Suche

Nutzen Sie die Schnellsuche, um nach den neuesten Urteilen in unserer Datenbank zu suchen!

Bundesgerichtshof
Beschl. v. 11.02.1992, Az.: VI ZB 2/92

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand; Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung; Voraussetzungen eines Büroversehens

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
11.02.1992
Aktenzeichen
VI ZB 2/92
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1992, 16111
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
OLG Bamberg - 04.11.1991

Fundstelle

  • NJW 1992, 1632 (Volltext mit red. LS)

Prozessführer

D. L. Versicherungs AG,
vertreten durch die Vorstandsmitglieder Dr. Harold K., Dr. Michael B. und Manfred C., K. straße ..., M.

Prozessgegner

Otto K., S. Ring ..., W.

Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
am 11. Februar 1992
durch
den Vorsitzenden Richter Dr. Steffen und
die Richter Dr. Kullmann, Dr. Lepa, Dr. v. Gerlach und Dr. Müller
beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluß des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Bamberg vom 4. November 1991 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Der Beschwerdewert wird auf 25.207,00 DM festgesetzt.

Gründe

1

I.

Die Beklagte hat gegen das sie beschwerende Urteil des Landgerichts am 16. August 1991 rechtzeitig Berufung eingelegt. Die Frist zur Begründung des Rechtsmittels lief am 15. Oktober 1991 ab. Der die Berufung begründende Schriftsatz ist jedoch erst am 16. Oktober 1991 beim Berufungsgericht eingegangen. Mit ebenfalls am 16. Oktober 1991 eingegangenem Schriftsatz hat die Beklagte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung beantragt und dazu vorgetragen, ihr Prozeßbevollmächtigter habe der Bürovorsteherin die Anweisung erteilt, den Ablauf der Frist zur Berufungsbegründung auf den 15. Oktober 1991 einzutragen. Gleichwohl habe die Bürovorsteherin infolge eines Irrtums eigenmächtig den Fristablauf auf den 16. Oktober 1991 eingetragen. Bei Aktenvorlage am 9. Oktober 1991 zur Fertigung der Berufungsbegründung habe der Prozeßbevollmächtigte die Frist nicht überprüft, weil er angesichts der Zuverlässigkeit der Bürovorsteherin angenommen habe, die Frist sei richtig eingetragen. Deshalb liege keine Sorgfaltspflichtverletzung des Prozeßbevollmächtigten, sondern nur eine Fehlleistung der Bürovorsteherin vor, deren eidesstattliche Versicherung vorgelegt worden ist.

2

Das Oberlandesgericht hat durch Beschluß vom 4. November 1991 den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen und die Berufung der Beklagten als unzulässig verworfen. Gegen diesen am 14. November 1991 zugestellten Beschluß richtet sich die am 27. November 1991 bei Gericht eingegangene sofortige Beschwerde der Beklagten.

3

II.

Das form- und fristgerecht eingelegte und auch sonst zulässige Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg.

4

Mit Recht legt das Berufungsgericht dem Prozeßbevollmächtigten der Beklagten zur Last, daß er bei Vorlage der Akten zur Fertigung der Berufungsbegründung den Fristablauf nicht eigenverantwortlich überprüft hat.

5

Zwar kann sich ein Rechtsanwalt grundsätzlich darauf verlassen, daß sein Büropersonal auch mündlich erteilte Weisungen befolgt (Senatsbeschlüsse vom 16. Oktober 1990 - VI ZB 13/90 und vom 19. Februar 1991 - VI ZB 2/91 - VersR 1991, 1269 f.).

6

Gleichwohl hat der Anwalt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs den Ablauf von Rechtsmittelbegründungsfristen zwar nicht bei jeder Vorlage der Handakten, wohl aber dann eigenverantwortlich zu prüfen, wenn ihm die Akten im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Prozeßhandlung, insbesondere zu deren Bearbeitung vorgelegt werden (Senatsbeschlüsse vom 1. Juni 1976 - VI ZB 23/75 - VersR 1976, 962, 963; vom 2. November 1976 - VI ZB 7/76 - VersR 1977, 255 und vom 19. Februar 1991 - aaO; BGH, Beschlüsse vom 10. Juli 1980 - VII ZB 2/80 - VersR 1980, 976, 977 und vom 25. März 1985 - II ZB 2/85 - VersR 1985, 552 jeweils m.w.N.). Eine Anweisung an das Büropersonal betreffend die Fristwahrung kann ihn von dieser Verpflichtung nicht befreien (BGH, Beschluß vom 11. Dezember 1991 - VIII ZB 38/91).

7

Hätte der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten die Frist zur Begründung der Berufung geprüft, als ihm die Handakten zur Anfertigung der Berufungsbegründung vorgelegt wurden, so hätte er festgestellt, daß diese Frist am 15. Oktober 1991 ablief. Die Berufungsbegründung hätte dann noch rechtzeitig beim Berufungsgericht eingereicht werden können. Wie der Senat im Beschluß vom 19. Februar 1991 (aaO) dargelegt hat, wird der Sorgfaltsverstoß um so deutlicher, als ein Ablauf der Frist zur Berufungsbegründung zum 16. Oktober ungewöhnlich erscheinen mußte. Daher beruht die Fristversäumung auf einem Verschulden des Prozeßbevollmächtigten der Beklagten, welches sich diese gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muß. Mithin war sie entgegen § 233 ZPO nicht ohne ihr Verschulden gehindert, die Frist zur Begründung der Berufung einzuhalten.

Streitwertbeschluss:

Der Beschwerdewert wird auf 25.207,00 DM festgesetzt.

Dr. Steffen
Dr. Kullmann
RiBGH Dr. Lepa ist wegen Urlaubs an der Unterschrift verhindert
Dr. Steffen
Dr. v. Gerlach
Dr. Müller