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Bundesgerichtshof
Urt. v. 21.06.1990, Az.: VII ZR 308/89

Verweisungsklausel; Unwirksame Klausel; Regelwerk

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
21.06.1990
Aktenzeichen
VII ZR 308/89
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1990, 14210
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Fundstellen

  • BGHZ 111, 388 - 393
  • BB 1990, 1932-1934 (Volltext mit amtl. LS)
  • BauR 1990, 718-720 (Volltext mit amtl. LS)
  • DB 1990, 2214-2215 (Volltext mit amtl. LS)
  • IBR 1990, 588-589 (Volltext mit red. LS u. Anm.)
  • MDR 1991, 40-41 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJ 1991, 46 (amtl. Leitsatz)
  • NJW 1990, 3197-3199 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW-RR 1991, 372 (amtl. Leitsatz)
  • WM 1990, 1785-1787 (Volltext mit amtl. LS)
  • ZIP 1990, 1204-1206

Amtlicher Leitsatz

Im Regelfall ist die Verwendung einer Verweisungsklausel in AGB nicht schon deshalb unzulässig, weil sie auf einzelne unwirksame Klauseln in einem in Bezug genommenen Regelwerk verweist.

Tatbestand:

1

Die Klägerin ist ein rechtsfähiger Verein, der nach seiner Satzung Verbraucherschutzinteressen wahrnimmt. Das beklagte Bauunternehmen errichtet Fertigkeller. Es legt seinen Bauleistungen "Vertragsbedingungen für den Bau von F.Kellern" zugrunde, deren Nr. 1 folgenden Wortlaut hat:

2

"1. Vertragsgrundlage und Leistungsumfang

3

Für den Bau des F.Kellers gelten die nachstehenden Bedingungen in der aufgeführten Reihenfolge:

4

1. Der Vertrag einschließlich getroffener Zusatzvereinbarungen.

5

2. Diese Vertragsbedingungen.

6

3. Die Vertrags-Kellerzeichnungen.

7

4. Die Bau- und Leistungsbeschreibung.

8

5. Die Verdingungsordnung für Bauleistungen,

9

Teil B."

10

Die Klägerin hat diese Vertragsbedingungen (l. 2) in verschiedenen Punkten mit Erfolg beanstandet. Jetzt geht es nur noch um die Frage, ob - wie die Klägerin meint - die Verweisung auf die Verdingungsordnung für Bauleistungen, Teil B (VOB/B), unzulässig ist. Mit ihrer gemäß § 13 AGBG erhobenen Klage verlangt sie von der Beklagten, die Verwendung dieser Klausel zu unterlassen.

11

Landgericht und Oberlandesgericht haben die Klage in diesem Punkt abgewiesen. Mit der - zugelassenen - Revision, die die Beklagte zurückzuweisen bittet, verfolgt die Klägerin ihren Unterlassungsanspruch weiter.

Entscheidungsgründe

12

I.1. Das Berufungsgericht hält es für zulässig, daß Bauunternehmer in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen die subsidiäre Geltung der VOB/B vorsehen. Die Statuierung mehrerer, in einem bestimmten Rangverhältnis stehender Klauselwerke sei wirksam, solange dadurch das Klarheitsgebot nicht verletzt werde, dem jede Verwendung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen unterliege. Die beanstandete Einbeziehungsklausel werde diesem Erfordernis gerecht. Zwar griffen die Allgemeinen Vertragsbedingungen der Beklagten mehrfach in das Normgefüge der VOB/B ein. Jedoch verletzten diese Anderungen nicht das Transparenzgebot; die Feststellung, welche Regel der VOB/B durch die vorrangigen Vertragsbedingungen im einzelnen betroffen sei, bereite auch einem juristischen Laien keine größeren Schwierigkeiten als etwa die Anwendung der VOB/B im Verhältnis zu den Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches. Demgegenüber würde die Einarbeitung aller VOB/B-Regeln in die Vertragsbedingungen der Beklagten, wie sie die Klägerin letztlich fordere, das Regelwerk unnötig aufblähen und damit zu einer erheblichen Einbuße an Lesbarkeit und Übersichtlichkeit führen.

13

Die dagegen gerichteten Angriffe der Revision haben keinen Erfolg.

14

2. Die Verweisungsklausel Nr. 1.5 der Vertragsbedingungen der Beklagten ist weder in sich unverständlich noch führt sie zu einem undurchsichtigen Regelungsgefüge. Sie benachteiligt daher die Vertragspartner der Beklagten nicht unangemessen.

15

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine Klausel unangemessen, in welcher der Verwender mißbräuchlich eigene Interessen auf Kosten des Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vorneherein die Interessen seines Partners hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen; ein wesentliches Indiz dafür ist die Abweichung von dispositiven gesetzlichen Bestimmungen, soweit diese nicht nur auf Zweckmäßigkeitserwägungen beruhen, sondern dem Gerechtigkeitsgebot Ausdruck verleihen (BGHZ 63, 238, 239;  89, 206, 210, 211 [BGH 21.12.1983 - VIII ZR 195/82];  BGH NJW 1985, 2328 [BGH 13.02.1985 - VIII ZR 154/84]).

16

Die Übung, mehrere Klauselwerke in einem bestimmten Rangverhältnis zur Vertragsgrundlage zu machen, ist gerade im Bauvertragsrecht weit verbreitet und im allgemeinen auch sachgerecht. Die VOB selbst macht von dieser "Regelungstechnik" umfassenden Gebrauch (vgl. z.B. § 10 VOB/A und § 1 VOB/B).

17

Der Senat ist in ständiger Rechtsprechung auch nach dem Inkrafttreten des AGB-Gesetzes davon ausgegangen, daß es zulässig ist, in Zusätzlichen Vertragsbedingungen zum Bauvertrag die nachrangige Geltung der VOB/B zu vereinbaren (Senatsurteile BGHZ 86, 135, 137 [BGH 16.12.1982 - VII ZR 92/82];  96, 129;  101, 357 [BGH 17.09.1987 - VII ZR 155/86];  107, 205) [BGH 20.04.1989 - VII ZR 35/88]. Dabei hat er vorausgesetzt, daß auch nur Teile der VOB/B in Allgemeine Geschäftsbedingungen einbezogen werden können. In diesem Fall allerdings unterliegen alle Einzelbestimmungen der VOB/B, soweit sie zur Vertragsgrundlage geworden sind, einer Inhaltskontrolle nach den Vorschriften des AGB-Gesetzes. Ist die VOB/B dagegen ohne ins Gewicht fallende Einschränkungen vereinbart, findet diese Prüfung nicht statt (zuletzt Senatsurteil BGHZ 107, 205, 207) [BGH 20.04.1989 - VII ZR 35/88].

18

Im Schrifttum wird die Zulässigkeit gestaffelten Klauselwerke grundsätzlich anerkannt (Ingenstau/Korbion, VOB, 11. Aufl., Einleitung Rdn. 97; Heiermann/Riedl/Rusam Schwaab, VOB, 5. Aufl., Teil A § 10 Rdn. 68; Locher, BauR 1977, 221, 222; Heiermann, DB 1977, 1737; Recken, BauR 1978, 417, 419; Frikell/Glatzel/Hofmann, Bauvertragsklauseln und AGB-Gesetz, 2. Aufl., E 2.14, 2.15; Vygen, Bauvertragsrecht nach VOB und BGB, Rdn. 210; Staudinger Schlosser, BGB, 12. Aufl., § 2 AGBG Rdn. 30; Erman/Hefermehl, BGB, 8. Aufl., § 2 AGBG Rdn. 15; Palandt Heinrichs, BGB, 49. Aufl., § 2 AGBG Anm. 3 a; Wolf in Wolf Horn/Lindacher, AGBG, 2. Aufl., § 2 Rdn. 27, Lindacher, aaO., § 6 Rdn. 23 und 25; einschränkend H. Schmidt in Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG, 6. Aufl., § 6 Rdn. 40; Ulmer, aaO., § 2 Rdn. 50; a.A. Fell ZIP 1987, 690, 692).

19

Allerdings wird die Staffelverweisung dann unzulässig, wenn die Verwendung mehrerer Klauselwerke wegen des unklaren Verhältnisses konkurrierender Regelungen zur Unverständlichkeit führt; denn das durch Verweisung geschaffene Regelwerk darf nicht so komplex werden, daß es für den Vertragspartner nicht mehr zu durchschauen ist (Lindacher, aaO., § 6 Rdn. 25).

20

b) Bei der beanstandeten Verweisungsklausel in ihrem Kontext ist dies nicht der Fall. Das Gebot der Regelungsklarheit ist entgegen der vom Berufungsgericht inzwischen aufgegebenen Ansicht (OLG Stuttgart, Urteil vom 25. März 1988 - 2 U 155/87 = NJW-RR 1988, 786, 787) nicht verletzt.

21

Der Verwender von Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist nach Treu und Glauben gehalten, die Rechte und Pflichten seiner Vertragspartner möglichst klar und überschaubar darzustellen (BGHZ 106, 42, 49 [BGH 24.11.1988 - III ZR 188/87] m.w.N.). Er muß somit die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschreiben, daß für ihn kein ungerechtfertigter Beurteilungsspielraum entsteht. Die Beschreibung muß für den anderen Vertragsteil aus der Sicht eines durchschnittlichen Betrachters nachprüfbar und darf nicht irreführend sein. Dabei ist zu beachten, daß durch eine allzu detaillierte Regelung unübersichtliche und nur schwer durchschaubare Klauselwerke entstehen können, die den Interessen des anderen Vertragsteils abträglich sind (Wolf, aaO., § 9 Rdn. 143).

22

aa) Die Verweisung auf andere Rechtsnormen ist dem geltenden Recht nicht fremd und deshalb nichts Ungewöhnliches. Der Gesetzgeber des Bürgerlichen Gesetzbuches bedient sic der Verweisungstechnik in einer Vielzahl von Vorschriften. Die Verweisung als solche entspricht somit der Technik, die auch das Gesetz anwendet, und stellt insoweit noch keine unangemessene Benachteiligung der Vertragspartner des Klauselverwenders dar.

23

bb) Die Verweisung ist an sich auch nicht undurchsichtig. Zu Recht weist das Berufungsgericht darauf hin, daß die mit der nachrangigen Einbeziehung der VOB/B verbundene Schwierigkeit festzustellen, welche Einzelbestimmung letztlich dem Vertrag zugrunde liegt, in der Regel nicht größer ist als dann, wenn die VOB/B uneingeschränkt Vertragsgrundlage geworden ist und gegenüber den Bestimmungen des Werkvertragsrechts des Bürgerlichen Gesetzbuches abzugrenzen ist. Hier jedenfalls kann der Vertragspartner der Beklagten ohne besondere Mühe den Wortlaut der Zusätzlichen Vertragsbedingungen feststellen, durch die die entsprechende VOB-Regel abgeändert wird, und die Tragweite dieser Anderung auch hinreichend beurteilen, weil ihm die Beklagte den Text der VOB/B ausgehändigt hat.

24

cc) Würde man - wie es die Revision fordert - die VOB/B-Regeln in die Vertragsbedingungen einarbeiten, führte das zu keiner größeren Übersichtlichkeit des Vertragswerkes. Überdies wäre in diesem Fall - worauf das Berufungsgericht zutreffend hinweist - für den Bauherrn möglicherweise nur schwer erkennbar, welche Teile der "einstufigen" Allgemeinen Geschäftsbedingungen aus der VOB/B stammen, so daß ihre Auslegung im Einzelfall anhand der zur VOB/B ergangenen Rechtsprechung und Literatur jedenfalls erschwert werden könnte. Dies zeigt, daß die durch die Verweisung bewirkte mehrstufige Regelung für den Bauherrn leichter zugänglich und verstehbar sein kann als ein einstufiges Klauselwerk.

25

c) Führt die Feststellung der maßgeblichen Vertragsgrundlage im Einzelfall zu dem Ergebnis, daß Zusätzliche Vertragsbedingungen und VOB/B sich tatsächlich widersprechen, so daß das Regelwerk insoweit in sich unschlüssig ist, so wäre ein Bauherr im übrigen auch durch § 5 AGBG geschützt (Locher, aaO., 222; Recken aaO., 419).

26

lI.1. Das Berufungsgericht führt weiter aus:

27

Die Verweisungsklausel ziele nicht auf eine isolierte Einbeziehung der VOB/B-Gewährleistungsregeln. Im vorliegenden Verfahren sei nicht zu prüfen, ob eine materiell-rechtliche Bestimmung der VOB/B, wenn sie von der Verweisung erfaßt werde, im Einzelfall der Inhaltskontrolle standhalte. Vielmehr gehe es ausschließlich um die Zulässigkeit der Verweisungsklausel an sich, die selbst ohne materiell-rechtlichen Regelungsgehalt sei.

28

Auch dies hält der rechtlichen Nachprüfung jedenfalls im Ergebnis stand.

29

2.a) Die beanstandete Klausel hat nicht - wie von der Revision befürchtet - die Wirkung, daß die gemäß § 13 Nr. 4 VOB/B verkürzte Gewährleistungsfrist Bestandteil eines Werkvertrages wird, den die Beklagte auf der Grundlage ihrer Vertragsbedingungen abschließt. Die genannte Bestimmung der VOB/B kann durch Einzeleinbeziehung in Allgemeine Geschäftsbedingungen nicht wirksam werden. Ist - wie hier - die VOB/B nicht "als Ganzes" vereinbart worden, unterliegt jede Einzelbestimmung der VOB/B, soweit sie auf eine vom Auftragnehmer gestellte Vertragsbedingung zurückzuführen ist, der Inhaltskontrolle nach den Vorschriften des AGB-Gesetzes (Senatsurteile BGHZ 86, 135, 142 [BGH 16.12.1982 - VII ZR 92/82];  96, 129;  101, 357 [BGH 17.09.1987 - VII ZR 155/86];  107, 205) [BGH 20.04.1989 - VII ZR 35/88]. Die Gewährleistungsregelung der VOB/B ist - "isoliert" betrachtet - nicht ausgewogen und benachteiligt deshalb den Auftragnehmer unangemessen. Ihre vom Gesamtgefüge der VOB/B losgelöste Einbeziehung in den Vertrag ist daher unwirksam (BGHZ 96, 129).

30

b) Dieser Umstand, auf den die Revision ihren Angriff gegen die Klausel allein stützt, führt hier jedoch nicht zur Unwirksamkeit der Verweisungsklausel selbst.

31

Eine Ausstrahlung unangemessener AGB-Regelungen auf die nach den Kontrollvorschriften des AGB-Gesetzes wirksamen Vertragsteile läßt sich aus dem Gesetz im Regelfall nicht herleiten (H. Schmidt, aaO., § 6 Rdn. 11). Die gegenteilige Ansicht, wie sie früher vom OLG Stuttgart (aaO.) vertreten wurde, wonach stets auch die "Inkorporierungsklausel" unwirksam sein soll, wenn Teile der durch sie in Bezug genommenen Regelungen der VOB/B einer Inhaltskontrolle nach dem AGB-Gesetz nicht standhalten, geht zu weit. Sie läßt außer acht, daß die Verweisungsklausel auch Teile der VOB/B einbezieht, die dem Besteller günstig sind.

32

Zwar ist es in Ausnahmefällen denkbar, daß bereits die Verweisungsklausel das (aus § 9 AGBG abgeleitete) Transparenzgebot verletzt, wenn das in Bezug genommene Regelwerk in tatsächlicher Hinsicht unübersichtlich und in rechtlicher Beziehung undurchdringlich wird, weil es ganz oder überwiegend unwirksame Bestimmungen enthält. Um einen derartigen Ausnahmefall geht es hier jedoch ersichtlich nicht vielmehr stützt die Revision ihr Unterlassungsbegehren lediglich auf eine einzige unwirksame Bestimmung der VOB/B, die von der Verweisung erfaßt wird. Damit kann aber keine Rede davon sein, daß das durch die Verweisungsklausel zum Vertragsbestandteil gewordene Regelwerk unübersichtlich sei und damit den Vertragspartner unzumutbar benachteilige.

33

III. Erweist sich die Revision nach alledem als unbegründet, ist sie mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.