Bundesgerichtshof
Beschl. v. 30.10.1986, Az.: III ZR 262/85
Reichweite der Formnichtigkeit eines Betreuungsvertrages und Geschäftsbesorgungsvertrages; Vertrauen auf die Richtigkeit einer Vollmacht; Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung als einseitige prozessuale Willenserklärung; Treuwidriges Handeln durch das Versagen einer Genehmigung einer Willenserklärung ohne Vertretungsmacht
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 30.10.1986
- Aktenzeichen
- III ZR 262/85
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1986, 14961
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- OLG Stuttgart - 19.11.1985 - AZ: 10 U 262/84
Rechtsgrundlagen
Prozessführer
1. Günter W.
2. Adele W.
beide We. straße ..., R.
Prozessgegner
Wü. Kommunale Landesbank Girozentrale, L. straße ..., S.
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
durch
den Vorsitzenden Richter Dr. Krohn und
die Richter Kröner, Boujong, Dr. Engelhardt und Dr. Halstenberg am 30. Oktober 1986
gemäß § 554 b Abs. 1 ZPO
in der Auslegung durch das Bundesverfassungsgericht (Beschluß vom 11. Juni 1980 - 1 PBvU 1/79 - NJW 1981, 39)
beschlossen:
Tenor:
Die Revision der Kläger gegen das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 19. November 1985 - 10 U 262/84 - wird nicht angenommen.
Die Kläger tragen die Kosten des Revisionsverfahrens je zur Hälfte (§§ 97 Abs. 1, 100 Abs. 1 ZPO).
Streitwert: 358.206,- DM.
Gründe
Die Sache hat keine rechtsgrundsätzliche Bedeutung. Die Revision bietet auch im Ergebnis keine Aussicht auf Erfolg.
1.
Mit Recht hat das Berufungsgericht die Frage, ob die Formnichtigkeit des Betreuungs- und Geschäftsbesorgungsvertrages vom 4. Mai 1979 gemäß § 139 BGB auch die am 9. Mai 1979 erteilte Vollmacht ergreift, nicht abschließend entschieden, weil die Beklagte jedenfalls gemäß §§ 170-173 BGB auf die Wirksamkeit dieser Vollmacht vertrauen durfte. Die im Senatsurteil vom 8. November 1984 (III ZR 132/83 = NJW 1985, 730 [BGH 08.11.1984 - III ZR 132/83] = WM 1985, 10) für ein Bauherrenmodell entwickelten Grundsätze gelten auch für das vorliegende "Ersterwerbermodell" und führen zur Wirksamkeit der Darlehensverträge und auch der persönlichen Schuldanerkenntnisse in den notariellen Urkunden vom 6. November 1979, die Gegenstand der negativen Feststellungsklage sind.
2.
Mit Recht verweist die Revision allerdings darauf, daß die notariellen Urkunden vom 6. November 1979 Jeweils neben dem Schuldanerkenntnis als materielle Vertragserklärung auch die Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung gemäß §§ 794 Abs. 1 Nr. 5, 800 ZPO enthalten. Insoweit handelt es sich um einseitige, nicht empfangsbedürftige, rein prozessuale Willenserklärungen, auf welche die Vorschriften des BGB - und damit die §§ 170-173 - grundsätzlich nicht anwendbar sind (RGZ 146, 308, 312/313; Senatsurteil vom 23. Oktober 1980 - III ZR 62/79 - WM 1981, 189 zu II 1 m. w. Nachw.).
Trotzdem hat die Revision auch insoweit keine Aussicht auf Erfolg: Auch wenn man davon ausgeht, daß die BGA bei Abgabe der Unterwerfungserklärung als Vertreterin ohne Vertretungsmacht handelte, die Wirksamkeit des Vollstreckungstitels daher von der Genehmigung der Kläger abhing (vgl. § 89 ZPO, RGZ aaO), und wenn man eine solche Genehmigung nicht schon im späteren Verhalten der Kläger sehen will, so können die Kläger doch mit ihrer Berufung auf die fehlende Vollmacht/Genehmigung nicht durchdringen, weil sie damit treuwidrig handeln. In den Darlehensverträgen hatten sie sich nämlich gegenüber der Beklagten wirksam (vgl. oben zu 1.) verpflichtet, vollstreckbare Schuldanerkenntnisse abzugeben (vgl. Nr. 12.1 der Darlehensanträge, Nr. 1 der Darlehenszusagen). Wenn sie der BGA vor Abgabe der Unterwerfungserklärungen keine wirksame Vollmacht erteilt haben, waren und sind die Kläger verpflichtet, diese Erklärungen der BGA zu genehmigen und ihnen damit - rückwirkend (vgl. BGHZ 91, 111, 115 [BGH 17.04.1984 - GmS-OGB 2/83]; BGH Urteil vom 9. Mai 1984 - VIII ZR 47/83 = VersR 1984, 781, 782) - Wirksamkeit zu verleihen. Auch wenn sie diese Verpflichtung bisher nicht erfüllt haben, sind sie doch gehindert, aus der Nichterfüllung Vorteile zu ziehen, indem sie sich auf die Unwirksamkeit der Unterwerfungserklärungen berufen.
3.
Vergeblich machen die Kläger geltend, das Berufungsgericht habe keine Feststellungen darüber getroffen, ob die Einzelgrundschulden wirksam bestellt worden seien und inwieweit sie valutieren.
Im Text der Schuldanerkenntnisse wird zwar zur Bestimmung der Höhe jeweils auf die "durch die Verteilung entstehende Einzelgrundschuld" Bezug genommen. Die wirksame Bestellung der Grundschulden wird aber nicht zur Voraussetzung der Haftungsübernahme gemacht, die Unterwerfungserklärung vielmehr sofort und unbedingt abgegeben. Wenn die Kläger sich gegenüber der Inanspruchnahme aus den Schuldanerkenntnissen auf die Nichtbestellung der Grundschulden und ihre Nichtvalutierung berufen wollten, hätten sie in den Tatsacheninstanzen entsprechenden substantiierten Vortrag bringen müssen. Das ist nicht geschehen.
4.
Die Kläger müssen auch die Auszahlung des Darlehens an das Bankhaus Sch. gegen sich gelten lassen. Die Beklagte brauchte darin, daß im Darlehensvertrag eine solche Auszahlung der Endfinanzierungsvaluta an die Zwischenfinanzierer vorgesehen war, keine "prospekt- und geschäftsbesorgungsvertragswidrige Ausschaltung des Treuhänders" zu sehen. Sie hat dadurch auch keinen zusätzlichen Gefährdungstatbestand geschaffen, aus dem ihr besondere Aufklärungspflichten erwachsen wären (Senatsurteil vom 10. Oktober 1985 - III ZR 119/84 = WM 1986, 98, 99 zu III).
5.
Soweit die Kläger sich darauf berufen, im Gegensatz zu ihnen habe die Beklagte die strafbaren Manipulationen der BGA gekannt und sei deswegen zur Aufklärung verpflichtet gewesen, fehlte es - wie das Berufungsgericht mit Recht festgestellt hat - in der Tatsacheninstanz an hinreichend substantiiertem Vortrag. Die erst mit der Revisionsbegründung vorgelegten ausführlichen Haftentscheidungen aus dem Strafverfahren gegen die bei der BGA Verantwortlichen können gemäß § 561 Abs. 1 ZPO nicht berücksichtigt werden.
Allerdings wußte die Beklagte aufgrund der Ermittlungen ihrer Bauabteilung, daß die Prospektanpreisungen der BGA über Ausstattung und Wiederverkaufswert der angebotenen Immobilien nicht stimmten. Daraus kann aber keine Aufklärungspflicht hergeleitet werden, zumal der ermittelte Verkehrswert von 113.000 DM nicht erheblich von den Wertvorstellungen des Verkaufsangebots abwich: Von dem Gesamtaufwand von 124.827 DM sollten ca. 30.000 DM auf absetzbare Werbungskosten entfallen. Mit Recht konnte die Beklagte im übrigen erwarten, daß der Kläger - der Bauhandwerker ist, nicht sehr weit vom Kaufobjekt wohnt und Erfahrung in Immobilienanlagen hat - sich ein eigenes Urteil über die Angemessenheit des Preises (unter Berücksichtigung der erwarteten Steuervorteile) bildete. Die Revision beruft sich auch nicht speziell auf die Kenntnisse der Beklagten aufgrund des Wertgutachtens.
Streitwertbeschluss:
Streitwert: 358.206,- DM.
Kröner,
Boujong,
Engelhardt,
Halstenberg