Bundesgerichtshof
Urt. v. 25.01.1984, Az.: IVb ZR 43/82
Einwurf der Einspruchsschrift in ein im Gerichtsgebäude befindliches Brieffach für eingehende Post; Wahrung der Einspruchsfrist; Zugang der Einspruchsschrift bei Gericht; Einlegung eines Einspruchs gegen ein Versäumnisurteil; Auswirkungen freiwilliger Einschränkungen beider Ehegatten in ihrer ehelichen Lebensführung auf den nachehelichen Unterhaltsanspruch
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 25.01.1984
- Aktenzeichen
- IVb ZR 43/82
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1984, 13029
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- OLG Karlsruhe - 22.04.1982
- AG Schwetzingen
Rechtsgrundlagen
Fundstellen
- MDR 1984, 653-654 (Volltext mit amtl. LS)
- NJW 1984, 1237-1239 (Volltext mit amtl. LS)
Amtlicher Leitsatz
Der Einwurf der Einspruchsschrift in ein im Gerichtsgebäude befindliches Brieffach für eingehende Post genügt zur Wahrung der Einspruchsfrist auch dann, wenn mit einer Leerung des Faches am selben Tage nicht mehr zu rechnen ist.
- a)
Zur Anwendung der sog. Differenzmethode bei der Bemessung des nachehelichen Unterhalts.
- b)
Zur unterhaltsrechtlichen Berücksichtigung von Kreditverbindlichkeiten eines unterhaltspflichtigen geschiedenen Ehegatten, die dieser während der Ehe im Einverständnis mit dem anderen Ehegatten (zum Erwerb oder) zur Instandsetzung eines Eigenheims eingegangen ist.
Der IVb - Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
auf die mündliche Verhandlung vom 25. Januar 1984
durch
die Richter Dr. Seidl, Dr. Blumenröhr, Dr. Krohn, Dr. Zysk und Nonnenkamp
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revisionen der Parteien wird das Urteil des 16. Zivilsenats - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 22. April 1982 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um nachehelichen Unterhalt.
Durch amtsgerichtliches Verbundurteil, das seit 12. März 1981 rechtskräftig ist, wurde die im Jahre 1969 geschlossene Ehe der Parteien geschieden, die elterliche Sorge für die am ... 1970 geborene gemeinschaftliche Tochter der Antragsteller in übertragen und der Antragsgegner zur Zahlung eines monatlichen Kindesunterhalts von 300 DM verurteilt.
In dem nach § 628 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 ZPO abgetrennten Verfahren über den nachehelichen Unterhalt hat die Antragstellerin den Antragsgegner auf Zahlung einer monatlichen Rente von 600 DM in Anspruch genommen. Die Antragsteller in geht, wie auch schon während der Ehe, einer Teilzeitarbeit nach, aus der sie im Jahre 1981 - bei einer täglichen Arbeitszeit von 5 1/2 Stunden, ein Nettoeinkommen von 16.991,42 DM, auf den Monat umgerechnet 1.415,95 DM, erzielte. Das Nettoarbeitseinkommen des Antragsgegners in dieser Zeit betrug 40.933,29 DM oder 3.411,11 DM monatlich. Der Antragsgegner hat Zins- und Tilgungsverpflichtungen aus Darlehen zu erfüllen, die während der Ehe teilweise von beiden Ehegatten gemeinschaftlich, teilweise im Einverständnis mit der Antragstellerin von dem Antragsgegner allein, zum Umbau und zur Renovierung zweier Wohnhäuser aufgenommen worden sind, die der Antragsgegner in den Jahren 1975 und 1978 von seinen Eltern übernommen hat. Seit einer Umschuldung im Jahre 1980, bei der der Antragsgegner die Verbindlichkeiten allein übernommen hat, hat er darauf monatlich etwa 2.900 DM zu entrichten, wovon nach seiner Behauptung 2.100 DM auf das von ihm bewohnte Haus in A. und der Rest auf das mit einer Reallast (Pflege und Betreuung der Mutter des Antragsgegners) belastete Haus in S. entfallen.
Das Familiengericht hat der Antragstellerin die beanspruchte Unterhaltsrente ab April 1981 durch Versäumnisurteil zuerkannt. Gegen dieses Urteil, das dem Antragsgegner am 26. Juni 1981 zugestellt wurde, hat dieser mit einem Schriftsatz Einspruch eingelegt, der vom 10. Juli 1981 datiert und den amtsgerichtlichen Eingangsstempel vom 13. Juli 1981 trägt. Auf einen Hinweis des Familiengerichts hin hat der Prozeßbevollmächtigte des Antragsgegners schriftsätzlich versichert, daß er die Einspruchsschrift am 10. Juli 1981 nach 18.00 Uhr persönlich im Gerichtsgebäude in den für den Posteingang bestimmten Briefkasten hineingegeben habe. Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat er dieses Vorbringen dahin erläutert, daß er die Einspruchsschrift vom Wachtmeisterzimmer aus in den Briefkasten geworfen habe.
Das Familiengericht hat den Einspruch für zulässig erachtet, aber das Versäumnisurteil aus sachlichen Gründen aufrechterhalten. Auf die Berufung des Antragsgegners hat das Oberlandesgericht die amtsgerichtliche Verurteilung dahin geändert, daß es die vom Antragsgegner an die Antragsteller in zu entrichtende monatliche Unterhaltsrente auf 300 DM herabgesetzt hat. Hiergegen haben beide Parteien (zugelassene) Revision eingelegt. Während der Antragsgegner seinen Antrag auf vollständige Abweisung des Unterhaltsbegehrens der Antragsteller in weiterverfolgt, erstrebt diese die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Endurteils und die Zurückweisung der Berufung.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsmittel der Parteien führen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1.
Nicht in Frage stellt es den Bestand des Berufungsurteils, daß im Verfahren vor dem Familiengericht ein Versäumnisurteil gegen den Antragsgegner ergangen ist und dieser dagegen mit einem Schriftsatz Einspruch eingelegt hat, der einen nach Ablauf der zweiwöchigen Einspruchsfrist (§ 339 Abs. 1 ZPO) angebrachten Eingangsstempel des Amtsgerichts trägt.
Die Zulässigkeit dieses Einspruchs stellt als Prozeßfortsetzungsbedingung eine Sachverhandlungs- und Sachurteilsvoraussetzung dar, die - unabhängig davon, in welcher Instanz das Versäumnisurteil ergangen ist - im Rechtsmittelverfahren mit Einschluß des Revisionsverfahrens von Amts wegen in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht, also ohne Bindung an die tatrichterlichen Feststellungen, zu prüfen ist (vgl. BGH, Urteil vom 21. Juni 1976 - III ZR 22/75 - NJW 1976, 1940). Diese Prüfung ergibt in Übereinstimmung mit der Beurteilung durch die Vorinstanzen, daß der Einspruch des Antragsgegners rechtzeitig erfolgt ist.
Wie aus der bei den Akten befindlichen Äußerung der Justizsekretärin B. in Verbindung mit der zugrunde liegenden Verfügung des Familiengerichts ersichtlich ist, gibt es bei dem Amtsgericht außer dem eigentlichen Briefkasten innerhalb des Gerichtsgebäudes ein gleichfalls für eingehende Post bestimmtes Brieffach. Dieses Fach wurde von den am 10. Juli 1981 (Freitag) nach Dienstschluß sowie am Wochenende mit dem Bereitschaftsdienst betrauten Bediensteten nicht mehr geleert. Unter diesen Umständen hält es der Senat aufgrund der wiedergegebenen, eidesstattlich versicherten Angaben von Rechtsanwalt B. im Schriftsatz an das Amtsgericht sowie seiner Erklärung im Termin zur mündlichen Verhandlung vor diesem Gericht für bewiesen, daß Rechtsanwalt B. die Einspruchsschrift am 10. Juli 1981, dem letzten Tag der Frist, nach 18.00 Uhr in jenes Brieffach innerhalb des Gerichtsgebäudes eingeworfen hat. Hierdurch ist die Einspruchsfrist gewahrt worden.
In Abweichung von der früheren Rechtsprechung, wonach zur Einreichung eines fristwahrenden Schriftsatzes die Entgegennahme durch einen dazu befugten Beamten des jeweiligen Gerichts für erforderlich erachtet wurde, hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, daß es auf eine derartige Mitwirkung des Gerichtsbediensteten nicht ankommt, daß vielmehr allein entscheidend ist, ob das Schriftstück in die Verfügungsgewalt des Gerichts gelangt ist (BVerfGE 52, 203). Dem hat sich der Bundesgerichtshof angeschlossen und mit Beschluß vom 12. Februar 1981 (VII ZB 27/80 - NJW 1981, 1216) entschieden, daß der Schriftsatz auch durch Einwurf in den Tagesbriefkasten in die Verfügungsgewalt des Gerichts gelangt. Er hat ausgeführt, das gelte selbst dann, wenn der Briefkasten mit der Aufschrift versehen sei, daß Fristsachen nicht dort einzuwerfen, sondern bei der zuständigen Geschäftsstelle abzugeben seien (a.a.O. S. 1217). Allerdings handelte es sich in jener Entscheidung um einen Fall, in dem das Schriftstück vor den auf dem Briefkasten vermerkten Leerungszeiten eingeworfen worden war. Das traf auch in dem Fall zu, den der Bundesgerichtshof mit Beschluß vom 26. März 1981 (IVa ZB 4/81 - NJW 1981, 1789) entschieden hat. Darin hat er sich der vorstehend wiedergegebenen Auffassung des Bundesverfassungsgerichts gleichfalls angeschlossen, aber offengelassen, ob der Einwurf in einen gewöhnlichen Briefkasten (Tagesbriefkasten) auch dann fristwahrend wirkt, wenn er so spät erfolgt, daß mit einer Leerung an diesem Tage nicht mehr zu rechnen ist (a.a.O. S. 1790).
Von einem derartigen Sachverhalt ist im vorliegenden Fall auszugehen. Es ist weder vom Antragsgegner oder seinem Prozeßbevollmächtigten dargetan worden noch sonst ersichtlich, daß Rechtsanwalt B. beim Einwurf der Einspruchsschrift nach 18.00 Uhr damit rechnen konnte, das Brieffach werde am selben Tage noch einmal geleert. Der Senat hält die Einreichung des Schriftsatzes jedoch auch unter diesen Umständen für wirksam und fristwahrend erfolgt. Da es nach den vorstehenden Grundsätzen zur Einreichung eines Schriftstücks der Mitwirkung eines Bediensteten des Gerichts nicht bedarf, ist davon auszugehen, daß das Schriftstück bereits dann in die Verfügungsgewalt des Gerichts gelangt, wenn der Gewahrsam des Gerichts begründet wird (ebenso BVerfG NJW 1981, 1951; Baumbach/Lauterbach/Albers, ZPO 42. Aufl. § 518 Anm. 1 A; Thomas/Putzo, ZPO 12. Aufl. § 270 Anm. 3 b; vgl. auch Zöller/Schneider, ZPO 13. Aufl. § 518 Anm. II 3 und 4). Das aber war mit dem Einwurf des Schriftsatzes in das in dem Gerichtsgebäude befindliche Brieffach geschehen, ohne daß es noch darauf ankommt, ob dieses Fach im Laufe des weiteren Tages nochmals geleert wurde. Diesem Umstand kommt lediglich insofern Bedeutung zu, als eine derartige Leerung den Beweis des rechtzeitigen Eingangs des Schriftsatzes erleichtert hätte. Die Wirksamkeit seiner Einreichung am 10. Juli 1981 hing indessen davon ebenso wenig ab wie von der Erwartung des Einreichenden, daß das Brieffach am selben Tag noch geleert werde. An diesem Ergebnis vermag auch der von der Antragstellerin mit Schriftsatz vom 14. August 1981 behauptete Umstand nichts zu ändern, daß bei dem Amtsgericht auch ein Nachtbriefkasten angebracht ist, in den der Prozeßbevollmächtigte des Antragsgegners die Einspruchsschrift hätte einwerfen können.
Damit erweist sich der Einspruch des Antragsgegners gegen das Versäumnisurteil als zulässig.
2.
Das Berufungsgericht hat die Antragsteller in für unterhaltsberechtigt erachtet, weil ihr Einkommen, das sie sich unterhaltsrechtlich in vollem Umfang anrechnen lassen müsse, zur Deckung ihres Lebensbedarfs nicht ausreiche und sie durch die Betreuung des 12-jährigen gemeinschaftlichen Kindes an einer über die ausgeübte Teilzeitarbeit hinausgehenden Erwerbstätigkeit gehindert sei. Zur Höhe des zugebilligten Unterhalts hat das Berufungsgericht ausgeführt: Die für den Unterhalt maßgebenden ehelichen Lebensverhältnisse würden zwar an sich durch das Gesamteinkommen der Eheleute bei der Scheidung geprägt. Jedoch müßten die Einkommensteile, die sich auf die konkrete Lebensführung nicht ausgewirkt und somit den ehelichen Lebensstandard nicht mitgestaltet hätten, außer Betracht bleiben. Die insoweit gegebene freiwillige Einschränkung beider Ehegatten in ihrer ehelichen Lebensführung wirke auch nach der Scheidung grundsätzlich fort. Im vorliegenden Fall hätten die Eheleute während der Ehe aufgrund gemeinsamer Entschließung die aus den Darlehensverträgen für die beiden Häuser folgenden Zahlungsverpflichtungen geleistet, die nach der Umschuldung im Jahre 1980 etwa 2.900 DM monatlich ausgemacht hätten. Dieser Betrag habe den ehelichen Lebensstandard jedoch nicht in vollem Umfang gemindert. Denn es sei zu berücksichtigen, daß die Möglichkeit des Wohnens im eigenen Heim, aber auch der Hausbesitz als solcher wegen des damit verbundenen Gewinns an gesellschaftlichem Ansehen den ehelichen Lebensstandard wesentlich angehoben habe. Es erscheine gerechtfertigt, insoweit eine Erhöhung des Lebensstandards um den Mietwert beider Häuser anzunehmen. Dieser sei unter Berücksichtigung der auf dem Haus in S. ruhenden Reallast auf wenigstens 1.500 DM zu schätzen. Unter weiterer Berücksichtigung des monatlichen Kindesunterhalts von 300 DM werde der für den Unterhaltsbedarf der Antragstellerin maßgebende eheliche Lebensstandard damit durch ein Gesamteinkommen von (4.827,06 + 1.500 - 2.900 - 300 =) 3.127,06 DM bestimmt. Ausgehend von diesem Familieneinkommen errechne sich der Unterhaltsanspruch der Antragstellerin in Höhe von 3/7 des Unterschiedes der beiderseitigen Einkommen. Der Antragsgegner, der den Barunterhalt des Kindes zahle und für die Schulden allein aufkomme, habe ein bereinigtes Nettoeinkommen von (3.411,11 + 1.500 - 2.900 - 300 =) 1.711,11 DM monatlich. Dasjenige der Antragstellerin betrage 1.415,95 DM. Daraus ergebe sich eine 3/7-Quote von 126,50 DM. Da der Antragstellerin im Falle der Zuerkennung dieses Betrages insgesamt weniger als die Hälfte des maßgeblichen Familieneinkommens zur Verfügung stehe und auch ihr trennungsbedingter Mehrbedarf damit noch nicht berücksichtigt sei, erscheine es angemessen, ihr zur Aufrechterhaltung des früheren Lebensstandards eine monatliche Unterhaltsrente von 300 DM zuzusprechen. Zur Aufbringung dieses Betrages sei der Antragsgegner in der Lage. Bei der Beurteilung seiner Leistungsfähigkeit könnten die Zins- und Tilgungsleistungen, die auf das Haus in S. entfielen, nicht berücksichtigt werden, da sie allein der Vermögensbildung dienten. Außer dem Barunterhalt des Kindes seien nur die das Haus in A. betreffenden Zins- und Tilgungsbeträge, die nach seiner Behauptung monatlich 2.100 DM ausmachten, von seinem Nettoeinkommen abzusetzen. Damit verblieben ihm nach Erfüllung seiner Unterhaltsverpflichtung gegenüber der Antragstellerin 711,11 DM monatlich. Da der Antragsgegner keine Mietkosten aufwenden müsse, liege dieser Betrag über seinem angemessenen Unterhaltsbedarf.
Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.
a)
Keinen rechtlichen Bedenken unterliegt die Beurteilung des Oberlandesgerichts, daß von der Antragsteller in wegen der Betreuung des gemeinschaftlichen Kindes keine über die ausgeübte Teilzeitarbeit hinausgehende Erwerbstätigkeit erwartet werden kann. Dagegen führt auch die Revision des Antragsgegners keine Angriffe.
b)
Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß im vorliegenden Fall einer sogenannten Doppelverdienerehe, in der die ehelichen Lebensverhältnisse durch das Einkommen beider Ehegatten bestimmt worden sind, der dem weniger verdienenden Ehegatten zuzubilligende Unterhalt nach der sogenannten Differenzmethode mit einer Quote des Unterschiedes zwischen dem eigenen Einkommen und dem Einkommen des anderen Ehegatten ermittelt werden kann (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. etwa Urteil vom 26. Januar 1983 - IVb ZR 351/81 - FamRZ 1983, 352, 353 f. m.w.N.). Diese Quote in Höhe von 3/7 der Differenz anzunehmen, ist gleichfalls aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Indessen unterliegt es rechtlichen Bedenken, daß das Einkommen des Antragsgegners, das das Berufungsgericht in Höhe von 1.711,11 DM in die Differenzberechnung einbezogen hat, den Betrag übersteigt, den das Berufungsgericht bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Antragsgegners als maßgebend angesehen hat. Insoweit hat das Gericht angenommen, daß (außer dem Kindesunterhalt) die gesamten Zins- und Tilgungsleistungen für das Haus in A. in Höhe von 2.100 DM abzusetzen seien. Es ist so zu einem der Leistungsfähigkeit des Antragsgegners zugrunde zu legenden Einkommen von (3.411,11 - 300 - 2.100 =) 1.011,11 DM gelangt, wobei es davon ausgegangen ist, daß der Wohnbedarf durch das Wohnen im eigenen Haus gedeckt ist.
Diese unterschiedliche Beurteilung des maßgeblichen Einkommens bei der Differenzberechnung und bei der Leistungsfähigkeit des Antragsgegners beruht auf einem unzutreffenden Verständnis der Differenzmethode. Zwar geht diese Berechnungsart davon aus, daß die ehelichen Lebensverhältnisse durch die Einkommen beider Ehegatten bestimmt worden sind und daß beide Ehegatten auch weiterhin mit ihren Einkommen zu dem dadurch festgelegten Lebensbedarf (§ 1578 Abs. 1 BGB) beitragen müssen (vgl. auch BGH, Urteil vom 13. Juni 1979 - IV ZR 189/77 - FamRZ 1979, 692, 693 f.). Dennoch sind in die Differenzberechnung selbst nicht die Einkommensbeträge einzubeziehen, die den ehelichen Lebensstandard begründet haben; vielmehr kommt es auf die weitere Einkommensentwicklung an, soweit sie den ehelichen Lebensverhältnissen entspricht. Der Differenzberechnung sind diejenigen Einkommensbeträge zugrunde zu legen, die (weiterhin) für den beiderseitigen Unterhalt zur Verfügung stehen und die unterhaltsrechtlich einzusetzen sind. Allerdings bietet der so errechnete Quotenunterhalt nicht die Gewähr, daß er den vollen, nach den ehelichen Lebensverhältnissen bemessenen Unterhaltsbedarf (§ 1578 Abs. 1 BGB) deckt. Vielmehr bleibt er in der Regel - schon wegen des trennungsbedingten Mehrbedarfs - hinter dem vollen Unterhalt zurück und stellt nur den Unterhalt dar, der gemäß § 1581 BGB nach den Erwerbs- und Vermögensverhältnissen der geschiedenen Ehegatten der Billigkeit entspricht (vgl. Hampel FamRZ 1981, 851, 853). Dennoch führt die Differenzmethode jedenfalls in Fällen, in denen sich die einzusetzenden Einkommen in durchschnittlichen Größenordnungen halten und zusätzliche Mittel fehlen, zur Gewährung von Beträgen an den weniger verdienenden Ehegatten, die den gesetzlichen Anforderungen an die Unterhaltsbemessung regelmäßig in ausreichendem Maße gerecht werden (vgl. Senatsurteil vom 9. Juni 1982 - IVb ZR 698/80 - FamRZ 1982, 892, 894). Aus diesem Grunde wird der Unterhalt in derartigen Fällen in der Praxis in der Regel nach der Differenzmethode bemessen, ohne daß auch die Höhe des vollen Unterhalts ermittelt wird.
Hiernach sind im vorliegenden Fall die beiderseitigen Einkommen in der Höhe in die Differenzberechnung einzubeziehen, in der sie unterhaltsrechtlich anzurechnen sind. Auf Seiten des Antragsgegners ist das insoweit der Fall, als der um die angemessenen Wohnkosten zu erhöhende Betrag seines Einkommens nicht durch laufende Verbindlichkeiten aufgezehrt wird, die bei der Beurteilung seiner Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen sind.
Das Berufungsgericht ist zu dem Ergebnis gelangt, daß dem Antragsgegner nach Abzug der abzusetzenden Verbindlichkeiten monatlich 1.011,11 DM zuzüglich des Betrages seiner angemessenen Wohnkosten verbleiben. Bei Zugrundelegung dieser Werte wäre nicht auszuschließen, daß ein Unterhaltsanspruch der Antragstellerin entfiele, weil sich kein Unterschiedsbetrag zu ihren Gunsten mehr ergäbe.
Schon aus diesen Gründen kann der bisherigen Unterhaltsbemessung des Berufungsgerichts nicht gefolgt werden.
c)
Darüber hinaus begegnet aber auch die Behandlung der von dem Antragsgegner zu erfüllenden Kreditverbindlichkeiten bei der Beurteilung seiner Leistungsfähigkeit rechtlichen Bedenken.
So können die Annuitäten für das Haus in A. insoweit nicht einkommensmindernd berücksichtigt werden, als sie den Wohnkosten entsprechen, die der in jenem Haus wohnende Antragsgegner im Rahmen seiner normalen Lebenshaltungskosten aufzubringen hat. In diesem Umfang hat der Antragsgegner die Kreditverbindlichkeiten aus dem für seinen Unterhalt zur Verfügung stehenden Betrag zu bestreiten und kann sie der Antragsteller in nicht einkommensmindernd entgegenhalten (vgl. auch OLG Düsseldorf DAVorm 1979, 423, 425).
Im übrigen hat der Senat zur Berücksichtigung von Verbindlichkeiten bei der Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten in seinen Urteilen vom 7. Oktober 1981 (IVb ZR 598/80 - FamRZ 1982, 23, 24 und IVb ZR 611/80 - FamRZ 1982, 157, 158) ausgeführt, daß zwischen berücksichtigungswürdigen und anderen Verbindlichkeiten zu differenzieren ist. Da jede Rechtsposition unter dem Vorbehalt von Treu und Glauben steht, kann sich der Unterhaltspflichtige nicht auf Verbindlichkeiten berufen, die er leichtfertig, für luxuriöse Zwecke oder ohne verständigen Grund eingegangen ist. Ob im Einzelfall eine Verbindlichkeit zu berücksichtigen ist, kann nur im Rahmen einer umfassenden Interessenabwägung nach billigem Ermessen beurteilt werden. Bedeutsame Umstände sind dabei insbesondere der Zweck der Verbindlichkeiten, der Zeitpunkt und die Art der Entstehung, die Dringlichkeit der beiderseitigen Bedürfnisse, die Kenntnis des Unterhaltsverpflichteten von Grund und Höhe der Unterhaltsschuld, seine Möglichkeiten, die Leistungsfähigkeit in zumutbarer Weise ganz oder teilweise wiederherzustellen, und gegebenenfalls auch schutzwürdige Belange des Drittgläubigers.
Diese Grundsätze hat der Senat in der letztgenannten Entscheidung gerade auch für die Berücksichtigung von Kreditverbindlichkeiten für einen Hausbau aufgestellt. Daß dieser Entscheidung ein Fall zugrundelag, in dem es um die Unterhaltspflicht eines Elternteils gegenüber dem volljährigen Kind ging, stellt die Anwendung der Grundsätze auf den vorliegenden Fall des Ehegattenunterhalts nicht in Frage.
Eine danach notwendige, in umfassender Interessenabwägung nach billigem Ermessen vorzunehmende Beurteilung ist hier bislang nicht erfolgt. Das Berufungsgericht hat lediglich ausgeführt, daß die auf das Haus des Antragsgegners in S. entfallenden Zins- und Tilgungsleistungen nicht zu berücksichtigen seien, weil es sich insoweit um "reine Vermögensbildung" zugunsten des Antragsgegners und zu Lasten der Antragstellerin handele. Zwar spricht es gegen die Berücksichtigung einer Verbindlichkeit, wenn ihre Erfüllung der Bildung von Vermögensreserven dient. Auf der anderen Seite hat der Antragsgegner darauf hingewiesen, daß gerade bei diesem Hausgrundstück eine wirtschaftlich zumutbare Verwertung durch die zugunsten der Mutter des Antragsgegners eingetragene Reallast erschwert wird. Diese Erschwernisse für eine Rückführung der Verbindlichkeiten und eine insoweit anzustrebende Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit sind in die umfassende Interessenabwägung gleichfalls einzubeziehen.
Ebenso bedarf auch die Frage, ob die auf das Haus in A. entfallenden Annuitäten zu berücksichtigen sind, einer umfassenden Beurteilung anhand der aufgeführten Grundsätze. Daß sich in diesem Haus die eheliche Wohnung befunden hat und der Antragsgegner weiterhin dort wohnt, kann insoweit nicht allein entscheidend sein. Allerdings spricht es für die einkommensmindernde Berücksichtigung derartiger Verbindlichkeiten, wenn es sich bei dem betreffenden Haus um ein Eigenheim handelt, das der Unterhaltsverpflichtete zur Befriedigung seines Wohnbedürfnisses errichtet oder erworben hat. Daneben muß die Berücksichtigung jedenfalls aber auch davon abhängig gemacht werden, ob und inwieweit sich die Annuitäten in einem angemessenen und zumutbaren Rahmen halten. Hierzu bedarf es im vorliegenden Fall, in dem die laufenden, auf das Haus in A. entfallenden Verbindlichkeiten 2.100 DM monatlich betragen sollen, angesichts der Einkommensverhältnisse der Parteien der näheren Prüfung. Dabei kann sich auch die Frage stellen, ob es dem Antragsgegner möglich und zuzumuten ist, statt in seinem Haus in A. künftig anderweitig Wohnung zu nehmen und so u.U. eine wirtschaftlich günstige Verwertung seines Hauses zu ermöglichen. Überhaupt kann es für die Unterhaltsberechnung von Bedeutung sein, ob und in welcher Höhe der Antragsgegner aus seinem Hausbesitz, auch in S., Mieteinnahmen erzielen kann.
Hiernach muß die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen werden.
3.
Soweit im Zuge der neuen Verhandlung und Entscheidung der volle Unterhalt (§ 1578 Abs. 1 BGB) zu bemessen und die dafür maßgebenden ehelichen Lebensverhältnisse zu bestimmen sind, ist auf folgendes hinzuweisen: Bei der Bemessung des Unterhalts ist nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ein objektiver Maßstab anzulegen und derjenige Lebensstandard entscheidend, der vom Standpunkt eines vernünftigen Betrachters bei Berücksichtigung der konkreten Einkommens- und Vermögensverhältnisse angemessen erscheint. Eine aus dieser Sicht zu dürftige Lebensführung bleibt ebenso außer Betracht wie ein übertriebener Aufwand (vgl. etwa Urteil vom 4. November 1981 - IVb ZR 624/81 - FamRZ 1982, 151). Nur in diesem Rahmen kann das tatsächliche Konsumverhalten der Ehegatten während des ehelichen Zusammenlebens Berücksichtigung finden. Dabei ist außerdem zu beachten, daß sich ein geschiedener Ehegatte an einem während intakter Ehe zugunsten der Vermögensbildung gewahrten Konsumverzicht nicht festhalten zu lassen braucht, weil die personalen Grundlagen einer derartigen eingeschränkten Lebensführung, die während intakter Ehe ihre Berechtigung haben kann, nach dem Scheitern der Ehe entfallen (vgl. Schwab, Handbuch des Scheidungsrechts Rdn. 328). Hinzu kommt, daß nach Beendigung der Ehe eine weitere Vermögensbildung beim Unterhaltsverpflichteten dem anderen Ehegatten nicht mehr zugute kommt (im Ergebnis ebenso Soergel/Häberle, BGB 11. Aufl. § 1578 Rdn. 9; vgl. auch Göppinger/Wenz, Unterhaltsrecht 4. Aufl. Rdn. 674; Rolland, 1. EheRG 2. Aufl. § 1578 Rdn. 2). Hiernach können die Einkommen der Parteien aus unterhaltsrechtlicher Sicht nur insoweit der Vermögensbildung zugeordnet und damit für den laufenden Unterhaltsbedarf als unmaßgeblich behandelt werden, als es - vom Standpunkt eines vernünftigen Betrachters aus - nach den gegebenen Einkommensverhältnissen als angemessen erscheint.
Blumenröhr
Krohn
Zysk
Nonnenkamp