Bundesgerichtshof
Urt. v. 12.07.1990, Az.: I ZR 236/88
„Flacon“
Warenzeichen ; Zeichenrechtliche Benutzungshandlung ; Prüfung der rechtlichen Elemente; Klageschrift; Bestimmtheitsgebot
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 12.07.1990
- Aktenzeichen
- I ZR 236/88
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1990, 13982
- Entscheidungsname
- Flacon
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
Fundstellen
- GRUR 1991, 138-139 (Volltext mit amtl. LS) "Flacon"
- MDR 1991, 222 (Volltext mit amtl. LS)
- NJW 1991, 296-297 (Volltext mit amtl. LS) "Flacon"
Amtlicher Leitsatz
1. Übereinstimmender Sachvortrag der Parteien zur zeichenrechtlichen Benutzungshandlung erübrigt die Prüfung deren tatsächlicher Voraussetzungen, nicht aber deren rechtlicher Elemente.
2. Der auf das Verbot der "markenmäßigen" Verwendung gerichtete Antrag kann unter Berücksichtigung des Klagebegehrens im übrigen und der beanstandeten Verletzungshandlung dem Bestimmtheitsgebot genügen.
Tatbestand:
Die Klägerin ist die deutsche Vertriebsfirma der Parfümherstellerin "Lancome S.A., Paris". Sie führt in ihrer Firma die Bezeichnung "Lancome" und ist ermächtigt, die Rechte aus der IR-Marke 157 412 "LACOME" der französischen Parfümherstellerin geltend zu machen.
Die Beklagte betreibt unter der Firma "Parfum-Discount" den Versandhandel und im Shop-in shop-System den Handel mit Markenwaren der Parfümindustrie, auch der Firma Lancome.
Außerdem bietet sie den Abschluß von Franchise-Verträgen zur Errichtung von "Flacon-Parfümdiscounts" an. Ihre Werbung gestaltet sie nach den von der Klägerin vorgelegten Klagen beispielsweise (Anlage K 3, 5) wie folgt:
"Folgt Grafik"
Die Klägerin beanstandet die Verwendung der Bezeichnung "Flacon" durch die Beklagte als eine Verletzung ihres Firmenrechts und des Warenzeichens "Lancome" der französischen Markeninhaberin, das bei über 50 % der angesprochenen Verkehrskreise bekannt sei.
Sie hat beantragt,
1. der Beklagten unter Androhung der näher bezeichneten Ordnungsmittel zu verbieten, sich markenmäßig beim Feilhalten und Vertreiben von Parfümeriewaren und Kosmetikartikeln und bei der Werbung für und dem Abschluß von Franchiseverträgen der Bezeichnung "Flacon" zu bedienen oder ihren Franchisenehmern die marken- oder firmenmäßige Benutzung von "Flacon" zu gestatten;
2. festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, ihr jeden Schaden zu ersetzen, der ihr durch Handlungen gemäß Ziff. 1 entstanden ist oder noch entstehen wird;
3. die Beklagte weiter zu verurteilen, ihr über alle Handlungen gemäß Ziff. 1 Auskunft zu erteilen, und zwar unter Angabe der erzielten Umsatzerlöse und der Gestehungskosten sowie der betriebenen Werbung unter Angabe der Werbungsträger, Erscheinungszeiten, Verbreitungsgebiete, Auflagenhöhen und Werbungskosten und schließlich der von ihr geworbenen Franchise-Vertragspartner für die Benutzung der Bezeichnung "Flacon" und der mit diesen getätigten Umsätze.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat eine zeichenmäßige Benutzung in Abrede gestellt; eine Verwechslungsgefahr von "Flacon" mit "Lancome" sei ausgeschlossen.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I. Im Ergebnis ohne Erfolg beanstandet die Revision die Fassung der ersten Alternative des Unterlassungsantrags als nicht hinreichend bestimmt; danach soll der Beklagten verboten werden, beim Feilhalten und Vertreiben von Parfümeriewaren und Kosmetikartikeln und bei der Werbung für und dem Abschluß von Franchiseverträgen sich "markenmäßig der Bezeichnung "Flacon" zu bedienen". Bei der gebotenen Berücksichtigung des Klagevorbringens im übrigen greift die von der Revision gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO gegen die Fassung des Klageantrags erhobene Verfahrensrüge nicht durch.
1. Sinn des Bestimmtheitsgebots des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ist es insbesondere, die erforderliche Klarheit über den Umfang und die Reichweite der begehrten gerichtlichen Entscheidung zu verschaffen (§ 322 Abs. 1 ZPO). In Unterlassungsanträgen ist deshalb grundsätzlich die beanstandete Verletzungshandlung zu benennen, welche als Kern des erstrebten gerichtlichen Verbots zur Grundlage einer Unterlassungsvollstreckung gemäß § 890 ZPO gemacht werden kann. Die Reichweite des Verbots muß sich aus dem beantragten gerichtlichen Verbot ergeben, das begründete Zweifel an seiner Bestimmtheit nicht aufkommen lassen darf. Dabei ist aber eine gewisse Verallgemeinerung zur Vermeidung von unnötigen, einen vergleichbaren Sachverhalt betreffenden Rechtsstreitigkeiten zulässig, wenn dabei das Charakteristische der Verletzungshandlung zum Ausdruck kommt und der Kern des Verbots unberührt bleibt (BGH, Urt. v. 13.7.1979 - I ZR 138/77, GRUR 1979, 859, 860 - Hausverbot II; Urt. v. 30.3.1989 - I ZR 33/87, WRP 1989, 570, 572 - Fotoapparate). Denn die zur Begründung des Klageantrags für das Unterlassungsgebot zugrunde gelegte Verletzungshandlung und das Klagevorbringen im übrigen sind für das Verständnis der Reichweite des gerichtlichen Verbots gemäß § 890 ZPO heranzuziehen.
2. Unter Berücksichtigung dessen ist das von der Klägerin erstrebte Verbot der "markenmäßigen" Verwendung der Bezeichnung "Flacon" als hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO anzusehen (vgl. auch Urt. v. 20.6.1984 - I ZR 61/82, GRUR 1985, 41, 42 - REHAB; Urt. v. 26.5.1988 - I ZR 227/86, GRUR 1988, 776, 777 - PPC). Aus der Abgrenzung des Unterlassungsbegehrens "die Bezeichnung "Flacon" markenmäßig zu verwenden" zu dem weiteren Begehren der Klägerin, es solle der Beklagten verboten werden, ihren Franchisenehmern "die marken- und firmenmäßige Benutzung von "Flacon" zu gestatten", erschließt sich, daß die Klägerin mit dem zur Erörterung stehenden Unterlassungsbegehren der ersten Alternative nicht die firmenmäßige Verwendung der Bezeichnung "Flacon", also nicht jede kennzeichnungsrechtlich relevante Verwendung der Bezeichnung "Flacon" gemäß § 16 Abs. 1 UWG, §§ 15, 24 WZG verboten wissen möchte, sondern nur dessen warenzeichenmäßige Verwendung.
Zur Darstellung der gerügten "markenmäßigen Benutzung" hat sich die Klägerin auf die Verwendung des Begriffs "Flacon" in den Rundschreiben und Werbeanzeigen gemäß Anlagen K 2-5 bezogen. Sie hat damit dem Gericht einen Sachverhalt unterbreitet, der nach ihrer Ansicht das Verbot der Verwendung der Bezeichnung "Flacon" nach Art eines Warenzeichens rechtfertigen soll, und damit ihr Klagebegehren hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
II.1. Zu Recht rügt indessen die Revision, das Berufungsgericht habe die Beurteilung des nach dem Unterlassungsantrag erste Alternative allein maßgeblichen warenzeichenmäßigen (nicht firmenmäßigen) Gebrauchs des Begriffs "Flacon" nicht mit Gründen versehen (§ 551 Nr. 7 ZPO).
Nach Auffassung des Berufungsgerichts erübrigten sich Ausführungen zur Verwendung des Begriffs "Flacon" im kennzeichnungsrechtlich bedeutsamen Sinne, weil es die "firmenmäßige wie warenzeichenmäßige Benutzung als nicht streitig" ansah.
Demgegenüber verweist die Revision zu Recht auf die im Tatbestand des Berufungsurteils getroffene Feststellung, wonach die Beklagte von Anfang an eine markenmäßige Benutzung in Abrede gestellt hat. Soweit das Berufungsgericht die firmen- und zeichenmäßige Benutzung der Bezeichnung "Flacon" als unstreitig ansieht, bezieht sich diese Aussage als Feststellung ersichtlich auf die tatsächlichen Elemente des Gebrauchs der angegriffenen Bezeichnung, wie sie in §§ 15, 24 WZG, § 16 UWG aufgeführt sind; denn nur diese können verfahrensrechtlich als unstreitig der gerichtlichen Entscheidung zugrunde gelegt werden (§ 138 Abs. 3 ZPO). Die Beurteilung der rechtlichen Voraussetzungen der Benutzung in einem - das Firmen- wie das Markenrecht umfassenden - kennzeichnungsrechtlichen Sinne, also im wesentlichen der Frage, ob die Bezeichnung in herkunftshinweisender Bedeutung verwendet wird, obliegt der rechtlichen Beurteilung des Gerichts und ist der Disposition des Sachvortrags der Parteien zum Streitverhältnis entzogen.
Es ist sonach die Art und Weise der Verwendung der Bezeichnung "Flacon" in den Rundschreiben und Werbeanzeigen der Beklagten gemäß den vorgelegten Anlagen (K 2-5) als unstreitig festgestellt, eine Begründung für die rechtliche Folgerung ihres Gebrauchs nach Art einer Marke in einem zeichenrechtlich relevanten Sinn ist damit aber nicht gegeben. Unabhängig davon, welche Aufmerksamkeit die streitenden Parteien dieser Rechtsfrage schenkten, bedurfte es einer begründeten rechtlichen Beurteilung des warenzeichenmäßigen Gebrauchs der angegriffenen Bezeichnung, zumal die aus den Anlagen zur Klage ersichtliche Zuordnung der Bezeichnung "Flacon" zur Firma der Beklagten "Parfüm-Discount" sowie die vom Berufungsgericht getroffene Feststellung, daß die angegriffene Bezeichnung von der Beklagten auf der vertriebenen Ware nicht angebracht wird, einen - in Abgrenzung zur firmenmäßigen Verwendung - rein warenzeichenmäßigen Gebrauch nicht ohne weiteres nahelegen. Es obliegt der tatrichterlichen Beurteilung, ob der flüchtige Verkehr gleichwohl bei der Art der Verwendung der beanstandeten Bezeichnung annimmt oder annehmen kann, auch "Flacon" werde - wie die in Anlagen K 3 und 5 aufgeführten Markennamen - zur Unterscheidung so gekennzeichneter Waren von gleichen oder gleichartigen Erzeugnissen anderer Herkunft eingesetzt (vgl. BGH, Urt. v. 16.1.1981 - I ZR 140/78, GRUR 1981, 362, 364 - Aus der Kurfürst-Quelle).
Der Mangel der Begründung erfaßt auch das im Unterlassungsantrag zweite Alternative gegenüber der Beklagten ausgesprochene Verbot, ihren Franchisenehmern neben der firmenmäßigen die markenmäßige Benutzung von "Flacon" zu gestatten.
2. Das Berufungsurteil kann auch nicht teilweise hinsichtlich des Ausspruchs aufrechterhalten werden, der es der Beklagten verbietet, ihren Franchisenehmern die firmenmäßige Benutzung von "Flacon" zu gestatten. Ungeachtet dessen, daß dem angefochtenen Urteil keine Feststellungen zu entnehmen sind, Franchisenehmer der Beklagten verwendeten die angegriffene Bezeichnung in ihrer Firma und die Beklagte übe in einem rechtlich verantwortlichen Sinne hierauf bestimmenden Einfluß aus, ist die vom Berufungsgericht bejahte Verwechslungsfähigkeit der firmenmäßig verwendeten Bezeichnung "Flacon" mit "Lancome", wie sie bislang allein anhand der Gestaltung nach den Anlagen K 2-5 beurteilt werden kann, rechtlich nicht bedenkenfrei.
Dem kennzeichnungsrechtlichen Verbietungsrecht unterliegt allein eine die Gefahr einer Verwechslung hervorrufende Kennzeichnung. Dabei ist auf die Benutzung der beanstandeten Bezeichnung in ihrer konkreten kennzeichenmäßigen Verwendung abzustellen (vgl. BGHZ 94, 218, 225[BGH 28.03.1985 - I ZR 111/82] - Shamrock I; v. Gamm, Wettbewerbsrecht, 5. Aufl., Kap. 52 Rdn. 26; v. Falck, GRUR 1980, 608, 610 f.). Das Berufungsgericht hat bislang keine Feststellungen dazu getroffen, daß der Verkehr - entsprechend der Beanstandung nach dem Klageantrag - die Bezeichnung "Flacon" trotz ihres schriftbildlichen Zusammenhangs mit "Parfum-Discount", wie er in den Anlagen K 3, 5 zum Ausdruck kommt, als eine selbständige Bezeichnung zur Kennzeichnung der Vertriebsstätte der Beklagten oder ihrer Franchisenehmer auffaßt und den mit der Firmenbezeichnung und der Werbung entsprechend den Anlagen K 3, 5 angesprochenen Geschäftsgegenstand, als Billiganbieter französische Markenparfums auf den Markt zu bringen, vernachlässigt. Erst für den Fall, daß nicht unwesentliche Teile des Verkehrs in der beanstandeten Bezeichnung "Flacon" eine selbständige Unternehmensbezeichnung der Beklagten und/oder ihrer Franchisenehmer sehen, stellt sich die Frage der Verwechslungsfähigkeit der angegriffenen Bezeichnung "Flacon" mit "Lancome".
Auch die Beurteilung der Verwechslungsfähigkeit der beanstandeten Bezeichnung mit dem Klagekennzeichen beruht, wie die Revision zu Recht rügt, auf nicht verfahrensfehlerfrei getroffenen Feststellungen. Das Berufungsgericht hat hierzu ausgeführt, die Verwechslungsfähigkeit der gegenüberstehenden Begriffe bestehe nur im phonetischen Bereich und dort primär bei unkorrekter Aussprache. Ob damit auch eine relevante Verwechslungsgefahr bei korrekter Aussprache bejaht oder ausgeschlossen werden sollte, ist den Ausführungen des Berufungsgerichts nicht mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen. Seine Beurteilung, bei unkorrekter Aussprache der französischen Begriffe durch den inländischen Verbraucher sei eine Verwechslungsgefahr zu bejahen, da sich beide Bezeichnungen in der Abfolge der offenen a- und o-Laute entsprächen, ist nicht widerspruchsfrei. Das Berufungsgericht vernachlässigt dabei, daß eine unkorrekte Aussprache auch eine Betonung der langgezogenen Silbe "come" im Klagezeichen "Lancome" zur Folge hat, die in der beanstandeten Bezeichnung "Flacon" keine Entsprechung findet.
III. Nach alledem ist auf die Revision das Berufungsurteil aufzuheben. Die Sache ist zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.