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Bundesgerichtshof
Urt. v. 01.02.1984, Az.: VIII ZR 54/83

AGB-Klausel; Unwirksamkeit; Lücke; Lückenfüllung; Ergänzende Vertragsauslegung; Kraftfahrzeughandel; Entstehen einer Vertragslücke durch die Unwirksamkeit einer Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen; Voraussetzungen der Durchführung einer ergänzenden Vertragsauslegung; Abgrenzung zur geltungserhaltenden Reduktion; Fehlen einer konkreten gesetzlichen Regelung zur Ausfüllung der Lücke sowie einer interessengerechten Lösung durch die ersatzlose Streichung der unwirksamen Klausel; Unwirksamkeit einer Tagespreisklausel in den im Kraftfahrzeughandel verwendeten Neufahrzeug-Verkaufsbedingungen; Rücktrittsrecht des Käufers bei nicht unerheblichem Übersteigen des Anstiegs der allgemeinen Lebenshaltungskosten durch die Preiserhöhung in der Zeit zwischen Bestellung und Auslieferung

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
01.02.1984
Aktenzeichen
VIII ZR 54/83
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1984, 12457
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
OLG München - 01.02.1983

Fundstellen

  • BGHZ 90, 69 - 85
  • DAR 1984, 109
  • MDR 1984, 750-751 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW 1984, 1145-1150 (Urteilsbesprechung von Professor Dr. Hermann-Josef Bunte)
  • NJW 1984, 1177-1180 (Volltext mit amtl. LS)
  • VRS 66, 252
  • ZIP 1984, 330-335

Amtlicher Leitsatz

  1. a)

    Die Lücke in einem Vertrag, der durch die Unwirksamkeit einer Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen entsteht, kann im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung geschlossen werden, wenn konkrete gesetzliche Regelungen zur Ausfüllung der Lücke nicht zur Verfügung stehen und die ersatzlose Streichung der unwirksamen Klausel nicht zu einer angemessenen, den typischen Interessen des Klausel-Verwenders und des Kunden Rechnung tragenden Lösung führt.

  2. b)

    Die unwirksame Tagespreisklausel in Nr. II 2 der im Kraftfahrzeughandel verwendeten Neufahrzeug-Verkaufsbedingungen ist danach durch eine Regelung zu ersetzen, die den Käufer zwar grundsätzlich zur Zahlung des bei Auslieferung des Fahrzeugs gültigen Listenpreises verpflichtet, soweit dieser Preis einer nach billigem Ermessen zu treffenden Leistungsbestimmung durch den Verkäufer entspricht, die ihm aber andererseits ein Rücktrittsrecht einräumt, wenn die Preiserhöhung den Anstieg der allgemeinen Lebenshaltungskosten in der Zeit zwischen Bestellung und Auslieferung nicht unerheblich übersteigt.

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Die Lücke in einem Vertrag, die durch die Unwirksamkeit einer Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen entsteht, ist gemäß § 6 AGBG mit dem dispositiven Gesetzesrecht zu füllen. Fehlen solche konkreten gesetzlichen Regelungen, so kann die Lücke im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung geschlossen werden.

  2. 2.

    Die Tagespreisklausel in Nr. II 2 der im Kraftfahrzeughandel verwendeten Neufahrzeug-Verkaufsbedingungen ist unwirksam. Sie ist durch eine Regelung zu ersetzen, die den Käufer zwar grundsätzlich zur Zahlung des bei Auslieferung des Fahrzeugs gültigen Listenpreises verpflichtet, soweit dieser Preis einer nach billigem Ermessen zu treffenden Leistungsbestimmung durch den Verkäufer entspricht, die ihm aber andererseits ein Rücktrittsrecht einräumt, wenn die Preiserhöhung den Anstieg der allgemeinen Lebenshaltungskosten in der Zeit zwischen Bestellung und Auslieferung nicht unerheblich übersteigt.

In dem Rechtsstreitverfahren
hat der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs
auf die mündliche Verhandlung vom 18. Januar 1984
durch
den Vorsitzenden Richter Braxmaier und
die Richter Dr. Skibbe, Treier, Dr. Brunotte und Dr. Paulusch
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision gegen das Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 1. Februar 1983 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Der Kläger bestellte am 3. November 1977 auf einem Formular der beklagten Automobilhersteller in einen PKW Mercedes-Benz Typ 280 E. Als Preis für die Grundausstattung war "Listenpreis ... zur Zeit DM 25.330,-" angegeben. Die Lieferung sollte im 2. Quartal des Jahres 1980 erfolgen. In dem Bestellformular ist auf die "Neufahrzeug-Verkaufsbedingungen" der Beklagten Bezug genommen, die in dem Formular wiedergegeben sind. Dort heißt es unter Nr. II 2:

"Preisänderungen sind nur zulässig, wenn zwischen Vertragsabschluß und vereinbartem Liefertermin mehr als 4 Monate liegen; dann gilt der am Tag der Lieferung gültige Preis des Verkäufers."

2

Die Beklagte bestätigte den Auftrag mit Schreiben vom 17. November 1977. Sie stellte dem Kläger am 6. Mai 1980 als Grundpreis ohne Umsatzsteuer den Betrag von 28.580,- DM in Rechnung und lieferte das Fahrzeug am 12. Mai 1980 an ihn aus. Der Kläger bezahlte den von der Beklagten verlangten Kaufpreis.

3

Mit der Klage verlangt der Kläger Rückzahlung der Differenz zwischen dem bei der Bestellung vereinbarten Listenpreis und dem bei der Lieferung berechneten und bezahlten Grundpreis in Höhe von 3.250,- DM. Er vertritt die Auffassung, die Beklagte sei in dieser Höhe ungerechtfertigt bereichert, weil die Klausel Nr. II 2 in ihren Geschäftsbedingungen unwirksam sei und er deshalb allein den bei der Bestellung vereinbarten Preis geschuldet habe.

4

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

5

Die Revision hat keinen Erfolg.

6

I.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt:

7

Der zwischen den Parteien geschlossene Kaufvertrag sei trotz der Unwirksamkeit der sog. Tagespreisklausel in Nr. II 2 der Neufahrzeug-Verkaufsbedingungen der Beklagten im übrigen wirksam. Zwar könne der unwirksame Teil des Vertrages nicht durch die Vorschriften der §§ 315, 316 BGB ersetzt werden. Im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung ergebe sich jedoch - insbesondere unter Berücksichtigung des ungewöhnlich hohen Interesses des Klägers an dem Erwerb gerade des bestellten Fahrzeugs -, daß als Kaufpreis der zur Zeit der Lieferung gültige Listenpreis der Beklagten geschuldet sei.

8

II.

Diese Ausführungen des Berufungsgerichts halten im Ergebnis den Angriffen der Revision stand. Die Beklagte hat die Kaufpreiszahlung nicht "ohne rechtlichen Grund" im Sinne des § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB, sondern aufgrund des Kaufvertrages vom 17. November 1977 und der wirksamen Preisänderung durch die Beklagte in ihrer Rechnung vom 6. Mai 1980 erlangt.

9

1.

Soweit das Berufungsgericht die Tagespreisklausel in den Geschäftsbedingungen der Beklagten wegen Verstoßes gegen § 9 AGBG für unwirksam hält, befindet es sich in Übereinstimmung mit dem Senatsurteil vom 7. Oktober 1981 (BGHZ 82, 21), dem die Instanzgerichte und das Schrifttum ganz überwiegend gefolgt sind (Nachweise imSenatsurteil vom 18. Mai 1983 - VIII ZR 20/82 = WM 1983, 680 unter II 2 b bb). In seiner nach Erlaß des Berufungsurteils ergangenen Entscheidung vom 18. Mai 1983 (a.a.O. m. zust. Anm. Trinkner BB 1983, 924; Jung BB 1983, 1058 und Bunte ZIP 1983, 765) hat der Senat an dieser in einem Unterlassungsverfahren nach § 13 AGBG erfolgten Beurteilung festgehalten und dargelegt, daß die Wirksamkeit der Klausel in einem Individualprozeß nicht anders zu bewerten ist.

10

2.

Entgegen den Erwägungen der Revisionserwiderung und einiger Instanzgerichte (OLG Nürnberg BB 1983, 1563 = ZIP 1983, 836; OLG Hamm ZIP 1983, 186; weitere Nachw. bei Bunte a.a.O. 766 Fußn. 7) ist an die Stelle des mithin unwirksamen formularmäßigen Preisänderungsvorbehalts nicht eine nachträgliche Abänderungsvereinbarung der Parteien getreten. Nach den Umständen ist zweifelhaft, ob in der Rechnung der Beklagten vom 6. Mai 1980 aus der Sicht des Erklärungsempfängers ein Angebot zum Abschluß einer derartigen Vereinbarung liegt. Jedenfalls fehlt es an der Annahme eines etwaigen Angebots durch den Kläger. Die - vor der Senatsentscheidung vom 7. Oktober 1981 (aaO) erfolgte - Abnahme des Kraftfahrzeuges und die vorbehaltslose Zahlung des Kaufpreises können schon deshalb nicht als Annahmeerklärung ausgelegt werden, weil der Kläger davon ausgehen mußte, daß die Beklagte nur von dem ihr in ihren Geschäftsbedingungen eingeräumten einseitigen Preisänderungsrecht Gebrauch gemacht hatte und daher für die Annahme eines Angebots kein Raum war (zutreffend Bunte a.a.O. 766).

11

3.

Das Berufungsgericht ist aber zu Recht davon ausgegangen, daß der Vertrag vom 17. November 1977 auch nach dem Wegfall der Tagespreisklausel im übrigen gemäß § 6 Abs. 1 AGBG wirksam geblieben ist. Sein Inhalt richtet sich nach den gesetzlichen Vorschriften (§ 6 Abs. 2 AGBG).

12

a)

Allerdings kommen dispositive gesetzliche Bestimmungen, die die Tagespreisklausel ersetzen könnten, nicht in Betracht.

13

aa)

Die Vorschrift des § 453 BGB setzt voraus, daß als Kaufpreis der Marktpreis - ein auf bestimmte Leistungsorte bezogener, sich aufgrund der Marktlage bildender Durchschnittswert - bestimmt ist. Der in das Bestellformular aufgenommene Hinweis auf den "Listenpreis" der Beklagten kann nicht als Bezugnahme auf einen derartigen Marktpreis verstanden werden. Dabei kann dahinstehen, ob es an einem Marktpreis wegen der Festsetzung des Neuwagenpreises durch den Verkäufer überhaupt fehlt (so Jung BB 1981, 1609). Selbst wenn Listen- und Marktpreis einander in der Regel entsprächen, könnte das für die Anwendung dieser Vorschrift nicht ausreichen, weil die Vereinbarung eines Marktpreises von den Parteien nicht gewollt war (im Ergebnis ebenso z.B. Löwe BB 1982, 153; Salje DAR 1982, 91; Trinkner in: Löwe/Graf v. Westphalen/Trinkner, Großkommentar zum AGBG, 2. Aufl., § 11 Nr. 1 Rdn. 16; Ulmer BB 1982, 1130). Auch eine Anwendung der §§ 612 Abs. 2, 632 Abs. 2 BGB scheidet aus, weil eine taxmäßige Vergütung durch die Preiserhöhungsklausel ausgeschlossen werden sollte (ebenso z.B. Trinkner aaO).

14

bb)

Dem Berufungsgericht ist darin zuzustimmen, daß auch die Bestimmungen der §§ 315, 316 BGB nicht unmittelbar angewendet werden können.

15

§ 315 BGB setzt voraus, daß die Vertragschließenden eine einseitige Befugnis zur Leistungsbestimmung vereinbart haben. Daran fehlt es angesichts der Unwirksamkeit der Tagespreisklausel (LG Nürnberg ZIP 1982, 323, 325; Löwe aaO; Salje aaO). Diese Klausel kann auch nicht in der Form teilweise aufrechterhalten werden, daß sie in einen - angeblich - wirksamen Teil (das Preisänderungsrecht als solches) und in einen unwirksamen Teil (die Regelung der Art und Weise der vorzunehmenden Änderung) zerlegt wird (so aber Kötz BB 1982, 645; Bechtold BB 1983, 1638; dagegen LG Nürnberg aaO; Löwe a.a.O. und BB 1982, 648 f; Ulmer aaO). Denn eine gegen § 9 AGBG verstoßende Klausel kann auch im Individualprozeß nicht auf einen zulässigen Inhalt zurückgeführt werden(Senatsurteil vom 19. September 1983 - VIII ZR 84/82 = WM 1983, 1153 = ZIP 1983, 1349 m. zust. Anm. Trinkner BB 1983, 1874; BGHZ 84, 109).

16

Ein Recht zur Leistungsbestimmung durch die Beklagte kann auch nicht der Vorschrift des § 316 BGB entnommen werden. Denn für ihre Anwendung ist erforderlich, daß die Vertragsparteien eine Preisvereinbarung zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses überhaupt noch nicht getroffen haben (ebenso z.B. Löwe a.a.O. 649). Die Parteien haben sich aber mit der Bestellung des Klägers vom 3. November 1977 und der Bestätigung durch die Beklagte vom 17. November 1977 auf einen "Listenpreis des Fahrzeugs in Grundausstattung" in Höhe von 25.330,- DM geeinigt. Wie der Senat in seinem Urteil vom 18. Mai 1983 (a.a.O. 681 unter II 2 b) näher begründet hat, ermöglicht die Verwendung der Worte "Listenpreis" und "zur Zeit" nicht die Auslegung, die Parteien hätten auf eine Preisbestimmung bei Vertragsschluß verzichtet; vielmehr folgt aus dem Wortsinn ihrer Erklärungen und den Geschäftsbedingungen der Beklagten unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessenlage, daß sie einen bereits bei Vertragsschluß bestimmten Preis - unter dem (allerdings unwirksamen) Vorbehalt einer späteren Änderung - vereinbart haben. Das verhindert die Anwendung des § 316 BGB.

17

b)

Die durch die Unwirksamkeit der Tagespreisklausel entstandene Regelungslücke in dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag kann jedoch im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung gemäß §§ 157, 133 BGB in der Weise geschlossen werden, daß dem Verkäufer ein Preisänderungsrecht zugestanden, dem Käufer aber unter bestimmten Voraussetzungen ein Rücktrittsrecht eingeräumt wird (im Ergebnis ebenso OLG Frankfurt NJW 1983, 946, 947; Palandt/Heinrichs, BGB, 43. Aufl., § 6 AGBG Anm. 3; Bunte ZIP 1983, 767 f; Ulmer NJW 1981, 2031; ders. BB 1982, 1130 f; wohl auch Staudinger/Karsten Schmidt, BGB, 12. Aufl., Vorbem. D 168 zu § 244).

18

aa)

Infolge der Unwirksamkeit der Tagespreisklausel ist in dem Vertrag eine Lücke entstanden, die den Regelungsplan der Parteien vervollständigungsbedürftig macht. Entgegen der Auffassung der Revision fehlt es an einer Lücke nicht schon deshalb, weil die Parteien einen bestimmten (Listen-) Preis vereinbart haben. Denn dieser Preis sollte nur "zur Zeit" gelten, und beide Parteien waren sich darüber einig, daß bei der erst längere Zeit später erfolgenden Auslieferung des Fahrzeugs ein anderer Preis von dem Käufer geschuldet sein sollte. Da das von ihnen vereinbarte Verfahren zur Ermittlung dieses anderen Preises der Inhaltskontrolle nach § 9 AGBG nicht standgehalten hat, ist in ihrem Regelungsplan eine Lücke eingetreten. Deren Schließung durch eine ergänzende Vertragsauslegung steht nicht entgegen, daß es sich nicht um eine Unvollständigkeit im Willen oder in der Erklärung der Parteien, sondern um den Wegfall einer unwirksamen Vereinbarung handelt (vgl. BGHZ 63, 132, 135 f [BGH 30.10.1974 - VIII ZR 69/73]; Ulmer NJW 1981, 2030).

19

bb)

Die ergänzende Vertragsauslegung geht der - von der Revision und teilweise auch im Schrifttum (z.B. Löwe BB 1982, 154, 649; ders. DAR 1982, 35; ähnlich Trinkner a.a.O. Rdn. 19; dazu auch Bunte a.a.O. 769) vorgeschlagenen - Anwendung der Grundsätze vom Wegfall der Geschäftsgrundlage vor (vgl. BGHZ 81, 135, 143 [BGH 03.07.1981 - V ZR 100/80]; Larenz, Allgemeiner Teil des BGB, 6. Aufl., § 29 I S. 537; Ulmer BB 1982, 1130). Denn die mit Hilfe der ergänzenden Vertragsauslegung ermöglichte Durchführung des Regelungsplanes der Vertragsparteien hat Vorrang vor einer bei Wegfall der Geschäftsgrundlage unter Umständen notwendigen Korrektur der vertraglichen Abreden (Larenz aaO). Es ist kein Grund ersichtlich, dieses Verhältnis zwischen dem durch ergänzende Auslegung zu ermittelnden Vertragsinhalt und einer Anpassung gemäß § 242 BGB im Rahmen des § 6 AGBG anders zu beurteilen. Zudem könnten im Bereich der hier zu behandelnden Fragestellung nur Sonderfälle besonders erheblicher und nicht voraussehbarer Äquivalenzstörungen mit den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage erfaßt werden (ablehnend auch LG Nürnberg ZIP 1982, 323, 325 f; Ulmer aaO; Hensen in: Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Kommentar, 4. Aufl., § 11 Nr. 1 Rdn. 13; Jung BB 1982, 458).

20

cc)

Bei den Bestimmungen der §§ 157, 133 BGB, in denen die ergänzende Vertragsauslegung ihre Grundlage hat, handelt es sich um "gesetzliche Vorschriften" im Sinne des § 6 Abs. 2 AGBG (Palandt/Heinrichs aaO; Bunte a.a.O. 767; Dietlein/Rebmann, AGB aktuell, § 6 Rdn. 4; im Ergebnis ebenso Ulmer NJW 1981, 2025, 2030 f; ders. BB 1982, 1130 f; ders. in: Ulmer/Brandner/Hensen a.a.O. § 6 Rdn. 35 ff; Hensen aaO; Lindacher BB 1983, 158; Staudinger/Schlosser, BGB, 12. Aufl., § 6 AGBG Rdn. 12; Löwe in: Löwe/Graf v. Westphalen/Trinkner, § 6 Rdn. 8; ähnlich auch BGH, Urteil vom 28. April 1983 - VII ZR 259/82 = WM 1983, 757, 758 = ZIP 1983, 831, 832 zum Begriff der "gesetzlichen Regelung" in § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG). Zwar gehen die Normen des dispositiven Gesetzesrechtes der ergänzenden Vertragsauslegung vor (BGH, Urteile vom 3. April 1957 - IV ZR 291/56 = LM BGB § 133 (A) Nr. 5 undvom 25. Mai 1983 - IVa ZR 182/81 = BGHZ 87, 309, 321 [BGH 25.05.1983 - IVa ZR 182/81]; Larenz a.a.O. § 29 II S. 538; Henckel AcP 159, 122; Medicus, Allgemeiner Teil des BGB, Rdn. 344). Wenn aber dispositives Gesetzesrecht im Sinne konkreter materiell-rechtlicher Regelungen nicht zur Verfügung steht (oben II 3 a) und die ersatzlose Streichung der unwirksamen Klausel - wie noch auszuführen sein wird (unten dd alpha) - keine angemessene, den typischen Interessen des AGB-Verwenders und des Kunden Rechnung tragende Lösung bietet, tritt diejenige Gestaltungsmöglichkeit ein, die die Parteien bei sachgerechter Abwägung ihrer beiderseitigen Interessen nach Treu und Glauben redlicherweise vereinbart hätten, wenn ihnen die Unwirksamkeit der Klausel bekannt gewesen wäre.

21

Die gegen eine Berücksichtigung der ergänzenden Vertragsauslegung angeführten Gründe können nicht überzeugen: Der Wortlaut des § 6 Abs. 2 AGBG bietet keinen Anhaltspunkt dafür, den Begriff der "gesetzlichen Vorschrift" auf Normen mit "sachlichem Regelungsgehalt" zu beschränken und "methodische Vorschriften" auszugrenzen (so aber Löwe BB 1983, 2015; Trinkner BB 1983, 1875; Salje DAR 1982, 93). Für die ergänzende Vertragsauslegung trifft es nicht zu, daß die Vorschriften der §§ 157, 133 BGB nur ein "Hilfsinstrument" zur Ermittlung des Parteiwillens seien, der im Rahmen des § 6 Abs. 2 AGBG gar nicht zu ermitteln sei (Löwe aaO). Denn nicht den wirklichen Willen der Vertragsparteien hilft die ergänzende Vertragsauslegung zu erforschen, sondern eine lückenhafte vertragliche Regelung am Maßstab des - objektiv zu ermittelnden - hypothetischen Parteiwillens zu schließen (vgl. auch Henckel a.a.O. 108). Um eben diese Schließung einer durch Wegfall einer unwirksamen Vertragsklausel entstandenen Lücke geht es auch in § 6 Abs. 2 AGBG. Für die Einbeziehung der §§ 157, 133 BGB in den Bereich der "gesetzlichen Vorschriften" im Sinne des § 6 Abs. 2 AGBG spricht auch die Entstehungsgeschichte dieser Bestimmung: Während § 5 Abs. 2 des Regierungsentwurfs für ein AGB-Gesetz die Ausfüllung einer Regelungslücke "nach der Natur des Vertrages" gestatten wollte (Reg.Entw. BT-Drucks. 7/3919, Erläuterung zu § 5 Abs. 2, abgedr. bei Dietlein/Rebmann a.a.O. S. 223, 237), wurde diese Verweisung auf Vorschlag des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages mit der Begründung gestrichen, in Ermangelung lückenausfüllender gesetzlicher Vorschriften "ermöglicht bereits § 157 i.V.m. § 133 BGB eine ergänzende Vertragsauslegung" (vgl. Bericht des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages vom 23. Juni 1976, BT-Drucks. 7/5422 S. 5, abgedr. bei Dietlein/Rebmann a.a.O. S. 235). Inwiefern es sich dabei um ein "Mißverständnis" gehandelt haben soll (so Ulmer in: Ulmer/Brandner/Hensen a.a.O. Rdn. 35, 4; ders. NJW 1981, 2030; Trinkner BB 1983, 1875), ist nicht ersichtlich und wird vom Schrifttum auch nicht erläutert. Schließlich stimmt die vom Senat für zutreffend erachtete Auslegung auch mit dem Ziel des AGB-Gesetzes überein, das - wie § 6 Abs. 1 AGBG zeigt - die Nichtigkeit des Vertrages, die die Folge einer unterbliebenen ergänzenden Vertragsauslegung sein könnte (vgl. z.B. bei Trinkner BB 1983, 1875 f), nach Möglichkeit vermeiden will (ebenso Larenz a.a.O. § 29 a III d S. 563 f).

22

dd)

Es ist daher unter Anlegung des in § 157 BGB vorgegebenen Auslegungsmaßstabes - Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte - danach zu fragen, wie die Parteien den Vertrag gestaltet hätten, wenn ihnen die nicht bedachte Unwirksamkeit der Tagespreisklausel bewußt gewesen wäre (vgl. BGHZ 9, 273, 278 [BGH 22.04.1953 - II ZR 143/52]; 60, 353, 362 [BGH 16.04.1973 - VII ZR 140/71]; 84, 1, 7) [BGH 29.04.1982 - III ZR 154/80]. Dabei kann der tatsächliche Wille der Parteien, soweit er feststellbar ist, nicht außer Betracht bleiben (Mayer-Maly, Festschrift für Flume, 1978, S. 625). Denn da eine inhaltliche Abänderung des Vertrages im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung nicht erfolgen darf (BGHZ 9, 273, 279) [BGH 22.04.1953 - II ZR 143/52], kann das, was dem tatsächlichen Willen der Vertragsparteien widerspricht, nicht als Inhalt ihres hypothetischen Willens gelten (zutreffend Mayer-Maly a.a.O. S. 627). Damit steht nicht in Widerspruch, daß nach den - gelegentlich mißverstandenen - Ausführungen in dem Senatsurteil vom 18. Mai 1983 (a.a.O. 681 unter II 2 b bb) aus der unwirksamen Tagespreisklausel nicht ein "tatsächlicher" Wille der Parteien hergeleitet und auf diesem Wege eine neue Abrede konstruiert werden darf. Denn wenn einerseits auch der tatsächliche Wille die Schranke für die ergänzende Vertragsauslegung bietet, so darf doch nicht andererseits an die Stelle des rechtlich unwirksamen Gewollten ein - inhaltsgleicher - tatsächlicher Wille der Vertragsparteien gesetzt werden. Aus diesen Grundsätzen ergibt sich folgendes:

23

alpha) Die Beklagte kann nicht an der Preisvereinbarung bei Vertragsabschluß festgehalten werden. Dies wäre unbillig, weil es die Ausgewogenheit der beiderseitigen vertraglichen Leistungen verändern, zu einer mit der Zielsetzung des AGB-Gesetzes nicht zu vereinbarenden Benachteiligung des Klausel-Verwenders führen und dem Kunden als Nutznießer einen unverhofften und ungerechtfertigten Gewinn verschaffen würde (Ulmer BB 1982, 1125; ders. NJW 1981, 2031; Bunte a.a.O. 767). Es entspräche auch nicht dem tatsächlichen Willen der Parteien, die ursprüngliche Preisvereinbarung isoliert und unabhängig von der (unwirksamen) Preisänderungsklausel aufrechtzuerhalten. Denn beide Parteien waren sich bewußt, daß der Preis bei Auslieferung des Fahrzeugs mit dem bei der Bestellung nicht übereinstimmen werde, und hatten in ihren Willen aufgenommen, daß der Käufer - und nicht die Beklagte - Preissteigerungen zu tragen haben werde, die etwa auf Erhöhungen der Lohn- und Materialkosten oder auf - von der Beklagten auch im vorliegenden Fall behauptete und von dem Kläger nicht bestrittene - technische Verbesserungen des ausgelieferten Modells zurückgehen.

24

beta) Ebensowenig ist es angängig, an die Stelle der unwirksamen, weil den Vertragspartner des Klausel-Verwenders im Sinne des § 9 Abs. 1 AGBG unangemessen benachteiligenden Tagespreisklausel im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung eine inhaltsgleiche, gewissermaßen individualvertraglich vereinbarte Bestimmung zu setzen (insoweit zutreffend Trinkner BB 1983, 1876). Denn die ergänzende Vertragsauslegung hat sich nicht nur an dem hypothetischen Parteiwillen, sondern auch an dem objektiven Maßstab von Treu und Glauben zu orientieren und muß zu einer die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigenden Regelung führen.

25

gamma) Ein angemessener Interessenausgleich besteht nach Auffassung des Senats darin, daß der Käufer zwar grundsätzlich den bei Auslieferung des Fahrzeugs gültigen Listenpreis zu zahlen hat, soweit dieser Preis einer nach billigem Ermessen gemäß § 315 Abs. 1, 3 BGB zu treffenden Leistungsbestimmung durch den Verkäufer entspricht, daß er aber von dem Vertrag zurücktreten kann, wenn die Preiserhöhung für das Fahrzeug den Anstieg der allgemeinen Lebenshaltungskosten in der Zeit zwischen Bestellung und Auslieferung nicht unerheblich übersteigt (ähnlich Bunte a.a.O. 768; Staudinger/Karsten Schmidt a.a.O. Vorbem. D 168 zu § 244; Bartsch DB 1983, 216; vgl. dazu auch Hensen a.a.O. Rdn. 11; Ulmer BB 1982, 1132; Bechtold BB 1983, 1639). Dies trägt den Interessen beider Seiten Rechnung: Der Verkäufer kann den von ihm zur Zeit der Auslieferung des Fahrzeugs allgemein geforderten Preis verlangen; seine Preisbestimmung unterliegt jedoch der Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB. Dabei kann auch der Umstand Berücksichtigung finden, daß der Käufer bei der Bestellung möglicherweise zu einem besonders günstigen - unter dem Listenpreis liegenden - Preis abgeschlossen hat (vgl. dazu schon BGHZ 82, 21, 26 [BGH 07.10.1981 - VIII ZR 229/80]; auch Löwe DAR 1982, 34; Ulmer BB 1982, 1127). An der Grenze der objektiven Billigkeit kann ferner, eine Preisbestimmung scheitern, mit der der Verkäufer - bei entsprechenden Markt- und Nachfrageverhältnissen - eine Preiserhöhung durchzusetzen versucht, die zwar unterhalb der allgemeinen Preissteigerung, aber weit über dem Anstieg der allgemeinen Anschaffungskosten für Personenkraftwagen liegt. Hält dagegen die Preisänderung der Billigkeitskontrolle stand, so kann zwar eine Preissteigerung dennoch den Kunden belasten. Dies muß der Käufer, der sich bei Vertragsschluß nicht nur der Veränderlichkeit des Preises, sondern auch derjenigen seiner Leistungsfähigkeit bewußt war und mit Preiserhöhungen im Rahmen der allgemeinen Preissteigerungen rechnete, aber redlicherweise so lange hinnehmen, wie die Preisänderung hinsichtlich des Kraftfahrzeugs von der allgemeinen Preisentwicklung nicht abweicht. Die Anknüpfung des Rücktrittsrechts an die allgemeinen Lebenshaltungskosten (vgl. hierzu auch § 9 a Abs. 1 Satz 2 ErbbauVO) wird dem hypothetischen Parteiwillen und den Interessen der Parteien eher gerecht als das Abstellen auf eine feste prozentuale Grenze (so Salje DAR 1982, 94 f; Löwe BB 1982, 157; Stein, AGBG, § 11 Nr. 1 Rdn. 25), die genau zu bestimmen bei mehrjährigen Lieferzeiten mit erheblichen Unsicherheiten behaftet wäre und je nach dem konkreten gesamtwirtschaftlichen Verlauf zur ungerechtfertigten Benachteiligung der einen oder anderen Vertragspartei führen könnte. Überschreitet die Preiserhöhung die genannte Grenze, so ist der Käufer durch ein Rücktrittsrecht hinreichend geschützt. Er hat die Wahl, ob er an dem Vertrag festhalten, dann aber auch den vom Verkäufer allgemein geforderten Preis zahlen soll oder sich von dem ihm zu teuer gewordenen Vertrag lösen will. Die teilweise vorausgesagte Gefahr einer Manipulation durch den Verkäufer, der aus Gründen der Marktlage durch besonders starke Preissteigerungen die Käufer zum Rücktritt drängen konnte (dazu z.B. Löwe aaO; Bartsch aaO), liegt fern, weil dem Verkäufer kein Leistungsbestimmungsrecht im Einzelfall zusteht, sondern allein der allgemeine Listenpreis gefordert werden kann, der zudem der Kontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB unterliegt.

26

ee)

Die gegen eine derartige Vertragsergänzung vorgebrachten Bedenken greifen nicht durch:

27

alpha) Es entspricht zwar der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 54, 106, 115 [BGH 04.06.1970 - VII ZR 187/68]; 62, 83, 90 [BGH 10.01.1974 - VII ZR 28/72]; Urteil vom 5. Mai 1977 - VII ZR 36/76 - WM 1977, 741, 743), daß dann, wenn verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten zur Ausfüllung einer vertraglichen Regelungslücke in Betracht kommen, aber kein Anhaltspunkt dafür besteht, welche Regelung die Parteien getroffen hätten, eine ergänzende Vertragsauslegung ausscheiden muß. Der Auffassung, so liege es auch im gegebenen Fall, weil vielfältige Möglichkeiten zur Schließung der durch Wegfall der Tagespreisklausel entstandenen Lücke bestünden (LG Nürnberg ZIP 1982, 323, 325; Trinkner in: Löwe/Graf v. Westphalen/Trinkner a.a.O. § 11 Nr. 1 Rdn. 18; ders. BB 1983, 1876; Jung BB 1982, 458 und 1983, 1059; Salje DAR 1982, 93), ist indessen nicht zuzustimmen. Es trifft nicht zu, daß die Parteien bei Kenntnis der Vertragslücke anstelle der vom Senat für angemessen gehaltenen Ergänzung derart vielfältige andere Regelungsmöglichkeiten hätten wählen können, daß daraus die Unzulässigkeit einer ergänzenden Vertragsauslegung überhaupt folgt. Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, daß es nicht in erster Linie um die Ermittlung des tatsächlichen Parteiwillens geht (dazu oben II 3 b dd), sondern daß sich die ergänzende Vertragsauslegung unter Anlegung eines objektiven Maßstabes (vgl. BGHZ 9, 273, 278 [BGH 22.04.1953 - II ZR 143/52]; 63, 132, 137) [BGH 30.10.1974 - VIII ZR 69/73]daran auszurichten hat, was die Parteien bei redlicher Denkungsweise als gerechten Interessenausgleich akzeptiert hätten (vgl. z.B. auch Lindacher BB 1983, 158). Ist dies ein dem Verkäufer einzuräumendes - mit der Festsetzung seines Listenpreises verbundenes - Leistungsbestimmungsrecht, so ändert an der Zulässigkeit des Auslegungsverfahrens der Umstand nichts, daß unterschiedliche Auffassungen darüber bestehen mögen, wie die Leistungsbestimmung zu erfolgen hat; die insoweit erforderliche Überprüfung erfolgt im Rahmen der Billigkeitskontrolle gemäß § 315 Abs. 3 BGB und ist nicht Gegenstand der ergänzenden Vertragsauslegung. Wenn andererseits der Revision darin zu folgen wäre, daß auch redliche Vertragsparteien das Rücktrittsrecht des Käufers an andere Voraussetzungen als an den Anstieg der allgemeinen Lebenshaltungskosten hätten anknüpfen können, so folgt daraus nicht die Unzulässigkeit der vorgenommenen Vertragsergänzung. Denn die ergänzende Vertragsauslegung setzt nicht voraus, daß sich für jede Einzelheit der "technischen" Ausgestaltung dieser Vertragsergänzung Anhaltspunkte im Willen oder in den Erklärungen der Vertragsparteien nachweisen lassen (so wird z.B. in BGHZ 63, 132, 137 f [BGH 30.10.1974 - VIII ZR 69/73]ür ausreichend gehalten, daß die Parteien "eine solche oder ähnliche Ersatzklausel" vereinbart hätten). Wollte man dies fordern, so müßte die ergänzende Vertragsauslegung in vielen Fällen, in denen ein Bedürfnis nach ihr besteht, scheitern.

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beta) Auch der Einwand, eine Lückenausfüllung im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung unter Heranziehung der §§ 315, 316 BGB laufe im Ergebnis auf eine sog. geltungserhaltende Reduktion hinaus (z.B. Löwe BB 1982, 154 f, 649; Trinkner BB 1983, 925, 1876, 2014; Jung BB 1983, 1059), ist nicht berechtigt. Geltungserhaltende Reduktion und ergänzende Vertragsauslegung unterscheiden sich im Ausgangspunkt ebenso wie in der Zielsetzung und mithin im Ergebnis. So geht es auch im vorliegenden Fall nicht um eine Rückführung der Tagespreisklausel auf einen noch wirksamen Kern; diese Klausel bleibt vielmehr vollen Umfangs unwirksam (ebenso Bechtold BB 1983, 1639). Es gilt vielmehr, in Ausrichtung an dem hypothetischen Parteiwillen und dem Maßstab von Treu und Glauben eine lückenausfüllende Ersatzregelung zu finden. Während bei der geltungserhaltenden Reduktion nach der Grenze des am Maßstab der §§ 9-11 AGBG "gerade noch Zulässigen" gesucht wird, erstrebt die ergänzende Vertragsauslegung einen beiden Seiten so weit als möglich gerecht werdenden Ausgleich (ebenso Ulmer BB 1982, 1131; ders. in: Ulmer/Brandner/Hensen a.a.O. § 6 Rdn. 19, 25, 36; Bunte ZIP 1983, 767; Lindacher aaO). Dies zeigt auch das Ergebnis der Vertragsergänzung, die zu einem dem Vertragspartner des AGB-Verwenders unter bestimmten Umständen zustehenden Rücktrittsrecht geführt hat.

29

Aus demselben Grund trifft es nicht zu, daß das Gericht mit der ergänzenden Vertragsauslegung Vertragshilfe zugunsten des Verwenders der unwirksamen Klausel leiste (Trinkner a.a.O. 925, 1876), in den Vertrag inhaltlich wieder dasjenige einführe, was über die Inhaltskontrolle gerade beseitigt worden sei (Löwe a.a.O. 649; Trinkner a.a.O. 1876, 2014), auf diese Weise die Vorschrift des § 9 AGBG unterlaufe und die Zielsetzung des AGB-Gesetzes verfehle (Löwe a.a.O. 156; Trinkner a.a.O. 925, 1876; Jung aaO). Diese Einwände verkennen nicht nur, daß die am Vertragszweck und den rechtlich erheblichen Interessen beider Vertragsparteien ausgerichtete ergänzende Auslegung nicht ihrerseits der Angemessenheitskontrolle gemäß § 9 AGBG bedarf, sondern sie übersehen auch, daß mit der Einräumung des dem Käufer zustehenden Rücktrittsrechts ein seine Interessen hinreichend wahrendes zusätzliches Element in die vertraglichen Beziehungen der Parteien eingeführt wird. Deshalb geht auch der Einwand fehl, die lückenausfüllende Vertragsauslegung stehe mit dem Unterlassungsgebot des § 17 Nr. 3 AGBG und der Bindungswirkung gemäß § 21 Satz 1 AGBG in Widerspruch (so Löwe BB 1983, 2014 f).

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gamma) Im vorliegenden Fall geht es auch nicht um die Frage, ob durch Allgemeine Geschäftsbedingungen ein Leistungsbestimmungsrecht gemäß §§ 315, 316 BGB in den Vertrag einbezogen werden kann oder ob dies an dem Erfordernis der Konkretisierung scheitern muß (dazu Senatsurteilevom 11. Juni 1980 - VIII ZR 174/79 = WM 1980, 1120, 1121 unter II 2 d undvom 21. Dezember 1983 - VIII ZR 195/82 unter I 3 c aa, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen). Denn es war nicht zu prüfen, wie eine AGB-Klausel, die einen Preisänderungsvorbehalt zum Gegenstand hat, gestaltet sein müßte, sondern allein, welche Vertragsergänzung an die Stelle der unwirksamen Tagespreisklausel treten kann. Es bestehen unter den gegebenen Umständen aber keine Bedenken dagegen, im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung ein - durch das Rücktrittsrecht des Käufers begrenztes - Leistungsbestimmungsrecht in den Vertrag einzuführen (vgl. dazu auch BGH, Urteil vom 1. Juli 1971 - KZR 16/70 = WM 1971, 1456; Staudinger/Schlosser a.a.O. § 6 Rdn. 12).

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delta) Schließlich greift auch das Bedenken nicht durch, den Gerichten werde in unzulässiger Weise eine Preiskontrolle übertragen (so z.B. Löwe DAR 1982, 36; Trinkner a.a.O. 1876). Die Preisbestimmung obliegt vielmehr allein dem Verkäufer (zu diesem Unterschied gegenüber einer - primären - richterlichen Preisanpassung vgl. Baur, Vertragliche Anpassungsregelungen, S. 64 ff). Zwar hat der Richter bei der Billigkeitskontrolle auch das Verhältnis zwischen dem Wert der Leistung und der Gegenleistung zu beachten und bei der Prüfung der Voraussetzungen eines Rücktrittsrechts das Maß der Preisänderung und die Entwicklung der allgemeinen Lebenshaltungskosten zueinander in Beziehung zu setzen. Die Billigkeitskontrolle aber macht ihm das Gesetz zur Pflicht (§ 315 Abs. 3 Satz 2 BGB), den Vergleich zwischen dem Umfang der Preiserhöhung und dem allgemeinen Preisanstieg macht die Beachtung des - hypothetischen - Parteiwillens erforderlich.

32

ff)

Die von dem erkennenden Senat vertretene Auffassung zur Zulässigkeit einer ergänzenden Vertragsauslegung bei Wegfall einer unwirksamen Formularklausel entspricht seiner eigenen Rechtsprechung (BGHZ 82, 121, 131 [BGH 28.10.1981 - VIII ZR 302/80];Urteil vom 31. März 1982 - VIII ZR 125/81 = WM 1982, 666, 668) und steht mit derjenigen anderer Senate des Bundesgerichtshofs nicht in Widerspruch. Der VII. Zivilsenat hat die Frage für die Rechtslage nach Inkrafttreten des AGB-Gesetzes ausdrücklich offengelassen (BGHZ 84, 109, 116 f) [BGH 17.05.1982 - VII ZR 316/81]. Für die davor liegende Zeit hat dieser Senat eine ergänzende Vertragsauslegung bei Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht ausgeschlossen(Urteile vom 5. Mai 1977 - VII ZR 36/76 = WM 1977, 741, 743 und vom 20. November 1980 = BGHZ 79, 16, 25 [BGH 20.11.1980 - VII ZR 70/80] m.w.N.), es aber abgelehnt, eine Fassung für Formularklauseln zu finden, die einerseits dem Verwender möglichst günstig, andererseits gerade noch rechtlich zulässig ist (Nachw. in BGHZ 84, 109, 117) [BGH 17.05.1982 - VII ZR 316/81]. Um eine ergänzende Vertragsauslegung in diesem Sinne handelt es sich bei der vom erkennenden Senat vorgenommenen Lückenausfüllung indessen nicht (vgl. oben II 3 b ee alpha). Der IVa-Zivilsenat hat in seinem Urteil vom 25. Mai 1983 (BGHZ 87, 309, 321) [BGH 25.05.1983 - IVa ZR 182/81] die Auffassung vertreten, das Gericht sei nicht berechtigt, durch ergänzende Vertragsauslegung an die Stelle einer unzulässigen Klausel diejenige - zulässige - Klausel zu setzen, die der Verwender der Geschäftsbedingungen voraussichtlich gewählt hätte, wenn ihm die Unzulässigkeit der beanstandeten Klausel bekannt gewesen wäre. Diese Entscheidung betraf jedoch einen Fall, in dem dispositive gesetzliche Regelungen an die Stelle der unzulässigen Klausel treten konnten (dazu oben II 3 b cc); Lücken, die durch Wegfall unangemessener gesetzesergänzender AGB-Klauseln entstehen, dürfen auch nach Ansicht des IVa-Zivilsenates im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung geschlossen werden(Urteil vom 6. Juli 1983 - IVa ZR 206/81 - NJW 1983, 2632, 2633 [BGH 06.07.1983 - IVa ZR 206/81] unter II 2 c, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen).

33

4.

Die Anwendung der dargestellten Grundsätze auf den vorliegenden Fall ergibt folgendes:

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a)

Das Berufungsgericht hat mangels eines entsprechenden Vortrages des Klägers Anhaltspunkte für eine Unangemessenheit des von der Beklagten verlangten und vom Kläger gezahlten Kaufpreises nicht gefunden. Dem hält die Revision lediglich entgegen, es wäre Aufgabe der Beklagten gewesen, die Angemessenheit und Zumutbarkeit der Preiserhöhung darzulegen. Die Beklagte hat aber bereits in der Klageerwiderung unwidersprochen vorgetragen, daß die Preiserhöhung auf den Jahresdurchschnitt umgerechnet 5,13 % betrug, damit nur leicht über dem Anstieg der durchschnittlichen jährlichen Lebenshaltungskosten in diesem Zeitraum (4,76 %) lag und sich mit der Steigerung der Anschaffungskosten für Personenkraftwagen (im Durchschnitt jährlich 5,16 %) nahezu deckte. Unter Berücksichtigung der weiter - unstreitig - von der Beklagten in dem fraglichen Zeitraum an dem vom Kläger bestellten Modell vorgenommenen Verbesserungen hätte der Kläger unter diesen Umständen - ohne daß es einer abschließenden Stellungnahme zur Verteilung und zum Umfang der Darlegungs- und Beweislast bedarf - nähere Anhaltspunkte geltend machen müssen, aus denen sich eine Unbilligkeit der Leistungsbestimmung hätte ergeben können.

35

b)

Dem Kläger stand ein - von ihm auch nicht geltend gemachtes - Rücktrittsrecht nicht zu. Der dargestellte Unterschied zwischen der allgemeinen Preisentwicklung und dem Umfang der Listenpreiserhöhung ergibt - in absolute Zahlen umgerechnet - eine Differenz von nicht einmal 250 DM und kann, zumal unter Berücksichtigung des recht hochwertigen Kaufgegenstandes und des relativ langen Lieferzeitraums, als noch unerheblich angesehen werden.

36

Aus diesem Grunde braucht auch nicht auf die von der Revision in der mündlichen Verhandlung aufgeworfene Frage eingegangen zu werden, ob dem Kläger ein Schadensersatzanspruch unter dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsschluß deshalb zustehen kann, weil die Beklagte ihm bei Vertragsschluß ein Rücktrittsrecht nicht eingeräumt und ihn dadurch von der Ausübung eines derartigen Rechts bei Übernahme des Wagens abgehalten hat. Denn da die Voraussetzungen eines Rücktrittsrechts nicht gegeben waren, hätte der Kläger von ihm ohnehin keinen Gebrauch machen können.

37

III.

Die Kosten seiner nach alledem erfolglosen Revision hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO der Kläger zu tragen.