Suche

Nutzen Sie die Schnellsuche, um nach den neuesten Urteilen in unserer Datenbank zu suchen!

Bundesgerichtshof
Urt. v. 28.03.1989, Az.: VI ZR 157/88

Vorliegen eines Behandlungsfehlers bei Nichtvornahme einer Nachuntersuchung zur Überprüfung der Bildung von Antikörpern trotz Immunglobulin-Gabe; Schadensersatzanspruch der Patientin wegen Anämie ihres zweiten Kindes infolge des Übergangs von rhesus-positiven Blutkörperchen bei Geburt des ersten Kindes in ihr rhesus-negatives Blut; Aufklärungspflicht der Ärzteüber ein bestehendes geringes Restrisiko in Bezug auf Gefahren bei einer erneuten Schwangerschaft trotz Vergabe des Anti-D-Serums; Rechtzeitigkeit einer zwei Tage nach der Entbindung erfolgten Immunglobulingabe; Darlegungs- und Beweislast der Patientin für die Ursächlichkeit zwischen der unterlassenen Aufklärung und dem eingetretenen Schaden

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
28.03.1989
Aktenzeichen
VI ZR 157/88
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1989, 15183
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
OLG Oldenburg - 13.04.1988
LG Osnabrück

Fundstellen

  • JR 1990, 23-25 (Volltext mit amtl. LS u. Anm.)
  • MDR 1989, 804-805 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW 1989, 2320-2321 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW-RR 1989, 1109 (amtl. Leitsatz)
  • VersR 1989, 700-701 (Volltext mit red. LS)

Prozessführer

Manuela H., geborene W., G. Straße ..., B.,

Prozessgegner

1. Arzt Dr. med. Werner S., Am N. Holz ..., O.,

2. Arzt Dr. med. Reinhard Q., ebenda,

Amtlicher Leitsatz

  1. a)

    Wird eine Frau mit der Blutgruppe O Rhesus-Faktor negativ von einem Kind mit der Blutgruppe O Rhesus-Faktor positiv entbunden und wird ihr deshalb zur Vorbeugung gegen eine Antikörperbildung Immunglobulin injiziert, so ist sie darauf hinzuweisen, daß sich bei ihr dennoch Antikörper bilden und daraus schwerwiegende Risiken für eine erneute Schwangerschaft erwachsen können.

  2. b)

    Die Darlegungs- und Beweislast dafür, wie sie sich bei erfolgtem Hinweis mit Blick auf eine weitere Schwangerschaft verhalten hätte, trifft in solchen Fällen die Frau.

Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
auf die mündliche Verhandlung vom 28. März 1989
durch
den Vorsitzenden Richter Dr. Steffen und
die Richter Dr. Kullmann, Dr. Ankermann, Dr. Macke und Bischoff
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 13. April 1988 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Klägerin wurde am 15. November 1984 in der P.-Klinik in O. von ihrem ersten Kind entbunden. Sie befand sich dort bis zum 21. November 1984 in der gynäkologischen Behandlung der beklagten Ärzte, die eine Gemeinschaftspraxis betrieben. Das Kind hat wie der Ehemann der Klägerin die Blutgruppe O Rhesus-Faktor positiv; sie selbst weist die Blutgruppe O Rhesus-Faktor negativ auf.

2

Während einer weiteren Schwangerschaft der Klägerin wurden am 30. Juni 1986 in ihrem Blut Rhesus-Antikörper festgestellt. In der Folgezeit trat bei dem erwarteten Kind eine schwere Anämie auf, die auch durch Bluttransfusionen nicht behoben werden konnte. Das deshalb bereits nach sechsmonatiger Schwangerschaft am 24. Oktober 1986 durch Kaiserschnitt entwickelte Kind verstarb am 27. Oktober 1986.

3

Die Klägerin hat geltend gemacht, die Anämie ihres zweiten Kindes sei darauf zurückzuführen, daß bei der Geburt des ersten Kindes von diesem rhesus-positive Blutkörperchen in ihr rhesus-negatives Blut übergegangen seien und dort Antikörper gebildet hätten. Die Beklagten hätten 1984 mehrere Behandlungsfehler begangen. Sie hätten es versäumt, die Klägerin rechtzeitig gegen eine Antikörperbildung zu behandeln. Auch sei ihr infolge einer Verwechslung von Blutkonserven für sie ungeeignetes Blut übertragen worden. Schließlich hätten die Beklagten es unterlassen, sie nach der Entbindung auf Antikörper zu untersuchen und aufgrund des dabei erzielten Befundes über die Risiken einer erneuten Schwangerschaft aufzuklären. Wäre dies geschehen, dann hätten sie und ihr Ehemann davon abgesehen, ein weiteres Kind zu zeugen. Statt dessen habe sie nun während der erneuten Schwangerschaft unter erheblichen Beschwerden gelitten.

4

Die Klägerin hat die Beklagten auf Zahlung eines Schmerzensgeldes in Anspruch genommen, Verdienstausfall ihres Ehemannes und entstandene Fahrtkosten geltend gemacht sowie die Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für sämtliche Zukunftsschäden begehrt.

5

Beide Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihre Ansprüche weiter.

Entscheidungsgründe

6

I.

Das Berufungsgericht meint, der Klägerin stehe weder aus einer Verletzung des Behandlungsvertrages, noch aus unerlaubter Handlung ein Schadensersatzanspruch zu. Sie habe nicht bewiesen, daß sie von den Beklagten fehlerhaft behandelt worden sei. Nach den Eintragungen im Krankenblatt habe die Klägerin am 17. November 1984 eine Dosis von 1.250 IE Immunglobulin (Anti-D) erhalten. Anhaltspunkte für eine Unrichtigkeit dieser Eintragung bestünden nicht. Die Applikation sei auch nicht zu spät vorgenommen worden. Eine Blutkonservenverwechslung sei nicht erfolgt; der Klägerin sei ordnungsgemäß nach einer Kreuzprobe zweimal ein Konzentrat von roten Blutkörperchen appliziert worden. Daß keine Nachuntersuchung dahin vorgenommen worden sei, ob sich bei der Klägerin trotz der Immunglobulin-Gabe Antikörper gebildet hätten, sei kein Behandlungsfehler. Ob die Beklagten die Klägerin über das sehr geringe Restrisiko hätten aufklären müssen, daß trotz der Behandlung mit dem Anti-D-Serum bei einer erneuten Schwangerschaft Gefahren für Mutter und Kind bestehen könnten, bedürfe keiner Entscheidung. Nach dem Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. B. sei eine solche Aufklärung nicht üblich. Auch sei zu bedenken, daß etwaige Antikörper bereits im frühen Stadium einer weiteren Schwangerschaft festgestellt würden und insbesondere bei einer Gefahr für die Mutter ggfls. die medizinische Indikation für einen Abbruch der Schwangerschaft vorliegen könne. Letztlich könne die Frage der Aufklärungspflicht hier aber offen bleiben, da die Klägerin nicht dargelegt habe, aus welchen einzelnen Erwägungen sie bei ihrem Wunsch nach einem zweiten Kind nicht bereit gewesen wäre, das geringe Restrisiko einzugehen. Sie habe zwar ihren Entschluß vorgetragen, daß sie sich bei einer Aufklärung sogleich einer Sterilisation unterzogen hätte, nicht aber dargelegt, aufgrund welcher gedanklich nachzuvollziehender Überlegungen sie zu diesem Entschluß gekommen wäre. Die Sterilisation, die die Klägerin im Jahre 1987 habe vornehmen lassen, sei erst erfolgt, nachdem sich das Restrisiko bei der zweiten Schwangerschaft verwirklicht habe. Der Antrag der Klägerin, ihren Ehemann dazu zu vernehmen, daß sie bei erfolgter Aufklärung die Sterilisation hätte früher durchführen lassen, stelle einen unzulässigen Ausforschungsantrag dar.

7

II.

Das Berufungsurteil ist nicht in allen Punkten rechtsfehlerfrei.

8

1.

Ohne Rechtsverstoß hält das Berufungsgericht allerdings einen Behandlungsfehler der Beklagten bei der ärztlichen Betreuung der Klägerin im Jahre 1984 mit Blick auf ihre damalige Schwangerschaft nicht für erwiesen.

9

a)

Die Ausführungen des Berufungsgerichts dazu, daß die Klägerin am 17. November 1984 eine Dosis von 1.250 IE Immunglobulin erhalten habe und daß bei ihr keine Verwechslung von Blutkonserven vorgekommen sei, lassen keinen Rechtsfehler erkennen. Sie werden von der Revision auch nicht angegriffen.

10

b)

Aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden sind weiter die Erwägungen, mit denen das Berufungsgericht die Immunglobulingabe am 17. November 1984 für nicht verspätet hält. Das Berufungsgericht ist insoweit dem Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. B. gefolgt, nach dessen Darlegungen die Applikation innerhalb von 72 Stunden nach der Geburt vorzunehmen ist, so daß hier die zwei Tage nach der Entbindung erfolgte Gabe rechtzeitig war. Dem steht nicht, wie die Revision rügt, die Behauptung der Klägerin entgegen, daß sie nach einem im Jahre 1981 durchgeführten Schwangerschaftsabbruch sofort eine solche Injektion erhalten habe und seinerzeit keine Antigenbildung eingetreten sei. Die von der Revision als die "einem medizinischen Laien ohne weiteres einleuchtende Erkenntnis" angeführte Ansicht, daß ein Anti-Serum um so größere Wirksamkeit entfalte, je früher es verabreicht werde, findet in dem Gutachten des Sachverständigen keine Stütze.

11

Entgegen der Verfahrensrüge der Revision brauchte das Berufungsgericht auch nicht dem von der Klägerin gestellten Beweisantrag auf Vernehmung des Oberarztes Dr. H. zu der Behauptung nachzukommen, er habe der Klägerin gesagt, bei ihr sei die Anti-D-Behandlung fehlerhaft erfolgt. Abgesehen davon, daß dieser Vortrag jede Angabe darüber vermissen ließ, was denn an der Behandlung fehlerhaft gewesen sein soll, war die Frage, ob die Immunglobulin-Gabe bei der Klägerin nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgt ist, von einem Sachverständigen und damit hier von dem vom Gericht beauftragten Gutachter Prof. Dr. B. zu beantworten. Daß diesem gegenüber der von der Klägerin als Zeuge benannte Dr. H. etwa über ein größeres Fachwissen verfügte, hat die Klägerin nach den von der Revision unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht dargelegt.

12

c)

Die Beklagten haben ihre Pflichten bei der Behandlung der Klägerin im Jahre 1984 in Bezug auf die damalige Schwangerschaft auch nicht dadurch verletzt, daß sie anschließend keine Kontrolluntersuchung dahin durchgeführt haben, ob sich bei der Klägerin trotz der Immunglobulin-Gabe Antikörper gebildet hatten. Da nach den Angaben des Sachverständigen die Applikation des Anti-D-Serums innerhalb von 72 Stunden nach der Geburt vorgenommen werden muß, um erfolgversprechend zu sein, hätte nach einer Kontrolluntersuchung, wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei ausführt, die Entstehung der Antikörper bei der Klägerin nicht mehr verhindert werden können. Eine solche Kontrolluntersuchung war demnach ausschließlich mit Blick auf nachfolgende Schwangerschaften der Klägerin von Bedeutung. Ihr Unterlassen ist deshalb allein auf eine etwaige Pflichtwidrigkeit der Beklagten bei der Erfüllung der von ihnen der Klägerin als vertragliche Nebenpflicht wie auch deliktisch zur Wahrung ihrer Integritätsinteressen geschuldeten therapeutischen Aufklärung zu überprüfen, die sogleich unter Ziffer 2 abzuhandeln ist.

13

2.

Den Angriffen der Revision nicht stand hält das Berufungsurteil insoweit, als darin Ansprüche der Klägerin aus einer Verletzung der Pflicht der Beklagten zur therapeutischen Beratung (Sicherungsaufklärung) in Bezug auf die Risiken einer etwaigen Antikörperbildung für eine neue Schwangerschaft verneint werden.

14

a)

Das Berufungsgericht läßt offen, ob die Beklagten überhaupt zu Warnungen oder Hinweisen an die Klägerin verpflichtet waren. Es stellt dazu auf der Grundlage der Ausführungen des Sachverständigen fest, daß der Anteil der Frauen, bei denen sich trotz der Behandlung mit einem Anti-D-Serum Antikörper bilden, nach der wissenschaftlichen Literatur bei 1,6 %, nach der eigenen Ansicht des Sachverständigen bei etwa 5 % liege und daß in 20 % dieser Fälle bei einer erneuten Schwangerschaft mit dem Tod des Kindes zu rechnen sei. Aus diesen Angaben ermittelt das Berufungsgericht rechnerisch richtig ein statistisches Risiko des Kindstodes von 0,32 bis 1 %, während es die Gefahren für Leib und Leben der Mutter gemäß den Angaben des Sachverständigen auf "weit unter 1 %" ansetzt. Auf dieser Grundlage waren, wie der erkennende Senat selbst entscheiden kann, die Beklagten aber verpflichtet, die Klägerin auf die mit einer neuen Schwangerschaft verbundenen Risiken hinzuweisen. Denn das für ein weiteres Kind bestehende Risiko war bei dieser Wahrscheinlichkeit seines Eintritts nicht zu vernachlässigen, seine Verwirklichung war mit äußerst schwerwiegenden Folgen auch für die Mutter verbunden, und es bestanden keinerlei therapeutische oder andere Gründe, die es rechtfertigen konnten, der Klägerin diese Information vorzuenthalten (vgl. dazu auch Senatsurteile vom 2. Dezember 1980 - VI ZR 175/78 - VersR 1981, 278, 279 und vom 10. März 1981 - VI ZR 202/79 - VersR 1981, 730, 731). Insbesondere kann dem Unterlassen der Aufklärung hier nicht mit Blick auf die vom Berufungsgericht erwogene Möglichkeit eines späteren Schwangerschaftsabbruchs die Pflichtwidrigkeit abgesprochen werden. Die von den Beklagten geschuldete Aufklärung diente nämlich gerade dem Zweck, die Klägerin nicht unwissend in die Konfliktslage kommen zu lassen, einen Schwangerschaftsabbruch erwägen zu müssen.

15

b)

Rechtlicher Nachprüfung nicht stand hält die Ansicht des Berufungsgerichts, die Klägerin habe zur Ursächlichkeit der von den Beklagten unterlassenen Aufklärung für den eingetretenen Schaden nicht genügend vorgetragen.

16

Im rechtlichen Ansatz zutreffend geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, daß es der Klägerin oblag, den Kausalzusammenhang zwischen dem Unterlassen des Hinweises und dem Schaden darzulegen; nicht etwa war es Sache der Beklagten, das Gegenteil vorzutragen. Zwar hat nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs derjenige, der vertragliche Aufklärungspflichten verletzt, die Darlegungs- und Beweislast dafür, daß der Schaden auch bei pflichtgemäßem Verhalten eingetreten wäre, der Geschädigte sich also nicht "aufklärungsrichtig" verhalten hätte; bei anderer Betrachtung würde der Schutzzweck der Aufklärung nicht voll erreicht werden (BGHZ 61, 118, 121 ff;  89, 95, 103; Urteile vom 14. März 1988 - II ZR 302/87 - NJW-RR 1988, 831 [BGH 14.03.1988 - II ZR 302/87] und vom 5. Mai 1988 - I ZR 151/86 - NJW-RR 1988, 1066, 1067). Dies gilt aber nur insoweit, als es um den auf eine bestimmte Verhaltensweise ausgerichteten Rat oder Hinweis geht. Damit ist die von den Beklagten im Streitfall geschuldete Aufklärung nicht zu vergleichen. Diese hätte der Klägerin eine Grundlage für die Entscheidung liefern sollen, ob sie sich einer Nachuntersuchung auf Antikörper unterziehen oder statt dessen darauf vertrauen wollte, daß sie nicht zu der Risikogruppe von 1,6 bis 5 % der Frauen gehörte, bei denen sich trotz einer Immunglobulin-Gabe Rhesus-Antikörper bilden. Und auch wenn die Klägerin eine solche Kontrolle hätte durchführen lassen und diese die Bildung von Antikörpern ergeben hätte, wäre es immer noch nicht als unvernünftige Mißachtung des Hinweises zu bezeichnen, wenn die Klägerin keine Vorkehrungen gegen eine erneute Schwangerschaft getroffen, sondern sich darauf verlassen hätte, zu der 80 % betragenden Gruppe von Fällen zu gehören, bei denen trotz solcher Antikörper eine weitere Schwangerschaft zur Geburt eines gesunden Kindes führt. Mit anderen Worten: Weder schuldeten die Beklagten der Klägerin einen konkreten Rat dahin, eine erneute Schwangerschaft zu vermeiden, noch gab es für die Klägerin nur eine bestimmte Möglichkeit, sich aufgrund der ihr von den Beklagten geschuldeten Information "aufklärungsrichtig" zu verhalten. Deshalb muß es im Streitfall ebenso wie in den vom Senat bereits entschiedenen Fällen einer mißlungenen Sterilisation bei der allgemeinen Regel verbleiben, daß der Klägerin die Darlegungs- und Beweislast für ihre Behauptung obliegt, sie hätte nach erfolgter Aufklärung seitens der Beklagten durch geeignete Maßnahmen eine erneute Schwangerschaft verhindert (vgl. Senatsurteile vom 2. Dezember 1980 und vom 10. März 1981 = jeweils aaO).

17

c)

Von Rechtsfehlern beeinflußt ist aber die Ansicht des Berufungsgerichts, es hätte, um der Pflicht zum substantiierten Vortrag in Bezug auf das Risiko einer weiteren Schwangerschaft zu genügen, dargelegt werden müssen, "aus welchen einzelnen Erwägungen die Klägerin bei ihrem Wunsch nach einem zweiten Kind nicht bereit gewesen wäre, dieses geringe Risiko einzugehen". Gleiches gilt für die Auffassung des Berufungsgerichts, die Klägerin hätte zu ihrer Behauptung, sie hätte sich bei erfolgter Aufklärung nicht erst, wie geschehen, 1987, sondern sogleich sterilisieren lassen, vortragen müssen, "aufgrund welcher gedanklich nachzuvollziehender Überlegungen sie zu diesem Entschluß gekommen ist". In beiden Punkten überspannt das Berufungsgericht die Anforderungen, die an die Substantiierung der Klage in einem Rechtsstreit der vorliegenden Art zu stellen sind. Die Klägerin hatte schon im ersten Rechtszug wiederholt vorgetragen, sie hätte mit ihrem Ehemann die erforderlichen Maßnahmen getroffen, um eine erneute Schwangerschaft zu verhindern, und von der Zeugung eines weiteren Kindes abgesehen. Sie hat, nachdem das Landgericht dieses Vorbringen in seinem Urteil als nicht ausreichend bezeichnet hatte, ihren Vortrag im Berufungsrechtszug unter Benennung ihres Ehemannes als Zeugen weiter dahin präzisiert, daß sie sich bei einer Aufklärung durch die Beklagten schon damals hätte sterilisieren lassen. Dieses Vorbringen reichte zur Darlegung eines Ursachenzusammenhangs zwischen dem Unterlassen des von den Beklagten geschuldeten Hinweises und dem geltend gemachten Schaden aus. Einer näheren Angabe der Gründe, warum sich die Klägerin in der von ihr behaupteten Weise verhalten hätte, bedurfte es für die Schlüssigkeit des Klagevortrags nicht. Deshalb waren auch nicht schon im Rahmen der Schlüssigkeitsprüfung die vom Berufungsgericht vorgenommenen Plausibilitätserwägungen anzustellen. Ob die Angaben der Klägerin plausibel waren und ob auf ihrer Grundlage das Berufungsgericht zu der Überzeugung gelangte, daß die Behauptung der Klägerin über das von ihr bei entsprechendem Hinweis gezeigte Verhalten für wahr zu erachten sei, war vielmehr, wie es das Gesetz in § 286 Abs. 1 ZPO vorsieht, im Rahmen einer Gesamtwürdigung zu entscheiden. Diese hatte hier jedenfalls auf der Grundlage einer Vernehmung des von der Klägerin für ihr Vorbringen als Zeugen benannten Ehemannes zu erfolgen; sie wird in Fällen der vorliegenden Art regelmäßig auch kaum ohne Anhörung der von dem unterlassenen Hinweis betroffenen Partei selbst sachgerecht vorgenommen werden können.

18

III.

Das Berufungsurteil ist deshalb aufzuheben und der Rechtsstreit gemäß § 565 Abs. 1 ZPO zur weiteren Sachaufklärung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Dr. Steffen
Dr. Kullmann
Dr. Ankermann
Dr. Macke
Bischoff