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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 14.10.1987, Az.: VIII ZB 16/87

Anforderungen an die Ausfertigung eines Versäumnisurteils; Notwendigkeit der Überschrift "Ausfertigung" auf der Ausfertigungsurkunde; Pflicht des Anwalts zur Überprüfung von Fristvermerken in den Handakten

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
14.10.1987
Aktenzeichen
VIII ZB 16/87
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1987, 13353
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
OLG Köln - 10.07.1987

Fundstelle

  • VersR 1988, 414 (Volltext mit red. LS)

Amtlicher Leitsatz

Zu der Prüfung, die dem Rechtsanwalt bei jeder im Zusammenhang mit einer fristwahrenden Prozeßhandlung erfolgenden Vorlage der Handakten obliegt, gehört auch die Kontrolle des Bürovermerks über die Eintragung der Frist im Fristenkalender.

In dem Rechtsstreit
hat der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs
durch
den Vorsitzenden Richter Braxmaier und
die Richter Dr. Skibbe, Treier, Dr. Paulusch und Groß
am 14. Oktober 1987
beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluß des 22. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 10. Juli 1987 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Wert des Beschwerdeverfahrens: 75.038,96 DM.

Gründe

1

I.

Der Beklagte ist vom Landgericht zur Zahlung von 109.816,87 DM verurteilt worden. Auf seine Berufung hat das Oberlandesgericht durch Versäumnisurteil vom 27. Januar 1987 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels den Beklagten zur Zahlung von 34.777,91 DM verurteilt und die Klage im übrigen abgewiesen. Dieses Urteil ist dem Prozeßbevollmächtigten des Klägers am 20. Februar 1987 zugestellt worden. In dem Eingangsstempel ist handschriftlich in der Zeile "Beantw.:" "Tat.Best.Ber." und in der darunterliegenden Zeile "Erledigt:" "6.3.1987 not. sche" eingetragen. Mit am 9. März 1987 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz hat der Prozeßbevollmächtigte des Klägers für diesen Einspruch gegen das Versäumnisurteil eingelegt und am 23. März 1987 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Einspruchsfrist beantragt. Hierzu hat er geltend gemacht:

2

Seine am Tage der Zustellung für die Annahme der Gerichtspost zuständige Rechtsanwaltsgehilfin, Fräulein Sch., habe auf dem Urteil ordnungsgemäß den 6. März 1987 als Einspruchsfrist notiert. Zusätzlich habe sie vermerkt, daß bis zu diesem Zeitpunkt ein etwaiger Antrag auf Tatbestandsberichtigung gestellt werden müsse. Aus unerklärlichen Gründen sei im Fristenkalender für den 6. März 1987 jedoch nur der Fristablauf für den Tatbestandsberichtigungsantrag eingetragen worden. Er selbst habe am 3. März 1987 die Einspruchsschrift diktiert und zum Schreiben gegeben. Am 4. März 1987 sei er von einer anderen - mit der Fristenkontrolle betrauten - Büroangestellten gefragt worden, ob ein Tatbestandsberichtigungsantrag gestellt werde. Dies habe er verneint. Über die Einspruchsfrist sei dabei nicht gesprochen worden; er sei davon ausgegangen, daß die Frist ordnungsgemäß notiert sei, und habe zudem gewußt, daß der Schriftsatz bereits diktiert gewesen sei und die Akte sich bei der Diktatpost befunden habe. Die Einspruchsschrift sei dann am Freitag, den 6. März 1987, geschrieben worden. Da die Schreibkraft aber andere auf der Platte diktierte Schriftsätze an diesem Tage nicht mehr habe fertigstellen können, sei ihm die Postmappe mit der Einspruchsschrift erst am 9. März 1987 zur Unterschrift vorgelegt worden.

3

II.

Das Oberlandesgericht hat mit dem angefochtenen Beschluß den Antrag auf Wiedereinsetzung zurückgewiesen und den Einspruch gegen das Versäumnisurteil als unzulässig verworfen. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde ist statthaft (§§ 567 Abs. 3, 542 Abs. 3, 341 Abs. 2 Satz 2, 238 Abs. 2 ZPO) sowie form- und fristgerecht eingelegt, hat jedoch keinen Erfolg.

4

1.

Zu Unrecht wird mit der Beschwerde die Auffassung vertreten, die Einspruchsfrist sei nicht versäumt, weil die zugestellte Kopie des Versäumnisurteils nicht die an eine Ausfertigung nach §§ 170, 317 ZPO zu stellenden Anforderungen erfülle. Dabei ist unschädlich, daß die Urkunde nicht die Überschrift "Ausfertigung" trägt. Das Gesetz verlangt eine derartige Überschrift nicht. Es reicht aus, daß sich der Charakter als Ausfertigung aus dem nach § 317 Abs. 3 ZPO herzustellenden Ausfertigungsvermerk (dazu BGH Beschluß vom 28. Februar 1985 - III ZB 11/84 = VersR 1985, 503) ergibt. Dieser ist zwar auf der vom Beschwerdeführer eingereichten Ablichtung schwer lesbar, im Zusammenhang mit der Unterschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle und dem Dienstsiegel aber noch hinreichend als solcher zu erkennen.

5

2.

Das Oberlandesgericht hat die beantragte Wiedereinsetzung mit Recht nicht gewährt, weil es zu der Versäumung der am 6. März 1987 abgelaufenen Einspruchsfrist nicht ohne Verschulden des Prozeßbevollmächtigten des Klägers gekommen ist, das der Kläger sich zurechnen lassen muß (§ 85 Abs. 2 ZPO).

6

a)

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes hat ein Rechtsanwalt, der die Berechnung und Notierung einfacher und in seinem Büro geläufiger Fristen einem gut ausgebildeten, als zuverlässig erprobten und sorgfältig überwachten Angestellten überlassen hat und überlassen durfte, den Fristenlauf zwar nicht bei jeder Vorlage der Handakten, aber immer dann eigenverantwortlich zu überprüfen, wenn ihm die Handakten im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Prozeßhandlung, insbesondere zu deren Bearbeitung vorliegen (Senatsbeschluß vom 25. März 1981 - VIII ZB 27/81 = VersR 1981, 551; BGH Urteil vom 15. Januar 1981 - VII ZB 73/80 = VersR 1981, 459; Beschlüsse vom 1. Oktober 1981 - III ZB 18/81 = VersR 1982, 71, vom 20. Dezember 1984 - III ZB 28/84 = VersR 1985, 269, vom 25. März 1985 - II ZB 2/85 = VersR 1985, 552 und vom 12. November 1986 - IVb ZB 93/86 = VersR 1987, 463, jeweils m.Nachw.). Zu dieser notwendigen Nachprüfung gehört auch die Kontrolle des Bürovermerks in den Handakten über die Eintragung der Frist im Fristenkalender (Senatsbeschluß vom 29. November 1972 - VIII ZB 56/72 = VersR 1973, 186; BGH Urteil vom 1. Juli 1976 - III ZR 88/75 = VersR 1976, 1154; Beschlüsse vom 9. Januar 1964 - VII ZB 16/63 = VersR 1964, 269 und vom 15. Mai 1972 - II ZB 2/72 = VersR 1972, 886). Hiervon abzuweichen besteht keine Veranlassung. Diese Rechtsprechung wird von der Erwägung getragen, daß der Rechtsanwalt sich zwar berechtigterweise von bestimmten routinemäßigen Büroarbeiten entlasten darf, daß dies aber dann nicht mehr gilt, wenn es um die gebotene Feststellung einer gesetzlichen Voraussetzung geht, von der die Zulässigkeit der beabsichtigten Prozeßhandlung abhängt. Hieran hat sich entgegen der Ansicht der Beschwerde auch mit der Neufassung der Vorschrift des § 233 ZPO durch die Vereinfachungsnovelle 1977 nichts geändert.

7

b)

Hätte der Prozeßbevollmächtigte des Klägers die ihm am 3. März 1987 vorliegenden Handakten auf den Erledigungsvermerk hinsichtlich der Fristeneintragung überprüft, so hätten sich ihm zumindest Zweifel daran aufdrängen müssen, ob die Einspruchsfrist im Fristenkalender notiert war. Wäre er diesen Zweifeln nachgegangen, so hätte er das Fehlen der Eintragung im Fristenkalender entdeckt und ohne Zweifel für einen rechtzeitigen Eingang der Einspruchsschrift bei Gericht Sorge tragen können.

8

Dem Beschwerdeführer kann nicht darin gefolgt werden, die Angestellte Sch. seines Prozeßbevollmächtigten habe in den Handakten die Eintragung der Einspruchsfrist im Fristenkalender notiert, so daß dem Prozeßbevollmächtigten auch bei einer Überprüfung des "Erledigungsvermerks" nichts aufgefallen wäre. Der Vermerk "Tat.Best.Ber." und - darunter stehend - "6.3.87 not. sche" mußte jedenfalls den Verdacht nahelegen, es sei nur eine Frist - und zwar für einen denkbaren Tatbestandsberichtigungsantrag - notiert worden. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus einem Vergleich mit den Fristennotierungen der Angestellten Sch. in anderen Fällen. Wenn diese Angestellte dort z.B. in dem Eingangsstempel in der Zeile "Beantw." "Tat.Best.Ber. 4.3." und in der Zeile "Erledigt:" "Rev. not. sche" eingetragen hat, so fehlte im vorliegenden Fall gerade der Vermerk über die Eintragung des - der "Rev." entsprechenden - "Einspruchs". Auch wenn für einen Antrag auf Tatbestandsberichtigung dieselbe zweiwöchige Frist gilt wie für den Einspruch gegen ein Versäumnisurteil, folgte aus dem "Erledigungsvermerk" nicht zweifelsfrei, ob nur eine Frist für einen Tatbestandsberichtigungsantrag oder auch eine solche für den Einspruch notiert war.

Streitwertbeschluss:

Wert des Beschwerdeverfahrens: 75.038,96 DM.

Braxmaier
Dr. Skibbe
Treier
Dr. Paulusch
Groß