfsantrages läßt sich der Kaufvertrag nicht rückabwickeln, weil dieser Antrag, wie aufgezeigt, unzulässig ist. Rückabwicklung wäre jedoch mit dem in erster Instanz abgewiesenen, allein auf Auflassung und Eintragungsbewilligung gerichteten Hauptantrag erreichbar gewesen. Die Parteien haben vereinbart, daß die dem Beklagten zustehende Entschädigung von ("mindestens") 2/3 des Gebäudewerts dessen Feststellung durch ein Schiedsgutachten erst für den Zeitpunkt der Eigentumsumschreibung des Grundstücks erfordert. Die Höhe der Entschädigung hängt zudem nach der an § 33 ErbbauVO angelehnten vertraglichen Regelung auch davon ab, in welchem Umfang die Grundpfandrechte zum gleichen Zeitpunkt noch valutiert sind und darum - unter Freistellung des Beklagten von den gesicherten persönlichen Verbindlichkeiten - angerechnet werden müssen. Diese Vereinbarungen rechtfertigen die Auslegung, daß der Beklagte hinsichtlich der von ihm geschuldeten Auflassung vorleistungspflichtig ist, soweit nicht seine Ansprüche, was nur für die Erstattung des Kaufpreises zutrifft, bereits der Höhe nach feststehen. Deshalb muß der Klägerin durch Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht Gelegenheit gegeben werden, sich in der erneuten Berufungsverhandlung mit dem in erster Instanz aberkannten Hauptantrag - unter Berücksichtigung der Pflicht zur Kaufpreiserstattung - dem Rechtsmittel des Beklagten anzuschließen. Die nicht fristgebundene unselbständige Anschließung ist auch jetzt noch zulässig, weil die Zurückverweisung das Berufungsverfahren wieder in denselben Stand versetzt, in dem es sich vor Erlaß des angefochtenen Urteils befand (BGH, Beschl. v. 4. Juli 1988, II ZR 334/87, NJW 1989, 170). Anders wäre es nur, wenn lediglich der Beklagte als Berufungskläger Revision eingelegt hätte, denn dann stünde auch bei Zurückverweisung des ganzen Rechtsstreits das Verbot der reformatio in peius einer Anschlußberufung entgegen (BGH, Beschl. v. 24. Mai 1989, IVb ZB 28/88, NJW-RR 1989, 1404).

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II. Revision des Beklagten:

23

Die Verurteilung des Beklagten zur Auflassung und Eintragungsbewilligung hält der Revision nicht stand, weil der in der Berufungsinstanz zur Entscheidung angefallene Hilfsantrag der Klägerin aus den vom Senat unter I 2 dargelegten Gründen unzulässig ist.

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Die vom Senat aufgrund der Revision der Klägerin für erforderlich gehaltene Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht wäre allerdings dann nicht angängig, wenn die Revision des Beklagten zu einer abschließenden Entscheidung reif wäre. Dies wäre der Fall, wenn das Berufungsgericht auch in der Sache unrichtig entschieden hätte. Insoweit enthält jedoch das angefochtene Urteil keinen Rechts- oder Verfahrensfehler zum Nachteil des Beklagten.

25

1. Mit Recht nimmt das Berufungsgericht an, daß die Wirksamkeit des im Kaufvertrag der Klägerin eingeräumten Rücktrittsrechts nicht unmittelbar durch den vom Beklagten hinsichtlich der Entschädigungsregelung behaupteten Einigungsmangel berührt wird; denn die Rücktrittsvoraussetzungen sind in diesem Vertrag in einer selbständigen Klausel vollständig festgelegt. Die Nichtigkeit des vereinbarten Rücktrittsvorbehalts ergibt sich entgegen der Auffassung der Revision auch nicht gemäß § 139 BGB aus der behaupteten Unwirksamkeit der Entschädigungsvereinbarung in § 13 Ziff. 2 des Kaufvertrages.

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Selbst wenn diese Vereinbarung einer Kontrolle nach dem AGB-Gesetz unterläge, würde deren Unwirksamkeit nicht den restlichen Vertragsinhalt erfassen (§ 6 Abs. 1 AGBG). Hinreichende Anhaltspunkte dafür, daß die Klausel in einer Vielzahl von Verträgen ausbedungen worden ist, sind aber auch nicht dargetan. Die Verwendung eines Vordrucks belegt dies nicht.

27

Die Entschädigungsregelung ist nicht deshalb formunwirksam, weil wegen des Maßstabes der bei Ausübung des Rücktrittsrechts von der Klägerin zu zahlenden Entschädigung für das von dem Beklagten errichtete Gebäude § 13 Ziff. 2 des Kaufvertrages auf die Regelung im Erbbaurechtsvertrag von 1972 verweist. Zwar fehlt es insoweit nach den §§ 9, 13 a Abs. 1 BeurkG an einer wirksamen Beurkundung und damit auch an der Einhaltung der in § 313 Satz 1 BGB vorgeschriebenen Form, weil auf eine notarielle Urkunde verwiesen ist, die nicht vorgelesen worden ist und auf deren Verlesung die Parteien nicht verzichtet haben. Dieser Formmangel ist aber nach § 313 Satz 2 BGB durch Auflassung und durch die Eintragung des Beklagten in das Grundbuch geheilt.

28

Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, daß die Heilungswirkung nur dann eintritt, wenn die Willensübereinstimmung der Vertragspartner bis zur Auflassung fortbesteht (Senatsurt. v. 23. März 1973, V ZR 112/71, WM 1973, 612, 613). Es hat aber rechtsfehlerfrei festgestellt, daß sich die Parteien noch bei Erklärung der Auflassung über die im Erbbaurechtsvertrag getroffene Entschädigungsregelung einig waren. Die Behauptung des Beklagten, er habe bei Abschluß des Kaufvertrages an den Inhalt jener Regelung nicht mehr gedacht, hat der Tatrichter aufgrund von Indizien als widerlegt angesehen. Die Revision rügt erfolglos, er habe den Indizwert nicht aus der Beweisaufnahme des Landgerichts herleiten dürfen, weil deren Ergebnis dafür nicht ausreiche. Der Tatrichter ist grundsätzlich darin frei, welche Beweiskraft er den Indizien im einzelnen und in einer Gesamtschau für seine Überzeugungsbildung beimißt. Revisionsrechtlich ist seine Würdigung nur darauf zu überprüfen, ob er alle Umstände vollständig berücksichtigt und nicht gegen Denk- oder Erfahrungssätze verstoßen hat (§ 286 ZPO; BGH, Urt. v. 11. Februar 1987, IV ZR 23/86, BGHR ZPO.§ 550 - Beweiswürdigung 1; Urt. v. 22. Januar 1991, VI ZR 197/90, NJW 1991, 1894, 1895). Diesen Anforderungen genügt das Berufungsurteil.

29

Die Parteien haben im Jahre 1983 wegen der Ausübung des Heimfallrechts durch die Klägerin einen Rechtsstreit geführt, in dessen Verlauf der Beklagte - als damaliger Kläger - den Erbbaurechtsvertrag vom 26. Januar 1972 vorgelegt hat. Das Berufungsgericht hat daraus in Verbindung mit der Tatsache, daß die Entschädigungsregelung in II Ziff. 16 unmittelbar an die Regelung II Ziff. 15 anknüpft, auf welche in der damaligen Klageschrift besonders abgehoben worden ist, den Schluß gezogen, daß der Beklagte sich seinerzeit auch die Entschädigungsregelung in allen Einzelheiten nochmals durchgelesen hat. Dies hält sich im Rahmen einer möglichen tatrichterlichen Wertung. Ein weiteres Indiz für die Kenntnis des Beklagten zum Zeitpunkt der Auflassung hat das Berufungsgericht fehlerfrei darin gesehen, daß anläßlich der Beurkundung der Baufristverlängerung im März 1986 wiederum ausdrücklich auf die "Bestimmungen des Erbbaurechtsvertrages hinsichtlich des Anspruchs auf Zahlung einer Vertragsstrafe und auch der Geltendmachung eines Heimfallrechts" für den Fall der Nichterfüllung der Bauverpflichtung bis zum 31. Dezember 1986 verwiesen worden ist. Aus der Gesamtwertung dieser Indizien konnte der Tatrichter zu der Überzeugung kommen, daß die Regelung im Erbbaurechtsvertrag über die Folgen der Ausübung des Heimfallanspruchs wegen Nichteinhaltung der Bauverpflichtung dem Beklagten auch bei der Beurkundung des Kaufvertrages noch bekannt war.

30

2. Bei Erklärung des Rücktritts vom Kaufvertrag lagen die dafür vereinbarten Voraussetzungen vor. Das Berufungsgericht hat die von dem Beklagten übernommene Bauverpflichtung dahin ausgelegt, daß er das Wohnhaus bis zum 31. Dezember 1988 "bezugsfertig" errichten mußte. Durch Bezugnahme auf das landgerichtliche Urteil hat der Tatrichter den Begriff der Bezugsfertigkeit darin definiert, das Haus habe in dieser Frist soweit fertiggestellt sein müssen, daß es zum ständigen Wohnen tatsächlich benutzt werden konnte. Diese Auslegung läßt Rechtsfehler nicht erkennen. Es ist aus Rechtsgründen auch nicht zu beanstanden, daß das Berufungsgericht aus den Feststellungen des Landgerichts bei Augenscheinseinnahme am 17. Mai 1989 und aus den Angaben im Bescheid des Bauordnungsamts vom 18. Juni 1990 die Folgerung gezogen hat, das Haus sei bei Ablauf der Baufrist nicht bezugsfertig gewesen.

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3. Dem Berufungsgericht ist auch darin zuzustimmen, daß aufgrund der nicht fristgerechten Erfüllung der Bebauungspflicht die Klägerin berechtigt war, das für diesen Fall vereinbarte Rücktrittsrecht auszuüben. Als Schranke der Rechtsausübung kommt hier allerdings nicht nur treuwidriges Verhalten (§ 242 BGB) in Betracht. Die Klägerin hatte mit der Vergabe des Baugrundstücks im Erbbaurecht und mit dem späteren Verkauf des Grundstücks an den Beklagten städte- und wohnungsbauliche Ziele verfolgt. Diese Wahrnehmung von Aufgaben der öffentlichen Verwaltung in den Formen des Privatrechts führt dazu, daß die Normen des Privatrechts durch Bestimmungen des öffentlichen Rechts ergänzt, überlagert und modifiziert werden (BGHZ 93, 372, 381) [BGH 07.02.1985 - III ZR 179/83]. Im Bereich dieses Verwaltungsprivatrechts hat die Verwaltung nicht bloß die Grundrechte, darunter auch den Gleichheitsgrundsatz, zu beachten (vgl. BGHZ 29, 76 [BGH 10.12.1958 - V ZR 70/57];  65, 284, 287), sondern auch das Übermaßverbot einzuhalten (BGHZ 93, 372, 381) [BGH 07.02.1985 - III ZR 179/83]. Hiervon geht auch das Berufungsgericht aus.

32

Es hat zu Recht für unbeachtlich gehalten, ob - wie der Beklagte behauptet hat - die Gebrauchsabnahme des Gebäudes am 31. Oktober 1990 erfolgt ist und ob der Beklagte das Haus inzwischen bezogen hat. Ist im Zeitpunkt der Ausübung des Rücktrittsrechts der dafür erforderliche Grund gegeben, so verstößt die Durchsetzung dieses Rechts grundsätzlich nicht deswegen gegen Treu und Glauben, weil der Rücktrittsgegner die verletzte Pflicht nachgeholt und hierzu erhebliche Aufwendungen erbracht hat (vgl. Senatsurt. v. 29. Januar 1988, V ZR 271/86, WM 1988, 786, 789 für den Fall der Ausübung eines Heimfallanspruchs).

33

Zu Unrecht rügt die Revision, die Ausübung des Rücktrittsrechts verstoße gegen das Übermaßverbot, weil der Klägerin eine Vielzahl milderer Mittel zur Verfügung gestanden hätten, um den angestrebten städtebaulichen Zustand zu erreichen. Auf die bauordnungsrechtlich gegebenen Möglichkeiten sowie auf eine Klage auf Erfüllung der eingegangenen Bauverpflichtung braucht sich die Klägerin nicht verweisen zu lassen, da sonst die im Kaufvertrag getroffene Vereinbarung eines Rücktrittsrechts ins Leere ginge. Die Klägerin war auch nicht gehalten, zur Durchsetzung der Bebauungspflicht zunächst die in dem Kaufvertrag festgelegte Vertragsstrafe geltend zu machen. Der Beklagte hat sich über viele Jahre hinweg als unfähig oder unwillig gezeigt, das Bauvorhaben vertragsgemäß auszuführen. Da er auch nach Ablauf der im Kaufvertrag für den 31. Dezember 1988 vereinbarten Frist in der Zeit bis zur Ausübung des Rücktrittsrechts im Mai 1989 keine ausreichenden Anstrengungen unternommen hatte, um das Bauwerk doch noch bezugsfertig zu errichten, durfte die Klägerin davon ausgehen, daß die nochmalige Geltendmachung einer Vertragsstrafe zu einer nicht mehr hinnehmbaren weiteren Verzögerung führen würde. Deshalb durfte sie von dem Rücktrittsrecht Gebrauch machen.

34

Auch einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) hat die Revision nicht dargetan. Entgegen ihrer Auffassung liegt eine Ungleichbehandlung nicht schon darin, daß die Klägerin - was im Revisionsrechtszug zugunsten des Beklagten zu unterstellen ist - bislang in keinem anderen Fall einem Vertragspartner das Erbbaurecht oder das Grundstück entzogen hat, wenn die Frist zur Fertigstellung des Bauwerks nicht eingehalten worden ist. Eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes käme nur dann in Betracht, wenn die zu beurteilenden Sachverhalte im wesentlichen gleichgelagert gewesen wären. Dazu hat der Beklagte nichts Näheres vorgetragen. Das aber wäre nötig gewesen, zumal er bereits seit den Jahren 1972 bis 1974 seine Bebauungspflicht nicht erfüllt hat.

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4. Da mithin die Revision des Beklagten nicht schon in der Sache begründet ist, zwingt nur die Unzulässigkeit desjenigen Klageantrages, dem das Landgericht stattgegeben hat, zur Aufhebung des diesen Mangel verkennenden Berufungsurteils und aufgrund der Revision der Klägerin zur Zurückverweisung des Rechtsstreits.