Bundesgerichtshof
Urt. v. 26.04.1990, Az.: VII ZR 39/89
Globalzession als sittenwidrige Gläubigerbenachteiligung ; Sittenwidrigkeit einer Globalzession, weil sie nicht die gebotenen Vorkehrungen zur Verhinderung einer Übersicherung trifft
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 26.04.1990
- Aktenzeichen
- VII ZR 39/89
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1990, 15326
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- OLG Oldenburg - 23.11.1988
- LG Oldenburg - 03.05.1988
Rechtsgrundlage
- § 1 Abs. 1 S. 2 GSB
Fundstellen
- BauR 1990, 478-479 (Volltext mit amtl. LS)
- IBR 1990, 590 (Volltext mit red. LS u. Anm.)
- KTS 1990, 628
- NJW-RR 1990, 1459 (Volltext mit red. LS)
- WM 1990, 1326-1327 (Volltext mit red. LS)
- ZBB 1990, 163
- ZIP 1990, 852-853
Prozessführer
Kaufmann Egon S., In der H., B. Z.,
Prozessgegner
V.bank O. e.G., L. Straße ..., O.,
vertreten durch den Vorstand,
In dem Rechtsstreit
hat der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs
auf die mündliche Verhandlung vom 26. April 1990
durch
den Vorsitzenden Richter Dr. Lang sowie
die Richter Prof. Quack, Dr. Thode, Hausmann und Dr. Wiebel
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 23. November 1988 aufgehoben.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg vom 3. Mai 1988 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten beider Rechtsmittelzüge zu tragen.
Tatbestand
Die Klägerin, eine V.bank, klagt aus abgetretenem Recht des Bauunternehmens R.. Dieses hatte aufgrund eines Bauvertrags vom 8. November 1984 für den Beklagten teils selbst, teils durch Nachunternehmer Bauleistungen erbracht, für die die Klägerin eine noch ausstehende restliche Werklohnforderung von 288.514,40 DM errechnet. Aus diesem Betrag abzüglich einer Sicherheit von 20.000,00 DM ergibt sich die Klageforderung in Höhe von 268.514,40 DM, deren Bezahlung zuzüglich Zinsen die Klägerin im vorliegenden Rechtsstreit verlangt.
Die von der Klägerin mit der Firma R. vereinbarte Globalzession vom 21. Juni 1979, aus der die Klägerin ihre Aktivlegitimation herleitet, betrifft sämtliche Forderungen gegen die Schuldner mit den Anfangsbuchstaben D bis einschließlich Z, sie enthält eine schuldrechtliche Überdeckungsverpflichtung von "mindestens 100 %" und Vorbehalte zugunsten der Inhaber von Forderungen aus branchenüblichen Verlängerungen des Eigentumsvorbehalts von Lieferanten.
Die Freigabe von Forderungen bei Überdeckung ist zwar nach Maßgabe von Nr. 19 Abs. 6 Nr. 1 AGB Bank vorgesehen; es fehlt aber die Vereinbarung einer objektiven Deckungsgrenze.
Das Landgericht hat die Klage wegen Unwirksamkeit der Globalzession abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat sie dem Grunde nach für berechtigt gehalten. Hiergegen wendet sich die Revision des Beklagten, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt.
Entscheidungsgründe
Das Berufungsgericht führt aus: Die Globalzession stelle entgegen der Auffassung des Landgerichts keine sittenwidrige Gläubigerbenachteiligung dar. Dem stehe die Ausnahme zugunsten der Materiallieferanten entgegen, die bei einem Unternehmen von der Art der Firma R. einen erheblichen Teil der Forderungen ausmachten. Zudem seien auch die Schuldner mit den Anfangsbuchstaben A bis C eine keineswegs unbeträchtliche Ausnahme von der erfolgten Abtretung. Auch aus § 1 Abs. 1 Satz 2 GSB seien Bedenken nicht gegeben. Ohne Offenlegung der Abtretung sei die Firma R. nicht gehindert gewesen, über Fragen des Baugelds bestimmungsgemäß zu verfügen. Im übrigen, d.h. vor allem für den Fall der Offenlegung der Abtretung, könne aber auch Unwirksamkeit aus diesem Gesichtspunkt allgemein nicht angenommen werden. Die Einbeziehung auch von Baugeld in Globalzessionen sei praktisch nicht vermeidbar. Vorbehalte zugunsten empfangenen Baugelds in einer Globalzession ließen sich aus Gründen der Bestimmtheit nicht dinglich wirksam vereinbaren. Im übrigen sei die Lage mit der bei verlängertem Eigentumsvorbehalt nicht vergleichbar. Die vereinbarte Überdeckung sei mit Rücksicht auf die Art der Forderungen und das bei ihnen typischerweise gegebene Ausfallrisiko unbedenklich. Auch fehlten für eine Sittenwidrigkeit der Globalzession jedenfalls subjektive Voraussetzungen. Allein eine umfängliche Sicherung des Kredits reiche dafür nicht, zur Zeit der Vereinbarung sei mit Rücksicht auf die gute Baukonjunktur auch nicht damit zu rechnen gewesen, daß die Firma R. aufgrund der Globalzession im Ergebnis Baugeld werde zweckentfremden müssen.
Dagegen wendet sich die Revision mit Erfolg.
I.
1.
a)
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muß ein Gläubiger, will er den Vorwurf der Sittenwidrigkeit einer zur Sicherheit vereinbarten Globalzession vermeiden, hinreichend auf berechtigte Interessen des Schuldners und seiner anderen Gläubiger Rücksicht nehmen. So darf er den Schuldner in seiner wirtschaftlichen Handlungsfreiheit nicht unbillig behindern und er darf nicht einer Kredittäuschung oder sonstigen Gläubigergefährdung Vorschub leisten (vgl. etwa BGH NJW 1977, 2261, BGHZ 98, 303, 314) [BGH 08.10.1986 - VIII ZR 342/85], er muß auf übliche vertragliche Verpflichtungen, wie sie sich etwa aus Verlängerungen des Eigentumsvorbehalts ergeben, die gebotene Rücksicht nehmen (vgl. etwa BGHZ 98 a.a.O. m.w.N.) und muß verhindern, daß die Sicherheit übermäßig anwachsen, also eine Übersicherung entstehen kann.
b)
Bei Anwendung dieser Grundsätze ist die Globalzession schon deshalb wegen Sittenwidrigkeit nichtig, weil sie nicht die gebotenen Vorkehrungen zur Verhinderung einer Übersicherung trifft.
Unter den vom Berufungsgericht angenommenen Voraussetzungen, daß nämlich der wirtschaftliche Wert der abgetretenen Forderungen durchschnittlich nur einen Teil des Nennwerts ausmachte, mag die vereinbarte Überdeckung auf den doppelten Nennwert an sich vielleicht noch nicht bedenklich sein. Das Berufungsgericht hat aber damit die Vereinbarungen unter dem Gesichtspunkt der Übersicherung nur unzureichend gewürdigt. Der Vertrag enthält nämlich nur die schuldrechtliche Verpflichtung, mindestens für eine entsprechende Überdeckung zu sorgen. Den Vereinbarungen kann aber keine Grenze für eine durch die Globalzession als solche eintretende Übersicherung entnommen werden. Nicht nur läßt sie eine unmittelbar durch die Abtretung entstehende Übersicherung in beliebiger Höhe zu, sie enthält auch keinerlei Deckungsgrenze i.S.d. Entscheidung BGH Urteil vom 9. Juni 1983 - III ZR 105/82 = ZIP 1983, 1053, 1054 = WM 1983, 926 und deshalb auch keine den Anforderungen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entsprechende Freigabeverpflichtung (vgl. BGH Urteil vom 29. November 1989 - VIII ZR 228/88 = ZIP 1990, 25 m.w.N. zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt).
Damit ist die Globalzession schon deshalb wegen Sittenwidrigkeit nichtig, weil die Klägerin durch ihre Formularpraxis darauf hingewirkt hat, daß sie durch die Abtretung eine ihr Sicherungsbedürfnis beliebig übersteigende Sicherheit erlangen konnte.
c)
Unter diesen Umständen muß nicht weiter erörtert werden, ob nicht auch, wofür manches spricht, die Globalzession deshalb sittenwidrig und nichtig ist, weil sie unter den gegebenen und der Klägerin vermutlich auch bekannten Umständen geeignet war, baugeldberechtigten Nachunternehmern die ihnen durch § 1 GSB gewährte Sicherheit zu entziehen. Die vom Berufungsgericht insoweit angeführten Erschwernisse bei der Baufinanzierung könnten jedenfalls die Sittenwidrigkeit nicht hindern.
2.
Auf das Abtretungsverbot, auf das sich der Beklagte erstmals in der Revisionsinstanz berufen hat, kommt es danach nicht mehr an.
II.
Nach alledem kann das Berufungsurteil nicht bestehenbleiben. Es ist aufzuheben. Weitere Feststellungen sind nicht erforderlich. Somit ist unter Zurückweisung der Berufung der Klägerin das landgerichtliche Urteil wiederherzustellen.
Quack
Thode
Hausmann
Wiebel