Bundesgerichtshof
Urt. v. 04.02.1987, Az.: VIII ZR 355/85
Verjährung eines Anspruchs auf Zahlung der Kosten für Renovierung und Reparaturen ; Anspruch wegen Verschlechterung der vermieteten Sache; Verjährung von Ansprüche, die auf einer vom Mieter (Pächter) vertraglich übernommenen Verpflichtung zur Instandhaltung und Wiederherstellung des früheren Zustandes beruhen ; Beginn der Verjährung der Vermieteransprüche mit dem Zeitpunkt, in welchem der Vermieter die vermietete Sache zurückerhält; Anwendung der Hemmung der Verjährung bei Verhandlungen über den zu leistenden Schadensersatz bei unerlaubten Handlungen auf einen Pachtvertrag
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 04.02.1987
- Aktenzeichen
- VIII ZR 355/85
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1987, 16343
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- OLG Köln - 30.10.1985
- LG Köln
Rechtsgrundlagen
Fundstellen
- JZ 1987, 630
- MDR 1987, 575 (Volltext mit amtl. LS)
- NJW 1987, 2072-2073 (Volltext mit amtl. LS)
- NJW-RR 1987, 1037 (amtl. Leitsatz)
- WuM 1987, 154-156 (Volltext mit amtl. LS)
Prozessführer
D. W. mbH, D.,
vertreten durch die Geschäftsführer Dipl.-Kfm. Manfred P. und Dr. Ottmar P., A.-S.-Straße 9, K.
Prozessgegner
B. L. GmbH & Co. KG,
vertreten durch die B. L. GmbH, diese vertreten durch die Geschäftsführer Hans V. und Hermann S., B. G. Straße 116-134, K.
Amtlicher Leitsatz
§ 852 Abs. 2 BGB gilt für Ansprüche des Vermieters wegen Veränderungen oder Verschlechterungen der Mietsache auch dann, wenn diese durch den vertragsmäßigen Gebrauch des Mietobjektes herbeigeführt worden sind, der Mieter aber insoweit die Ersatzpflicht vertraglich übernommen hat (Ergänzung zu BGHZ 93, 64 [BGH 28.11.1984 - VIII ZR 240/83]).
In dem Rechtsstreit
hat der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs
auf die mündliche Verhandlung vom 4. Februar 1987
durch
den Vorsitzenden Richter Braxmaier
und die Richter Wolf, Dr. Skibbe, Treier und Dr. Paulusch
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 30. Oktober 1985 im Kostenausspruch und insoweit aufgehoben, als die Klägerin mit dem Anspruch auf Zahlung von 154.625,32 DM nebst Zinsen als Ersatz für unterbliebene Renovierung und Reparaturen sowie für fehlendes Inventar abgewiesen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Die Klägerin verpachtete der Beklagten mit schriftlichem Vertrag vom 13. Mai 1968 eine Schank- und Speisegaststätte im Hause K.-D., A.-S.-Str. 9 a. In dem Nachtrag vom 14. Dezember 1973 wurde das Pachtverhältnis bis zum 31. Mai 1978 verlängert und der Beklagten ein Optionsrecht für weitere fünf Jahre eingeräumt, von dem sie Gebrauch machte. In dem Pachtvertrag ist u.a. vereinbart:
"§ 5
Inventarinstandhaltung:Brauerei (Beklagte) hat das mitverpachtete Inventar zu pflegen und in gutem Zustand zu erhalten, abgängig gewordene Gegenstände durch neue der gleichen Art und Beschaffenheit zu ersetzen. Erforderliche Reparaturen an dem Inventar sind umgehend und vollständig durchzuführen.
Inventarabgänge und -ergänzungen sind D. (Klägerin) mitzuteilen. Die Kosten für die Erhaltung und Instandsetzung des Inventars trägt Brauerei.
Bei Beendigung des Pachtvertrages sind sämtliche Inventargegenstände vollständig und vollzählig in gutem, gebrauchsfertigem Zustand an D. zurückzugeben.
§ 6
Zustand des Pachtobjektes:D. übergibt die Pachträume in renoviertem Zustand. Brauerei verpflichtet sich, alle während der Dauer der Pachtzeit anfallenden Reparaturen in den angepachteten Räumlichkeiten auf ihre Kosten durchzuführen. Brauerei hat die Räume bei Ablauf des Vertrages in renoviertem Zustand zu übergeben.
..."
Die Beklagte hat das Pachtobjekt mehrfach hintereinander unterverpachtet. Der letzte Unterpächter verließ am 18. Oktober 1982 die Gaststätte. In der Folgezeit wurde sie nicht mehr betrieben, bis die Klägerin das Pachtobjekt im Jahre 1984 anderweitig verpachtete.
Mit der Klage hat die Klägerin 45.639,22 DM als rückständigen Pachtzins und 160.715,32 DM als Ersatz für unterbliebene Renovierung und Reparaturen sowie für fehlendes Inventar des Pachtobjektes verlangt.
Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung des verlangten Pachtzinses verurteilt und im übrigen die Klage wegen Verjährung abgewiesen. Im zweiten Rechtszug hat die Klägerin den Anspruch auf Zahlung von 160.715/32 DM in Höhe von 6.090,- DM für erledigt erklärt und deshalb den Erstattungsanspruch nur noch in Höhe von 154.625,32 DM geltend gemacht. Das Berufungsgericht hat der Klägerin Pachtzins in Höhe von 29.518,90 DM zuerkannt und wegen der Pachtzinsforderungen für Juni bis August 1983 die Klage abgewiesen. Die Abweisung des Anspruchs auf Zahlung von Renovierungskosten hat es bestätigt.
Mit der Revision hat die Klägerin die Pachtzinsansprüche für Juni bis August 1983 und den Erstattungsanspruch weiterverfolgt. Der Senat hat mit Beschluß vom 8. Oktober 1986 die Revision hinsichtlich des Anspruchs auf Zahlung von 154.625,32 DM angenommen. Im übrigen hat er die Annahme des Rechtsmittels abgelehnt. Im Umfang der Annahme verfolgt die Klägerin den Klageantrag weiter. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
1.
Ebenso wie das Landgericht meint das Berufungsgericht, der Anspruch auf Zahlung der Kosten für Renovierung und Reparaturen sowie für fehlendes Inventar sei verjährt. Es führt dazu aus:
a)
Die Forderung unterliege der sechsmonatigen Verjährung nach § 558 BGB. Nach der Vorschrift sei für den Beginn der Verjährung entscheidend, daß der Vermieter alle Mängel der gemieteten Sache tatsächlich feststellen könne und die Gefahr einer durch Weiternutzung des Mietobjektes bedingten Hinzufügung neuer Mängel nicht mehr bestehe. Im vorliegenden Fall habe die Klägerin ab 16. Februar 1983 alle Mängel im einzelnen feststellen können, weil an diesem Tag ihre Tochtergesellschaft, die B. Baugesellschaft mbH, einen Schlüssel zu den Räumlichkeiten erhalten habe. Ab 1. Juni 1983 sei mit zusätzlichen durch die Beklagte verursachten Veränderungen oder Verschlechterungen des Pachtobjektes nicht mehr zu rechnen gewesen, weil am 31. Mai 1983 der Pachtvertrag beendet gewesen sei. Sei, wie im vorliegenden Fall, die Mängelfeststellung vor Beendigung des Pachtverhältnisses abgeschlossen und stehe, wie hier, auch schon vor der Beendigung des Vertrages fest, daß neue Veränderungen oder Verschlechterungen nicht mehr hinzukämen, beginne die Frist des § 558 BGB spätestens mit der Beendigung des Vertrages, hier am 1. Juni 1983. Die sechsmonatige Verjährungsfrist sei deshalb am 1. Dezember 1983 abgelaufen. Demnach sei bei Einreichung des Mahngesuchs (24. Dezember 1983) der Anspruch bereits verjährt gewesen.
b)
Aufgrund der Verhandlungen, welche die Parteien bis zum 18. Oktober 1983 darüber geführt hätten, ob und in welchem Umfang die Beklagte ersatzpflichtig sei, sei die Verjährung nicht gehemmt worden. Eine entsprechende Anwendung des § 852 Abs. 2 BGB komme nicht in Betracht. Es sei davon auszugehen, daß die von der Klägerin geltend gemachten Kosten durch den vertragsgemäßen Gebrauch des Pachtobjektes verursacht worden seien. Eine Ersatzpflicht der Beklagten bestehe daher nicht kraft Gesetzes, sondern allein deswegen, weil die Beklagte diese Kosten in den §§ 4 bis 6 des Pachtvertrages übernommen habe. Auf solche Ansprüche könne § 852 Abs. 2 BGB nicht entsprechend angewendet werden.
2.
Dagegen wendet sich die Revision mit Erfolg.
a)
Nicht zu beanstanden ist, daß das Berufungsgericht den Anspruch der Klägerin als einen solchen wegen Verschlechterung der vermieteten Sache im Sinne des auf einen Pachtvertrag gemäß § 581 Abs. 2 BGB entsprechend anwendbaren § 558 BGB angesehen hat. Die Beklagte hat nämlich in den §§ 5, 6 des Pachtvertrages alle während der Pachtzeit in den gepachteten Räumlichkeiten anfallenden Reparaturen und die Kosten für die Erhaltung und Instandhaltung des Inventars übernommen, und es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats, daß von § 558 BGB auch solche Ansprüche erfaßt werden, die auf einer vom Mieter (Pächter) vertraglich übernommenen Verpflichtung zur Instandhaltung und Wiederherstellung des früheren Zustandes beruhen (BGHZ 86, 71 zu III 3 a bb und III 3 b cc m.w.N.).
b)
Nach § 558 Abs. 2 BGB beginnt die Verjährung der Vermieteransprüche mit dem Zeitpunkt, in welchem der Vermieter die vermietete Sache zurückerhält. Das ist entgegen der Meinung der Revision hier nicht der Zeitpunkt, in welchem die Parteien die Verhandlungen über die Berechtigung der Forderung der Klägerin abgebrochen haben. Diese Verhandlungen sind nur von Bedeutung für die Frage, ob die Verjährung gehemmt war. Maßgeblich für den Verjährungsbeginn ist vielmehr der Zeitpunkt, in welchem der Vermieter freien Zugang zur Mietsache hat, so daß er sie untersuchen und etwaige Mängel oder Veränderungen feststellen kann (Senatsurteil vom 15. Juni 1981 - VIII ZR 129/80 = WM 1981, 956). Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts war eine solche Lage für die Klägerin ab 16. Februar 1983 gegeben, weil an diesem Tag ihre Tochtergesellschaft, die B. Baugesellschaft mbH, von der Beklagten einen Schlüssel zu den Räumlichkeiten erhielt, um im einzelnen den Zustand der Räume zur Klärung der Verpächteransprüche feststellen zu können, wovon sie auch noch am selben Tag Gebrauch gemacht hat. Ist, wie hier, dem Verpächter die Möglichkeit gegeben, sich in den Besitz des Pachtobjektes zu setzen und sich ungestört ein umfassendes Bild von den Veränderungen und Verschlechterungen der Pachtsache zu machen, so genügt dies für den Beginn der Verjährung seiner Ansprüche (BGHZ 97, 59, 63) [BGH 22.01.1986 - IVa ZR 65/84].
c)
Die sechsmonatige Verjährung lief daher am 16. August 1983 ab, wenn durch die Verhandlungen der Parteien die Verjährung nicht gehemmt war. Die Auffassung des Berufungsgerichts, § 852 Abs. 2 BGBüber die Hemmung der Verjährung bei Verhandlungen über den zu leistenden Schadensersatz bei unerlaubten Handlungen könne hier nicht entsprechend angewendet werden, vermag der Senat nicht zu teilen.
aa)
Wie der Senat bereits in dem Urteil vom 28. November 1984 (BGHZ 93, 64 [BGH 28.11.1984 - VIII ZR 240/83] zu 2 d cc) ausgeführt hat, muß § 852 Abs. 2 BGB nicht nur für eine mit einem Deliktsanspruch konkurrierende vertragliche Forderung wegen Veränderung oder Verschlechterung der gemieteten Sache gelten, sondern auch für Ansprüche gleicher Art, die ausschließlich vertraglicher Natur sind. Im vorliegenden Fall ist nach den Ausführungen des Berufungsgerichts davon auszugehen, daß der Klageanspruch nur aufgrund der §§ 5, 6 des Pachtvertrages gerechtfertigt ist, weil die Veränderungen und Verschlechterungen des Pachtobjekts durch vertragsgemäßen Gebrauch herbeigeführt worden sind, welche der Pächter nach der gesetzlichen Regelung (§ 548 BGB) an sich nicht zu vertreten hat. Hier hat die Pächterin nach den genannten Vertragsbestimmungen auch für solche Veränderungen und Verschlechterungen des Pachtobjekts einzustehen. Gründe dafür, weshalb auf derartige Ansprüche im Gegensatz zu zwar nur vertraglichen, aber aus dem Gesetz herzuleitenden Forderungen § 852 Abs. 2 BGB nicht entsprechend anwendbar sein soll, gibt das Berufungsgericht nicht an. Sie bestehen auch nicht. Die Rechtsklarheit erfordert für alle Ansprüche, die der kurzen Verjährung des § 558 Abs. 2 BGB unterliegen, die Möglichkeit der entsprechenden Anwendung des § 852 Abs. 2 BGB. Die Notwendigkeit hierzu zeigt gerade der vorliegende Fall. Dadurch, daß sie dem Pächter die Haftung für die vertragsgemäße Nutzung der Räume auferlegt haben, haben die Vertragsteile aus dieser Abrede folgende Ansprüche gleichgestellt mit aus dem Gesetz folgenden vertraglichen Forderungen wegen Veränderungen oder Verschlechterungen des Pachtobjektes. Der Grund für eine solche Vereinbarung ist nicht nur in der möglichst weitgehenden Entlastung des Verpächters von der Verpflichtung zur Instandhaltung des Pachtobjektes, sondern auch darin zu sehen, eine Auseinandersetzung über die oft schwer zu entscheidende Frage zu vermeiden, ob die Veränderungen oder Verschlechterungen auf vertragsmäßigem Gebrauch beruhen oder nicht. Der Zweck der Gleichstellung würde verfehlt, wenn in den nicht seltenen Fällen, in denen Verhandlungen über die Höhe des zu leistenden Ersatzes geführt worden sind, zur Klärung der Frage der Hemmung der Verjährung unterschieden werden müßte zwischen aus dem Gesetz folgenden vertraglichen Ansprüchen und solchen, die nur aufgrund einer besonderen Vereinbarung bestehen.
bb)
Bei den Verhandlungen, welche die Parteien geführt haben, handelt es sich um solche im Sinne von § 852 Abs. 2 BGB. Dieser Begriff ist weit auszulegen. Darunter ist jeder Meinungsaustausch über den Schadensfall zwischen dem Berechtigten und dem Verpflichteten zu verstehen, wenn nicht sofort erkennbar die Verhandlungen über die Ersatzpflicht oder jeder Ersatz abgelehnt werden (BGHZ 93, 64 [BGH 28.11.1984 - VIII ZR 240/83] zu 2 d). Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts haben die Parteien Gutachten zur Feststellung der Höhe des Ersatzanspruchs der Klägerin erstellen lassen und über die von den Sachverständigen getroffenen Feststellungen korrespondiert. Darin sind Verhandlungen in dem dargelegten Sinn zu sehen. Diese wurden nach den Feststellungen des Berufungsgerichts erst am 18. Oktober 1983 abgebrochen. Das Berufungsgericht nimmt zur Begründung für diese Annahme auf das Schreiben der Beklagten an die Klägerin vom 21. Dezember 1983 Bezug, wonach die Beklagte der Klägerin am 18. Oktober 1983 erklärte, sie sehe sich außerstande, über ihr mit Schreiben vom 19. Mai 1983 gemachtes Vergleichsangebot von 40.000,- DM hinauszugehen. Es ist nicht zu beanstanden, daß das Berufungsgericht hierin die Beendigung der Verhandlungen gesehen hat.
d)
Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts haben die Parteien bereits seit November 1982 über den von der Klägerin zu leistenden Geldersatz verhandelt. Bereits bei Rückgabe der Pachtsache war daher die Verjährungsfrist gehemmt. Da die Verhandlungen erst am 18. Oktober 1983 beendet waren und der Zeitraum der Hemmung in die Verjährungsfrist nicht eingerechnet wird (§ 205 BGB), war die sechsmonatige Verjährungs-frist des § 558 BGB bei Einreichung des Mahngesuchs am 24. Dezember 1983 noch nicht abgelaufen. Die Verjährungseinrede der Beklagten ist daher unbegründet.
3.
Nach allem war das angefochtene Urteil im Kostenausspruch und insoweit aufzuheben, als das Berufungsgericht die Klägerin mit dem Anspruch auf Zahlung von 154.625,32 DM für unterbliebene Renovierung und Reparaturen sowie für fehlendes Inventar abgewiesen hat. Im Umfang der Aufhebung war die Sache an das Berufungsgericht zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.
Das Berufungsgericht hat numehr darüber zu entscheiden, in welchem Umfang die Forderung der Klägerin begründet ist. Da nach seinen Feststellungen das Pachtobjekt inzwischen umgebaut worden ist, wird es das Senatsurteil BGHZ 77, 301 [BGH 25.06.1980 - VIII ZR 260/79] zu beachten haben.
Da die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens vom endgültigen Ausgang des Rechtsstreits abhängt, war sie dem Berufungsgericht zu übertragen.
Wolf
Dr. Skibbe
Treier
Dr. Paulusch