Bundesgerichtshof
Urt. v. 12.03.1991, Az.: VI ZR 232/90
Ärztliche Aufklährungspflicht; Fehlende Grundaufklärung; Arzthaftung; Geringe Risikoverwirklichung
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 12.03.1991
- Aktenzeichen
- VI ZR 232/90
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1991, 14252
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlage
Fundstellen
- MDR 1991, 845 (Volltext mit amtl. LS)
- NJ 1991, 329 (amtl. Leitsatz)
- NJW 1991, 2346-2347 (Volltext mit amtl. LS)
- VersR 1991, 777-779 (Volltext mit amtl. LS)
Amtlicher Leitsatz
Fehlt es an der erforderlichen Grundaufklärung über Art und Schweregrad eines ärztlichen Eingriffs, so entfällt die Haftung des Arztes für das Aufklärungsversäumnis auch dann nicht, wenn sich nur ein Risiko verwirklicht, über das der Arzt den Patienten nicht aufzuklären brauchte (Bestätigung von BGHZ 106, 391 [BGH 14.02.1989 - VI ZR 65/88] = VersR 89, 514).
Tatbestand:
Die Klägerin nimmt die Beklagten auf Ersatz ihres materiellen und immateriellen Schadens wegen einer Querschnittslähmung in Anspruch, die sie auf eine am 23. November 1982 von dem Erstbeklagten durchgeführte Bandscheibenoperation zurückführt.
Seit Mai 1982 litt die Klägerin an ausstrahlenden Schmerzen im linken Bein. Sie unterzog sich deshalb im Juli 1982 in dem von der Zweitbeklagten betriebenen Krankenhaus Ph. -Stift in E. einer ambulanten konservativen Behandlung. Nachdem eine Myeolographie bei der Klägerin eine isolierte laterale Sequesterbildung L 4/L 5 links mit entsprechender Verkürzung der Wurzel ergeben hatte, wurde sie am 11. Oktober 1982 zur stationären Behandlung in das Ph. -Stif aufgenommen. Dort wurde zunächst eine weitere konservative Behandlung versucht. Da auch diese nicht zu einer Linderung der Beschwerden der Klägerin führte, entschloß sich der Erstbeklagte, der als Oberarzt der Chirurgischen Abteilung im Krankenhaus der Zweitbeklagten tätig war, zu einem operativen Eingriff, der am Mittag des 23. November 1982 durchgeführt und bei dem eine gedeckte Perforation der Bandscheibe L 4/L 5 vorgefunden, die Bandscheibenhöhle in diesem Bereich ausgeräumt und sicherheitshalber auch die Bandscheibe bei L 3/L 4 revidiert wurde. Spätestens am Abend des Operationstages kam es bei der Klägerin zu einer Aufhebung der Sensibilität an beiden Beinen bis in Leistenhöhe sowie zu einem Rückgang der motorischen Qualitäten. Aus diesem Grund wurde gegen 20.00 Uhr von dem Erstbeklagten eine Revisionsoperation durchgeführt. Nach dem Operationsbericht waren die Verhältnisse in den Segmenten L 3/L 4 und L 4/L 5 unauffällig; jedoch bestand eine Vorwölbung der Bandscheibe bei L 5/S 1, weshalb nunmehr auch hier die Bandscheibenhöhle ausgeräumt wurde.
Während die postoperative Wundheilung ungestört verlief, klagte die Klägerin auch weiterhin über ein Taubheitsgefühl in beiden Beinen, so daß es in den folgenden Wochen zu wiederholten neurologischen Konsiliaruntersuchungen kam. Als deren Ergebnis wurde eine sogenannte inkomplette Caudasymptomatik diagnostiziert.
Am 11. Januar 1983 wurde die Klägerin zu einer Anschlußheilbehandlung in eine Kurklinik verlegt. Nach dem Entlassungübericht vom 8. März 1983 ist es nach vorübergehender Besserung sowohl des Allgemeinbefindens als auch des neurologischen Krankheitsbildes am 3. März 1983 zu einer subjektiven und objektiven Verschlechterung der Befunde gekommen; freies Stehen war danach nur für kurze Zeit und Gehen nur durch beidseitige Unterstützung möglich.
Am 13. Mai 1983 wurde die Klägerin in der Neurochirurgischen Universitätsklinik E. ambulant untersucht. Dabei wurde eine ausgeprägte Paraparese beider Beine, links ausgeprägter als rechts, festgestellt. Anläßlich einer weiteren ambulanten Untersuchung am 27. Mai 1983 in der Neurochirurgischen Universitätsklinik D. fand sich eine hochgradige Paraparese der unteren Extremitäten sowie eine Blasen- und Mastdarmlähmung. Eine Befundverbesserung ist auch durch weitere therapeutische Maßnahmen nicht eingetreten.
Die Klägerin hat behauptet, sie habe bereits unmittelbar nach dem Aufwachen aus der Narkose nach der Erstoperation am 23. November 1982 ein querschnittsartiges Taubheitsgefühl vom Beckenring abwärts verspürt und keine Kontrolle mehr über Wasserlassen und Stuhlgang gehabt. Sie hat dem Beklagten zu 1) vorgeworfen, die Revisionsoperation am Abend des 23. November 1982 ohne ausreichende präoperative Diagnotstik, insbesondere ohne eine zwingend gebotene Myeolographie, durchgeführt und auch in der Folgezeit keine ausreichende diagnostische Abklärung der eingetretenen Komplikationen vorgenommen zu haben. Bei Vermeidung dieser Fehler und bei Durchführung der richtigen diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen hätten die nunmehrigen Beschwerden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verhindert werden können. Infolge der mangelnden Befunderhebungen sei jedenfalls die Zweitoperation am 23. November 1982 nicht indiziert und die bei dieser Gelegenheit erfolgte Ausräumung der Bandscheibe bei L 5/S 1 völlig unnötig gewesen. Schließlich sei sie über die hier in Rede stehende Operationsfolge auch nicht aufgeklärt worden. Bei einem Hinweis auf das Risiko eines inkompletten Caudasyndroms hätte sie sich nicht zur damaligen Zeit und nicht im Haus der Beklagten zu 2) operieren, sondern zunächst noch anderweitig ärztlich beraten lassen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hatte keinen Erfolg. Mit der Revision verfolgt sie ihre Klageansprüche weiter.
Entscheidungsgründe
I.
Sachverständig beraten und insoweit von der Revision nicht angegriffen stellt das Berufungsgericht fest, daß die komplette Lähmung beider Beine der Klägerin mit völliger Gefühllosigkeit bis etwa in Bauchnabelhöhe nicht auf eine organische Ursache zurückgeführt werden kann, sondern eindeutig als psychogen einzuordnen ist. Nach Auffassung des Berufungsgerichts kann dem Beklagten nicht vorgeworfen werden, eine solche Lähmung verursacht oder postoperativ keine ausreichenden Maßnahmen zu ihrer Rückbildung getroffen zu haben.
Das Berufungsgericht hält es aufgrund der Angaben des Sachverständigen allerdings für möglich, daß es bei der Klägerin am 23. November 1982 entweder bei der Erstoperation oder der Revisionsoperation zu einer Teilschädigung der Nervenwurzeln S 1 auf beiden Seiten gekommen ist, vermag aber nicht festzustellen, daß die Klägerin dadurch meßbare Beeinträchtigungen erlitten hat. Die Auswirkungen dieser Schädigung sind nach seiner Auffassung von Anfang an von de psychogenen Erscheinungsbild dergestalt überlagert worden, daß eine eigenständige Beeinträchtigung der Klägerin insoweit nicht feststellbar sei.
Das Berufungsgericht ist der Meinung, für die Schäden der Klägerin könnten die Beklagten auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer unzureichenden Risikoaufklärung der Klägerin verantwortlich gemacht werden. Es unterstellt zwar daß die Klägerin vor der Operation nur auf die Möglichkeit vorübergehender Lähmungserscheinungen und Gefühlsstörungen hingewiesen worden ist, nicht aber auf das Risiko einer psychogenen Lähmung und auch nicht auf die äußerst selten nach derartigen Operationen eintretende Caudalähmung. Indes wird nach Auffassung des Berufungsgerichts dadurch eine Haftung der Beklagten nicht begründet. Dazu erwägt es: Bei der psychogenen Lähmung handele es sich um eine so außergewöhnliche und nicht vorhersehbare Folge des Eingriff daß eine Aufklärung der Klägerin hierüber nicht in Betracht gekommen sei. Der möglicherweise erforderliche, aber ebenfalls unterlassene Hinweis auf die Möglichkeit einer Caudalähmung könne eine Haftung der Beklagten gleichfalls nicht begründen. Hierdurch sei der Eingriff nicht rechtswidrig geworden, da es sich bei einer organischen Lähmung qualitativ um etwas völlig anderes als bei einer psychogenen Lähmung handele, die Einstandspflicht bei einem Aufklärungsversäumnis aber auch ihre Grenze am Schutzbereich der verletzten Verhaltensnorm finde.
II.
Das Berufungsurteil hält den Angriffen der Revision nicht stand.
1. Rechtsfehlerhaft geht das Berufungsgericht davon aus daß eine Haftung der Beklagten unter dem Gesichtspunkt der Verletzung von Behandlungspflichten selbst dann nicht in Betracht kommt, wenn der Erstbeklagte, wie das Berufungsgericht unterstellt, die Teilschädigung der Nervenwurzel S 1 der Klägerin zu verantworten hat.
Die Haftung der Beklagten kann entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht bereits damit verneint werden, daß die Auswirkungen der leichten Teilschädigung von Anfang an von dem psychogenen Erscheinungsbild dergestalt überlagert waren, daß eine eigenständige Beeinträchtigung der Klägerin insoweit nicht feststellbar ist. Das Berufungsgericht das sich hierbei auf die Ausführungen des sachverständigen Neurologen Dr. M. -V. stützt, übersieht dabei, daß dieser Sachverständige die Frage, ob und ggfls. inwieweit die psychogenen Ausfälle bei der Klägerin ihrer Entwicklung oder wenigstens ihrem Ausmaß nach mit auf die Nervschädigung zurückgeführt werden müssen, ausdrücklich unbeantwortet gelassen und insoweit die Einholung des von der Klägerin beantragten tiefenpsychologischen Gutachtens für erforderlich gehalten hat. Die Revision rügt zu Recht, daß das Berufungsgericht ohne Einholung dieses Gutachtens die Frage der Kausalität nicht abschließend beantworten konnte. Auf diese Verfahrensfehler beruht das Berufungsurteil.
Die Revision weist nämlich zutreffend darauf hin, daß ein Schädiger grundsätzlich nicht nur für physische Folgen einer Schädigung einzustehen hat, sondern auch für psychische Entwicklungen. Außerhalb des Schutzzwecks der Haftung liegen nur solche psychischen Verläufe, die in ähnlicher Weise auch durch sonstige objektiv geringfügige Anlässe hätten ausgelöst werden können, was aber der Schädiger zu beweisen hat (Senatsurteil vom 21. September 1982 - VI ZR 130/81 - VersR 1982, 1141).
2. Der erkennende Senat vermag dem Berufungsgericht aber auch nicht darin zu folgen, daß die Beklagten der Klägerin gegenüber auf keinen Fall wegen unzureichender Risikoaufklärung vor der Bandscheibenoperation schadenersatzpflichtig sind.
a) Rechtlich einwandfrei und von der Revision auch nicht beanstandet, hat das Berufungsgericht zwar eine Aufklärung der Klägerin über das Risiko einer psychogenen Lähmung nicht für erforderlich gehalten, da es sich hierbei nach den Ausführungen des Sachverständigen nicht um ein spezifisches Risiko der durchgeführten Operation handelt, sondern - wenn überhaupt ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Operation und Lähmung besteht - um eine außergewöhnliche und nicht vorhersehbare Folge des Eingriffs, die für den Entschluß des Patienten, ob er in die Operation einwilligt, keine Bedeutung haben konnte (BGHZ 29, 46, 57 f.; 90, 103, 107; 106, 391, 396 [BGH 14.02.1989 - VI ZR 65/88]; Senatsurteil vom 28. Februar 1984 - VI ZR 70/82 - VersR 1984, 538, 539 = AHRS 4475/5; OLG Celle, Urteil vom 17. Juli 1987 - 1 U 39/86 - mit Nichtannahmebeschluß des Senats vom 19. April 1988 - VI ZR 232/87 - AHRS 4660/1; OLG Düsseldorf, Urteil vom 28. Dezember 1984 - 8 U 48/83 - mit Nichtannahmebeschluß des Senats vom 29. Oktober 1985 - VI ZR 37/85 - AHRS 4730/6).
b) Demgegenüber war, was auch das Berufungsgericht offensichtlich bejahen will, die Klägerin vor der Operation über das nach den Darlegungen des Sachverständigen zwar äußerst seltene, aber eingriffstypische und, wenn es eintritt, den Patienten sehr belastende Risiko der Caudalähmung aufzuklären; zumindest war die Klägerin darauf hinzuweisen, daß es unter Umständen zu schwerwiegenden dauerhaften Lähmungen infolge des Eingriffs kommen könne. Es war deshalb zu verharmlosend, wenn der Erstbeklagte die Klägerin vor der Operation nur auf die Möglichkeit vorübergehender Lähmungserscheinungen und Gefühlsstörungen hingewiesen hat.
c) Wenn sich nun im Streitfall auch nicht das aufklärungsbedürftige Risiko einer organisch bedingten Caudalähmung verwirklicht hat, sondern eine psychogene Lähmung eingetreten ist, die aber für den Patienten ganz ähnliche Folgen hat, so muß dies entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts eine Haftung der Beklagten auslösen, wenn ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Operation und der Lähmung festgestellt wird.
aa) Das Berufungsgericht geht mit der Rechtsprechung des erkennenden Senats im Grundsatz davon aus, daß Aufklärungsdefizite, unabhängig davon, ob sich ein aufklärungsbedürftiges Risiko verwirklicht oder nicht, nicht anders als bei einem eigenmächtigen ärztlichen Vorgehen ohne jede Einwilligung den ärztlichen Eingriff insgesamt mangels ausreichender Einwilligung des Patienten rechtswidrig machen und deshalb bei einem Verschulden des Arztes grundsätzlich zu einer Haftung für alle Schadensfolgen führen (BGHZ 106, 391, 398) [BGH 14.02.1989 - VI ZR 65/88]. Unter Schutzzweckgesichtspunkten kann es zwar in den Fällen, in denen sich nur ein nicht aufklärungsbedürftiges Risiko verwirklicht hat, gelegentlich zu einem Wegfall der Haftung des Arztes kommen. Das ist aber nur ausnahmsweise der Fall. In Betracht kommen lediglich solch Fälle, in denen der innere Zusammenhang zwischen dem Schaden und der Zielrichtung der verletzten Aufklärungspflicht fehlt, die Entscheidungsfreiheit des Patienten über seine körperliche Integrität zu schützen. Ein Haftungswegfall kommt aber nie in Betracht, wenn der Patient nicht wenigstens eine Grundaufklärung über Art und Schweregrad des Eingriffs erhalten hat (BGHZ 106, 391, 399) [BGH 14.02.1989 - VI ZR 65/88]. Die Grundaufklärung wird einem Patienten nur dann erteilt, wie der Senat bereits in der Entscheidung BGHZ 106, 391, 399 [BGH 14.02.1989 - VI ZR 65/88] ausgesprochen hat, wenn ihm ein zutreffender Eindruck von der Schwere des Eingriffs und von der Art der Belastungen vermittelt wird, die für seine Integrität und Lebensführung auf ihn zukommen können. Nicht erforderlich ist dazu die exakte medizinische Beschreibung aller denkbaren Risiken und auch nicht die Angabe von Details zu den Risiken, die für die Entscheidung des Patienten im Blickpunkt stehen. Wie die Revision mit Recht hervorhebt, ist eine Grundaufklärung in aller Regel aber nur dann erfolgt, wenn der Patient auch einen Hinweis auf das schwerste, möglicherweise in Betracht kommende Risiko erhalten hat. Fehlt es an der Grundaufklärung, dann ist das Selbstbestimmungsrecht des Patienten im Kern genau so tangiert, als wenn der Arzt den Eingriff vorgenommen hätte, ohne den Patienten um seine Zustimmung zu fragen. Er muß dann auch haften, wenn sich ein nur äußerst seltenes, nicht aufklärungspflichtiges Risiko verwirklicht. Die Kritik an dieser Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. Deutsch, NJW 1989, 2313 [BGH 14.02.1989 - VI ZR 65/88] und Hauß, VersR 1989, 517 [BGH 14.02.1989 - VI ZR 65/88]), wird nicht dem Grundsatz gerecht, daß die Einwilligung von dem Patienten in aller Regel nicht in die einzelnen ihm vom Arzt bekannt gegebenen Risiken, sondern unter Abwägung auch aller anderen Umstände in den Eingriff generell erteilt wird.
Für eine Herausnahme der Schadensfolgen als außerhalb des Schutzzwecks der Aufklärung liegend ist nur dort Raum, wo dem Patienten bestimmte Einzelrisiken oder Risikodetails verschwiegen worden sind, die sich nicht verwirklicht haben ihm aber über die Grundaufklärung bereits ein Eindruck von der Art und dem Schweregrad des Eingriffs vermittelt worden ist. In derartigen Fällen kann die Einstandspflicht des Arztes für die eingetretene Schadensfolge den Schutz des Selbstbestimmungsrechts des Patienten übersteigen, wenn sich im Schaden ein Risiko verwirklicht, über das der Arzt den Patienten tatsächlich aufgeklärt hat oder über das er ihn gar nicht aufzuklären brauchte. Die Berufung auf die fehlende Aufklärung wäre in einem solchen Falle nach dem Sinn der Aufklärung mißbräuchlich. Indes handelt es sich insoweit um Ausnahmen, da der Patient den für die Grundaufklärung erforderlichen ungefähren Eindruck vom Schweregrad des Eingriffs häufig erst erhält, wenn ihm auch die Stoßrichtung der damit zusammenhängenden Belastungen für seine Lebensführung "im großen und ganzen" mitgeteilt sind.
bb) Im Streitfall ist bereits nicht die notwendige Grundaufklärung der Klägerin erfolgt. Dazu hätte die Klägerin nämlich auf das Risiko einer bleibenden Lähmung hingewiesen werden müssen, etwa dergestalt, daß es zwar zu Lähmungserscheinungen kommen könne, diese sich aber in fast allen Fällen zurückbilden würden. Dann hätte die Klägerin insoweit eine allgemeine Vorstellung davon bekommen, daß mit der Bandscheibenoperation in seltenen Fällen auch mit bleibenden Lähmungen zu rechnen war. Der Hinweis auf die Möglichkeit vorübergehender Gefühlsstörungen war demgegenüber nicht ausreichend, um ihr einen auch nur annähernd zutreffenden Eindruck von dem Schweregrad des Eingriffs zu vermitteln. Solche Komplikationen sind mit einer dauerhafte Beeinträchtigung, wie sie z.B. eine Caudalähmung darstellt, nicht vergleichbar. Daß die Klägerin durch Darstellung anderer Risiken des Eingriffs wenigstens darüber aufgeklärt worden ist, daß ihre Lebensführung auf Dauer durch den Eingriff belastet werden konnte, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Hierfür fehlt es an jedem Anhalt.
Da es im Streitfall bereits an einer Grundaufklärung der Klägerin und deshalb schon von vornherein an der Voraussetzung für die vom Berufungsgericht angestellten Schutzzwecküberlegungen fehlt, kommt es für die Haftung der Beklagten nicht darauf an, ob für die hier eingetretene Querschnittslähmung trotz ihrer Nähe zu der Caudalähmung, was die Auswirkungen für die Lebensführung der Klägerin anbetrifft, unter wertenden Schutzzweckgesichtspunkten ein innerer Zusammenhang mit der Verletzung ihres Selbstbestimmungsrechts durch das Verschweigen dieses aufklärungspflichtigen Risikos allein deshalb zu verneinen wäre, weil sich hier Belastungen der Operation für die Psyche der Klägerin und keine neurologischen Belastungen manifestiert haben.
III.
Bei dieser Sachlage muß das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden. In der neuen Verhandlung wird das Berufungsgericht zu klären haben, ob die Bandscheibenoperation unmittelbar die psychogene Lähmung ausgelöst hat oder diese etwa über die Teilschädigung der Nervenwurzeln S 1 bewirkt worden ist. Im letztgenannten Fall ist zusätzlich zu prüfen, ob dem Erstbeklagten ein Behandlungsfehler zur Last fällt.