Bundesgerichtshof
Urt. v. 11.12.1986, Az.: III ZR 268/85
Anspruch auf Herausgabe der Bürgschaftsurkunde; Entfallen der beiderseitigen Rechte und Pflichten aus dem Girovertrag und Bestehen der Pflicht, die bestehende Vermögenslage abzuwickeln; Erlöschen der Verbindlichkeiten aus dem Girovertrag; Wiederaufleben der erloschenen Bürgschaftsschuld; Schadensersatz wegen verspäteter Freigabe des Bauspardarlehens; Anspruch auf Ersatz vorprozessualer Anwaltskosten unter dem Gesichtspunkt des Verzuges; Rechtsschutzbedürfnis für die selbstständige Geltendmachung des (materiell-rechtlichen) Kostenerstattungsanspruchs
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 11.12.1986
- Aktenzeichen
- III ZR 268/85
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1986, 14659
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- OLG Koblenz - 29.03.1985
- LG Mainz - 09.03.1984
Rechtsgrundlagen
Prozessführer
Dr. Wolfgang S., Abraham-L.-Straße ..., W.,
Prozessgegner
B. Hypotheken- und Wechselbank,
gesetzlich vertreten durch ihre Vorstandsmitglieder Dr. Wilhelm A. und Dr. Hans B., Große La. ..., M.,
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass eine Hauptverbindlichkeit, für die sich jemand verbürgt hat, wieder aufleben kann, so ist die Bürgschaftsschuld endgültig erloschen und es besteht die Verpflichtung zur Herausgabe der Bürgschaftsurkunde.
- 2.
In Fällen, in denen neben dem materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch ein sich mit ihm deckender, im Kostenfestsetzungsverfahren verfolgbarer prozessualer Erstattungsanspruch besteht, ist stets zu prüfen, ob für die selbstständige Geltendmachung des (materiell-rechtlichen) Anspruchs ein Rechtsschutzbedürfnis vorhanden ist.
- 3.
Dieses wird in der Regel zu bejahen sein, wenn die vorprozessual entstandenen Aufwendungen, mögen sie auch aus nachträglicher Sicht im Ergebnis der Vorbereitung eines Rechtsstreits gedient haben, primär zu dessen Abwendung bestimmt waren.
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
auf die mündliche Verhandlung vom 11. Dezember 1986
durch
den Vorsitzenden Richter Dr. Krohn und
die Richter Kröner, Boujong, Dr. Halstenberg und Dr. Rinne
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision des Klägers werden das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 29. März 1985 aufgehoben und das Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Mainz vom 9. März 1984 abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt,
- 1.
die Urkunde über die vom Kläger zugunsten der Helvetic Grundbesitz Verwaltung GmbH am 27. April 1972 übernommene Bürgschaft an den Kläger herauszugeben,
- 2.
3.496,85 DM an den Kläger zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits fallen der Beklagten zur Last.
Tatbestand
Der Kläger und die zu seinem Unternehmungsbereich gehörende H. Grundbesitz Verwaltung GmbH (im folgenden: Helvetic) standen mit der Beklagten in Geschäftsverbindung. Durch schriftliche Erklärung vom 27. April 1972 übernahm der Kläger für alle gegenwärtigen und künftigen Forderungen der Beklagten gegen die H. in Höhe von 3,5 Millionen DM die selbstschuldnerische Bürgschaft.
Ende 1978 oder Anfang 1979 gewährte die Beklagte dem Kläger einen Kredit zur Zwischenfinanzierung eines von einem Manfred Höfler bei der Deutschen B. in D. abgeschlossenen Bausparvertrages über eine Bausparsumme von 204.000,- DM. Hierfür bestellte er der Deutschen Bausparkasse eine Grundschuld über 150.000,- DM, welche die Gläubiger in in Höhe von 122.000,- DM auf die Beklagte übertrug. Unter dem 2. Januar 1979 trat Höfler seine Ansprüche aus dem Bausparvertrag zur Sicherung des von der Beklagten gewährten Zwischenkredits an diese ab. In der Abtretungserklärung heißt es:
"Wurden oder werden steuerliche oder prämienrechtliche Vorteile für die Bausparbeiträge nicht in Anspruch genommen, so dient die Abtretung auch zur Sicherung aller - auch bedingter oder befristeter - Ansprüche, die dem Kreditinstitut gegen den Kreditnehmer aus der bankmäßigen Geschäftsverbindung, aus Bürgschaften, ... jetzt oder künftig zustehen."
Vorteile der genannten Art sind für den Bausparvertrag nicht in Anspruch genommen worden.
Die Geschäftsverbindungen des Klägers und der Helvetic zur Beklagten endeten im Jahre 1982. Zu diesem Zeitpunkt wiesen die Konten des Klägers und der H. bei der Beklagten Debetsalden von insgesamt etwa 32.000,- DM auf; inwieweit die Saldoforderungen gerechtfertigt waren, ist zwischen den Parteien streitig.
Die Deutsche Bausparkasse teilte den Bausparvertrag am 1. April 1983 zu; Hö. nahm die Zuteilung an. Das Bausparguthaben wurde der Beklagten ausgezahlt, die es zunächst dem Konto des Klägers gutschrieb. Von dort "überwies" sie am 14. Juni 1983 zum Zwecke der "Kontoglattstellung" 32.287,18 DM auf das Konto der H.. Einen weiteren Teilbetrag von 1.783,13 DM verwendete sie, um auch das Konto des Klägers "glattzustellen". Den Rest von 41.481,52 DM kehrte sie auf Veranlassung des Klägers dem Bausparer H. aus. Der Kläger erhielt den Darlehensanteil der Bausparsumme (122.400,- DM) am 30. Juni 1983 ausgezahlt.
Die Beklagte hatte den Kläger mit Schreiben vom 13. Mai 1983 in Höhe von 31.705,89 DM aus der Bürgschaft in Anspruch genommen. Der Kläger bestritt die Hauptforderung und verlangte von der Beklagten am 4. und 14. Juli 1983 die Herausgabe der Bürgschaftsurkunde. Da die Beklagte dem nicht entsprach, beauftragte der Kläger die W. Rechtsanwälte Jell und Partner mit seiner Vertretung. Diese forderten die Beklagte mit Schreiben vom 25. Juli 1983 erneut auf, die Bürgschaftsurkunde herauszugeben.
Mit Schreiben vom 25. August 1983 entließ die Beklagte den Kläger in Höhe von 3.460.000,- DM aus der Bürgschaft. Wegen des Restbetrages von 40.000,- DM hielt sie ihre Bürgschaftsforderung aufrecht. Damit hatte es folgende Bewandtnis:
In dem beim Landgericht Mainz anhängigen Rechtsstreit 9 O 211/85 hat der Bausparer Höfler die Beklagte auf Auszahlung des Bausparguthabens in Höhe von 74.082,86 DM in Anspruch genommen. Er bestreitet, daß der Beklagten gegen den Kläger und die H. Forderungen in der von der Beklagten behaupteten Höhe zugestanden haben. Nachdem die Beklagte 41.481,52 DM an ihn überwiesen hatte, hat er insoweit die Hauptsache für erledigt erklärt und begehrt nur noch den Restbetrag von 32.601,34 DM. Eine Entscheidung hierüber steht noch aus.
Im vorliegenden Rechtsstreit hat der Kläger von der Beklagten die Herausgabe der Bürgschaftsurkunde und hilfsweise die Erklärung verlangt, daß sie aus der Bürgschaft keine Rechte mehr herleite. Außerdem hat er Schadensersatz in Höhe von 3.496,85 DM begehrt, und zwar 2.513,36 DM wegen verspäteter Zustimmung der Beklagten zur Auszahlung des Bauspardarlehens sowie 983,49 DM vorprozessuale Anwaltskosten für das Verlangen auf Herausgabe der Bürgschaftsurkunde; hilfsweise hat er den gesamten Betrag von 3.496,85 DM als Ersatz seiner vorprozessualen Anwaltskosten geltend gemacht. Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, wenn Hö. den Prozeß 9 O 211/85 LG Mainz gewinne, hafte der Kläger ihr weiterhin aus der Bürgschaft. Sie könne dann nämlich entweder die der H. erteilte Gutschrift stornieren oder deren Rückgängigmachung aufgrund ungerechtfertigter Bereicherung verlangen.
Die Klage ist in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit der Revision verfolgt der Kläger seine Ansprüche weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Da der Rechtsstreit auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen zur Endentscheidung reif ist, kann der Senat gemäß § 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO in der Sache selbst befinden.
I.
Herausgabe der Bürgschaftsurkunde:
Nach Ansicht des Berufungsgerichts wäre der Herausgabeanspruch des Klägers nur dann gerechtfertigt, wenn Forderungen der Beklagten gegen die H. nicht mehr entstehen könnten. Diese Voraussetzung sei nicht erfüllt. Würde Hö. in dem beim Landgericht Mainz anhängigen Rechtsstreit obsiegen, so wäre die Hf. um das Erlöschen ihrer gegenüber der Beklagten bestehenden Verbindlichkeit bereichert. Für die Erfüllung dieses Bereicherungsanspruchs hafte der Kläger aus der Bürgschaft. Das fortbestehende Sicherungsinteresse der Beklagten ergebe sich aus Nr. 4 Abs. 3 i.V.m. Nr. 18 Abs. 2 ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen, wonach sie berechtigt sei, auch nach Beendigung der Geschäftsverbindung bis zu deren völliger Abwicklung Gutschriften zu stornieren, die infolge eines Irrtums, eines Schreibfehlers oder aus anderen Gründen vorgenommen werden, ohne daß ein entsprechender Auftrag erteilt sei. Ein solcher Fall liege hier vor.
Diese Ausführungen sind nicht frei von Rechtsirrtum. Der Kläger kann von der Beklagten nach § 371 BGB die Herausgabe der Bürgschaftsurkunde verlangen.
1.
Die Auflösung der zwischen der H. und der Beklagten bestehenden Geschäftsverbindung hat bewirkt, daß die beiderseitigen Rechte und Pflichten aus dem Girovertrag entfallen sind und die bestehende Vermögenslage abzuwickeln war (vgl. Canaris Bankvertragsrecht 2. Bearb. Rn. 491). Durch die im Rahmen dieses Abwicklungsverhältnisses vorgenommene "Kontoglattstellung" hat die Beklagte die Verbindlichkeit der H. aus dem Girovertrag, soweit sie bestanden haben sollte, zum Erlöschen gebracht. Mit dem Fortfall der Hauptverbindlichkeit ist zugleich die in ihrem Bestand von dieser abhängige Bürgschaftsschuld des Klägers erloschen. Davon geht auch die Revisionserwiderung aus.
Sollte die Beklagte - wie die Revision annimmt - mit der Verwendung der Ansparsumme zur "Glattstellung" des Kontos der Helvetic den Kläger aus der Bürgschaft in Anspruch genommen haben, würde im Ergebnis nichts anderes gelten. Mit der Befriedigung der Beklagten durch den Kläger als Bürgen, die gemäß § 774 BGB zum Übergang der Hauptforderung auf den Kläger geführt hätte, wäre dessen Bürgschaftsschuld ebenfalls erloschen.
2.
Zu Unrecht meint das Berufungsgericht, die erloschene Bürgschaftsschuld lebe wieder auf, wenn die Beklagte in dem beim Landgericht Mainz anhängigen Rechtsstreit gegen Hö. unterliege.
Allerdings hat sich der Kläger gegenüber der Beklagten auch für deren künftige Forderungen gegen die H. verbürgt. Deshalb könnte die Bürgschaftsschuld des Klägers wieder aufleben, wenn der Beklagten aus dem Rechtsverhältnis, auf das sich die Bürgschaft bezieht, ein Anspruch gegen die H. erwachsen würde. Nach Ansicht der Beklagten wäre das der Fall, wenn sie in dem Rechtsstreit, den Hö. vor dem Landgericht Mainz gegen sie führt, unterliegen würde. Das trifft jedoch nicht zu. Die Beklagte könnte auch bei Verlust des Prozesses gegen Hö. die der H. er teilte Gutschrift nicht stornieren, noch würde ihr dann in Höhe der "Kontoglattstellung" ein Bereicherungsanspruch gegen die H. zustehen. Hö. hat in jenem Rechtsstreit zur Begründung seiner Klageforderung geltend gemacht, der Beklagten habe gegen die H. ein Anspruch - in der von ihr behaupteten Höhe - nicht zugestanden. Wenn dies richtig ist, kann die Beklagte zwar im Prozeß gegen Hö. unterliegen. Daraus kann ihr aber kein Anspruch gegen die Helvetic erwachsen. Hat nämlich der Beklagten aus dem Girovertrag ein Anspruch gegen die H. nicht mehr zugestanden, so ist die "Kontoglattstellung" ins Leere gegangen. Dann kann die Beklagte weder die der H. erteilte Gutschrift stornieren, noch ist die H. durch die "Glattstellung" ihres Kontos bereichert.
Liegen somit keine Anhaltspunkte dafür vor, daß die Hauptverbindlichkeit, für die der Kläger sich verbürgt hat, wieder aufleben kann, so ist seine Bürgschaftsschuld endgültig erloschen und die Beklagte zur Herausgabe der Bürgschaftsurkunde verpflichtet.
II.
Schadensersatz wegen verspäteter Freigabe des Bauspardarlehens:
Das Berufungsgericht verneint für den geltend gemachten vertraglichen Schadensersatzanspruch die Sachlegitimation des Klägers, ein Verschulden der Beklagten und einen durch die angeblich verspätete Freigabe des Darlehens verursachten Schaden. Die hiergegen gerichteten Angriffe der Revision bleiben ohne Erfolg. Die begehrte Ersatzleistung steht dem Kläger weder aus dem Gesichtspunkt des Verzuges noch aus positiver Vertragsverletzung zu. Für derartige Ansprüche fehlt es an einer vertraglichen Grundlage.
Die Beklagte war dem Kläger gegenüber nicht verpflichtet, ihre Zustimmung zur Auszahlung des Darlehensanteils der Bausparsumme zu erteilen. Sie hat auch durch die angeblich verspätete Freigabe des Darlehens keine ihr dem Kläger gegenüber obliegende Pflicht verletzt. Partner des Bausparvertrages waren die Deutsche Bausparkasse und Hö.. Der Kläger selbst war am Abschluß des Bausparvertrages weder erkennbar beteiligt, noch hat er sich die Ansprüche Hö. aus dem Vertrage abtreten lassen. Es liegen auch keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vor, daß Höfler den Bausparvertrag zugunsten des Klägers abgeschlossen hat (§ 328 BGB). Die Übernahme der Zwischenfinanzierung durch den Kläger und die Abrede, daß die von Höfler erklärte Abtretung seiner Ansprüche an die Beklagte deren Forderungen gegen den Kläger sichern sollte, reichen hierfür nicht aus. Sie bieten auch keine tragfähige Grundlage für die Annahme, der Kläger sei in den Schutzbereich des Bausparvertrages dergestalt einbezogen worden, daß der Beklagten auch ihm gegenüber die pflichtgemäße Mitwirkung bei der Auszahlung des Bauspardarlehens obgelegen habe. Insoweit lassen die Ausführungen des Berufungsgerichts keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Klägers erkennen.
III.
Vorprozessuale Anwaltskosten:
Nach Ansicht des Berufungsgerichts kann der Kläger den Ersatz seiner vorprozessualen Anwaltskosten unter dem Gesichtspunkt des Verzuges schon deshalb nicht verlangen, weil ihm ein Anspruch auf Herausgabe der Bürgschaftsurkunde, zu dessen Durchsetzung er sich anwaltlicher Hilfe bedient hat, nicht zustehe. Auch habe er nicht behauptet, die Einschaltung der Anwälte sei zur Abwendung von Vermögensnachteilen erforderlich gewesen. Schließlich fehle es an einem Verschulden der Beklagten.
Dagegen wendet sich die Revision mit Erfolg. Der materiellrechtliche Kostenerstattungsanspruch des Klägers ist aus dem Gesichtspunkt des Verzuges (§ 286 Abs. 1 BGB) begründet.
1.
Als der Kläger sich zur Durchsetzung seines Anspruchs auf Herausgabe der Bürgschaftsurkunde anwaltlicher Hilfe bediente, befand sich die Beklagte aufgrund seiner Mahnschreiben vom 4. und 14. Juli 1983 mit ihrer Herausgabepflicht im Verzug. Da sie bei sorgfältiger Prüfung der Sach- und Rechtslage hätte erkennen können, daß sie nach "Glattstellung" des Kontos der Helvetic die Herausgabe der Bürgschaftsurkunde nicht mehr verweigern durfte, sie also der Vorwurf des Verschuldens trifft, hat sie dem Kläger den durch den Verzug entstandenen Schaden zu ersetzen.
Die Ersatzpflicht umfaßt die vorprozessualen Anwaltskosten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren (BAGE 10, 39 [BAG 23.09.1960 - 5 AZR 258/59]; Leipold in Stein/Jonas ZPO 20. Aufl. Rn. 18 vor § 91; vgl. auch BGH Urteil vom 30. April 1986 - VIII ZR 112/85 - NJW 1986, 2243, 2244 f m.w.Nachw. betr. Ansprüche aus unerlaubter Handlung, Verschulden bei Vertragsschluß und positiver Vertragsverletzung auf Ersatz der bei der Verfolgung von Schadensersatzforderungen entstehenden Rechtsanwaltskosten). Das ist der Fall, wenn ein verständiger Gläubiger nach der Lebenserfahrung weiteres Warten für unnötig und nicht sachgemäß halten darf (Leipold a.a.O. § 91 Rn. 46). Diese Voraussetzung war hier erfüllt, nachdem die Beklagte dem wiederholten Herausgabeverlangen des Klägers nicht nachgekommen war. Der Kläger brauchte nicht abzuwarten, ob die Beklagte ihn tatsächlich noch aus der Bürgschaft in Anspruch nehmen würde. Diese Gefahr ergab sich für ihn bei verständiger Würdigung der Sachlage schon daraus, daß sie die Urkunde entgegen seiner Aufforderung weiter einbehielt.
2.
Die vorprozessualen Anwaltskosten berechnen sich nach dem vollen Geschäftswert der Bürgschaft; das sind 3,5 Millionen DM. Einen Teilverzicht auf die Bürgschaft hat die Beklagte erst mit Schreiben vom 25. August 1983, also nach Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe durch den Kläger, erklärt. Ihren Schreiben vom 13. Mai und 1. August 1983 ist entgegen ihrer Auffassung keine endgültige und bindende Reduzierung des Bürgschaftsanspruchs zu entnehmen; Gegenteiliges hat auch das Berufungsgericht nicht festgestellt.
Bei einem Gegenstandswert von 3,5 Millionen DM beträgt eine volle Gebühr gemäß § 118 Abs. 1 BRAGO nach der Berechnung des Klägers 11.655,- DM (richtig wäre: 13.230,- DM). Selbst wenn die vom Kläger hinzugezogenen Anwälte nur die Hälfte der vollen Gebühr hätten beanspruchen können und diese auf die im vorliegenden Rechtsstreit erstinstanzlich angefallene Prozeßgebühr aus einem Wert von 40.000,- DM anzurechnen wäre (§ 118 Abs. 2 BRAGO), würde als ersatzfähiger Schaden - einschließlich Mehrwertsteuer - noch ein die Summe der mit dem Haupt- und Hilfsantrag eingeklagten Schadensposten (3.496,85 DM) übersteigender Betrag verbleiben.
3.
Der Kläger braucht sich mit seinem Anspruch auf Ersatz der vorprozessualen Anwaltskosten nicht in das Kostenfestsetzungsverfahren verweisen zu lassen.
a)
Für einen materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch ist allerdings grundsätzlich kein Raum, soweit es um Kosten geht, die durch die Einleitung und Führung eines Prozesses ausgelöst werden; ihre Erstattung richtet sich nach prozeßrechtlichen Grundsätzen (Zöller/Schneider ZPO 14. Aufl. Rn. 11 vor § 91; Schneider MDR 1981, 353, 358; vgl. auch BGHZ 45, 251, 257 f).
Anders verhält es sich mit Aufwendungen, die vor Beginn eines Prozesses gemacht werden. Sie können zwar nach Erlaß einer Kostenentscheidung aus Gründen der Prozeßwirtschaftlichkeit in das Festsetzungsverfahren nach §§ 103 ff ZPO einbezogen werden, soweit sie der Vorbereitung eines konkreten bevorstehenden Rechtsstreits gedient haben (sogenannte Vorbereitungskosten; Leipold a.a.O. § 91 Rn. 38 m.w.Nachw.). Das schließt aber nicht aus, daß diese Kosten, deren Entstehungsgrund nicht der Rechtsstreit selbst ist, auch Gegenstand eines materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruchs sein können (Löwisch NJW 1986, 1725, 1727 m.w.Nachw.; vgl. auch BGHZ 45, 251, 257).
In solchen Fällen, in denen neben dem materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch ein sich mit ihm deckender, im Kostenfestsetzungsverfahren verfolgbarer prozessualer Erstattungsanspruch besteht, ist stets zu prüfen, ob für die selbständige Geltendmachung des (materiell-rechtlichen) Anspruchs ein Rechtsschutzbedürfnis vorhanden ist (BGHZ 75, 230, 235 [BGH 06.11.1979 - VI ZR 254/77]; Leipold a.a.O. Rn. 20 vor § 91; Thomas/Putzo ZPO 14. Aufl. Anm. IV 2 vor § 91; wohl auch Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 44. Aufl. Übers. 4 A vor § 91; a. M. Zöller/Schneider a.a.O. Rn. 12 vor § 91; Schneider aaO). Dieses wird in der Regel zu bejahen sein, wenn die vorprozessual entstandenen Aufwendungen, mögen sie auch aus nachträglicher Sicht im Ergebnis der Vorbereitung eines Rechtsstreits gedient haben, primär zu dessen Abwendung bestimmt waren (Leipold a.a.O. § 91 Rn. 40).
b)
Danach kann im Streitfall ein Rechtsschutzbedürfnis für die selbständige Geltendmachung des (materiell-rechtlichen) Kostenerstattungsanspruchs nicht verneint werden. Die vom Kläger vorprozessual beauftragten Rechtsanwälte haben der Beklagten mit Schreiben vom 25. Juli 1983 ausdrücklich Gelegenheit gegeben, "rechtsfreundliche Schritte" durch Rückgabe der Bürgschaftsurkunde "abzuwenden". Das zeigt, daß es dem Kläger vornehmlich darauf ankam, den Streit über die Herausgabepflicht der Beklagten ohne Beanspruchung der Gerichte zu bereinigen.
IV.
Hiernach hat die Revision in vollem Umfang Erfolg. Eine teilweise Klageabweisung wegen des Anspruchs auf Ersatz des Schadens aus verspäteter Freigabe des Bauspardarlehens kommt nicht in Betracht, weil der Kläger insoweit hilfsweise Ersatz seiner vorprozessualen Anwaltskosten begehrt und dieser Anspruch gerechtfertigt ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Kröner,
Boujong,
Halstenberg,
Rinne