Bundesgerichtshof
Beschl. v. 16.02.1989, Az.: 1 StR 24/89
Erforderlichkeit eines Hinweises auf eine Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes ; Möglichkeit einer anderen Verteidigung
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 16.02.1989
- Aktenzeichen
- 1 StR 24/89
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1989, 11964
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG München I - 18.05.1988
Rechtsgrundlage
Fundstelle
- StV 1990, 54
Verfahrensgegenstand
Betrug
Amtlicher Leitsatz
Will das Gericht den Angeklagten trotz Anklage wegen gemeinschaftlicher Begehungsweise als Alleintäter verurteilen, ist ein Hinweis gem. § 265 I StPO erforderlich.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs
hat
nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers
am 16. Februar 1989
gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO
einstimmig beschlossen:
Tenor:
- 1.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts München I vom 18. Mai 1988 mit den Feststellungen aufgehoben
- a)
soweit der Angeklagte im Falle B I 2 (Fall Sparkasse N.) verurteilt wurde,
- b)
im Gesamtstrafenausspruch.
- 2.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
- 3.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betrugs in drei Fällen unter Einbeziehung einer anderen Strafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt.
Die Revision des Angeklagten rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Sie hat zum Teil Erfolg.
Mit Recht beanstandet die Revision, daß im Falle B I 2 des Sachverhaltes der Angeklagte entgegen der Vorschrift des § 265 Abs. 1 StPO nicht auf eine Veränderung des rechtlichen Gesichtspunkts hingewiesen wurde. Er und sein Sohn Manfred B. waren in diesem Fall angeklagt, gemeinschaftlich einen Betrug zum Nachteil der Sparkasse N. begangen zu haben. In dieser Form hatte die Strafkammer die Anklage zugelassen. Verurteilt wurde nur der Angeklagte; sein Sohn Manfred wurde insoweit aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Damit wäre ein Hinweis erforderlich gewesen, daß der Angeklagte auch als Alleintäter bestraft werden konnte (vgl. BGHSt 11, 18, 19; BGH, Beschl. vom 7. September 1977 - 3 StR 299/77; Hürxthal in KK 2. Aufl. § 265 Rdn. 10 m.w.Nachw.; Kleinknecht/Meyer, StPO 38. Aufl., § 265 Rdn. 5; Paulus in KMR 7. Aufl. § 265 Rdn. 24).
Der Senat vermag der Auffassung des Generalbundesanwaltes nicht zu folgen, ein Hinweis nach § 265 Abs. 1 StPO sei nicht erforderlich gewesen, weil der Angeklagte nur wegen eines Teilstückes des gesamten in der Anklageschrift geschilderten Sachverhaltes, in dem er allein tätig geworden ist, verurteilt wurde. Nach der zugelassenen Anklage sollten Vater und Sohn B. aufgrund eines Gesamtplanes gemeinschaftlich gehandelt haben. Danach hätte auch der insoweit freigesprochene Sohn Manfred B. die Mitschuld für ein vom Angeklagten Franz B. allein verwirklichtes Teilstück des Gesamtgeschehens getragen.
Auf dem erwähnten Verfahrensverstoß kann das Urteil beruhen. Denkbar ist, daß sich der Angeklagte - insbesondere hinsichtlich des Schuldumfanges - anders hätte verteidigen können, wenn er gewußt hätte, daß nunmehr nur seine Bestrafung als Alleintäter und zwar zudem nur wegen eines Teiles des angeklagten Geschehens in Betracht gezogen wurde. Die Möglichkeit einer anderen Verteidigung braucht nicht nahezuliegen. Es genügt, daß sie nicht mit Sicherheit auszuschließen ist (vgl. BGH bei Dallinger MDR 1974, 548; BGH, Beschl. vom 7. September 1977 - 3 StR 299/77). Dies ist hier der Fall.
Hinweise dafür, daß der Angeklagte in sonst ausreichender Weise über die Veränderungen des rechtlichen Gesichtspunkts unterrichtet worden wäre, ergeben sich weder aus dem angefochtenen Urteil noch aus dem Protokoll der Hauptverhandlung.
Der Verfahrensverstoß führt zur Aufhebung der Verurteilung im Falle B I 2 und somit auch des Gesamtstrafenausspruchs. Die beiden übrigen Einzelstrafen bleiben bestehen. Der Senat hält es für ausgeschlossen, daß die aufgehobene Einzelstrafe die Höhe der beiden anderen Einzelstrafen beeinflußt hat.
Die weitergehende Revision ist offensichtlich unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.