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Bundesgerichtshof
Urt. v. 19.03.1984, Az.: II ZR 168/83

Untergliederungen eines Vereins mit der Rechtsform eines nicht-rechtsfähigen Vereins; Parteifähigkeit einer Ortsgruppe der Deutschen Lebensrettungs-Gesellschaft; Wahrnehmung eigener Aufgaben oder des Landesverbandes

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
19.03.1984
Aktenzeichen
II ZR 168/83
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1984, 10769
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
OLG Celle - 30.05.1983
LG Bückeburg - 01.10.1982

Fundstellen

  • BGHZ 90, 331 - 334
  • JZ 1984, 682
  • MDR 1984, 737 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW 1984, 2223 (Volltext mit amtl. LS)
  • ZIP 1984, 701-702

Prozessführer

Reiseunternehmer Knut Wa., N. straße ..., St.

Prozessgegner

DLRG Ortsgruppe St.,
vertreten durch den 1. Vorsitzenden Gerd He., Ha., St.

Amtlicher Leitsatz

Untergliederungen eines Vereins können die Rechtsform eines nicht-rechtsfähigen Vereins haben, wenn sie auf Dauer Aufgaben nach außen im eigenen Namen durch eine eigene, dafür handlungsfähige Organisation wahrnehmen. Nicht erforderlich ist, daß Zweck und Organisation der Untergliederung in einer von dieser beschlossenen Satzung festgelegt sind; sie können sich auch aus der Satzung des Hauptvereins ergeben.

Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat
auf die mündliche Verhandlung vom 19. März 1984
durch
den Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes Dr. h.c. Stimpel und
die Richter Dr. Schulze, Dr. Kellermann, Bundschuh und Brandes
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Rechtsmittel des Klägers werden die Urteile des 19. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 30. Mai 1983 und der 2. Zivilkammer des Landgerichts Bückeburg vom 1. Oktober 1982 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten beider Rechtsmittelinstanzen, an das Landgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Der Kläger führte für die Beklagte, eine Ortsgruppe der Deutschen Lebensrettungs-Gesellschaft, vom 27. März bis 12. April 1981 eine Busreise durch. Er klagt auf Zahlung des vereinbarten Entgelts in Höhe von 3.950 DM. Die Beklagte rechnet mit Ersatzansprüchen auf, weil ihre Mitglieder wegen eines Schadens am Omnibus die Rückfahrt mit der Bundesbahn hätten antreten müssen.

2

Das Landgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen, weil die Beklagte nicht parteifähig sei. Aus demselben Grunde hat das Berufungsgericht die Berufung zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Antrag weiter.

Entscheidungsgründe

3

Die Revision ist begründet.

4

Nach Ansicht der Vorinstanzen ist die verklagte Ortsgruppe kein Verein, der nach § 50 Abs. 2 ZPO parteifähig wäre, sondern lediglich eine unselbständige Untergliederung des im Vereinsregister eingetragenen Niedersächsischen Landesverbandes der Deutschen Lebensrettungs-Gesellschaft. Das Berufungsgericht schließt nicht schlechthin aus, daß eine örtliche Untergliederung eines Gebietsverbandes auch ein selbständiger nichtrechtsfähiger Verein sein kann, es nennt vielmehr selbst die Voraussetzungen, unter denen das der Fall ist. Danach muß die Untergliederung eine körperschaftliche Verfassung besitzen, einen Gesamtnamen führen, vom Wechsel ihrer Mitglieder unabhängig sein und neben ihrer unselbständigen Tätigkeit für den Hauptverein Aufgaben auch eigenständig wahrnehmen (vgl. BGHZ 73, 275, 278; BGH, Urt. vom 21.3.1972 - VI ZR 157/70, LM ZPO § 50 Nr. 25).

5

Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat die hier verklagte örtliche Gliederung ("Ortsgruppe") einen eigenen Vorstand und eine Mitgliederversammlung, mithin eine eigene handlungsfähige Organisation. Sie ist vom Wechsel ihrer Mitglieder unabhängig. Die Beklagte nimmt im Rahmen des allgemeinen Vereinszwecks nicht nur die Aufgaben des Landesverbandes, sondern auch eigene wahr. Dafür, daß Aufgaben eigenständig wahrgenommen werden, haben die Parteien zwar im einzelnen nichts vorgetragen; diese Tatsache war aber ausdrücklich behauptet, zwischen den Parteien nicht streitig und ergibt sich im übrigen daraus, daß nach den Ausführungsbestimmungen zu § 7 Abs. 1 der Satzung des Landesverbandes ungeachtet dessen, daß die Untergliederung sich in die Arbeit des Landesverbandes einzufügen hat, deren "wirtschaftliche Selbständigkeit" gewahrt bleibt. Wie der Briefkopf der Beklagten erkennen läßt, tritt diese nach außen im eigenen Namen auf. Denn sie handelt im Rechtsverkehr unter der Bezeichnung "Deutsche Lebensrettungs-Gesellschaft" mit dem Zusatz "Ortsgruppe Stadthagen" Durch den Zusatz wird die Bezeichnung zum Namen der Beklagten. Diese genügt damit allen Anforderungen, die an einen selbständigen nicht-rechtsfähigen Verein zu stellen sind.

6

Das Berufungsgericht fordert zusätzlich, daß sich Verfassung und Organisation aus einer von der Beklagten selbst beschlossenen Satzung ergeben anstatt - wie im vorliegenden Falle - aus der des Landesverbandes. Dagegen wendet sich die Revision mit Recht.

7

Für die Selbständigkeit einer Ortsgruppe ist allein entscheidend, daß sie auf Dauer nach außen Aufgaben im eigenen Namen durch eine eigene, dafür handlungsfähige Organisation wahrnimmt. Nicht erforderlich ist, daß Zweck und Organisation der Untergliederung in einer von dieser beschlossenen Satzung festgelegt sind; sie können sich auch aus der Satzung des Hauptvereins ergeben. Dieser schreibt seinen Ortsgruppen regelmäßig vor, daß deren Satzungen nicht im Widerspruch zu seiner stehen dürfen oder ihr sogar entsprechen müssen. Derartige, die Satzungsbefugnis der Untergliederung einschränkende Regelungen in der Satzung des Hauptvereins sind im Interesse einer einheitlichen Organisation und zur Erreichung des vom Verein und seinen Gliedern gemeinsam verfolgten Zwecks erforderlich. Sie allein ergeben nichts für die Frage, ob die Untergliederung auch selbständig handelt (vgl. BGHZ 73, 275, 278). Die Antwort darauf hängt vom Inhalt der Satzung und nicht davon ab, wer sie beschlossen hat. Auch der Hauptverein kann seinen Untergliederungen eine Verfassung geben (vgl. RG JW 1927, 2363) oder in seiner eigenen Satzung - wie im vorliegenden Falle - bestimmen, daß sie auch für die Untergliederungen verbindlich sei (vgl. RGZ 118, 196, 198). Das Berufungsgericht hat deshalb die Entscheidung des Landgerichts, die Klage sei unzulässig, zu Unrecht bestätigt.

8

Da beide Gerichte sich bisher nicht damit befaßt haben, ob die Klage begründet ist, wird nicht nur das Urteil des Berufungsgerichts, sondern zugleich das des Landgerichts aufgehoben und die Sache gemäß § 565 Abs. 1, § 538 Abs. 1 ZPO an dieses zurückverwiesen. Der Senat hat bereits im Urteil vom 24. November 1951 (II ZR 26/51, LM ZPO § 50 Nr. 2) ausgeführt, daß dem Berufungsgericht nicht die Entscheidung darüber überlassen zu werden braucht, ob es nach § 540 ZPO seinerseits von einer Zurückverweisung absehen und selbst entscheiden will, weil es dies für sachdienlich hält.

Stimpel
Dr. Schulze
Dr. Kellermann
Bundschuh
Brandes