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Bundesgerichtshof
Urt. v. 16.03.1987, Az.: II ZR 127/86

Bank; Akkreditiv; Zwischenkredit; Dokumente; Grundgeschäft; Unzulässige Rechtsausübung

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
16.03.1987
Aktenzeichen
II ZR 127/86
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1987, 13389
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Fundstellen

  • BGHZ 101, 84 - 95
  • MDR 1987, 1002-1003 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW 1987, 2578-2580 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW-RR 1987, 1261 (amtl. Leitsatz)
  • ZIP 1987, 1038-1042

Amtlicher Leitsatz

1. Kommt die als Zahlstelle tätige Bank, der ein Akkreditiv mit hinausgeschobener Zahlung eingereicht wird, von sich aus mit dem Einreicher überein, ihm einen Vorschuß auf das noch nicht fällige Akkreditiv zur Verfügung zu stellen, gewährt sie ihm i. d. R. einen Zwischenkredit, der bis zum Eintritt der Fälligkeit im Verhältnis zu der eröffnenden Bank nicht als Bezahlung des Akkreditivs angesehen werden kann.

2. Benutzt eine Akkreditivbank die bei ihr eingereichten Dokumente nicht nur als Treuhänder des Begünstigten zur Prüfung auf ihre Akkreditivgemäßheit, sondern leitet sie die Dokumente zwischen Besichtigung der Ware an den Käufer weiter, ist dies grundsätzlich eine vorbehaltlose Aufnahme der Dokumente mit der Folge, daß sie sich nicht mehr auf Mängel der Dokumente berufen kann.

3. Einwendungen aus dem Grundgeschäft können der Forderung aus Akkreditiv nur entgegengehalten werden, wenn sich das Zahlungsbegehren des Akkreditivbegünstigten als unzulässige Rechtsausübung darstellt. Selbst schwere Mängel der Ware reichen dazu nicht ohne weiteres aus. Die Ware muß vielmehr zur Vertragserfüllung offensichtlich ganz und gar ungeeignet sein. Dies gilt auch für das Akkreditiv mit hinausgeschobener Zahlung.

Tatbestand:

1

Die Klägerin verlangt von der Beklagten in Höhe von 461 404 Rupien Aufwendungsersatz für Zahlungen, die sie als Korrespondenzbank der Beklagten aufgrund von zwei Dokumentenakkreditiven an einen in Indien ansässigen Begünstigten geleistet hat. Beide Akkreditive sahen eine Fälligkeit der Akkreditivforderung von 30 Tagen nach Vorlage der Dokumente vor.

2

Die Klägerin zahlte bei Vorlage der Dokumente am 25. Oktober 1980 167 627 indische Rupien und am 4. November 1980 293 777 indische Rupien an den Begünstigten aus. Die in den Akkreditiven genannten Unterlagen wurden der Beklagten am 17. und 26. November 1980 vorgelegt. Am 17. Dezember 1980 teilte sie der Klägerin durch Fernschreiben mit, daß die Auszahlung der Akkreditive nicht erfolgen solle. Der Käufer habe inzwischen einen dinglichen Arrest gegen den Begünstigten erwirkt und dessen Ansprüche gegen die Beklagte gepfändet, weil er dem Begünstigten angeblich wegen Wandlung keinen Kaufpreis schulde. Aufgrund der Zeitverschiebung kam dieses Fernschreiben erst am 18. Dezember 1980 der Klägerin zur Kenntnis. Mit Einschreiben vom 17. und 26. November 1980 wies die Beklagte die Klägerin ferner daraufhin, daß die Dokumente nicht akkreditivgerecht seien.

3

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat sie abgewiesen. Die Revision der Klägerin führte zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung.

Entscheidungsgründe

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Das Berufungsgericht hat einen Aufwendungsersatzanspruch der Klägerin mit der Begründung verneint, die vorzeitige Gutschrift der Beträge sei keine auftragsgemäße Zahlung im Sinne des Art. 8 lit. b) der Einheitlichen Richtlinien und Gebräuche für Dokumentenakkreditive - Revision 1974 - (im folgenden ERG 1974) und damit keine zum Zwecke der Ausführung des Auftrags gemachte Aufwendung im Sinne des § 670 BGB gewesen. Zwar sei die Klägerin nach dem Inhalt des ihr von der Beklagten erteilten Auftrages Zahlstelle und nicht nur Avisbank der Beklagten gewesen. Es handle sich jedoch um Akkreditive mit hinausgeschobener Zahlung, bei denen die Klägerin nicht befugt gewesen sei, vor Fälligkeit an den Begünstigten zu zahlen. Da die Klägerin die Akkreditive darlehensweise bevorschußt und die Beklagte als Auftraggeberin erst bei Fälligkeit mit dem vollen Betrag belastet habe, sei die vorzeitige Zahlung nicht einmal Erfüllung der Akkreditivpflicht, sondern Eigengeschäft der Klägerin außerhalb des Akkreditivs gewesen. Die zum Fälligkeitszeitpunkt von der Klägerin vorgenommene »Verrechnung« ihrer Vorausleistung auf die Zahlungsverpflichtung aus dem Auftrag aber brauche die Beklagte deshalb nicht als vertragsmäßige Erfüllung gelten zu lassen, weil die Klägerin rechtzeitig davon unterrichtet worden sei, daß die eingereichten Dokumente in mehrfacher Hinsicht nicht akkreditivkonform seien und von der Beklagten zur Verfügung gestellt würden. Zudem habe die Klägerin in bezug auf das zweite Akkreditiv per Fernschreiben vom 17. Dezember 1980 vor dem Fälligkeitszeitpunkt die abweichende Weisung der Beklagten erhalten, die Auszahlung der Akkreditivansprüche im Hinblick auf eine Pfändung zu unterlassen. Die Klägerin sei zur Beachtung dieser Weisung verpflichtet gewesen. Selbst wenn die Beklagte in möglicher Abweichung von der Rechtslage die Auszahlung des Akkreditivs gegenüber dem Begünstigten hätte verweigern wollen, hätte die Klägerin zunächst die Weisung der Beklagten einhalten und es der Beklagten und dem Begünstigten überlassen müssen, die Rechtslage unter sich zu klären. Sie habe aber nicht im Gegensatz zu den Weisungen und den erklärten Interessen der Beklagten handeln dürfen und deshalb auch nicht deren Rechtsposition nachteilig verändern können. Dies hält rechtlicher Prüfung nicht stand.

5

Dem Berufungsgericht ist allerdings im Ausgangspunkt darin zu folgen, daß es sich um Akkreditive mit hinausgeschobener Zahlung (deferred payment) handelt und die Klägerin als Zahlstelle der Beklagten beauftragt war, die Akkreditivbeträge zum Fälligkeitszeitpunkt an den Begünstigten auszuzahlen. Da auch die Revision davon ausgeht, daß die Klägerin die Akkreditive »diskontiert« und nicht etwa als solche schon vor Fälligkeit bezahlt hat, ist dem Berufungsgericht weiter darin zu folgen, daß die Befriedigung der Akkreditivforderungen und damit die Erfüllung des der Klägerin von der Beklagten erteilten Zahlungsauftrages erst mit der in solchen Fällen üblichen Verrechnung des dem Begünstigten gewährten Vorschusses mit der Akkreditivforderung am Tage der hinausgeschobenen Fälligkeit eintreten konnte. Rechtsfehlerhaft ist jedoch die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte brauche diese Verrechnung schon deshalb nicht als Erfüllung dieses Auftrages gegen sich gelten zu lassen, weil die Klägerin von den ihr erteilten Weisungen abgewichen sei und damit die Rechtsposition der Beklagten zu deren Nachteil verändert habe. Diese Ansicht wäre nur dann richtig, wenn die Beklagte die Auszahlung der Akkreditive gegenüber dem Begünstigten bei Fälligkeit hätte verweigern dürfen. War die Beklagte dagegen dem Begünstigten zur Bezahlung der Akkreditivansprüche bei Fälligkeit verpflichtet, ohne ihnen rechtlich begründete Einwendungen entgegensetzen zu dürfen, so hat die Klägerin durch ihre am Fälligkeitstag vorgenommene Verrechnung die Beklagte von ihrer Akkreditivschuld befreit, ohne daß dabei schutzwürdige Interessen der Beklagten verletzt worden wären. In diesem Fall würde sich die Beklagte in Widerspruch mit Treu und Glauben (§ 242 BGB) setzen, wenn sie die Leistung der Klägerin an den Begünstigten unter Berufung auf ihre vor Fälligkeit erteilten anderslautenden Weisungen nicht als Erfüllung ihres Auftrages gelten lassen will (vgl. Sen. Urteil v. 4. Februar 1980 - II ZR 119/79, WM 1980, 587 f.).

6

Das Berufungsgericht hat in diesem Zusammenhang ausgeführt, die von der Verkäuferin eingereichten Dokumente seien wegen verschiedener Abweichungen von den vertraglichen Vereinbarungen nicht akkreditivkonform gewesen. Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung stand. Auch die Revision hat insoweit keinen konkreten Rechtsfehler aufzuzeigen vermocht.

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Nicht zu beanstanden ist ferner die Ansicht des Berufungsgerichts, die Beklagte habe das Recht, sich auf die mangelnde Akkreditivgemäßheit der Dokumente zu berufen, nicht dadurch verloren, daß sie der Klägerin die bestehenden Abweichungen der Dokumente jeweils am Tage ihres Eintreffens per Einschreiben und nicht, wie in Art. 8 lit. e) ERG 1974 vorgesehen, »drahtlich oder auf sonstigem schnellen Wege« mitgeteilt hat. Die ERG 1974 berechtigen, wie das Berufungsgericht mit zutreffender Begründung ausgeführt hat, nicht zu der Annahme, die Nichteinhaltung des in Art. 8 lit. e) bezeichneten Mitteilungsweges führe unter allen Umständen zum Verlust des Rechts der eröffnenden Bank, die mangelnde Akkreditivgemäßheit der Dokumente zu reklamieren. Art. 8 lit. f) sieht einen solchen Rechtsverlust nur für den Fall vor, daß die Rücksendung oder Bereitstellung der Dokumente unterlassen wird, nicht aber auch für denjenigen, daß die Mitteilung einer solchen Absicht nicht auf dem in Art. 8 lit. e) vorgesehenen Weg erfolgt.

8

Selbst wenn man jedoch annähme, die Rechtsfolge erstrecke sich auch auf die Versäumung des in lit. e) bezeichneten Mitteilungsweges, könnte dies nur, wie sich aus der Formulierung des Art. 8 lit. f) ergibt, für Zahlungen gelten, die von der einreichenden Bank bereits durchgeführt worden sind, bevor die Mitteilung der eröffnenden Bank von der fehlenden Akkreditivgemäßheit der Dokumente und ihrer Rücksendung oder Zurverfügungstellung bei ihr eingetroffen ist. Da Art. 8 lit. f) von dem Normalfall der Bezahlung des Akkreditivs nach Eintritt der Fälligkeit desselben ausgeht, kann als Zahlung in diesem Sinne nur die auf das Akkreditiv, d. h. auf die darin verbriefte fällige Forderung, erbrachte Leistung der als Zahlstelle fungierenden Einreicherbank gelten. Kommt die Zahlstelle, wie es vorliegend nach den Feststellungen des Berufungsgerichts der Fall gewesen ist, bei einem Akkreditiv mit hinausgeschobener Fälligkeit von sich aus ohne Auftrag der eröffnenden Bank mit dem Einreicher überein, ihm einen Vorschuß auf das noch nicht fällige Akkreditiv zur Verfügung zu stellen, so gewährt sie ihm in der Regel einen Zwischenkredit, der bis zum Eintritt der Fälligkeit im Verhältnis zu der eröffnenden Bank nicht als die in Art. 8 lit. f) vorausgesetzte Bezahlung des Akkreditivs angesehen werden kann. Teilt die eröffnende Bank, der die als Zahlstelle fungierende Bank die Dokumente zur Prüfung übersandt hat, dieser in einem solchen Falle noch rechtzeitig vor Eintritt der Akkreditivfälligkeit mit, daß die Dokumente nicht den Akkreditivbedingungen entsprechen und deshalb zurückgesandt oder zur Verfügung des Einreichers gehalten werden, so kann sich die Zahlstelle, die das Akkreditiv ohne entsprechenden Auftrag bevorschußt hat, nicht darauf berufen, die eröffnende Bank müsse diese Vorschußleistung als in Übereinstimmung mit den Akkreditiv-Bedingungen durchgeführte Zahlung auf das Akkreditiv i. S. des Art. 8 lit. f) gegen sich gelten lassen. Ob gleiches auch für die Rechtslage nach den in diesem Punkte geänderten ERG 1983 (Art. 16 lit. d) und e)) anzunehmen wäre, bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung. Da die Mitteilungen der Beklagten von den Abweichungen der Dokumente von den Akkreditivbedingungen die Klägerin nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts jeweils noch vor Eintritt der hinausgeschobenen Fälligkeit der Akkreditive erreicht haben und bereits mit dem Hinweis verbunden waren, daß die Dokumente zur Verfügung der Klägerin gehalten würden, hat die Beklagte nicht schon aus diesem Grunde ihr Recht, die fehlende Akkreditivgemäßheit der Dokumente geltend zu machen verloren. Auf die Rüge der Revision, die Beklagte habe die Dokumente nicht zurückgesandt, kommt es bei dieser Sachlage nicht an.

9

Das Berufungsgericht hätte es jedoch nicht dahingestellt sein lassen dürfen, ob die Beklagte die Dokumente aufgenommen hat. Denn in diesem Falle wäre die Beklagte nicht mehr berechtigt gewesen, gegenüber dem Begünstigten geltend zu machen, die eingereichten Dokumente seien nicht akkreditivkonform. Wenn ihr dieser Einwand gegenüber dem Begünstigten versagt ist, kann sie sich auch gegenüber der Klägerin nicht ohne Verstoß gegen Treu und Glauben darauf berufen, die Klägerin als ihre Zahlstelle habe wegen der mangelnden Akkreditivgemäßheit der Dokumente die Akkreditivforderung nicht an den Begünstigten auszahlen dürfen. In tatsächlicher Hinsicht hat die Klägerin dazu unter Beweisantritt vorgetragen, die Beklagte habe mit dem Käufer vereinbart, die Dokumente trotz der vorhandenen Unstimmigkeiten aufzunehmen und in der Folge entsprechend dieser Absprache gehandelt. Sie habe die Dokumente an den Käufer ausgehändigt, der erst dadurch in die Lage versetzt worden sei, die Ware zu untersuchen und unter Berufung auf ihre angebliche Mangelhaftigkeit die Akkreditivforderung des Begünstigten gegen die Beklagte auf dem Arrestwege pfänden zu lassen. Dieser Vorgang ist erheblich, weil die Akkreditivbank die Dokumente zunächst nur als Treuhänder des Begünstigten zur Prüfung erhält. Sie ist hingegen nicht berechtigt, die Ware anzufassen oder auch nur zu besichtigen (vgl. Liesecke WM 1966, 458, 466 f.). Erst recht ist sie nicht befugt, die Dokumente zwecks Besichtigung der Ware an den Käufer weiter zu leiten. Das Berufungsgericht hätte deshalb dem bezeichneten Vortrag, der möglicherweise zum Teil sogar unstreitig sein könnte, nachgehen und, soweit erforderlich, über ihn Beweis erheben müssen.

10

Hätte die Beklagte infolge vorbehaltloser Aufnahme der Dokumente das Recht verloren, sich gegenüber dem Begünstigten auf deren mangelnde Akkreditivgemäßheit zu berufen, so könnte eine Beeinträchtigung schutzwerter Rechtspositionen der Beklagten nur darin liegen, daß ihr durch das Vorgehen der Klägerin Einwendungen aus dem Grundgeschäft verloren gegangen sind, die sie der Akkreditivforderung des Begünstigten berechtigterweise hätte entgegensetzen können. Zur Erfüllung dieser Voraussetzung genügt es jedoch nicht, wie das Berufungsgericht mindestens in bezug auf das zweite Akkreditiv annimmt, daß der Auftraggeber der Beklagten Mängel der Ware festgestellt haben will und zur Sicherung seiner Gewährleistungsrechte die Akkreditivforderung des Begünstigten gegen die Bank auf dem Arrestwege gepfändet hat. Aus dem dokumentären Charakter des Akkreditivs folgt, daß die Bank dem Begünstigten regelmäßig keine Einwendungen aus dem Grundgeschäft entgegenhalten kann. Es handelt sich dabei um einen tragenden Grundsatz des für den internationalen Handelsverkehr entwickelten Dokumentenakkreditivs (vgl. dazu auch ERG 1974 Art. 8 lit. a) sowie ERG 1983 Art. 3). Die Vereinbarung der Zahlungsabwicklung über ein Dokumentenakkreditiv soll dem Verkäufer die Gewähr bieten, daß er unabhängig von etwaigen Einwendungen aus dem Kaufvertrag zunächst Bezahlung seiner Lieferung erhält. Ansprüche aus dem Warengeschäft lassen deshalb die Zahlungsverpflichtung aus dem Akkreditiv grundsätzlich unberührt und sind vom Käufer selbständig geltend zu machen. Die Prozeßsituation wird damit umgekehrt: erst zahlen - dann prozessieren. Die Aufweichung dieses Grundsatzes würde die für den internationalen Warenverkehr unentbehrliche Funktion des Dokumentenakkreditivs gefährden. Demgemäß ist es allgemeine Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum, daß der Forderung aus dem Akkreditiv Einwendungen aus dem Grundgeschäft nur dann entgegengehalten werden dürfen, wenn sich das Zahlungsbegehren des Begünstigten als unzulässige Rechtsausübung darstellt (BGH Urt. v. 23. März 1955 - IV ZR 236/54, WM 1955, 765, 768; vgl. ferner Urt. v. 24. April 1958 - II ZR 38/57, WM 1958, 696, 697; v. 20. Januar 1964 - II ZR 150/62, WM 1964, 223; BGHZ 60, 262, 264;  28, 129;  OLG Frankfurt am Main WM 1981, 445; Zahn/Eberding/Ehrlich, Zahlung und Zahlungssicherung im Außenhandel 6. Aufl. Rdnr. 2/336 ff.; Eisenmann/Eberth, Das Dokumenten-Akkreditiv im Internationalen Handelsverkehr 2. Aufl. 1979 S. 170; Canaris, GroßKomm. HGB 3. Aufl. Bd. III/3 - 2. Bearbeitung - 1981, Rdnr. 1012 ff.; 1015, 1016 m. zahlr. w. Nachw.; Schlegelberger/Hefermehl, HGB 5. Aufl. Anh. zu § 365 Rdnr. 226). Dabei ist ein strenger Maßstab anzulegen. Mangelhaftigkeit der Ware reicht dazu nicht aus, selbst wenn es sich um schwere Mängel handelt. Es muß vielmehr offensichtlich sein, daß die Ware zur Vertragserfüllung ganz und gar ungeeignet ist (vgl. Zahn/Eberding/Ehrlich aaO Rdnr. 2/337; Schlegelberger/Hefermehl aaO Rdnr. 227 m. w. Nachw.; Canaris aaO Rdnr. 1021, der sogar eine strafbare Handlung, wie die vorsätzliche Verladung einer falschen Ware verlangt). In Übereinstimmung damit besteht im Ergebnis weitgehende Einigkeit, daß gerichtliche Eilmaßnahmen, mit denen der Käufer die Auszahlung des Akkreditivbetrages an den Begünstigten verhindern will, nur dann angeordnet werden dürfen, wenn die Inanspruchnahme des Akkreditivs als rechtsmißbräuchliche Ausnutzung einer formalen Rechtsstellung anzusehen wäre und dies liquide beweisbar ist (OLG Düsseldorf WM 1978, 359, 360; OLG Frankfurt am Main WM 1981, 445; Zahn/Eberding/Ehrlich aaO Rdnr. 2/354 ff.; Eisemann/Ebert aaO S. 167 ff.; beide m. zahlr. w. Nachw. auch zur Rechtsprechung und Literatur des Auslandes; Nielsen, Grundlagen des Akkreditivgeschäfts S. 150 ff. und 154 ff.; Schinnerer/Avancini, Bankverträge III. Teil S. 19 ff.; Canaris aaO Rdnr. 1065 a - hinsichtlich der prozessualen Seite - Schlegelberger/Hefermehl aaO Rdnr. 252; vgl. dazu auch Liesecke WM 1966, 458, 468 und WM 1976, 258, 267 f.).

11

Diese Maßstäbe gelten auch für das Akkreditiv mit hinausgeschobener Zahlung. Die dieser Akkreditivform eigene Hinausschiebung des Zahlungszeitpunkts ermöglicht es zwar dem Käufer, sich mit Hilfe der von dem Begünstigten eingereichten Dokumente vor Eintritt der Fälligkeit der Zahlung in den Besitz der Ware zu setzen, und diese auf ihre vertragsgemäße Beschaffenheit zu prüfen. Entspricht sie nicht seinen Erwartungen, so wird er versucht sein, seine Mängelrügen in die Abwicklung des Dokumentenakkreditivs hineinzutragen. Die Versuchung, die auf die angebliche oder wirkliche Mangelhaftigkeit der Ware gestützten Gegenansprüche durch Inanspruchnahme vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutzes gegen die Auszahlung des Akkreditivs zu sichern, ist bei dieser Variante des Akkreditivs sogar besonders groß. Ein solches Vorgehen widerspricht jedoch dem Wesen und der Funktion des Dokumentenakkreditivs. Durch die Hinausschiebung der Fälligkeit auf einen Zeitpunkt nach der Vorlage der Dokumente gewährt der Verkäufer dem Käufer eine Kreditierung. Dagegen ist es nicht Sinn dieser Akkreditivform, dem Käufer die Möglichkeit zu verschaffen, die Ware in der Zwischenzeit zu untersuchen und Einwendungen aus dem Warengeschäft in das Akkreditivverfahren hineinzutragen. Wegen der Gefahr eines solchen Mißbrauchs sind in der Vergangenheit erhebliche Bedenken gegen die Zulassung dieser Variante des Akkreditivs geäußert worden (vgl. Schinnerer/Avancini aaO S. 100; Eberth WM Sonderbeilage 4/1984 S. 6; Zahn/Eberding/Ehrlich aaO Rdnr. 2/108 jew. m. w. Nachw.). Diese Bedenken haben sich zwar nicht durchgesetzt. Die ERG 1983 (Art. 10) stellen aber klar, daß der Begünstigte auch im Falle des Akkreditivs mit hinausgeschobener Zahlung mit der Einreichung ordnungsgemäßer Dokumente einen selbständigen, unabhängig vom Grundgeschäft abzuwickelnden Zahlungsanspruch gegen die eröffnende Bank erwirbt, dessen Betagung nichts an der Akkreditivstrenge und der unbedingten Zahlungspflicht der akkreditiveröffnenden Bank ändert. Einwendungen aus dem Grundgeschäft sind auch hier nur in den gleichen Ausnahmefällen zulässig wie beim Zug und Zug abzuwickelnden Akkreditiv (ebenso Eberth WM Sonderbeilage 4/1984 S. 7; Zahn/Eberding/Ehrlich aaO Rdnr. 2/108). Diese Grundsätze folgen aus dem Wesen des Akkreditivs und gelten deshalb uneingeschränkt auch für diejenigen Akkreditive mit hinausgeschobener Zahlung, die noch unter die ERG 1974 fallen.

12

Danach wäre die Beklagte nur dann berechtigt gewesen, die Bezahlung der Akkreditivforderung am Fälligkeitstage zu verweigern, wenn die in der Zwischenzeit von ihrem Auftraggeber festgestellten Mängel der Ware offensichtlich und so schwerwiegend waren, daß sie schlechterdings nicht mehr als Erfüllung des Kaufvertrages geltend konnte und sich die Inanspruchnahme des Akkreditivs durch den Begünstigten als unzulässige, weil arglistige Ausnutzung einer formalen Rechtsposition darstellte. Andernfalls würden selbst erhebliche Mängel der gelieferten Waren nichts an der unbedingten Zahlungspflicht der Beklagten ändern, so daß sie die von der Klägerin am Fälligkeitstage geleistete Zahlung und damit auch die vorgenommene Verrechnung als Erfüllung ihres Auftrages gelten lassen und dem mit der Klage geltend gemachten Erstattungsanspruch der Klägerin entsprechen müßte.

13

War die Akkreditivforderung ungeachtet etwaiger Gegenrechte des Käufers aus dem Grundverhältnis bei Fälligkeit zu bezahlen, so ist die zu diesem Zeitpunkt als vollzogen anzusehende Verrechnung auch nicht deshalb unwirksam und deshalb nicht als im Auftrag erbrachte Leistung der Klägerin für die Beklagte anzuerkennen, weil der Käufer die Forderung des Begünstigten gegen die Beklagte, als deren Zahlstelle die Klägerin tätig geworden ist, aufgrund des Arrestes gepfändet hat. Zwar konnte, wenn, wie im vorliegenden Fall, davon auszugehen ist, daß die Bank nicht das Akkreditiv als solches bezahlt, sondern dem Einreicher lediglich einen Kredit auf die noch nicht fällige Akkreditivforderung in Form eines Vorschusses gewährt hat, die Akkreditivforderung von der Arrestpfändung noch erfaßt werden, weil sie durch die Vorschußzahlung nicht zum Erlöschen gebracht wurde, sondern noch bis zur Verrechnung fortbestand. Die Wirkungen der Arrestpfändung bestimmen sich jedoch nach §§ 930, 829 ZPO. Für sie bestimmt § 392 BGB, daß die Aufrechnung - und entsprechendes muß für eine vorher getroffene Verrechnungsabrede gelten - ungeachtet der durch die Arrestpfändung eingetretenen Beschlagnahme zulässig bleibt, wenn die zur Aufrechnung benutzte Forderung im Zeitpunkt der Beschlagnahme bereits dem Grunde nach bestand und nicht später als die Hauptforderung fällig wird. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall gegeben. Der Anspruch gegen den Begünstigten auf Rückzahlung des Vorschusses ist schon im Moment der vorzeitigen Zahlung der Beklagten entstanden und wird im selben Zeitpunkt wie die Akkreditivforderung fällig. Die damit für die zahlende Bank gegebene Möglichkeit, sich durch Verrechnung des Vorschusses auf den Akkreditivanspruch Befriedigung für den geleisteten Vorschuß zu verschaffen und zugleich eine Erstattungsforderung gegen ihren Auftraggeber zu erwerben, bedeutet für diesen keine ungerechtfertigte Verschlechterung seiner Rechtslage, weil diejenigen Fälle, in denen die Geltendmachung von Gegenrechten aus dem Grundgeschäft gegen die Akkreditivforderung unzulässig ist, sich im wesentlichen mit denjenigen decken, in denen der diese Gegenforderungen sichernde Arrest nicht hätte erlassen werden dürfen. Im vorliegenden Falle gilt im Ergebnis nichts anderes, da die Beklagte sich bei dem Käufer, ihrem Auftraggeber, schadlos halten könnte.

14

Infolge seiner abweichenden Rechtsansicht hat sich das Berufungsgericht weder mit der von der Klägerin behaupteten Aufnahme der Dokumente durch die Beklagte noch mit der Frage auseinandergesetzt, ob der Beklagten dadurch, daß die Klägerin ihre Weisung unbeachtet gelassen hat, die Auszahlung des Akkreditivbetrages im Hinblick auf die mit Mängeln der gelieferten Waren begründete Arrestpfändung zu unterlassen, gegenüber der Akkreditivforderung wirksame Einwendungen aus dem Grundgeschäft verloren gegangen sind. Da sein Urteil infolgedessen zu beiden Punkten keine tatsächlichen Feststellungen enthält, die dem Senat eine eigene Beurteilung ermöglichen, ist die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Urteils an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.