Bundesgerichtshof
Urt. v. 16.10.1984, Az.: X ZR 86/83
Beauftragung einer Firma mit der Ausführung von Elektroinstallationsleistungen; Erforderlichkeit der Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung bei mangelhafter Ausführung der Leistung; Verzicht auf die vorherige Planung durch einen Elektroingenieur aus Kostengründen; Zweck der Fristsetzung bei der Geltendmachung des Verdienstausfalles und der Sachverständigenkosten; Zumutbarkeit einer erneuten Fristsetzung
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 16.10.1984
- Aktenzeichen
- X ZR 86/83
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1984, 12825
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- OLG Köln - 14.06.1983
- LG Aachen
Rechtsgrundlagen
Fundstellen
- BGHZ 92, 308 - 312
- BB 1985, 11
- DB 1985, 223
- JZ 1985, 239-240
- MDR 1985, 228 (Volltext mit amtl. LS)
- NJW 1985, 1323-1324 (Urteilsbesprechung von Richter Dr. Dietrich Joswig)
- NJW 1985, 381-382 (Volltext mit amtl. LS)
- WM 1985, 63
Amtlicher Leitsatz
- a)
Der Werkbesteller kann Ersatz von Schäden, die ihm durch die Mangelhaftigkeit des Werks entstehen, ohne daß sie durch eine Nachbesserung hätten verhindert werden können, auch dann verlangen, wenn er die Setzung einer Nachbesserungsfrist unterlassen hat (Ergänzung zu BGH BauR 1979, 159).
- b)
Zur Zumutbarkeit eines Nachbesserungsverlangens.
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Schäden, die auch bei einer Nachbesserung nicht hätten verhindert werden können (hier: Verdienstausfall, Gutachterkosten), können auch eine Nachfrist mit Ablehnungandrohung ersetzt werden.
- 2.
Zu der Möglichkeit, den Besteller weiterhin auf Nachbesserung zu verweisen, wenn der Unternehmer bereits mehrere erfolglose Nachbesserungsversuche unternommen hat.
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
auf die mündliche Verhandlung vom 16. Oktober 1984
durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Ballhaus und
die Richter Dr. Bruchhausen, Prof. Dr. Windisch, Dr. Hesse und Brodeßer
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 14. Juni 1983 teilweise aufgehoben, soweit es die Klage abgewiesen und über die Kosten entschieden hat.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Der Beklagte zu 1) ist Rechtsnachfolger in der Firma M. KG, deren persönlich haftender Gesellschafter der Beklagte zu 2) war. Die M. KG (nachfolgend: die Beklagte zu 1) erbrachte für den Kläger, der als Gastroenterologe eine Facharztpraxis betreibt, Elektroinstallationsleistungen unter anderem im Operationsraum. Nach der Inbetriebnahme der Praxisräume fiel wiederholt die elektrische Anlage während der Durchführung von Operationen aus. Mehrere Nachbesserungsversuche der Beklagten zu 1), der letzte am 22. Juli 1977, scheiterten. Bei einem dieser Versuche verdarb der Inhalt eines Eisschranks, da Mitarbeiter der Beklagten zu 1) vergaßen, den Strom wieder einzuschalten. Die Störungen in der Anlage hinderten den Kläger am 13. Januar und vom 13. März bis zum 20. April 1977, den Untersuchungs- und Operationsraum zu benutzen, so daß er zahlreiche Patienten nicht behandeln konnte. Vom 20. April 1977 bis Januar 1978 benutzte der Kläger den Operationsraum nur eingeschränkt.
Mit der Klage macht der Kläger Verdienstausfall in der Zeit vom 1. April bis zum 30. September 1977 geltend (67.988,45 DM), ferner Kosten eines Gutachtens (997,50 DM), Rückzahlung eines für Nachbesserungsarbeiten gezahlten, aber nach seiner Meinung nicht geschuldeten Betrages (777,71 DM) sowie Schadensersatz für den verdorbenen Eisschrankinhalt (1.935,38 DM). Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 70.691,43 DM (67.758,63 DM Verdienstausfall; 997,50 DM Gutachterkosten; 1.935,30 DM Wert des verdorbenen Schrankinhalts) nebst Zinsen stattgegeben und sie wegen 229,82 DM Verdienstausfall sowie wegen des Rückzahlungsanspruchs von 777,71 DM abgewiesen.
Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage mit Ausnahme von 1.935,30 DM nebst Zinsen abgewiesen.
Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers, soweit Klagabweisung im zweiten Rechtszug erfolgt ist. Die Beklagten möchten die Revision zurückgewiesen haben.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.
1.
Das Berufungsgericht hat die Klagabweisung hinsichtlich des Verdienstausfalls und der Gutachterkosten wie folgt begründet:
Auch wenn man die Mangelhaftigkeit der Anlage unterstelle, könne der Kläger keinen Schadensersatz fordern. Er habe seinem Vertragspartner keine Frist mit Ablehnungsandrohung gesetzt. Dies sei nicht entbehrlich gewesen. Die Beklagten hätten sich nicht geweigert, weitere Nachbesserungen vorzunehmen. Sie hätten sich vielmehr bis zuletzt "kooperativ gezeigt" und seien auch bereit gewesen, die erst durch das am 2. Juni 1977 erstattete Gutachten zutage getretenen Mängel zu beseitigen. Die Beklagte habe sich auch nicht als so unzuverlässig erwiesen, daß der Kläger von einer Fristsetzung hätte absehen dürfen. Man müsse bezweifeln, ob ein Elektroinstallationsunternehmen wie die Beklagte zu 1) in der Lage sei, eine so komplizierte Anlage ohne vorherige Planung durch einen Elektroingenieur einzurichten. Der Kläger habe auf eine solche Planung verzichtet, damit erhebliche Kosten gespart und sich mit einer "handwerksmäßigen Leistung" zufrieden gegeben. Unter diesen Umständen sei es ihm zuzumuten, eine Frist mit Ablehnungsandrohung zu setzen, wenn die Leistung nicht den Anforderungen genügte. Zudem könne der Kläger "zunächst" nicht das Vertrauen zu der Beklagten zu 1) verloren haben, da er noch im Juli 1977 Nachbesserungsarbeiten habe durchführen lassen.
2.
Die hiergegen gerichteten Angriffe der Revision haben Erfolg.
a)
Das Berufungsgericht unterstellt, daß die Beklagte zu 1) vertraglich verpflichtet war, die elektrische Anlage, insbesondere des Operationsraums, ordnungsgemäß zu installieren und daß die Anlage den Anforderungen nicht entsprach, sondern erhebliche Mängel aufwies und die Durchführung der vorgesehenen Operationen nicht gestattete. Hiervon ist für die Revisionsinstanz auszugehen.
b)
Die Auffassung des Berufungsgerichts, der Kläger könne gleichwohl keinen Schadensersatz beanspruchen, begegnet rechtlichen Bedenken.
aa)
Das gilt zunächst hinsichtlich der Vermögensnachteile, die der Kläger nach seinem Vortrag bis zum 22. Juli 1977, dem Zeitpunkt des letzten Nachbesserungsversuchs, erlitten hat (Verdienstausfall, Gutachterkosten). Für den Anspruch auf Ersatz dieses Schadens kommt es nicht darauf an, ob der Kläger der Beklagten zur vollständigen Behebung der Mängel eine Frist, verbunden mit der Androhung der Ablehnung späterer Nachbesserung, hätte setzen müssen. Zwar findet der Anspruch auf Ersatz des in der Zeit bis zur Nachbesserung und während derselben entstandenen Verdienstausfalls seine Grundlage in § 635 BGB (BGHZ 72, 31), ebenso wie der Anspruch auf Ersatz der Gutachterkosten (BGHZ 54, 352, 358) [BGH 22.10.1970 - VII ZR 71/69]. Es handelt sich jedoch um einen Schaden, der durch die Nachbesserung nicht verhindert wird und dieser nicht zugänglich ist. Der Anspruch auf Ersatz dieses Schadens steht deshalb von vornherein neben dem Nachbesserungsanspruch (BGHZ 72, 31, 34 [BGH 08.06.1978 - VII ZR 161/77]; BGH BauR 1979, 159). In der zuletzt genannten Entscheidung hat der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs die Frage, ob dieser Schaden nur geltend gemacht werden könne, wenn der Besteller dem Unternehmer eine mit Ablehnungsandrohung verbundene Frist gesetzt habe, offen lassen können, weil in dem entschiedenen Fall diese Anspruchsvoraussetzungen jedenfalls erfüllt waren. Die Frage ist zu verneinen. Die in § 634 Abs. 1 BGB vorgeschriebene Fristsetzung soll dem Unternehmer eine letzte Gelegenheit einräumen, das noch mit Mängeln behaftete Werk in den vertragsgemäßen Zustand zu versetzen, ehe er mit den einschneidenderen Gewährleistungsansprüchen überzogen wird.
Gegenüber dem bis zur Mängelbeseitigung entstandenen Verdienstausfall und den Sachverständigenkosten versagt dieser Zweck der Fristsetzung. Sie vermag diesen bereits eingetretenen Schaden nicht mehr zu verhindern oder zu beseitigen. Wie der Anspruch auf Ersatz dieses Schadens von vornherein selbständig neben den Nachbesserungsanspruch tritt, ist er auch von dem weiteren Schicksal dieses Anspruchs unabhängig: Er wird weder durch die Erfüllung noch durch die Nichterfüllung des Nachbesserungsanspruchs berührt. Er kann deshalb in seiner Entstehung und seiner Durchsetzbarkeit nicht davon abhängen, ob der Besteller die zur Herbeiführung der sonstigen Rechtsfolgen der §§ 634, 635 BGB vorgeschriebene Frist gesetzt hat (so im Ergebnis auch Soergel in Münchener Kommentar zum BGB, 1980, § 635 Rdn. 18 S. 1677).
bb)
Das Berufungsgericht hat jedoch auch die Ersatzansprüche des Klägers aus der Zeit nach dem letzten Nachbesserungsversuch zu Unrecht an fehlender Fristsetzung und Ablehnungsandrohung scheitern lassen. Das Berufungsgericht verkennt, daß dem Kläger eine weitere Aufforderung an die Beklagte, die Mängel zu beseitigen, nach dem festgestellten oder von dem Berufungsgericht unterstellten Sachverhalt nicht mehr zuzumuten war. Die Beklagte hatte insgesamt acht Versuche, über einen Zeitraum eines halben Jahres verteilt, unternommen, die Mängel zu beseitigen; dies war ihr nicht gelungen. Dabei hatte sie, wie das von dem Kläger eingeholte Gutachten gezeigt hatte, bis zu dessen Erstattung das Ausmaß der Mängel nicht einmal erkannt.
Aus der objektiv berechtigten Sicht des Klägers mußte daher eine Aufforderung, ein neuntes Mal den Versuch zu unternehmen, die Anlage in einen vertragsgemäßen Zustand zu versetzen, sinnlos erscheinen. Mit seiner Auffassung überspannt das Berufungsgericht die Anforderungen an das dem Bestellter Zuzumutende. Dem läßt sich nicht, wie das Berufungsgericht meint, entgegenhalten, daß der Kläger schließlich die Beklagte noch im Juli 1977 Nachbesserungsarbeiten habe durchführen lassen und demgemäß zu dieser Zeit das Vertrauen zu der Beklagten noch nicht verloren gehabt habe. Das Berufungsgericht läßt es damit dem Kläger zu Unrecht zum Nachteil ausschlagen, daß er nicht schon früher Geduld und Vertrauen verloren hat.
Im Rahmen der Prüfung der Zumutbarkeit einer Fristsetzung hat das Berufungsgericht auch zu Unrecht darauf abgestellt, daß der Kläger keinen Ingenieur in die Planung der Installation eingeschaltet hatte. Den Gedankengang des Berufungsgerichts, durch den kostensparenden Verzicht auf eine ingenieurmäßige Planung habe sich der Kläger mit einer "handwerksmäßigen Leistung" zufrieden gegeben, und daraus folge, daß es ihm auch nach dem achten vergeblichen Nachbesserungsversuch noch zuzumuten gewesen sei, der Beklagten weitere Gelegenheit zur Nachbesserung zu geben, vermag der Senat nicht zu folgen. Er würde darauf hinauslaufen, daß der Unternehmer, der, seine Fähigkeiten und Kenntnisse überschätzend, eine Leistung zu erbringen verspricht, der er nicht gewachsen ist, sich damit, obwohl er dadurch möglicherweise bereits den Vorwurf schuldhaften Verhaltens beim Vertragsschluß auf sich gezogen hat, Vorteile bei der Beurteilung seiner Gewährleistungspflichten verdienen könnte.
3.
Danach kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben. Es ist aufzuheben und an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit dieses nunmehr Gelegenheit hat, den Sachverhalt, soweit er zwischen den Parteien streitig ist, hinsichtlich der einzelnen Tatbestandsmerkmale des § 635 BGB aufzuklären. Dabei ist es dem Berufungsgericht, sollte sich, über die unstreitigen Tatsachen hinaus, der von ihm als richtig unterstellte Geschehensablauf als zutreffend herausstellen, verwehrt, die Klage mit der Begründung abzuweisen, daß der Kläger keine Frist nach § 634 Abs. 1 BGB gesetzt habe. Was das Vertretenmüssen der Mängel angeht, so ist darauf hinzuweisen, daß ein schuldhaftes Verhalten der Beklagten außer in der mangelhaften Ausführung als solcher auch bereits darin gesehen werden könnte daß sie die Erbringung der Leistung versprochen hat, obwohl sie wußte oder hätte erkennen müssen, daß sie hierfür nicht die erforderliche Fachkunde besaß.
Da der Ausgang des Rechtsstreits noch ungewiß ist, ist dem Berufungsgericht auch die Entscheidung über die Kosten der Revision zu übertragen.
Bruchhausen
Windisch
Hesse
Brodeßer