Bundesgerichtshof
Beschl. v. 23.11.1983, Az.: IVa ZB 13/83
Fristbeginn für die Berufung gegen ein Urteil; Anforderungen an eine ordnungsgemäße Einlegung der Berufung; Beginn am Tag der Zustellung oder am folgenden Tag
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 23.11.1983
- Aktenzeichen
- IVa ZB 13/83
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1983, 12627
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- OLG München - 28.04.1983
- LG Traunstein
Rechtsgrundlagen
Fundstellen
- MDR 1984, 473 (Volltext mit amtl. LS)
- NJW 1984, 1358 (Volltext mit amtl. LS)
Amtlicher Leitsatz
Die Frist für die Berufung gegen ein Urteil, das am 28. Februar zugestellt wird, beginnt mit der Einlegung (1) am 28. Februar und endet, von den Fällen des § 222 Abs. 2 ZPO abgesehen, am 28. März.
In der Beschlußsache
hat der IVa - Zivilsenat des Bundesgerichtshofes
durch
den Vorsitzenden Richter Dr. Hoegen und
die Richter Rottmüller, Dehner, Dr. Schmidt-Kessel und Rassow
am 23. November 1983
beschlossen:
Tenor:
- 1.
Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluß des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 28. April 1983 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
- 2.
Der Streitwert wird auf 19.923,- DM festgesetzt.
Gründe
Das Landgericht hat der Klage durch das am 22. Februar 1983 verkündete und beiden Parteien am 28. Februar 1983 zugestellte Urteil nur wegen eines Feststellungsantrages stattgegeben und hat sie im übrigen abgewiesen. Gegen dieses Urteil legte Rechtsanwalt Dr. K. am 22. März 1983 Berufung ein. Aus der Berufungsschrift läßt sich nicht entnehmen, ob die Berufung für die Klägerin oder für die Beklagte eingelegt sein soll. Nach Aktenanforderung am 24. März 1983 gingen die Verfahrensakten am 31. März 1983 bei dem Oberlandesgericht ein. Ihnen war zu entnehmen, daß Rechtsanwalt K. bereits vor dem Landgericht für die Klägerin tätig geworden war; ihm waren in der mündlichen Verhandlung vom 25. Januar 1983 die mündlichen Ausführungen für die Klägerin übertragen worden. Rechtsanwalt K. stellte auf telefonische Antrage am 6. April 1983 fernmündlich und am 7. April 1983 auch schriftlich klar, daß er die Berufung für die Klägerin eingelegt habe.
Die Klägerin vertritt die Auffassung, die Berufungsfrist sei erst am 31. März 1983 abgelaufen. Deshalb sei die Klärung, für wen die Berufung eingelegt worden sei, die nach Eingang der Verfahrensakten bei dem Oberlandesgericht möglich geworden sei, noch rechtzeitig erfolgt. Vorsorglich hat die Klägerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist beantragt.
Das Berufungsgericht hat die Berufung als unzulässig verworfen und hat der Klägerin gleichzeitig die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand versagt. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Klägerin. Sie ist unbegründet,
1.
Die Berufungsfrist beträgt einen Monat und beginnt grundsätzlich mit der Zustellung des vollständigen Berufungsurteils (§ 516 ZPO). Die Frist wird gemäß § 222 Abs. 1 ZPO nach den §§ 188 Abs. 2, 187 Abs. 1 BGB berechnet und endet demgemäß mit demjenigen Tage des der Einlegung folgenden Monats, der durch seine Zahl dem Anfangstag, also dem Tag der Einlegung entspricht. Das war hier, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, der 28. März 1983. Das entspricht der allgemeinen Praxis (vgl. dazu schon BGHZ 5, 275, 277). (2)
Die gegenteilige Auffassung, die neuerdings das Oberlandesgericht Celle (OLGZ 1979, 360 f) vertritt und der sich Hartmann (Baumbach/Lauterbach/Hartmann, 41. Aufl. § 222 ZPO Anm. 2), Stephan und Schneider (Zöller, 13. Aufl. § 222 ZPO Anm. 2 d und § 516 ZPO Anm. IV 1) sowie Thomas/Putzo (11. Aufl. § 222 ZPO Anm. 3 d aa) angeschlossen haben (gegen diese Linie schon Thomas/Putzo, 11. Aufl. § 516 ZPO Anm. 3 und jetzt einheitlich in der 12. Aufl. § 222 ZPO Anm. 3 d aa und § 516 ZPO Anm. 3 sowie Palandt/Heinrichs, 42. Aufl. § 188 BGB Anm. 2), ist unzutreffend. Sie beruht auf der Annahme, die Berufungsfrist beginne mit dem auf die Zustellung folgenden Tage (OLGZ 1979, 360). Das ist nicht richtig. Vielmehr beginnt die Berufungsfrist gem. § 516 ZPO bereits "mit" der Zustellung, also schon am Zustellungstage selbst. Diese Regelung stimmt mit derjenigen in §§ 187, 188 BGB insoweit völlig überein. Nur für die Berechnung der Frist wird der Tag, in den das Ereignis oder der Zeitpunkt fallen, die für den Beginn der Frist maßgebend sind, nicht mitgerechnet. Die Frist selbst beginnt, wie § 187 Abs. 1 BGB ("Anfang") und § 188 Abs. 2 BGB ("Anfangstag der Frist") zeigen, auch hier grundsätzlich schon mit dem betreffenden Ereignis oder Zeitpunkt.
Die bis zu der genannten Entscheidung des Oberlandesgerichts Celle unangefochtene und nach wie vor zutreffende Praxis steht auch nicht im Gegensatz zu der in WarnR 1913 Nr. 448 abgedruckten Entscheidung des Reichsgerichts vom 21. Juni 1913. In dem damals behandelten Falle endete die Revisionsfrist am 28. Februar 1913, und die einmonatige Revisionsbegründungsfrist endete mit dem 31. März 1913. Das beruhte aber darauf, daß die Gesetzeslage damals eine andere war. Nach § 554 Abs. 2 Satz 2 ZPO in der Fassung des Gesetzes betreffend die Änderung der Zivilprozeßordnung vom 5. Juni 1905 (RGBl 1905 S. 536) begann die Revisionsbegründungsfrist damals nicht schon mit der Einlegung der Revision, sondern mit dem Ablauf der Revisionsfrist, so daß anders als heute kein Fall des § 187 Abs. 1 BGB, sondern ein solcher des § 187 Abs. 2 BGB vorlag. Auch die vom Kläger angeführten Entscheidungen RG HRR 1934, 61 und KG VersR 1981, 1057 betrafen Fälle, die unter § 187 Abs. 2 BGB fallen.
Die Berufungsfrist lief daher mit dem 28. März 1983 ab. Damals lag eine ordnungsmäßige Berufungsschrift, die auch erkennen lassen muß, für wen die Berufung eingelegt sein soll (BGH Beschluß vom 11.7.1978 - IV ZR 127/58 = LM ZPO § 232 Nr. 37 und ständig; BAG NJW 1973, 2318), nicht vor. Auch die erstinstanzlichen Akten, aus denen insoweit Hinweise entnommen werden konnten, lagen damals noch nicht vor.
2.
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hat das Berufungsgericht der Klägerin ebenfalls zu Recht versagt.
Die Berufungsschrift war mangelhaft. Das beruhte auf einem Verschulden des Prozeßbevollmächtigten der Klägerin. Die Klägerin muß sich das gem. § 85 Abs. 2 ZPO wie eigenes Verschulden entgegenhalten lassen. Die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung gem. § 233 ZPO liegen daher nicht vor.
Ob der Mangel noch behoben worden wäre, wenn das Berufungsgericht die Berufung sogleich auf ihre Ordnungsmäßigkeit geprüft hätte, und ob es dazu verpflichtet war, ist nicht entscheidend. Ein derartiger Fehler des Gerichts würde den Prozeßbevollmächtigten der Klägerin von seiner Verantwortung nicht entbinden und sein Verschulden nicht ausräumen. Wegen der Nichteinhaltung der Frist des § 544 Abs. 1 ZPO gilt nichts anderes. Dem Vortrag der Klägerin, ihr Prozeßbevollmächtigter sei ohne Verschulden davon ausgegangen, die Berufungsfrist ende erst am 31. März 1983, hat das Berufungsgericht mit Recht keine Bedeutung beigelegt. Ein möglicherweise unverschuldeter Rechtsirrtum in dieser Richtung war ebenfalls nicht geeignet, den Prozeßbevollmächtigten von dem Vorwurf zu entlasten, die von ihm eingelegte Berufung habe den Anforderungen nicht genügt.
Streitwertbeschluss:
Der Streitwert wird auf 19.923,- DM festgesetzt.
Dr. Schmidt-Kessel
(1) Red. Anm.:
(2) Red. Anm.: