Bundesgerichtshof
Urt. v. 20.11.1987, Az.: V ZR 66/86
Steuerliche Abzugsmöglichkeiten und spekulative Wertsteigerungserwartungen; Unterdeckung statt Reinerlös trotz gegenteiliger Angabe des Verkäufers; Erfordernis der Preisgabe von Tatsachenangaben, die für einen Kaufentschluss maßgebend sind; Wertentwicklung von Eigentumswohnungen
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 20.11.1987
- Aktenzeichen
- V ZR 66/86
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1987, 16084
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- OLG Düsseldorf - 05.02.1986
Rechtsgrundlagen
Fundstelle
- NJW-RR 1988, 458-459 (Volltext mit red. LS)
Prozessführer
Jürgen und Eike E., S. 20, W.
Prozessgegner
Firma A.-A. für I. Herbert B., S. straße 48, W.
Redaktioneller Leitsatz
Die Beweislast dafür, dass auch bei zutreffender Unterrichtung über eine Unterdeckung ein Kaufvertrag abgeschlossen worden wäre, trifft, jedenfalls im Rahmen eines Beratungsvertrages, den Verkäufer bzw. den vermittelnden Makler.
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat
auf die mündliche Verhandlung
vom 20. November 1987
durch
den Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes Dr. Thumm und
die Richter Dr. Eckstein, Prof. Dr. Hagen, Dr. Vogt und Dr. Räfle
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 5. Februar 1986 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Mit notariellem Vertrag vom 27. Juli 1982 kauften die Kläger zu je hälftigem Anteil von der Beklagten eine Eigentumswohnung, die ihnen in einem sog. (steuersparenden) Ersterwerbermodell mit Einschaltung einer Betreuungsgesellschaft angeboten worden war. Nach § 6 des Vertrags beträgt der Kaufpreis 103.950 DM; als hinzukommend wird die Grunderwerbsteuer im Betrage von 7.276,50 DM bezeichnet, sofern von den Käufern kein Befreiungsantrag gestellt werde. Weiter werden die durch den Betreuungsvertrag entstehenden Kosten mit 27.373,50 DM aufgeführt und die Gesamtkosten sonach mit 138.600 DM.
Die Verhandlungen, die zu dem Vertragsschluß führten, wurden auf Veräußererseite von dem früheren Zweitbeklagten Peter K. geführt, der als selbständiger Provisionsvertreter für die Beklagte tätig war. Dieser brachte in die Verhandlungen zunächst ein die Finanzierung darstellendes generelles Exposé der Beklagten ein und legte später den Klägern eine auf ihre persönlichen Verhältnisse abgestellte Berechnung vor, deren Einzelheiten streitig sind.
Die Kläger entrichteten den Kaufpreis und wurden als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen. Mit Schreiben vom 8. April 1983 erklärten sie die Anfechtung des Kaufvertrags, weil sie durch K., der Erfüllungsgehilfe der Beklagten gewesen sei, über die Höhe der sie im Zusammenhang mit dem Kauf der Eigentumswohnung treffenden finanziellen Belastungen getäuscht worden seien. Wegen dieser arglistigen Täuschung und des damit zugleich gegebenen Verschuldens bei Vertragsverhandlungen verlangen sie, so gestellt zu werden, als ob sie den Kaufvertrag und den seiner Finanzierung dienenden Darlehensvertrag nicht abgeschlossen hätten.
In der ersten Instanz haben sich die Kläger hauptsächlich darauf berufen, K. habe - ausgehend von einer Zinsbindungszeit von fünf Jahren bei der Kaufpreisfinanzierung und einer Weiterveräußerung der Wohnung nach Ablauf dieses Zeitraumes - ihre monatliche Belastung mit knapp 50 DM angegeben, während diese in Wirklichkeit 521,85 DM betrage, nachdem sie auf Grund der Vermittlung durch die Beklagte auch nur ein vierjähriges Festzinsdarlehen erhalten hätten. Bei zutreffender Unterrichtung hätten sie den Kaufvertrag nicht abgeschlossen.
Nach rechtskräftiger Abweisung der Klage, soweit diese gegen Koch gerichtet war, haben die Kläger in erster Instanz zuletzt beantragt, die Beklagte zu verurteilen, sie von der Verpflichtung zur Tilgung und Verzinsung ihrer gegenüber der Westdeutschen Landesbank bestehenden Darlehensverbindlichkeit in Höhe von (noch) 136.466,02 DM zu befreien Zug um Zug gegen Rückübertragung der Eigentumswohnung, außerdem an die Kläger 9.592,38 DM nebst 4 % Prozeßzinsen zu zahlen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
In der zweiten Instanz haben die Kläger ihr Vorbringen u.a. dahin ergänzt, daß Koch ihnen auf der Grundlage einer angenommenen jährlichen Wertsteigerung der Eigentumswohnung von 5 % (und damit nach fünf Jahren auf 133.056 DM) bei Weiterverkauf der Wohnung nach fünf Jahren einen Reingewinn (nämlich nach Abdeckung aller entstandenen Kosten) von ca. 7.000 DM angegeben habe. In Wirklichkeit bleibe selbst dann, wenn ein solcher Verkaufserlös erzielt werden könnte, nicht nur kein Gewinn, sondern eine Unterdeckung in Höhe von 16.882 DM.
Die Berufung der Kläger ist erfolglos geblieben. Mit der Revision verfolgen sie ihr Klagebegehren weiter. Die Beklagte beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
Eine rechtliche Grundlage für die von den Klägern geltend gemachten Ansprüche sei nicht ersichtlich, insbesondere auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsschluß oder wegen schuldhafter Verletzung eines mit der Beklagten neben dem Kaufvertrag geschlossenen Beratungsvertrages. Denn es sei weder ein schadensursächliches Beratungsverschulden des früheren Zweitbeklagten Koch, das sich die Klägerin gemäß § 278 BGB zurechnen lassen müßte, erkennbar noch ein Beratungsverschulden der Beklagten selbst dargetan; daher könne dahingestellt bleiben, ob ein Beratungsvertrag zustande gekommen sei.
Koch habe bei den Klägern keine irrigen Vorstellungen hervorgerufen, sondern im wesentlichen richtige Angaben gemacht. Dies folge aus dem, was in der Senatsverhandlung gegen Koch unstreitig geworden sei und die Beklagte sich zu eigen gemacht habe. Insbesondere sei den Klägern danach auf Grund der Hinweise von K. klar gewesen, daß von einer monatlichen Belastung von lediglich etwa 50 DM (unter Einbeziehung der erzielbaren steuerlichen Vorteile) nur dann habe ausgegangen werden können, wenn die auf fünf Jahre gestundete Grunderwerbsteuer von 7.276,50 DM, die von der Bank mitfinanziert und den Klägern ausbezahlt worden sei, auf fünf Jahre verteilt zur Reduzierung der monatlichen Belastung verwendet und die spätere Zahlung der Grunderwerbsteuer einschließlich Zinsen aus dem erwarteten Verkaufserlös bestritten werde. Dieser Verkaufserlös habe auch das von der Bank einbehaltene Disagio (13.860 DM) decken sollen, so daß dieser Betrag entgegen der Ansicht der Kläger bei der monatlichen Belastung nicht zu berücksichtigen sei. Auch sei die Steuerersparnis wegen Abschreibung nach § 7 b EStG für das Erwerbsjahr bei der Berechnung nicht doppelt berücksichtigt worden; in dem Exposé der Beklagten handle es sich insoweit nur um verschiedene Berechnungsansätze, was bei vernünftiger wirtschaftlicher Betrachtung nicht als doppelte Abzugsmöglichkeit verstanden werden könne.
Das Wohngeld sei allerdings nach der Behauptung der Kläger um 389 DM im Jahr = 32,42 DM im Monat höher als in dem Prospekt der Beklagten vorgesehen. Dieser monatliche Mehrbetrag sei indes auch im Verhältnis zu der angenommenen Belastung von 50 DM so geringfügig, daß die Kläger davon ihren Kaufentschluß nicht abhängig gemacht haben würden; im Vordergrund hätten für sie vielmehr die erwarteten Steuervorteile sowie der erhoffte Spekulationsgewinn gestanden.
Der Vorwurf, die Beklagte habe einen Kredit nicht, wie vorgesehen und den Berechnungen zugrunde gelegt, auf eine Festzinszeit von fünf, sondern nur von vier Jahren vermittelt, begründe jedenfalls keinen Anspruch auf Ersatz des eingeklagten negativen Interesses.
Die Angaben der Beklagten in dem (generellen) Exposé überschritten trotz einzelner Widersprüche auch nicht den Rahmen dessen, was als anpreisende Verkaufswerbung auf dem Immobilienmarkt (noch) hinnehmbar sei. Die Kläger hätten sich bewußt auf ein Spekulationsgeschäft eingelassen und könnten nicht die damit verbundenen Risiken - vor allem das Risiko der Wertentwicklung von Eigentumswohnungen - nun auf die Beklagte abwälzen. Ihre Belastungs- und Schadensberechnungen lägen daher neben der Sache.
Bei dieser Sachlage greife auch die von den Klägern erklärte Anfechtung nicht durch, so daß auch ein Bereicherungsanspruch nicht in Betracht komme.
II.
Die Revision hat Erfolg.
Das Berufungsgericht unterstellt, daß zwischen den Parteien neben dem Kaufvertrag stillschweigend ein Beratungsvertrag zustande gekommen und der frühere Zweitbeklagte K. als Erfüllungsgehilfe der Beklagten tätig geworden ist; für die Revisionsinstanz ist daher hiervon auszugehen.
Sowohl auf der Grundlage eines solchen Beratungsvertrages als auch im Rahmen des durch die Anbahnung von Vertragsverhandlungen begründeten gesetzlichen Schuldverhältnisses genügte aber die Beklagte entgegen den weiteren Ausführungen des Berufungsgerichts ihren Verpflichtungen nicht schon dadurch, daß sie die Erwerbskosten zutreffend offenlegte und die Kläger auf die steuerlichen Abzugsmöglichkeiten und spekulativen Wertsteigerungserwartungen hinwies. Vielmehr mußten auch ihre sonstigen Tatsachenangaben, die für den Kaufentschluß der Kläger von Bedeutung sein konnten, richtig sein (BGH Urt. v. 6. November 1974, VIII ZR 207/72, LM BGB § 676 Nr. 14 = Betrieb 1974, 2392; BGHZ 74, 103, 110). Dies gilt unabhängig davon, daß der Kauf der Eigentumswohnung durch die Kläger als "Spekulationsgeschäft" anzusehen sein mag und es von der Entwicklung der wirtschaftlichen Verhältnisse abhing, ob und in welchem Umfang bei Weiterveräußerung ein Gewinn zu erzielen sein würde.
Da in dem Expose der Beklagten ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, daß die Wertentwicklung von Eigentumswohnungen nicht vorausgesagt werden könne, haben insoweit die Kläger bewußt das Risiko der künftigen Entwicklung übernommen. Die Beklagte haftet aber für die Richtigkeit ihrer Angaben, daß bei einer angenommenen Wertsteigerung der Eigentumswohnung um jährlich 5 % der nach fünf Jahren zu erzielende Verkaufserlös alle entstandenen Kosten decken und sogar noch einen bestimmten Reingewinn erbringen werde. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Beklagte verpflichtet war, den Klägern auch zu diesem Punkt Auskunft zu geben; wenn sie hierzu konkrete Angaben machte, durften diese nicht unrichtig sein.
Die Revision rügt daher zu Recht, daß das Berufungsgericht das unter Beweis gestellte Vorbringen der Kläger übergangen oder jedenfalls für unerheblich gehalten hat, Koch habe ihnen erklärt, der bei einer angenommenen Wertsteigerung von 5 % pro Jahr bei einem Verkauf nach fünf Jahren sich ergebende Kaufpreis von 133.056 DM werde nach Abzug aller entstandenen Kosten einen Reingewinn von ca. 7.000 DM erbringen, während in Wirklichkeit eine Unterdeckung in Höhe von 16.882 DM verbleibe.
Schon im Hinblick auf die im zweiten Absatz von Bl. 8 des Berufungsurteils getroffene Feststellung kann allerdings nicht, wie die Revision meint, davon ausgegangen werden, daß die Beklagte die Berechnung der Kläger über die aus dem Kaufpreis zu deckenden Kosten (Bl. 6 des Schriftsatzes vom 25. November 1985) nicht bestritten habe; selbst auf der Grundlage der Einzelpositionen und Beträge, von denen das Berufungsgericht ausgeht, wäre aber die behauptete Auskunft unrichtig. Danach wären nämlich folgende Posten aus dem Erlös zu tilgen:
Grunderwerbsteuer | 7.276,50 DM |
---|---|
6 % Zinsen aus der Grunderwerbsteuerschuld für fünf Jahre | 2.182,95 DM |
Disagio | 13.860,- DM |
übrige Darlehensrestschuld: (138.600 DM abzügl. erfolgter Tilgung 5 × 1.386 =) 131.670 DM abzügl. Disagio | 117.810,- DM |
monatliche Belastung gemäß Bl. 12 letzter Abs. des angefochtenen Urteils: (50 + 32,42 =) 82,42 DM × 12 × 5 = | 4.945,20 DM |
146.074,65 DM. |
Bei einem angenommenen Verkaufserlös von 133.056 DM ergäbe sich somit immer noch kein Reingewinn von ca. 7.000 DM, vielmehr eine Unterdeckung in Höhe von 13.017,35 DM, also eine Abweichung von der gegebenen Auskunft um rd. 20.000 DM. Die Beweislast dafür, daß die Kläger auch bei zutreffender Unterrichtung den Kaufvertrag abgeschlossen hätten, trifft jedenfalls im Rahmen eines Beratungsvertrages die Beklagte (BGHZ 61, 118, 121 f).
Das angefochtene Urteil kann somit keinen Bestand haben, ohne daß es noch auf die von der Revision vorsorglich erhobenen weiteren Rügen ankäme. Die Sache ist zu weiterer tatrichterlicher Prüfung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§§ 564, 565 Abs. 1 ZPO).
Dr. Eckstein
Dr. Hagen
Dr. Vogt
Dr. Räfle