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Bundesgerichtshof
Urt. v. 30.01.1986, Az.: I ZR 185/83

Fristlose Kündigung eines Handelsvertretervertrages aufgrund einer Betriebsumstellung; Schadensersatzansprüche und Ausgleichsansprüche wegen zu zahlender Provisionen und Provisionsverlusten; Einstellung der eigenen Vertriebstätigkeit und deren Übertragung auf ein im Konzernverbund stehendes Schwesterunternehmen

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
30.01.1986
Aktenzeichen
I ZR 185/83
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1986, 14790
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
OLG Düsseldorf - 12.08.1983
LG Krefeld

Fundstellen

  • MDR 1986, 730-731 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW 1986, 1931-1932 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW-RR 1986, 971 (amtl. Leitsatz)

Prozessführer

Handelsvertreter Rudolf M., St. straße ..., B. bei A.

Prozessgegner

Dietrich G. GmbH,
gesetzlich vertreten durch den Geschäftsführer, N.

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Eine Betriebsumstellung auf Grund vorangegangener wirtschaftlicher Verluste des Unternehmens rechtfertigt jedenfalls dann nicht eine fristlose Kündigung des Handelsvertretervertrages, wenn diese seit langer Zeit vorhersehbar war. Dem Unternehmer ist dann ein Abwarten der ordentlichen Kündigungsfrist zumutbar.

  2. 2.

    Zur Frage der Entstehung des Ausgleichsanspruchs, wenn ein Unternehmen seine Vertriebstätigkeit einstellt und ein im Konzernverbund stehendes Unternehmen diese fortführt.

In dem Rechtsstreitverfahren
hat der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes
auf die mündliche Verhandlung vom 30. Januar 1986
durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Frhr. v. Gamm und
die Richter Dr. Merkel, Dr. Piper, Dr. Erdmann und Dr. Mees
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Parteien wird das Urteil des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 12. August 1983 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Der Kläger war aufgrund eines im Jahr 1954 geschlossenen Vertrages als Handelsvertreter für den Vertrieb der Erzeugnisse der Beklagten, Bezugsstoffe, tätig. Im Jahr 1968 vereinbarten die Parteien zusätzlich, die Beklagte habe "ein Recht auf Kündigung des Vertretervertrages frühestens am 1. Juli zum 31. Dezember 1970".

2

Die Beklagte erlitt im Geschäftsjahr 1979 hohe Verluste. Mit Schreiben vom 5. Februar 1980 teilte sie ihren Handelsvertretern, darunter dem Kläger, mit, daß sie mit Ablauf des Monats Februar 1980 ihre eigene Verkaufstätigkeit einstellen werde. Die Beklagte beschränkte sich ab dieser Zeit auf eine Lohnproduktion mit teilweise geänderten Kollektionen, während der Vertrieb der von ihr hergestellten Artikel durch eine im Konzernverbund stehende Schwestergesellschaft erfolgte.

3

Der Kläger hat Schadensersatzansprüche in Höhe von zuletzt 84.530,35 DM und einen Ausgleichsanspruch in Höhe von 105.664,26 DM geltend gemacht.

4

Er hat hierzu vorgetragen, die Beklagte sei zu einer Kündigung zum 28. Februar 1980 nicht berechtigt gewesen. Hätte sie den Vertrag, wie es ihre Pflicht gewesen wäre, bis zum 31. Dezember 1980 weitergeführt, hätte er unter Berücksichtigung der bisherigen Geschäftsabschlüsse und der angebahnten Neugeschäfte noch Einkünfte in Höhe von 100.000,- DM erzielen können. Es sei ihm bis zum Ende des Jahres 1980 nicht gelungen, Ersatz für den Ausfall der Vertretung der Beklagten zu finden; andererseits habe er aber auch keine Betriebskosten in seinem Unternehmen erspart. Auf den Schadensersatzanspruch seien daher nur die gezahlten Provisionen aus von ihm angebahnten Geschäften anzurechnen.

5

Ein Ausgleichsanspruch sei in der verlangten Höhe, insbesondere auch unter Berücksichtigung der eingetretenen Provisionsverluste, gerechtfertigt. Die Schwestergesellschaft der Beklagten, die den Verkauf der Erzeugnisse übernommen habe, erziele aus den Umsätzen mit den von ihm geworbenen Kunden erhebliche Vorteile, die dem Konzern und damit letztlich auch der Beklagten zugute kämen.

6

Die Beklagte ist dem Verlangen des Klägers entgegengetreten und hat vorgetragen, wegen der hohen Verluste habe sie sich nicht nur zu einer Einstellung des Vertriebs entschlossen, sondern auch ihr Produktionsprogramm in erheblichem Maße ändern müssen. Sie habe kein Entgelt dafür erhalten, daß sie ihrer Schwestergesellschaft den Vertrieb ihrer Produkte überlassen habe; auch erhalte sie beim Absatz ihrer Erzeugnisse keine besondere Vergütung, wenn diese an ihre früheren Kunden verkauft würden.

7

Das Landgericht hat dem Kläger einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 15.310,46 DM zugebilligt, weil es der Beklagten zumutbar gewesen wäre, den Vertrag unter Einhaltung der Fristen für eine ordentliche Kündigung zum 30. Juni 1980 zu beenden. Durch die unberechtigte Kündigung habe der Kläger die Provisionseinnahmen, wie er sie in den vergleichbaren Monaten der Vorjahre erzielt habe, verloren. Das Landgericht hat dem Kläger ferner einen Ausgleichsanspruch in Höhe von 82.945,52 DM zugesprochen, weil die Umsätze mit den vom Kläger geworbenen Kunden weiterhin der Schwesterfirma und mithin auch der Beklagten zugute kämen.

8

Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen, soweit das Landgericht dem Kläger einen Schadensersatzanspruch zugebilligt hatte; es hat die Anschlußberufung, mit der der Kläger eine Erhöhung des Schadensersatzanspruchs verlangt hat, zurückgewiesen. Die Berufung der Beklagten, die sich gegen die Zubilligung eines Ausgleichsanspruchs gewendet hat, hat das Berufungsgericht zurückgewiesen.

9

Mit der Revision verfolgt der Kläger den Schadensersatzanspruch weiter; die Beklagte wendet sich mit ihrer Revision gegen die Zubilligung eines Ausgleichsanspruchs.

10

Die Parteien beantragen jeweils,

die Rechtsmittel der Gegenseite zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

11

I.

1.

Das Berufungsgericht hat einen Schadensersatzanspruch, den der Kläger daraus hergeleitet hat, daß die Beklagte zu einer Kündigung zum 28. Februar 1980 nicht berechtigt gewesen sei, oder daß sie ihn verspätet von der Betriebsumstellung unterrichtet habe, verneint. Es hat zur Begründung ausgeführt:

12

Nachdem die Beklagte sich entschlossen habe, ihre Verkaufstätigkeit einzustellen, sei ihr nicht zumutbar gewesen, das Vertragsverhältnis bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfristen fortzusetzen. Die Umstrukturierung des Betriebs sei im Rahmen der ihr vorbehaltenen unternehmerischen Entschließungsfreiheit erfolgt. Sie sei wirtschaftlich wegen der eingetretenen Verluste geboten gewesen. Die Beklagte habe sich nicht willkürlich über die Interessen des Klägers als Handelsvertreter hinweggesetzt; es fehlten konkrete Anhaltspunkte dafür, daß die Umstellung rechtsmißbräuchlich erfolgt sei, um sich der Handelsvertreter zu entledigen.

13

Auch habe die Beklagte den Kläger nicht zu spät über die Umstellung unterrichtet, da sie ein besonderes Interesse gehabt habe, diese möglichst lang geheimzuhalten. Dem Vorbringen des Klägers sei nicht zu entnehmen gewesen, daß die Beklagte sich schon früher zu den durchgeführten Maßnahmen entschlossen hätte. Der Kläger habe zudem nach seinem eigenen Vorbringen aus einer verspäteten Unterrichtung keinen Schaden erlitten, weil er selbst vorgetragen habe, im Verlaufe des Jahres 1980 keine Ersatzvertretung gefunden zu haben.

14

2.

Das Berufungsgericht hat zur Begründung des dem Kläger zugebilligten Ausgleichsanspruchs aus Anlaß der Beendigung des Handelsvertretervertrages ausgeführt, zwar habe der Unternehmer im Fall einer Betriebsumstellung in der Regel keinen Vorteil mehr aus dem von dem Handelsvertreter geworbenen Kundenstamm. Die Vorteile könnten aber im Fall einer Umstrukturierung innerhalb einer Firmengruppe bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise fortbestehen. Werde ein vorhandener Kundenstamm von einer anderen Konzerngesellschaft genutzt, sei das dem Grunde nach bereits ein erheblicher Vorteil des zum Konzern gehörenden Unternehmens, dessen Handelsvertreter die Kunden geworben habe. Schon dieser mittelbare Vorteil für den Konzern genüge zur Begründung eines Anspruchs nach § 89 b Abs. 1 HGB. Die Beklagte sei durch die Umstellung wirtschaftlich gesundet und erleide keine Verluste mehr. Dieser Erfolg sei auch mit Hilfe des vom Kläger geworbenen Kundenstamms erreicht worden, da die für die Schwestergesellschaften der Beklagten tätigen Handelsvertreter vor der Umstellung nur deren Kollektion vertreten hätten, nicht aber die der Beklagten. Auf das zwischen den Parteien streitige Ausmaß der Umstellung komme es dabei nicht an, da es nicht billig sei, den Ausgleichsanspruch von Entscheidungen der Konzernleitung und Veränderungen der Marktverhältnisse abhängig zu machen. Das Landgericht habe den Ausgleichsanspruch auch der Höhe nach zutreffend berechnet.

15

II.

Die Revisionen haben Erfolg. Sie führen zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

16

A.

Revision des Klägers

17

1.

Die Ausführungen des Berufungsgerichts, mit denen es die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs des Klägers wegen einer positiven Vertragsverletzung der Beklagten verneint hat, halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Beklagte hat vielmehr die ihr auf Grund des Vertretervertrags obliegende Verpflichtung, die Interessen des Klägers bei ihren Entscheidungen zu wahren, durch den Ausspruch der Kündigung aus wichtigem Grund vom 5. Februar zum 28. Februar 1980 verletzt.

18

Rechtsfehlerfrei ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß es für die Berechtigung einer Kündigung aus wichtigem Grund darauf ankommt, ob dem Unternehmer unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Handelsvertretervertrages bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfristen nicht zugemutet werden kann (BGH, Urt. v. 7.7.1978 - I ZR 169/76, DB 1978, 1882). Die vom Berufungsgericht hierzu festgestellten Tatsachen tragen indessen die Annahme nicht, die Beklagte sei zu der von ihr ausgesprochenen Kündigung aus wichtigem Grund berechtigt gewesen.

19

Die Einstellung der eigenen Vertriebstätigkeit und deren Übertragung auf ein im Konzernverbund stehendes Schwesterunternehmen reichen im Streitfall nicht aus, das Vertragsverhältnis zum Kläger aus wichtigem Grund zu beenden. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts war es nicht überraschend und plötzlich zu der Betriebsumstellung bei der Beklagten und zu der Übertragung des Vertriebs der von ihr hergestellten Waren auf ein anderes Unternehmen gekommen. Die Vereinbarung der Parteien im Jahr 1968 über eine Festlegung der Kündigungsfrist "vom 1. Juli zum 31. Dezember 1970" für den Fall einer Betriebsumstrukturierung zeigt vielmehr, daß die Beklagte sich schon seit langem mit dieser Möglichkeit auseinanderzusetzen hatte. Wenn sie dann gleichwohl über Jahre den Vertrag mit dem Kläger fortführte, kann sie ohne Hinzutreten weiterer Gründe nicht innerhalb einer Frist von zwei Wochen kündigen; vielmehr war ihr zumutbar, die ordentliche Kündigungsfrist abzuwarten. Das gilt unabhängig davon, ob die Vereinbarung aus dem Jahr 1968 über eine Kündigungsfrist vom "1. Juli zum 31. Dezember 1970" auch zu diesem Zeitpunkt noch Bestand hatte. Das besondere Interesse des Klägers, frühzeitig von einer bevorstehenden Umstrukturierung und Vertragsbeendigung zu erfahren, war der Beklagten bekannt. Dann war sie aber bei dem vorliegenden Sachverhalt gehalten, jedenfalls die ordentliche Kündigungsfrist abzuwarten. Ein solches Abwarten war der Beklagten auch deshalb zumutbar, weil sie ihr Unternehmen als Herstellungsbetrieb, wenn auch eingeschränkt, fortführte, und jedenfalls für eine Übergangszeit den Vertrieb noch in der bisherigen Form unter Einschaltung des Klägers hätte fortführen können.

20

2.

Die Kündigung mit einer Zwei-Wochen-Frist ist danach unwirksam; die Beklagte ist dem Kläger zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der dadurch entstanden ist, daß der Kläger, wie er behauptet, keinen Ersatz für den Ausfall der Vertretung der Beklagten bis zum Ende des Jahres 1980 gefunden habe. Zur Schadenshöhe hat das Berufungsgericht noch keine eigenen Feststellungen getroffen; daher war das Urteil aufzuheben und die Sache zurückzuverweisen. Das Berufungsgericht wird zunächst feststellen müssen, welche Bedeutung die Vertragsergänzung vom 27. Juni 1968 hatte, insbesondere ob sie nur für das Jahr 1970 galt oder generell für die Zukunft gelten sollte, wie der Kläger behauptet hat. Die Richtigkeit dieser Behauptung wird das Berufungsgericht nicht mit der von ihm gegebenen Begründung ungeprüft lassen können. Stellt nämlich nach den vorstehenden Ausführungen die Umstrukturierung keinen Grund zur Kündigung aus wichtigem Grund im Sinn des § 89 a Abs. 1 Satz 1 HGB dar, ist die Vereinbarung des Ausschlusses einer fristlosen Kündigung für diesen Fall auch nicht nach § 89 a Abs. 1 Satz 2 HGB untersagt.

21

B.

Revision der Beklagten.

22

1.

Das Berufungsgericht ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, daß dem Kläger als ausgeschiedenem Handelsvertreter nach § 89 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HGB ein Ausgleichsanspruch zustehen kann, wenn die Beklagte aus der Geschäftsverbindung mit den neu geworbenen Kunden auch noch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses erhebliche Vorteile hat. Das ist nur der Fall, wenn der Unternehmer den Kundenstamm tatsächlich zu seinem Vorteil weiter nutzt und so nach der Vertragsbeendigung noch erhebliche Vorteile aus der Tätigkeit des Handelsvertreters zieht. Die Bildung eines Kundenstamms allein ist mithin noch kein erheblicher Vorteil im Sinn des § 89 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HGB (BGHZ 49, 39, 43). Unterhält der Unternehmer keine Kundenbeziehungen mehr, kann ihm das bloße Bestehen eines Kundenstammes deshalb nicht als Vorteil angerechnet werden.

23

2.

Das Berufungsgericht sieht einen Vorteil der Beklagten deshalb als gegeben an, weil eine Schwestergesellschaft, die mit der Beklagten in einem Konzernverhältnis steht, den Kundenstamm übernommen habe und daraus Vorteile ziehe, die mittelbar der Beklagten als Konzernunternehmen auch zugute kämen, da sie wirtschaftlich gesundet sei. Damit lassen sich aber die Voraussetzungen eines Ausgleichsanspruchs nicht begründen. Dieser vom Berufungsgericht als "mittelbar" bezeichnete Vorteil ist zu unbestimmt, um daraus die vom Kläger begehrte Rechtsfolge herleiten zu können. Das Berufungsgericht hat keine Feststellungen dazu treffen können, worin der von ihm angesprochene Vorteil konkret bestehen soll. Eine wirtschaftliche Stärkung des Konzerns und die damit verbundene wirtschaftliche Gesundung der Beklagten ist für sich gesehen kein Vorteil im Sinne dieser Vorschrift, weil nicht festzustellen ist, worauf dieser im einzelnen beruht. Für die Annahme eines allgemeinen Erfahrungssatzes, die weitere Nutzung des Kundenstamms durch ein anderes Unternehmen komme dem übertragenden Unternehmen in jedem Fall wirtschaftlich deshalb zugute, weil beide zu demselben Konzern gehören, fehlt es an hinreichenden Feststellungen.

24

3.

Der Kläger kann auch nicht deshalb Zahlung eines Ausgleichs verlangen, weil die Beklagte ihr Vertriebssystem umgestellt hat und den Verkauf einem zu ihr im Konzernverhältnis stehenden Schwesterunternehmen übertragen hat, ohne ein Entgelt zu erhalten. Es ist der Beklagten nämlich grundsätzlich unbenommen, ihr Vertriebssystem zu ändern, wenn sie das für zweckmäßig und erforderlich hält. Die gegenteilige Auffassung verkennt, daß dem Unternehmer grundsätzlich das Recht zusteht, seinen Betrieb so einzurichten, und gegebenenfalls umzugestalten, wie es ihm wirtschaftlich vernünftig und sinnvoll erscheint; er darf sich dabei nur nicht willkürlich und ohne einen vertretbaren Grund über die schutzwürdigen Belange seiner Handelsvertreter hinwegsetzen (BGHZ 49, 39, 42 und Schröder DB 1973, 217, 223).

25

Ein solches Verhalten hat das Berufungsgericht im Streitfall nicht festgestellt. Zwar ist nach der Behauptung des Klägers bei der Umstellung des Vertriebssystems auch der von ihm für die Beklagte geworbene Kundenstamm auf die Schwestergesellschaft übertragen worden. Hierfür ist aber weder ein Entgelt vereinbart worden (vgl. BGHZ 49, 39, 43; Urt. v. 12.11.1976 - I ZR 123/73, WM 1977, 115) noch ersichtlich oder vorgetragen, daß eine Zahlung nur deshalb nicht erfolgt wäre, weil die Beklagte die Belieferung von Kunden einem im Konzern verbundenen Unternehmen überließ, so daß daraus zu folgern wäre, die Beklagte habe durch die Art der Übertragung schutzwürdige Belange des Klägers treuwidrig nicht beachtet. Die Beklagte hatte nämlich wirtschaftlich hohe Verluste erlitten. Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, daß ein außerhalb des Konzerns stehendes Unternehmen der Beklagten für die behauptete Übertragung des Kundenstamms ein Entgelt gezahlt hätte. Selbst wenn die Beklagte den Kundenstamm auf ein Konzernunternehmen unentgeltlich übertrug, ist das noch kein ausreichender Grund für die Annahme, sie habe sich damit ohne einen wirtschaftlich vertretbaren Grund über schutzwürdige Belange des Klägers hinweggesetzt.

26

4.

Dem Kläger kann jedoch nach den weiteren Feststellungen des Berufungsgerichts in dem Umfang ein Ausgleichsanspruch zustehen, in dem die Schwestergesellschaft der Beklagten von dem Kläger geworbene Kunden weiter mit den Produkten der Beklagten beliefert. Das ist nach den Feststellungen des Berufungsgerichts in einem beschränkten, aber noch nicht näher geklärten Umfang der Fall. Aus den insoweit fortbestehenden Kundenbeziehungen zieht die Beklagte selbst einen unmittelbaren Vorteil, weil sie die von ihr hergestellten Erzeugnisse an die bisher von ihr belieferten und vom Kläger geworbenen Kunden absetzt. Daß sie die Verträge mit den Kunden nicht selbst schließt, sondern ihre Schwestergesellschaft einschaltet, ist dabei ohne rechtliche Bedeutung. Die Beklagte nutzt unter Veränderung ihres Vertriebssystems die vom Kläger geschaffenen Kundenbeziehungen weiter aus. Unerheblich ist auch der Einwand der Beklagten, diese Kunden seien schon früher von ihrer Schwestergesellschaft beliefert worden. Diese lieferte Waren anderer Art. Das Berufungsgericht wird den Gegenstand der Lieferungen an die früheren Kunden der Beklagten im einzelnen feststellen müssen, weil dem Kläger für den Absatz anderer Erzeugnisse der Schwestergesellschaft der Beklagten an vom Kläger geworbene Kunden kein Ausgleichsanspruch zusteht. Ebenso wie ein Kundenschutz nach § 87 Abs. 1 HGB während des Bestehens des Vertragsverhältnisses nur für Geschäfte der gleichen Art gilt, kann auch der Ausgleichsanspruch nur für Geschäfte der gleichen Art nach Beendigung des Vertragsverhältnisses bestehen (Schröder a.a.O., DB 1973, 222).

27

Das Berufungsgericht wird die hierzu im einzelnen noch fehlenden Feststellungen zu treffen haben und dabei Beweis zu erheben haben, soweit die Behauptungen der Parteien über den Umfang der fortgeführten Produktion und den Kreis der weiter belieferten Kunden streitig ist.

28

III.

Danach war das Urteil aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, dem auch die Kostenentscheidung zu übertragen war.

v. Gamm
Merkel
Piper
Erdmann
Mees