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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 27.06.1985, Az.: III ZB 12/85

Bindung eines Streithelfers an die für die Hauptparteien maßgeblichen Rechtsmittelfristen; Prozessuale Stellung des Streithelfers ; Zustellung des vollständig abgefassten Endurteils als maßgebliches Ereignis für den Beginn der Berufungsfristen; Versagung eines Wiedereinsetzungsgesuches bei Irrtum eines Streithelfers über den Beginn der Berufungsbegründungsfrist

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
27.06.1985
Aktenzeichen
III ZB 12/85
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1985, 13545
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
OLG Hamm - 15.04.1985 - AZ: 11 U 54/85

Fundstellen

  • JZ 1985, 1115
  • MDR 1986, 36 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW 1986, 257 (Volltext mit amtl. LS)
  • VersR 1985, 1088 (Volltext mit red. LS)

Amtlicher Leitsatz

Ein Rechtsmittel kann vom Streithelfer nur so lange eingelegt werden, als die Rechtsmittelfrist für die Hauptpartei läuft; es gibt keine gesonderte Rechtsmittelfrist für den Streithelfer. Das Urteil muß an ihn nicht von Amts wegen zugestellt werden.

Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
durch
den Vorsitzenden Richter Dr. Krohn und
die Richter Dr. Tidow, Kröner, Boujong und Dr. Werp
am 27. Juni 1985
beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Streithelfers gegen den Beschluß des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 15. April 1985 - 11 U 54/85 - wird zurückgewiesen.

Der Streithelfer hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Gründe

1

1.

Das die Klage abweisende Urteil des Landgerichts vom 15. November 1984 ist dem Prozeßbevollmächtigten der Klägerin am 6. Dezember 1984 zugestellt worden. Den Prozeßbevollmächtigten des Streithelfers, der mit Schriftsatz vom 5. Mai 1983 dem Rechtsstreit auf Seiten der Klägerin beigetreten war, ist das landgerichtliche Urteil auf ihren Antrag am 9. Januar 1985 zugestellt worden. Mit Schriftsatz vom 11. Februar 1985 - eingegangen beim Oberlandesgericht am selben Tag - hat der Streithelfer Berufung eingelegt und diese innerhalb der verlängerten Frist am 29. März 1985 begründet. Bereits am 13. März 1985 hat er vorsorglich die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist beantragt, da seine Berufung nicht innerhalb der für die Klägerin laufenden Berufungsfrist angebracht worden war.

2

Das Oberlandesgericht hat durch Beschluß vom 15. April 1985 den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen und die Berufung des Streithelfers gegen das landgerichtliche Urteil verworfen.

3

Die dagegen vom Streithelfer form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde ist unbegründet; die Frist zur Einlegung der Berufung ist nicht gewahrt und die gemäß § 233 ZPO beantragte Wiedereinsetzung ist zu Recht nicht erteilt worden.

4

2.

Nach § 516 ZPO beträgt die Berufungsfrist einen Monat; sie ist eine Notfrist und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefaßten Urteils, spätestens aber nach Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Maßgebend ist hier die mit der Zustellung des vollständigen landgerichtlichen Urteils an die Klägerin in Lauf gesetzte Berufungsfrist. Eine Rechtsmitteleinlegung durch den Streithelfer ist nur so lange möglich, als die Rechtsmittelfrist für die Hauptpartei läuft; es gibt keine gesonderte Rechtsmittelfrist für den Streithelfer. Das Urteil muß an ihn nicht von Amts wegen zugestellt werden (Thomas/Putzo ZPO 13. Aufl. § 67 Anm. 1 e; Vollkommer/Zöller ZPO 14. Aufl. § 67 Rdn. 5; Stein/Jonas/Leipold ZPO 20. Aufl. § 67 Rdn. 6 und 20; Rosenberg/Schwab ZPO LB 13. Aufl. S. 2 %). Diese allgemein anerkannte Ansicht wird aus § 67 ZPO hergeleitet. Danach ist der (unselbständige) Streithelfer nur insoweit berechtigt, Angriffs- und Verteidigungsmittel geltend zu machen und Prozeßhandlungen wirksam vorzunehmen, als seine Erklärungen und Handlungen zu denen der Hauptpartei nicht in Widerspruch stehen. Hieraus folgt, daß der Streithelfer grundsätzlich an die für die Hauptpartei laufenden Fristen gebunden ist (BGH NJW 1975, 218).

5

Da das vollständige landgerichtliche Urteil den Prozeßbevollmächtigten der Klägerin am 6. Dezember 1984 zugestellt worden ist, endete die mit dieser Zustellung in Lauf gesetzte Berufungsfrist am Montag, den 7. Januar 1985. Nur bis zu diesem Zeitpunkt konnte der Streithelfer der Klägerin Berufung einlegen. Seine erst am 11. Februar 1985 angebrachte Berufung war mithin verspätet.

6

Die sofortige Beschwerde verkennt dies nicht. Sie macht jedoch geltend, es dürfe nicht mehr auf die für die Hauptpartei laufende Rechtsmittelfrist abgehoben werden, seitdem durch die Vereinfachungsnovelle vom 3. Dezember 1976 (BGBl. I 3281) die Urteile von Amts wegen zuzustellen seien. Es laufe für den Streithelfer eine selbständige Frist, die mit der Zustellung des Urteils an ihn beginne.

7

Dem kann nicht gefolgt werden. Die Vereinfachungsnovelle hat nichts an den Befugnissen des Streithelfers und seiner Stellung im Rechtsstreit - wie sie sich aus § 67 ZPO ergeben - geändert. Der Streithelfer kann keinen Rechtsschutz im eigenen Interesse verlangen; er ist nicht selbst Partei. Eigene Interessen verfolgt er nur durch prozessuale Unterstützung des Rechtsschutzinteresses der Partei, der er beitritt. Es muß daher dabei verbleiben, daß für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels, das der Streithelfer für die unterstützte Partei einlegt, Rechtsmittelfrist und -summe sowie Beschwer allein aus deren Person festzustellen sind (vgl. BGH NJW 1981, 2062 [BGH 16.12.1980 - VI ZR 308/79]). Wie es auch nur eine Berufung - nämlich die der Hauptpartei - gibt, wenn Hauptpartei und ihr Streithelfer zulässigerweise Berufung eingelegt haben (BGH NJW 1982, 2069).

8

3.

Nach § 233 ZPO ist einer Partei die Wiedereinsetzung zu gewähren, wenn sie ohne ihr Verschulden verhindert war, die Frist zur Begründung der Berufung einzuhalten. Dabei steht ein Verschulden des Prozeßbevollmächtigten dem Verschulden der Partei gleich (§ 85 Abs. 2 ZPO).

9

Zutreffend hat das Oberlandesgericht angenommen, daß es der erstinstanzliche Prozeßbevollmächtigte des Streithelfers an der erforderlichen Sorgfalt hat fehlen lassen. Er hätte durch geeignete Maßnahmen (z.B. Auskunftsersuchen an die Geschäftsstelle des Landgerichts oder den Prozeßbevollmächtigten der Klägerin) sicherstellen müssen, daß er alsbald von dem Datum der Zustellung eines Urteils an die Klägerin erfuhr, um sodann rechtzeitig seine Partei von der Möglichkeit, das Urteil anzufechten, zu unterrichten. Sein am 3. Januar 1985 - also noch innerhalb der Berufungsfrist - beim Landgericht eingegangener Antrag ihm das Urteil vom 15. November 1984 zuzustellen, legt die Annahme nahe, daß er von der vorwerfbar unrichtigen Ansicht ausgegangen ist, für den Streithelfer beginne die Rechtsmittelfrist erst zu laufen, wenn ihm selbst das Urteil förmlich zugestellt worden sei (s. auch das Schreiben vom 14. Februar 1985 an die zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten).

10

Mit Recht hat daher das Oberlandesgericht die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand versagt und die Berufung des Streithelfers wegen Versäumung der Berufungsfrist als unzulässig verworfen. Danach ist die sofortige Beschwerde des Streithelfers mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.

Krohn
Tidow
Kröner
Boujong
Werp