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Bundesgerichtshof
Urt. v. 21.03.1990, Az.: VIII ZR 49/89

Getränkelieferung; Getränkebezugsbindung; Gastwirt; Bindungsdauer; Berechnung; Sittenwidrigkeit

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
21.03.1990
Aktenzeichen
VIII ZR 49/89
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1990, 14200
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Augsburg
OLG München

Fundstellen

  • BB 1990, 1020-1021 (Volltext mit amtl. LS)
  • DB 1990, 1509 (Volltext mit amtl. LS)
  • GuG 1990, 102 (amtl. Leitsatz)
  • MDR 1991, 41 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW-RR 1990, 816-817 (Volltext mit amtl. LS)
  • WM 1990, 1392-1394 (Volltext mit amtl. LS)

Amtlicher Leitsatz

Zur Berechnung der Dauer der Getränkebezugsbindung eines Gastwirts bei mehreren aneinander anschließenden Verträgen mit derselben Brauerei.

Tenor:

Auf die Rechtsmittel des Beklagten werden die Urteile des 14. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München mit dem Sitz in Augsburg vom 9. Dezember 1988 und der 6. Zivilkammer des Landgerichts Augsburg vom 25. Februar 1988 geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

1

Die Klägerin verlangt, gestützt auf einen Bierlieferungsvertrag vom 25. August 1970, von dem Beklagten, es bis August 1990 zu unterlassen, durch den Pächter der Gaststätte in der Gartenkolonie "L. Straße" in A. andere Biere und alkoholfreie Getränke als die von der Klägerin hergestellten beziehen oder ausschenken zu lassen. Der Beklagte, der Stadtverband A. der Kleingärtner e.V., ist nach seiner Satzung gegliedert in Bezirke und Kleingartenanlagen. Er leugnet, Partner des Vertrages vom 25. August 1970 und demnach für den Klaganspruch passiv legitimiert zu sein, außerdem hält er den Vertrag, insbesondere wegen überlanger Bezugsbindung an die Klägerin, für nichtig.

2

Als Vertragspartner der Klägerin wird in der Eingangsformel des Vertrages vom 25. August 1970 die "Kleingartenanlage 'L. Straße' im Stadtverband A. der Kleingärtner e.V., ... vertreten durch den ersten Vorstand Herrn M. Am. für Anlagenheim Tel. 91138" bezeichnet. Im Vertragstext ist als Träger der Rechte und Pflichten gegenüber der Klägerin wiederholt die "Kleingartenanlage Lindauer Straße" bezeichnet. Unterzeichnet ist der Pachtvertrag von dem ersten Vorstand der Kleingartenanlage, Am., dem Stadtrat R. als Vertreter des Beklagten mit dessen Stempel und von einem Vertreter der Klägerin; eine ergänzende Vereinbarung vom 31. August 1970 über die Einbeziehung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin trägt nur die Unterschriften des Vertreters der Klägerin und Am.s. Anlaß für den Abschluß dieses Vertrages war die Errichtung eines bewirtschafteten Anlagenheims, wofür die Klägerin erhebliche Sachleistungen übernahm und dafür über 100.000 DM aufwendete. Die "Kleingartenanlage L. Straße" verpflichtete sich in dem Vertrag, 25 Jahre lang sämtliche Biere, Limonaden und sonstige alkoholfreie Getränke ausschließlich von der Klägerin zu deren jeweils bekanntgegebenen Preisen zu beziehen, an Bier sollten "mindestens ... ca. 9.000 hl" bezogen werden. Die Aufwendungen der Klägerin sollten mit 8 DM pro bezogenem Hektoliter Bier getilgt werden. Nach Tilgung des Gesamtbetrages "und somit nach Ablauf des Vertrages" sollten alle von der Klägerin in das Anlagenheim eingebrachten Gegenstände "in das Eigentum der Gartenkolonie übergehen". Diesem Vertrag ging ein anderer Bierlieferungsvertrag vom 10. Mai 1966 voraus, in dem als Partner der Klägerin wiederum die Kleingartenanlage L. Straße bezeichnet ist. Damals übernahm die Klägerin Sachleistungen für die Renovierung der Kantine der Gartenkolonie im Wert von insgesamt 3.079,99 DM. Dieser Betrag sollte gemäß Nr. 2 des Vertrages mit 2 DM pro bezogenem Hektoliter Bier getilgt werden; die Tilgung sollte "bei Beendigung des Vertrages vom 12. Januar 1962" beginnen. Wann das der Fall war, ist ebenso wie der Inhalt der Vereinbarungen vom 12. Januar 1962 nicht vorgetragen worden. Auch der Vertrag vom 10. Mai 1966 enthält die Verpflichtung zum ausschließlichen Bezug der von der Klägerin hergestellten Biere, Limonaden und sonstigen alkoholfreien Getränke bis "frühestens 2 Jahre nach Tilgung" der Investitionen der Klägerin im Wert von 3.079,99 DM. Unter Nr. 4 sagte die Klägerin eine Gutschrift von 5 DM pro Hektoliter bezogenen Bieres und die halbjährliche Überweisung des jeweiligen Betrages zu. Anläßlich der Verhandlungen über den Neubau des Anlagenheimes und den Abschluß des Vertrages vom 25. August 1970 bestätigte die Klägerin mit Schreiben vom 29. Januar 1969 das bisher erzielte Verhandlungsergebnis. In dem Schreiben ist zunächst die von der Klägerin übernommene Verpflichtung zur Lieferung von Baumaterialien und zur Ergänzung der Einrichtung aufgeführt, sodann heißt es unter Nr. 2: "Bezüglich Vertrag einigten wir uns dahingehend, daß der bestehende Bierlieferungsvertrag weiterläuft, jedoch die DM 5 Rückvergütung pro Hektoliter bereits zur Tilgung des Zuschusses einbehalten werden. Nach Beendigung des bestehenden Vertrages beginnt die Laufzeit der neuen Vereinbarung mit einer Tilgung von DM 7 pro Hektoliter."

3

Seit April 1984 bezieht der Pächter der Gaststätte der Kleingartenkolonie L. Straße keine Getränke mehr von der Klägerin. Dagegen hat diese sich in einem vorangegangenen einstweiligen Verfügungsverfahren erfolgreich zur Wehr gesetzt. Der im Juni 1987 erhobenen Unterlassungsklage haben die Vorinstanzen stattgegeben. Mit der Revision erstrebt der Beklagte weiterhin die Klagabweisung; die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

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1. Nach Ansicht des Berufungsgerichts ist der Beklagte Partner des am 25. August 1970 mit der Klägerin abgeschlossenen Vertrages und daher für den Klaganspruch passiv legitimiert. Die in dem Vertrag enthaltene Verpflichtung, sämtliche Getränke nur von der Klägerin zu beziehen, sei zwar wegen überlanger Dauer nichtig, jedoch könne der Vertrag mit einer auf 20 Jahre - d.h. bis August 1990 - zurückgeführten Laufzeit aufrechterhalten werden. Bis zu diesem Zeitpunkt sei es dem Beklagten untersagt, Getränke konkurrierender Brauereien zu beziehen und ausschenken zu lassen.

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2. Die dagegen gerichteten Revisionsangriffe haben Erfolg.

6

Ob die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Vertragspartnerschaft und Passivlegitimation des Beklagten zutreffen, erscheint zweifelhaft, kann aber dahinstehen, weil die in dem Vertrag enthaltene Alleinbezugsverpflichtung wegen Überlänge nichtig ist und auch nicht auf eine kürzere Laufzeit zurückgeführt werden kann, so daß es an einer Grundlage für den Klaganspruch fehlt.

7

a) Wie auch das Berufungsgericht nicht verkennt, sind vertraglichen Alleinbezugspflichten in Bier- und Getränkelieferungsverträgen zeitliche Grenzen gesetzt. Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats geht eine 20-jährige Bindung - auch bei erheblichen Gegenleistungen der Brauerei - grundsätzlich bis an die äußerste Grenze des in einem Ausnahmefall gerade noch Zulässigen; Bindungen, die diesen Zeitraum überschreiten, stellen allein schon deswegen in jedem Falle eine unzumutbare Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit des Gastwirts dar; sie sind daher durchweg sittenwidrig und damit nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig (Senatsurteile vom 7. Oktober 1970 - VIII ZR 202/68 = WM 1970, 1402, 1403; von 14. Juni 1972 - VIII ZR 14/71 = WM 1972, 1224, 1225; vom 16./17. September 1974 - VIII ZR 116/72 = WM 1974, 1042, 1043, seither ständig); die neuere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zeigt die Tendenz, die höchstzulässige Dauer noch weiter herabzusetzen (vgl. die bei Paulusch, Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Brauerei- und Gaststättenrecht, 5. Aufl. 1989 auf S. 46 - 47 zitierten Urteile). Die Bezugsbindung zugunsten der Klägerin in dem Vertrag vom 25. August 1970 wurde für 25 Jahre vereinbart. Die Laufzeit des Vertrages konnte sich sogar noch erheblich verlängern, weil einerseits als Bedingungen für den Fortfall der Bindung die vollständige Tilgung der darlehensweise erbrachten Leistungen der Klägerin von über 100.000 DM mit 8 DM pro bezogenem Hektoliter Bier, mindestens aber eine Gesamtabnahme von 9.000 Hektolitern Bier vereinbart worden sind, andererseits nach eigenen Angaben der Klägerin in den Jahren 1970 - 1987 nur 3.900 Hektoliter, jährlich im Schnitt also rund 230 Hektoliter Bier abgenommen worden waren (vgl. Senatsurteil vom 14. Juni 1974 aaO). Diese Bindung ist allein schon wegen ihrer Überlänge unwirksam, ohne daß es auf die vom Beklagten mit Blick auf die Sittenwidrigkeit hervorgehobenen weiteren Umstände (Ausschließlichkeit der Bindung an die Getränke der Klägerin, geringe Höhe des "Tilgungssatzes") ankommt.

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b) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats können allerdings - wovon an sich zutreffend auch das Berufungsgericht ausgeht - Bierlieferungsverträge mit Alleinbezugsverpflichtungen, die nur wegen übermäßig langer Laufzeit gegen die guten Sitten verstoßen, in entsprechender Anwendung von § 139 BGB mit einer dem tatsächlichen oder vermuteten Parteiwillen entsprechenden geringeren Laufzeit aufrechterhalten werden (Urteile vom 31. Januar 1973 - VIII ZR 131/71 = WM 1973, 357, 358, vom 16./17. September 1974 aaO und vom 27. Februar 1985 - VIII ZR 85/84 = WM 1985, 608, 611). Die vom Berufungsgericht vorgenommene Rückführung der Laufzeit des Vertrages vom 25. August 1970 bis August 1990 ist jedoch nicht möglich, weil die Dauer der Bezugsbindungen in diesem und in dem ihm vorangehenden Vertrag vom 10. Mai 1966 einheitlich zu beurteilen ist und deshalb die äußerstenfalls zulässige Höchstlaufzeit einer Alleinbezugspflicht von 20 Jahren bei Klagerhebung und erst recht im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bereits überschritten war. Daß eine derartige einheitliche Bewertung der Laufzeiten von Bezugsbindungen, die in mehreren aufeinanderfolgenden Verträgen vereinbart werden, geboten sein kann, hat der Senat bereits wiederholt ausgesprochen (Urteile vom 14. Juni 1972 aaO S. 1225 f und vom 16./17. September 1974 aaO S. 1043 unter 2; vgl. auch Paulusch aaO S. 53 f). Wann dies der Fall ist, hängt allerdings von den Umständen des Einzelfalles ab.

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Unabhängig von dem Streit, ob der Beklagte oder die Mitglieder der Kleingartenanlage L. Straße Vertragspartner der Klägerin sind, sind sich die Parteien darüber einig, daß die Klägerin die beiden Verträge vom 10. Mai 1966 und 25. August 1970 mit derselben Person bzw. Personengruppe abgeschlossen hat. Hiervon geht auch das Berufungsgericht aus. Es beurteilt die Laufzeit der Bezugsbindungen in beiden Verträgen jeweils gesondert und hebt dabei entscheidend darauf ab, daß die Verträge nicht Teile eines "Gesamtgeschäfts" seien, vielmehr jeder Vertrag eine in sich geschlossene Regelung enthalte, und im Wortlaut des späteren Vertrages jede Anknüpfung an den früheren fehle. Entscheidend für eine einheitliche Beurteilung mehrerer aufeinander folgender Bezugsbindungs-Vereinbarungen sind aber nicht diese Äußerlichkeiten, sondern der innere Zusammenhang der Vereinbarungen. Das hat das Berufungsgericht verkannt. Die Parteien haben im Januar 1969, also schon rund zweieinhalb Jahre nach Abschluß des Bierlieferungsvertrages vom 10. Mai 1966, konkrete und intensive Verhandlungen über einen neuen Bierlieferungsvertrag geführt. Da nach dem unbestrittenen Vorbringen der Beklagten bis dahin rund 215 Hektoliter Bier jährlich verbraucht worden waren, war das in dem Vertrag vom 10. Mai 1966 vereinbarte Darlehen der Klägerin von 3.079,99 DM durch die ebenfalls vereinbarte Tilgung mit 2 DM pro Hektoliter im Januar 1969 erst mit gut 1.000 DM zurückgeführt. Die Bezugsbindung dauerte also auch bei in der Folgezeit leicht steigendem Bierumsatz, dessen Höhe ebenfalls außer Streit ist, noch weitere rund vier Jahre an. Eine Verbindung der Bezugsbindungszeiten in den beiden aufeinanderfolgenden Bierlieferungsverträgen vom 10. Mai 1966 und 25. August 1970 wurde ausdrücklich in dem die bisherigen Vertragsverhandlungen bestätigenden Schreiben der Klägerin vom 29. Januar 1969 hergestellt, wonach der bestehende Vertrag weiterlaufen, aber die darin vereinbarte Rückvergütung von 5 DM pro Hektoliter bereits zur Tilgung der darlehensweise zu gewährenden Leistungen der Klägerin für den Neubau des Vereinsheimes verwendet werden sollte, die Anlaß für den neuen Vertrag vom 25. August 1970 waren. Dessen Laufzeit sollte nach dem weiteren Inhalt des Bestätigungsschreibens vom 29. Januar 1969 nach Beendigung des bestehenden Vertrages beginnen, beide Verträge sollten also nahtlos aneinander anschließen. Dies zeigt deutlich, daß die Parteien bereits verhältnismäßig kurze Zeit nach Beginn der Laufzeit des Vertrages vom 10. Mai 1966 von einer weiteren Bezugsbindung des Beklagten von insgesamt - zumindest - rund 30 Jahren (über 4 Jahre Restlaufzeit des alten, 25 Jahre Mindestlaufzeit des neuen Vertrages) ausgingen. Die Alleinbezugsverpflichtung des Beklagten aufgrund der somit einheitlich zu beurteilenden beiden Verträge hatte bereits bei Klagerhebung und erst recht im Zeitpunkt der Berufungsverhandlung länger als 20 Jahre bestanden, also zu diesem Zeitpunkt die ohnehin nur in Ausnahmefällen zulässige äußerste Dauer bereits deutlich überschritten, so daß für eine "Rückführung" auf die zulässige Gesamtdauer kein Raum mehr war.

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Bei dieser Sachlage kann offen bleiben, ob die Bezugsbindung bereits bei Klagerhebung nicht sogar noch länger angedauert hatte, nämlich als Folge des in Nr. 2 des Vertrages vom 10. Mai 1966 erwähnten, diesem vorangegangenen Vertrages vom 12. Januar 1962.

11

Damit fehlte es von Anfang an an einer Anspruchsgrundlage für die von der Klägerin begehrte Unterlassung. Das angefochtene Urteil konnte mithin keinen Bestand haben.

12

3. Da weitere tatsächliche Feststellungen nicht mehr erforderlich sind, der Rechtsstreit vielmehr zur Endentscheidung reif ist, hatte der Senat gemäß § 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO in der Sache selbst zu entscheiden. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

13

Wolf

14

Dr. Skibbe

15

Dr. Zülch

16

Dr. Paulusch

17

Dr. Hübsch