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Bundesgerichtshof
Urt. v. 08.06.1989, Az.: X ZR 50/88

Aufrechnung; Bestrittene Forderung; Unbestrittene Forderung; Unterbrechung der Verjährung; Anerkenntnis der Forderung

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
08.06.1989
Aktenzeichen
X ZR 50/88
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1989, 13204
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Fundstellen

  • BGHZ 107, 395 - 399
  • DB 1989, 2164-2165 (Volltext mit amtl. LS)
  • JZ 1989, 1018
  • MDR 1989, 1098 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW 1989, 3143-3144 (Urteilsbesprechung von Falk Frhr. V. Maltzahn, RIchter am BGH)
  • NJW 1989, 2469-2470 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW-RR 1989, 1272 (amtl. Leitsatz)
  • ZIP 1989, 1203-1205

Amtlicher Leitsatz

In der Aufrechnung mit einer bestrittenen (und in Wahrheit nicht bestehenden) Forderung gegen eine unbestrittene Forderung kann ein die Verjährung unterbrechendes Anerkenntnis der letzteren i. S. von § 208 BGB gesehen werden; ob dies der Fall ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (Eingrenzung von BGHZ 58, 103 ff. = NJW 1972, 525).

Tatbestand:

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Die Klägerin stellt Sondermaschinen, die Beklagte Waagen her.

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Im Jahre 1975 vereinbarten die Parteien die gemeinsame Entwicklung einer Brotschneidemaschine mit einer Schnellkontrollwaage. Im Rahmen der vertraglich vereinbarten Zusammenarbeit sagte die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 25. Oktober 1977 zu, ihr im Auftragsfall »über den Ausrüsterrabatt von 7 %« hinaus zusätzlich eine »Beratungsgebühr von 3 % für jede Kontrollwaage K 140« zu vergüten.

3

In den Jahren 1977/78 verkaufte die Beklagte fünf Waagen an die Firma D. in Bremen. Der getroffenen Abrede über die »zusätzliche Beratungsgebühr« gemäß, übersandte sie der Klägerin am 15. August 1978 eine »Buchungsanzeige«, aus der sich ergibt, daß sie dem bei ihr geführten Konto der Klägerin wegen des Verkaufs dieser Waagen die vereinbarte »Beratungsgebühr« von 5 444,97 DM gutgeschrieben hatte, und ersuchte die Klägerin »um entsprechende Gegenbuchung«.

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Da die Beklagte später die Zahlung verweigerte, hat die Klägerin am 22. Juli 1986 Klage erhoben, mit der sie u. a. Zahlung des genannten Betrages nebst Zinsen verlangt hat. Beide Vorinstanzen haben der Klage auch insoweit stattgegeben. Die Revision der Beklagten hatte keinen Erfolg.

Entscheidungsgründe

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1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der für den Verkauf der fünf Waagen an die Firma D. in den Jahren 1977/78 entstandene Anspruch auf Zahlung einer »Beratungsgebühr« von 5 444,97 DM sei nicht verjährt. Der Klageanspruch aus der Gutschrift vom 15. August 1978 unterliege gemäß § 196 Abs. 1, 2 BGB einer Verjährungsfrist von vier Jahren, denn die verlangte Provision habe die Ausführung von Arbeiten und die Besorgung von Geschäften für den Gewerbebetrieb der Beklagten betroffen. Die vierjährige Verjährungsfrist, die Ende des Jahres 1978 begonnen habe (§§ 198, 201, BGB), sei mehrfach unterbrochen worden. Zunächst habe die Beklagte die Forderung in ihren Schreiben vom 5. und 27. Juni 1979 anerkannt (§ 208 BGB). Dies habe den Beginn einer neuen Verjährungsfrist zur Folge gehabt (§ 217 BGB). Diese in Lauf gesetzte neue Verjährungsfrist sei wiederum durch Anerkenntnis (§ 208 BGB) unterbrochen worden. In der Klagebegründung des Vorprozesses umgekehrten Rubrums vom 22. April 1983 habe die jetzige Beklagte nämlich zum Ausdruck gebracht, daß eine Schuld gegenüber der Klägerin in Höhe von 5 444,97 DM gemäß ihrer Buchungsanzeige vom 15. August 1978 bestehe, die sie bei der Ermittlung ihrer Klageforderung im Vorprozeß abgezogen habe. Zwar habe der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs im Urteil vom 24. Januar 1972 (BGHZ 58, 203 ff. [BGH 29.02.1972 - VI ZR 199/70]) die Auffassung vertreten, daß die Aufrechnung mit einer bestrittenen Forderung gegen eine unbestrittene Forderung kein die Verjährung unterbrechendes Anerkenntnis der letzteren im Sinne von § 208 BGB enthalte. Die Frage, ob bei einer derartigen Fallkonstellation ein Anerkenntnis vorliege oder nicht, könne jedoch nicht allgemein (abstrakt), sondern nur fallbezogen unter Einbeziehung aller Umstände des Einzelfalls beantwortet werden. Im Streitfall habe die Beklagte als Klägerin des Vorprozesses eine damals unstreitige Gegenforderung mit einer eigenen streitigen Gegenforderung verrechnet. Sie habe damit - aus der maßgeblichen Sicht der Klägerin - eine Schuld gemäß ihrer Gutschrift vom 15. August 1978 in Höhe von 5 444,97 DM gegenüber der Klägerin des anhängigen Rechtsstreits bestätigt, indem sie - in ihrer Klagebegründung des Vorprozesses - auf dieser Gutschrift zugunsten der Klägerin hingewiesen und zugleich den Gutschriftsbetrag bei der Ermittlung ihrer Klageforderung im Vorprozeß zu ihren Lasten abgezogen habe.

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2. Die dagegen gerichteten Angriffe der Revision haben keinen Erfolg.

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a) Die Revision wendet sich nicht dagegen, daß das Berufungsgericht im Streitfall von einer vierjährigen Verjährungsfrist (§ 196 Abs. 1, 2 BGB) ausgegangen ist; die Beurteilung des Berufungsgerichts läßt insoweit auch keinen Rechtsfehler erkennen.

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b) Die Revision rügt, daß das Berufungsgericht die Schreiben der Beklagten an die Klägerin vom 5. und 27. Juni 1979 und das Verhalten der Beklagten im Vorprozeß als Anerkenntnis im Sinne von § 208 BGB gewertet hat. Diese Beurteilung stehe im Gegensatz zu der Entscheidung des VIII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofes vom 24. Januar 1972 (BGHZ 58, 103 ff.), wonach die Aufrechnung mit einer bestrittenen Forderung die Annahme eines Anerkenntnisses im Sinne des § 208 BGB ausschließe. Ein Anerkenntnis könne nur angenommen werden, wenn das Verhalten oder die Äußerungen der Beklagten unzweideutig das Bewußtsein zum Ausdruck gebracht hätten, daß sie den Anspruch der Klägerin als bestehend ansehe. Durch die Anrechnung der Gegenforderung bei der Klageforderung des Vorprozesses, die rechtlich als Aufrechnungserklärung zu werten sei, habe die Beklagte in ihrer damaligen Parteirolle als Klägerin zum Ausdruck gebracht, daß die Forderung durch Aufrechnung getilgt sei und folglich nicht mehr bestehe. Da die damalige Klageforderung die zur Aufhebung gestellte Gegenforderung zudem erheblich überschritten habe, habe sie durch die Aufrechnungserklärung darüber hinaus sogar unmißverständlich zum Ausdruck gebracht, daß nicht die Klägerin gegen sie, sondern umgekehrt sie gegen die Klägerin einen Zahlungsanspruch habe.

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c) Im Hinblick auf den weit gefaßten Leitsatz und die über den entscheidenden Einzelfall deutlich hinausgehenden verallgemeinernden Entscheidungsgründe hat der erkennende Senat beim VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs angefragt, ob dieser der Auffassung sei, daß in der Aufrechnung mit einer bestrittenen Forderung gegen eine unbestrittene Forderung schlechterdings - d. h. unabhängig von den Umständen des Einzelfalls - kein die Verjährung unterbrechendes Anerkenntnis der letzteren im Sinne von § 208 BGB gesehen werden könne, und ob er, falls seine Entscheidung vom 24. Januar 1972 (BGHZ 58, 103 ff.) so zu verstehen sein sollte, an ihr festhalte. Der VII. Zivilsenat hat mitgeteilt, maßgebend für die Annahme eines Anerkenntnisses sei stets das vom Tatrichter zu beurteilende Verhalten des Schuldners, für dessen Auslegung und Bewertung es jeweils auf die Umstände des Einzelfalls ankomme. Diese Auffassung liege auch dem in BGHZ 58, 103 ff. auszugsweise veröffentlichten Urteil vom 24. Januar 1972 zugrunde, mit dem ein besonders gelagerter Einzelfall entschieden worden sei. Diese Entscheidung hindere den Tatrichter nicht, die Erklärung der Aufrechnung mit einer bestrittenen gegen eine unbestrittene Forderung unter Einbeziehung und Würdigung der Umstände des zu entscheidenden Einzelfalls auch als ein die Verjährung unterbrechendes Anerkenntnis der letzteren im Sinne von § 208 BGB zu werten.

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d) Soweit die Revision rügt, das Berufungsurteil enthalte keine Begründung dafür, warum in den Schreiben der Beklagten an die Klägerin vom 5. und 27. Juni 1979 ein die Verjährung unterbrechendes Anerkenntnis zu sehen sei, übersieht sie, daß sich die unter Ziffer II, 3 b gegebene Begründung ersichtlich auch auf die vom Berufungsgericht gewürdigten Schreiben vom 5. und 27. Juni 1979 bezieht, in denen die Gutschrift über 5 444,97 DM vom 15. August jeweils ausdrücklich genannt und dieser Betrag sodann von einer angeblichen Gegenforderung der Beklagten »abgesetzt« wird.

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In der Parteirolle der Klägerin im Vorprozeß umgekehrten Rubrums hat die Beklagte sodann als Anlage zur Klagebegründung vom 20. April 1983 die von ihr angefertigte »Buchungsanzeige« vom 15. August 1978 vorgelegt, die den streitgegenständlichen Betrag ebenfalls klar und eindeutig als Schuld der Beklagten ausweist. Sie hat darüber hinaus, wie das Berufungsgericht unangefochten festgestellt hat, auf diese bestehende Schuld gemäß ihrer Gutschrift vom 15. August 1978 in Höhe von 5 444,97 DM gegenüber der Klägerin des anhängigen Verfahrens in der Klageschrift des Vorprozesses ausdrücklich hingewiesen und den Betrag dieser Gutschrift bei der Ermittlung der damals geltend gemachten Klageforderung sodann wiederum zu ihren Lasten »abgesetzt«. Aus diesem Verhalten durfte das Berufungsgericht den Schluß ziehen, daß sich die Beklagte sowohl im Juni 1979 als auch im April 1983 nicht nur selbst des Bestehens der Schuld bewußt war, sondern daß sie ihr Bewußtsein vom Bestehen der Schuld auch gegenüber der Klägerin klar und unzweideutig zum Ausdruck gebracht und die Schuld damit gemäß § 208 BGB anerkannt hat.