Bundesgerichtshof
Urt. v. 18.10.1989, Az.: IVa ZR 218/88
Lebensversicherung; Bezugsberechtigung; Sicherungsabtretung; Sparkassen; Sicherungszweck
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 18.10.1989
- Aktenzeichen
- IVa ZR 218/88
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1989, 13460
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
Fundstellen
- BGHZ 109, 67 - 72
- KTS 1990, 238-240
- MDR 1990, 225 (Volltext mit amtl. LS)
- NJW 1990, 256-257 (Volltext mit amtl. LS)
- VersR 1989, 1289-1290 (Volltext mit red. LS)
- ZIP 1989, 1531-1532
Amtlicher Leitsatz
1. Tritt der VN seine Rechte aus einer Lebensversicherung ab, dann liegt darin nicht grundsätzlich auch der konkludente Widerruf einer etwaigen Bezugsberechtigung. Jedenfalls bei einer Sicherungsabtretung wird im allgemeinen nicht anzunehmen sein, der VN wolle etwaige Bezugsrechte vollständig widerrufen.
2. Der formularmäßige Widerruf eines Bezugsrechts bei einer Sicherungsabtretung "soweit es den Rechten der Sparkasse entgegensteht" ist dahin zu verstehen, daß etwaige Bezugsrechte im Rang hinter den vereinbarten Sicherungszweck zurücktreten sollen. Gegen die Begründung eines derartigen Rechtsverhältnisses bestehen keine Bedenken, wenn der Sicherungszweck inhaltlich klar festliegt und der Höhe nach bestimmbar ist.
Tatbestand:
Der Kläger verlangt Zahlung aus einer Lebensversicherung (Versicherung auf den Todes- und den Erlebensfall), die der im Februar 1986 verstorbene Versicherungsnehmer bei der beklagten Versicherungsgesellschaft genommen hatte. Bei Abschluß des Versicherungsvertrages im Jahre 1980 hatte der Versicherungsnehmer als bezugsberechtigt aus der Todesfallversicherung (u. a.) seine Eltern bezeichnet.
Am 20. März 1984 trat der Versicherungsnehmer seine Rechte aus diesem Versicherungsvertrag »zur Sicherung aller bestehenden und künftigen Forderungen« der Sparkasse D. »in der jeweiligen Vertragshöhe« an diese ab. Dabei fand ein Formular Verwendung. In diesem Vordruck, der die Unterschrift des Versicherungsnehmers trägt, heißt es unter II der »Abtretungsbedingungen«:
»(von der weiteren Darstellung wird abgesehen) 5. Der Versicherungsnehmer widerruft für die Dauer der Abtretung ein etwaiges Bezugsrecht, insoweit es den Rechten der Sparkasse entgegensteht. (von der weiteren Darstellung wird abgesehen)
6. Sobald die Sparkasse wegen aller ihrer Ansprüche gegen den Kreditnehmer befriedigt ist, ist sie verpflichtet, ihre Rechte aus der Abtretung auf den Versicherungsnehmer zurückzuübertragen. (von der weiteren Darstellung wird abgesehen)«
Nach dem Tode des Versicherungsnehmers überwies die Beklagte 183 862,15 DM an die Sparkasse. Diese nahm die Versicherungsleistung nur in Höhe von 38 708,91 DM in Anspruch und überwies den Unterschiedsbetrag an die Beklagte zurück. Diese zahlte die Hälfte der zurücküberwiesenen Summe an die Mutter des Versicherungsnehmers; dessen Vater soll in der DDR leben.
Über das Vermögen des Versicherungsnehmers wurde der Nachlaßkonkurs eröffnet; Konkursverwalter ist der Kläger. Dieser beansprucht den Restbetrag aus der Versicherung in Höhe von 145 153,24 DM nebst Zinsen mit der Klage für den Nachlaß. Die Beklagte ist der Meinung, das Bezugsrecht der Eltern sei nur widerrufen, soweit es den Rechten der Sparkasse in Höhe von 38 708,91 DM entgegengestanden habe; im übrigen stehe das Bezugsrecht nach wie vor den Eltern des Versicherungsnehmers zu.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht hat ihr stattgegeben. Die Revision der Beklagten führte zur Wiederherstellung des klageabweisenden Urteils des Landgerichts.
Entscheidungsgründe
1. Das Berufungsgericht ist der Meinung, die Abtretung der Rechte des Versicherungsnehmers aus einer Lebensversicherung bedeute grundsätzlich auch den (konkludenten) Widerruf einer etwaigen Bezugsberechtigung. Dieser Auffassung, die sich auf Prölss/Martin (VVG 24. Aufl ALB § 5 Anm. 2 A, 7) und Bruck/Möller/Winter (VVG Bd. V/2 Lebensversicherung 8. Aufl. Anm. H 155, 156, allerdings differenzierend, anders wohl C 321) stützen kann, vermag sich der Senat jedoch nicht anzuschließen. Sie wird im Anschluß an RGZ 153, 220, 226 im Schrifttum weitgehend nicht geteilt (Bayer VersR 1989, 17, 18 Fn. 17). Jedenfalls bei einer Sicherungsabtretung, wie sie hier vorliegt, besteht im allgemeinen kein ausreichender Grund für die Annahme, der Versicherungsnehmer wolle zugleich mit der Abtretung auch etwaige Bezugsrechte (vollständig) widerrufen. Das berechtigte Interesse des Versicherungsnehmers ist nämlich gewöhnlich auf den vereinbarten Sicherungszweck begrenzt, geht lediglich auf einen Vorrang des Sicherungsgläubigers vor anderen Berechtigten und richtet sich dementsprechend nicht auch auf die Ausräumung nachrangiger Bezugsrechte. Ein Versicherungsnehmer, der an früheren Bezugsrechtsbenennungen »an sich« festhalten will, wird deshalb dem Sicherungsbedürfnis des Zessionars vernünftigerweise nur in diesem Rahmen Rechnung tragen und sich darauf beschränken, die von ihm benannten Bezugsberechtigten im Range hinter den Sicherungsnehmer zurückzuversetzen. Ein darüber hinaus gehendes Interesse des Kreditgebers ist nicht ersichtlich.
2. Im übrigen besteht kein Anlaß, im Verhalten des Versicherungsnehmers oder der Sparkasse nach einem konkludenten Widerruf der Bezugsberechtigungen zu suchen. Der Versicherungsnehmer hat in der vorformulierten Abtretungsurkunde hierzu eine ausdrückliche Erklärung abgegeben; diese ist vereinbartermaßen der Beklagten unstreitig zugeleitet worden. Die Frage, welchen Inhalt diese Erklärung hat, ist eine solche der Auslegung.
Das Berufungsgericht versteht die Erklärung, der Versicherungsnehmer widerrufe ein etwaiges Bezugsrecht »für die Dauer der Abtretung«, »soweit es den Rechten der Sparkasse entgegensteht«, dahin, daß es sich um einen (sachlich unbeschränkten) Widerruf handele, der durch die Erfüllung des Sicherungszwecks auflösend bedingt sei. Dem folgt der Senat nicht.
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann nicht angenommen werden, der Widerruf sei auflösend bedingt gerade durch die Erfüllung des Sicherungszwecks. Auflösend bedingt ist der Widerruf vielmehr durch die Rückabtretung. Denn erst dann ist die für die zeitliche Begrenzung des Widerrufs vereinbarte »Dauer der Abtretung« beendet. Daß Rückabtreten nach dem Inhalt der Erklärung nötig (und nicht etwa auflösend bedingte Abtretung vereinbart) sein soll, ist in Abschnitt II 6 der Formularerklärung deutlich zum Ausdruck gebracht. Diese Auslegung kann der Senat selbst frei vornehmen; es handelt sich um ein Formular des Deutschen Sparkassenverlages, das im Bundesgebiet allgemein verwendet wird (vgl. BGHZ 104, 292, 293[BGH 19.05.1988 - I ZR 147/86] und ständig).
3. Das Berufungsgericht prüft ferner, ob ein sachlich beschränkter Widerruf, nämlich nur in Höhe der Forderung der Sparkasse im Zeitpunkt des Todes des Versicherungsnehmers, erklärt ist. Es verneint diese Frage, weil die Abtretung nicht nur zur Sicherung einer bestimmten Forderung, sondern aller gegenwärtigen und künftigen Ansprüche der Sparkasse erfolgt sei, und weil deshalb nur ein vollständiger Widerruf dem Sicherungszweck entsprochen habe.
Auch dieser Auffassung schließt sich der Senat nicht an.
Wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, sollen die vorformulierten Erklärungen des Versicherungsnehmers etwa von ihm früher ausgesprochene Bezugsberechtigungen nur in begrenztem Umfang außer Kraft setzen, so weit nämlich, wie es zur Sicherung der Sparkasse unbedingt nötig ist. Anders als das Berufungsgericht annimmt, ist es aber auch bei unbestimmter, wechselnder Höhe der zu sichernden Forderungen nicht erforderlich, früher begründete Bezugsrechte, an deren Aufhebung dem Versicherungsnehmer regelmäßig nicht gelegen sein wird, wegen des Sicherungsbedürfnisses der Sparkasse vollständig wegfallen zu lassen, und sei es auch nur für eine vorübergehende Zeitspanne. Vielmehr reicht es völlig aus, wenn die Rechte der Bezugsberechtigten im Rang hinter den Sicherungsnehmer zurückversetzt werden. Daß das Recht auf die Leistung bei einem Vertrag zugunsten Dritter oder auch speziell bei der Lebensversicherung aufgeteilt und verschiedenen Bezugsberechtigten zugewendet werden kann, ist unbestritten. Auch gegen die Begründung eines Rangverhältnisses zu einem Sicherungszessionar bestehen keine grundsätzlichen Bedenken. Dabei ist freilich vorausgesetzt, daß der Sicherungszweck, der den Bezugsberechtigungen vorgehen soll, inhaltlich klar festliegt und der Höhe nach bestimmbar ist.
Nach der Auffassung des Senats ist die vorformulierte Widerrufsklausel dementsprechend dahin zu verstehen, daß der Versicherungsnehmer mit ihr die von ihm ausgesprochenen Bezugsrechtsbenennungen nicht vollständig widerruft, sondern nur dahin einschränkt, daß sie hinter den vereinbarten vorrangigen Sicherungszweck zugunsten der Sparkasse zurücktreten. Nicht von der Sparkasse benötigte Teile der Versicherungssumme werden von ihr daher nicht erfaßt. Insoweit bleiben die (nur) zurückgesetzten Bezugsrechte voll wirksam. Die oben genannte Voraussetzung - klare inhaltliche Festlegung des Sicherungszwecks und Bestimmbarkeit der Höhe nach - ist im vorliegenden Fall nach der in der Abtretung enthaltenen Sicherungsabrede erfüllt. Die Schulden des Versicherungsnehmers gegenüber der Sparkasse liegen im Zeitpunkt des Versicherungsfalls, in dem der Widerruf praktische Bedeutung erlangt, hinreichend fest. Das hat zur Folge, daß nicht der klagende Konkursverwalter die restliche Versicherungssumme für die Masse zu beanspruchen hat, sondern daß diese ausschließlich den Bezugsberechtigten gebührt.