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Bundesgerichtshof
Urt. v. 17.05.1988, Az.: VI ZR 233/87

Sittenwidrigkeit von einvernehmlicher Vereinbarung von Aufschlag auf Kaufpreis; Vereinbarung von Provision als sittenwidrige Schmiergeldvereinbarung ; Sittenwidrigkeit von Vereinbarungen durch kollusives Zusammenwirken

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
17.05.1988
Aktenzeichen
VI ZR 233/87
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1988, 13412
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
OLG Schleswig - 23.07.1987
LG Lübeck

Fundstellen

  • MDR 1988, 947 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW 1989, 26-27 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW-RR 1989, 230 (amtl. Leitsatz)

Prozessführer

1. Lorenzen S. 28. Kommanditgesellschaft,
vertreten durch den Liquidator Klaus O., W. Weg ...,

2. Lorenzen Seebäder 22. Kommanditgesellschaft,
vertreten durch den Liquidator Klaus O., ebendort,

Prozessgegner

Möbelhaus Bernhard J., Inhaber Klaus J., M., He.,

Amtlicher Leitsatz

Eine Vereinbarung, die ein Vertreter einer Partei im Einverständnis mit dem Vertragsgegner zum eigenen Vorteil oder zum Vorteil naher Angehöriger treuwidrig zum Schaden des Vertretenen trifft, verstößt i.S. des § 138 Abs. 1 BGB gegen die guten Sitten und ist nichtig. Die Sittenwidrigkeit der Absprache erfaßt auch das Hauptgeschäft zwischen den Vertragsparteien (im Anschluß an RGZ 136, 359 f).

Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat
auf die mündliche Verhandlung vom 17. Mai 1988
durch
die Richter Dr. Kullmann, Dr. Macke, Dr. Lepa, Bischoff und Dr. Birkmann
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 11. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 23. Juli 1987 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Im Herbst 1981 bestellte der damalige alleinige Geschäftsführer der Beklagten, Michael L., bei dem Kläger, dem Inhaber eines Möbelhauses, für die "Bauherrengemeinschaft Fernsicht G." Einrichtungsgegenstände mit einem Gesamtauftragsvolumen von 1.027.000,00 DM. Mit Datum vom 5. November 1981 erkannten die beklagten Kommanditgesellschaften die Auftragsbestätigung des Klägers an. Die Einrichtungsgegenstände dienten der Möblierung von 79 Ferienappartements, die die beklagten Kommanditgesellschaften unter der Bezeichnung "Bauherrengemeinschaft Fernsicht G." errichtet hatten. Bei der Bestellung der Möbel vereinbarte L., der gleichzeitig Geschäftsführer der Komplementär-GmbH der Baubetreuerin der Beklagten, der L. u. S. GmbH & Co. KG war, mit dem Kläger einen 10 %-igen Aufschlag auf den normalen Kaufpreis; der Aufschlag sollte an die Mutter des L. abgeführt werden.

2

Der Kläger hat von den Beklagten aus dem erteilten Auftrag die Zahlung eines noch offenen Restbetrages in Höhe von 110.357,78 DM verlangt. Gegenüber dieser Forderung haben die Beklagten mit einer Schadensersatzforderung aufgerechnet. Sie haben behauptet, durch den 10 %-igen Aufschlag auf den regulären Kaufpreis habe ihr früherer Komplementär einen überhöhten Preis mit dem Kläger vereinbart. Die Abführung des Mehrbetrages an die Mutter des L. sei ohne jede Gegenleistung rechtsgrundlos zu ihren Lasten erfolgt. Darin sehen die Beklagten eine sittenwidrige Schädigung ihres Vermögens. Der Kläger hat demgegenüber eingewandt, der vereinbarte Kaufpreis sei nicht überhöht gewesen. Der Aufschlag sei nur deshalb vereinbart und an die Mutter des L. ausgezahlt worden, weil diese innenarchitektonischen Tätigkeiten bei der Möblierung der Appartements erbringen sollte und erbracht habe.

3

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten, mit der sie das landgerichtliche Urteil angefochten haben, soweit sie zu mehr als 7.657,78 DM nebst Zinsen verurteilt worden sind, hatte keinen Erfolg. Mit der Revision verfolgen die Beklagten ihren zuletzt im Berufungsrechtszug gestellten Antrag weiter.

Entscheidungsgründe

4

I.

Das Berufungsgericht hat es dahingestellt sein lassen, ob - wie von den Beklagten behauptet und zwischen den Parteien streitig - der frühere Komplementär der Beklagten, L., und der Kläger bei dem Möbelkauf um 10 % höhere als die regulären Preise mit der Maßgabe vereinbart haben, daß der Mehrbetrag an die Mutter des L. zu zahlen sei. Es hat hierzu ausgeführt: Aus einem solchen Verhalten könnten den Beklagten keine - zur Aufrechnung geeigneten - Schadensersatzansprüche erwachsen sein. Von einer sittenwidrigen Schädigung der Beklagten sei schon deswegen nicht auszugehen, weil L. - selbst wenn die Behauptung der Beklagten zuträfe - jedenfalls wissentlich die zu hohen Einkaufspreise akzeptiert habe. Dieses Wissen ihres ehemaligen geschäftsführenden Gesellschafters müßten die beklagten Kommanditgesellschaften gegen sich gelten lassen.

5

II.

Das Berufungsurteil hält den Angriffen der Revision nicht stand.

6

Da das Berufungsgericht den zwischen den Parteien streitigen Sachverhalt unaufgeklärt gelassen hat, ist revisionsrechtlich davon auszugehen, daß der frühere alleinige Komplementär der Beklagten, L., im Zusammenwirken mit dem Kläger durch den 10 %-igen Aufschlag auf den regulären Preis einen überhöhten Kaufpreis akzeptiert hat und daß dieser Mehrbetrag zu Lasten der Beklagten rechtsgrundlos an die Mutter des L. gezahlt wurde. Zu Recht sieht die Revision hierin ein sittenwidriges Verhalten, das - wie der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten in seinem Vortrag in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausgeführt hat - schon zur Unwirksamkeit des Vertrages über den Kauf der Möbel führt. Damit ist die von dem Kläger geltend gemachte Restforderung aus dem Kaufvertrag unbegründet. Der Heranziehung hilfsweise von der Revision zur Aufrechnung gestellter Schadensersatzforderungen bedarf es hier nicht.

7

Soweit die Revision sich wegen der Sittenwidrigkeit der von L. mit dem Kläger getroffenen Absprache allerdings unmittelbar auf den Vergleich mit Schmiergeldzahlungen beruft, kann ihr nicht gefolgt werden. Zwar verstößt die Vereinbarung über die Zahlung von Schmiergeld gegen die guten Sitten und führt zur Nichtigkeit entsprechender Absprachen nach § 138 Abs. 1 BGB (st. Rspr., vgl. BGH, Urteile vom 26. März 1962 - II ZR 151/60 = NJW 1962, 1099 [BGH 26.03.1962 - II ZR 151/60] und vom 14. Dezember 1972 - II ZR 141/71 = NJW 1973, 363; Krüger-Nieland/Zöller in RGRK-BGB, 12. Aufl., § 138, Rdnr. 177), jedoch stellt sich hier die vereinbarte Zahlung an die Mutter des L. nicht als "Schmiergeld"-Abrede dar. Die Rechtsprechung hat hierzu eindeutig festgelegt, daß das Schmiergeld um einer in der Zukunft liegenden Bevorzugung gegenüber Mitbewerbern willen gewährt oder versprochen wird. Eine bloße Belohnung für bereits ausgeführte Leistungen genügt nicht (vgl. BGH, Urteil vom 27. März 1968 - I ZR 163/65 = VersR 1968, 573 m.w.N.). Um eine solche zukünftige Bevorzugung des Klägers ging es aber bei der zwischen ihm und L. getroffenen Absprache nicht.

8

Nun kann auch die Vereinbarung der Zahlung einer Provision, als welche sich die Abführung des Mehrbetrages an die Mutter des L. bei dem revisionsrechtlich zu unterstellenden Sachverhalt darstellt, in die Gruppe sittenwidriger Schmiergeldvereinbarungen einzuordnen sein. Aber auch dann muß mit der Zuwendung die zukünftige Wettbewerbsbevorzugung verbunden sein; auch in diesem Falle genügt die bloße Belohnung für bereits ausgeführte und nicht unter Einsatz unredlicher Mittel erbrachte Leistungen zur rechtlichen Beanstandung nicht (vgl. BGH, Urteil vom 27. März 1968 aaO; OLG Düsseldorf NJW 1974, 417 [OLG Düsseldorf 10.05.1973 - 8 U 106/71]; RGRK-BGB aaO).

9

Als sittenwidrig i.S. des § 138 Abs. 1 BGB erweist sich die revisionsrechtlich zu unterstellende kollusive Vereinbarung zwischen dem Kläger und L. über ungerechtfertigte Zahlungen an die Mutter des L. aber deswegen, weil L. - wie der Kläger wußte - sich mit diesem Vorgehen treuwidrig gegenüber den durch ihn vertretenen beklagten Kommanditgesellschaften verhielt. Als Komplementär der beklagten Kommanditgesellschaften und kraft Gesetzes zur Geschäftsführung Berufener traf ihn bei der Erledigung der für die Beklagten zu tätigenden Geschäfte die Verpflichtung zur Wahrung der Gesellschaftsinteressen. Diese Verpflichtung ist Ausdruck der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht (vgl. Baumbach/Duden/Hopt, HGB, 27. Aufl., § 109 Anm. 5). Sie gebot L., zum Wohlergehen der Gesellschaft beizutragen und Schaden von ihr abzuwenden.

10

Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, daß Vereinbarungen, welche Angestellte, Bevollmächtigte oder sonstige Vertreter einer Partei im Einverständnis mit dem Vertragsgegner zum eigenen Vorteil "hinter dem Rücken" des Geschäftsherrn und zu dessen Schaden treffen, gegen die guten Sitten verstoßen und nichtig sind (vgl. RGZ 136, 359, 360 m.w.N.; BGH, Urteil vom 25. Juni 1986 - IVa ZR 234/84 = BB 1986, 1811). Die gleiche Folge muß gelten, wenn der Vertreter zum ungerechtfertigten Vorteil naher Angehöriger handelt. Solche Absprachen hinter dem Rücken und zu Lasten des Vertretenen, dessen Interessen der Vertretungsberechtigte wahrzunehmen hat, widersprechen einfachsten und grundlegenden Regeln geschäftlichen Anstandes und kaufmännischer guter Sitte (vgl. RGZ 161, 229, 233).

11

Als in dieser Weise gegen die guten Sitten i.S. des § 138 Abs. 1 BGB verstoßend - weil das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verletzend (vgl. BGHZ 69, 295, 297 m.w.N.) - erweist sich hier auch die zwischen L. und dem Kläger getroffene Absprache, im Zusammenhang mit der Bestellung und Lieferung der Einrichtungsgegenstände ungerechtfertigte Zahlungen an die Mutter des L. auf Rechnung und - wegen der überhöhten Preise - zu Lasten der Beklagten zu leisten. Ein solches Vorgehen kann von der Rechtsordnung nicht gebilligt werden.

12

Die sittenwidrige Absprache des L. mit dem Kläger erfaßt das gesamte Rechtsgeschäft, das zwischen ihnen im Zusammenhang mit der Bestellung der Einrichtungsgegenstände für die Beklagten abgeschlossen wurde. Das Sittenwidrige der kollusiven Absprache wirkt sich auch auf den Hauptvertrag aus, weil davon auszugehen ist, daß sich L. als Vertreter der Beklagten in seiner Willensentschließung durch die vom Kläger zugesagte Zuwendung an seine Mutter gegen den Willen und zum Schaden des Geschäftsherrn hat beeinflussen lassen (vgl. RGZ 136, 359, 360; Palandt/Heinrichs, BGB, 47. Aufl., § 138 Anm. 1 g)). Das hat - da ein solch kollusives Verhalten zum unerlaubten Rechtserwerb führte (vgl. RGZ 145, 311, 315) - nach § 138 Abs. 1 BGB zur Folge, daß dem Kläger gegen die Beklagten jedenfalls aus dem abgeschlossenen Kaufvertrag keine Forderung wegen des noch offenen Restbetrages zusteht.

13

III.

Auf der rechtlichen Verkennung der Voraussetzungen für den Zahlungsanspruch des Klägers beruht das Berufungsurteil.

14

Es war daher aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, um ihm Gelegenheit zur weiteren Sachaufklärung zur Frage der ungerechtfertigten Zahlungen an die Mutter des L. zu geben. Bei der Beweiswürdigung wird das Berufungsgericht gegebenenfalls auch die Regeln über die Beweiserleichterung des Beweises des ersten Anscheins mit in die Erwägungen einzubeziehen haben (vgl. RGZ 161, 229, 233; BGH, Urteil vom 26. März 1962 a.a.O. S. 1100). Dem Berufungsgericht war auch die Entscheidung über die Kosten der Revision zu übertragen, da diese vom Ausgang des Rechtsstreits abhängt.

Dr. Kullmann
Dr. Macke
Dr. Lepa
Bischoff
Dr. Birkmann