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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 04.10.1983, Az.: KVR 2/82
„Elbe-Wochenblatt“

Voraussetzung; Auflösung eines Zusammenschlusses; Berechtigtes Interesse; Sachentscheidungsbezug

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
04.10.1983
Aktenzeichen
KVR 2/82
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1983, 12182
Entscheidungsname
Elbe-Wochenblatt
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
KG Berlin - 02.07.1982

Fundstellen

  • BGHZ 88, 273 - 283
  • MDR 1984, 119 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW 1984, 2886-2888 (Volltext mit amtl. LS)

Amtlicher Leitsatz

  1. a)

    Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen die Auflösung eines Zusammenschlusses angeordnet werden kann.

  2. b)

    Zur Auslegung des § 23 Abs. 2 Nr. 2 a GWB.

  3. c)

    Das berechtigte Interesse im Sinne des § 70 Abs. 2 Satz 2 GWB muß sich auf die Sachentscheidung selbst beziehen.

In dem Rechtsstreitverfahren
hat der Kartellsenat des Bundesgerichtshofes
durch
den Präsidenten des Bundesgerichtshofes Prof. Dr. Pfeiffer,
den Vorsitzenden Richter am Bundesgerichtshof Dr. Frhr. v. Gamm sowie
die Richter Dr. Kellermann, Theune und Dr. Scholz-Hoppe
am 4. Oktober 1983
beschlossen:

Tenor:

  1. I.

    Auf die Rechtsbeschwerden der Betroffenen werden der Beschluß des Kartellsenats des Kammergerichts vom 2. Juli 1982 und der Beschluß des Bundeskartellamts vom 9. Juni 1981 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als

    1. a)

      die Betroffene zu 3 zur Kündigung der Betroffenen zu 4 und 5 und zum Ausscheiden aus diesen Gesellschaften verpflichtet worden ist (Auflösungsanordnung zu I 1),

    2. b)

      den Betroffenen zu 5 und 6 aufgegeben worden ist, die Kündigung anzunehmen (Auflösungsanordnung zu II und III),

    3. c)

      die Gesellschaftsverträge der Betroffenen zu 4 und 5 in der Fassung vom 14. Dezember 1979 hinsichtlich der Bestimmungen für unwirksam erklärt worden sind, wonach Beschlüsse über Gründung und Erwerb neuer oder Veräußerung und Einstellung bestehender periodischer Verlagsobjekte der Zustimmung aller Gesellschafter bedürfen (Auflösungsanordnung zu IV 2 b aa).

  2. II.

    Die weitergehenden Rechtsbeschwerden werden zurückgewiesen.

  3. III.

    Die Gerichtskosten des Beschwerde- und Rechtsbeschwerdeverfahrens tragen zu 9/10 das Bundeskartellamt und zu 1/10 die Betroffenen. Den Betroffenen werden außerdem 1/10 der im Rechtsbeschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten des Bundeskartellamts auferlegt. Im übrigen sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.

    Die im Rechtsbeschwerdeverfahren entstandenen Gerichtskosten des Verfahrens über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung werden dem Bundeskartellamt auferlegt.

  4. IV.

    Verfahrenswert des Hauptverfahrens: 250.000,- DM. Verfahrenswert des Verfahrens über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung: 50.000,- DM.

Gründe

1

A.

Durch rechtskräftigen Beschluß des Bundeskartellamts vom 18. Januar 1978 ist der B. Buchdruckerei von Ed.W. oHG, deren Kapitalanteile zu 91 % der Betroffenen zu 2 gehören, der angezeigte Erwerb von 50 % der Kommanditanteile an der Betroffenen zu 4 und eines Geschäftsanteils von 50 % des Stammkapitals der Betroffenen zu 5, der Komplementär-GmbH der Betroffenen zu 4, untersagt worden.

2

Die restlichen Anteile verblieben dem Veräußerer, dem Betroffenen zu 6. Die Erwerberin hat ihre Beteiligung am 23. November 1976 auf die Betroffene zu 3, eine 100 %ige Tochtergesellschaft der Betroffenen zu 2, übertragen.

3

Die den Gegenstand des Untersagungsverfahrens bildenden Gesellschaftsverträge in der Fassung vom 23. August 1976 wurden am 14. Dezember 1979 unter anderem dahin geändert, daß die Stimmrechte der Betroffenen zu 3 beschränkt wurden; die Stimmenzahl wurde auf 1.000 festgesetzt, von denen 751 auf den Betroffenen zu 6 und 249 (= 24,9 %) auf die Betroffene zu 3 entfielen. Für den Fall, daß die Betroffene zu 3 ihre über 24,9 % hinausgehenden Anteile veräußerte, sollten sich die Stimmrechte wieder nach den Kapitalanteilen richten.

4

Durch Beschluß vom 9. Juni 1981 hat das Bundeskartellamt der Betroffenen zu 3 aufgegeben, die Gesellschaften der Betroffenen zu 4 und 5 bis 30. Juni 1981 zum 31. Dezember 1981 zu kündigen und aus den Gesellschaften auszuscheiden (Nr. I 1 des Beschlußtenors) sowie den von ihr entsandten Geschäftsführer abzuberufen (Nr. 12). Der Betroffenen zu 5 und dem Betroffenen zu 6 wurde auferlegt, die Kündigungen anzunehmen (Nr. II und III). Unter Nr. IV hat das Bundeskartellamt die Gesellschaftsverträge in den Fassungen vom 14. Dezember 1979 für unwirksam erklärt, soweit

  1. 1.

    der Betroffenen zu 3 das Recht zusteht,

    1. a)

      einen Geschäftsführer zu entsenden (§ 6 Nr. 1 Abs. 2 GV-GmbH) oder

    2. b)

      die Druckerei zu bestimmen, die die von

      1. aa)

        der Gesellschaft selbst (§ 6 Nr. 2 Abs. 2 GV-GmbH, § 6 Nr. 3 Abs. 2 GV-KG) und/oder

      2. bb)

        anderen Gesellschaften, deren Geschäftsführung die Gesellschaft als Komplementärin wahrnimmt (§ 6 Nr. 2 Abs. 2 GV-GmbH), herausgegebenen Objekte zu marktüblichen Preisen herstellt oder

  2. 2.
    1. a)

      die Berufung und Abberufung weiterer Geschäftsführer eines einstimmigen Beschlusses (§ 6 Nr. 1 Abs. 3 GV-GmbH) oder

    2. b)

      Beschlüsse über die

      1. aa)

        Gründung und Erwerb neuer oder Veräußerung sowie Einstellung bestehender periodischer Verlagsobjekte oder

      2. bb)

        Festsetzung oder Änderung der Anzeigen- und ggf. der Vertriebspreise für das Verlagsprogramm der Gesellschaft, Einführung von Anzeigenkombinationen sowie Kooperationen mit anderen Verlagen, ferner Veränderungen der zeitlichen und räumlichen Erscheinungsweise der Verlagsobjekte

      der Zustimmung aller Gesellschafter bedürfen (§ 11 Nr. 2 Abs. 3 in Verbindung mit § 6 Nr. 2 GV-GmbH, § 8 Nr. 2 Abs. 3 in Verbindung mit § 6 Nr. 3 lit h und i GV-KG).

5

Die Betroffenen haben gegen diesen Beschluß Beschwerde eingelegt. Im Laufe des Beschwerdeverfahrens - durch Verträge vom 28. Oktober und 3. November 1981 - haben sie die Gesellschaftsverträge der Betroffenen zu 4 und 5 abermals geändert. Gegenstand des Unternehmens der Betroffenen zu 4 ist danach der Verlag und die Herausgabe eines Wochenblattes unter der Bezeichnung E.-Wochenblatt. Am Kapital dieser Gesellschaft sind nur die Kommanditisten beteiligt; die Kapitaleinlage der Betroffenen zu 3 beläuft sich nunmehr auf 24.900 DM, die des Betroffenen zu 6 auf 75.100 DM. Die Geschäftsführungsbefugnis der Betroffenen zu 5 erstreckt sich im Innenverhältnis nur auf Handlungen, die der gewöhnliche Geschäftsbetrieb mit sich bringt und die in ihren Auswirkungen den üblichen Geschäftsverkehr des Unternehmens nicht überschreiten. Die allein stimmberechtigten Kommanditisten verfügen über 1.000 Stimmen, die sich entsprechend ihren Kapitalanteilen verteilen. Gesellschafterbeschlüsse kommen mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen zustande, sofern sie nicht den Gesellschaftsvertrag ändern. Am Gewinn und Verlust - nach Abzug von Geschäftsführungskosten, einer Risikoprämie für die Komplementär-GmbH und der vereinbarten Kapitalkontenzinsen - sind die Gesellschafter jeweils zur Hälfte beteiligt. Gleiches gilt für die Abfindung eines ausscheidenden Kommanditisten und die Beteiligung am Liquidationserlös. An der Betroffenen zu 5 ist die Betroffene zu 3 mit 4.900 DM, der Betroffene zu 6 mit 15.100 DM beteiligt. Das Stimmrecht richtet sich ebenfalls nach den nunmehr bestehenden Geschäftsanteilen.

6

Nachdem das Bundeskartellamt und die Betroffenen die Beschwerden übereinstimmend für erledigt erklärt hatten, soweit sie die angefochtene Verfügung zu IV 1, 2 a und b, bb betrafen, haben die Betroffenen beantragt, insoweit auszusprechen, daß die Verfügung von Anfang an unbegründet gewesen sei; im übrigen haben sie beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben, hilfsweise festzustellen, daß der Beschluß insoweit nichtig sei.

7

Das Beschwerdegericht hat die Beschwerden zurückgewiesen. Es hat sie als unbegründet erachtet, soweit die Betroffenen die Aufhebung des Beschlusses vom 9. Juni 1981 zu I 1, II, III und IV 2 b aa verfolgen. Im übrigen hat es die Beschwerden als unzulässig angesehen.

8

Mit der Rechtsbeschwerde verfolgen die Betroffenen die vor dem Beschwerdegericht gestellten Anträge weiter. Das Bundeskartellamt beantragt, die Rechtsbeschwerden zurückzuweisen.

9

B.

Die Rechtsbeschwerden sind im wesentlichen begründet.

10

I.

Das Beschwerdegericht hält den Kern der Auflösungsanordnung des Bundeskartellamts, wonach die Betroffene zu 3 die Gesellschaften der Betroffenen zu 4 und 5 zu kündigen und aus den Gesellschaften auszuscheiden hat und die Betroffenen zu 5 und 6 die Kündigungen anzunehmen haben, sowie die Unwirksamkeitserklärung der unter Nr. IV 2 b aa der angefochtenen Verfügung erwähnten Bestimmungen der Gesellschaftsverträge nach § 24 Abs. 2 Satz 5 GWB i.V.m. § 24 Abs. 6 Satz 2 und § 24 Abs. 7 GWB für begründet. Weder die am 14. Dezember 1979 noch die am 28. Oktober und 3. November 1981 vorgenommenen Änderungen der Gesellschaftsverträge stünden der Auflösungsanordnung entgegen. Eine freiwillige Auflösung durch die Betroffenen, die der Auflösungsverfügung des Bundeskartellamts die Grundlage entziehe, liege hier nicht vor, weil der Anteilserwerb an den Betroffenen zu 4 und 5 immer noch eines der Merkmale aufweise, die in § 23 Abs. 2 Nr. 1 bis 5 GWB beschrieben seien. Die Änderungen der Gesellschaftsvertrage am 14. Dezember 1979 führten nicht aus dem Zusammenschlußtatbestand des § 23 Abs. 2 Nr. 2 b GWB heraus, weil die Änderungen der Bestimmungen über die Stimmrechtsausübung den Anteil der Betroffenen zu 3 am stimmberechtigten Kapital unberührt ließen. Nach der abermaligen Änderung der Gesellschaftsverträge am 28. Oktober und 3. November 1981 erfüllten sie den Tatbestand des (durch die 4. Novelle zum GWB) eingefügten § 23 Abs. 2 Nr. 2 Satz 4 GWB; der Gesellschaftsvertrag der Betroffenen zu 4 verschaffe der Betroffenen zu 3 eine Rechtsstellung, die bei der Aktiengesellschaft ein Aktionär mit mehr als 25 % des stimmberechtigten Kapitals innehabe. Auf die Beteiligung an der Betroffenen zu 5 finde § 23 Abs. 2 Nr. 2 Satz 4 GWB zwar keine Anwendung, weil die Betroffene zu 3 nur über 24,9 % der Geschäftsanteile verfüge und in der Gesellschafterversammlung ausnahmslos die Mehrheit der Stimmen entscheide, die dem Betroffenen zu 6 zustehe. Es sei jedoch deshalb gerechtfertigt, die Betroffene zu 5 in die Auflösungsanordnung einzubeziehen, weil sie die persönlich haftende und geschäftsführende Gesellschafterin der Betroffenen zu 4 sei und deren Gesellschaftsvertrag den Gesellschaftern die Verpflichtung auferlege, bei einer Verfügung über den Kommanditanteil seine Geschäftsanteile an der Betroffenen zu 5 einzubeziehen. Die Beteiligung an der Betroffenen zu 5 diene der ungestörten Durchführung der Beteiligung an der Betroffenen zu 4 und sichere die Möglichkeit der Einflußnahme auf die Betroffene zu 4 ab.

11

Der Umstand, daß § 23 Abs. 2 Nr. 2 Satz 4 GWB erst nach Rechtskraft der Untersagungsverfügung in Kraft getreten und demgemäß die nunmehr zu beurteilende mindere Wettbewerbsbeschränkung zur Zeit des Zusammenschlusses möglicherweise erlaubt gewesen sei, stünde seiner Anwendung nicht entgegen. Entscheidend sei, ob die Wettbewerbsbeschränkung nach dem zur Zeit der Auflösung geltenden Recht als erlaubt anzusehen sei.

12

Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.

13

1.

In Übereinstimmung mit dem Beschwerdegericht ist davon auszugehen, daß die Auflösung eines Zusammenschlusses nicht mehr zulässig ist, wenn die Betroffenen einen Anteilserwerb freiwillig auf ein zulässiges Maß zurückgeführt haben, und daß dies dann der Fall ist, wenn ein Zusammenschlußtatbestand im Sinne des § 23 Abs. 2 Nr. 1 bis 5 GWB nicht mehr gegeben ist. In Fällen dieser Art ist die durch die Untersagungsverfügung unzulässig gewordene Wettbewerbsbeschränkung beseitigt - die Zusammenschlußkontrolle erfaßt nur Zusammenschlüsse im Sinne des § 23 Abs. 2 GWB - und demgemäß eine Auflösungsverfügung des Bundeskartellamts im Sinne des § 24 Abs. 6 Satz 2 GWB nicht mehr "erforderlich"; darüber hinaus wäre sie mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im Sinne des § 24 Abs. 6 Satz 3 GWB nicht vereinbar. Dies entspricht allgemeiner Meinung, auch der des Bundeskartellamts in der Auflösungsverfügung (ebenso Reg.Begr. zum Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des GWB, BT-Drucks. VI/2520, S. 32, übernommen als Begründung zum SPD/FDP-Entwurf 1973, BT-Drucks. VII/76; aA Möschel, Die Auflösung vollzogener Zusammenschlüsse nach dem GWB, S. 26, 24 f).

14

2.

Das Beschwerdegericht hat dementsprechend zu Recht geprüft, ob die Grundlage für die Auflösungsverfügung des Bundeskartellamts dadurch entfallen ist, daß die Gesellschaftsverträge der Betroffenen zu 4 und 5 am 14. Dezember 1979 und 28. Oktober/3. November 1981 geändert worden sind und dabei das Beteiligungsverhältnis der Betroffenen zu 3 auf 24,9 % des stimmberechtigten Kapitals herabgesetzt worden ist. Denn die Möglichkeit zur freiwilligen Auflösung des Zusammenschlusses - mit der Folge, daß der Erlaß einer Auflösungsanordnung durch das Bundeskartellamt ausgeschlossen ist - besteht nicht nur bis zur Entscheidung des Bundeskartellamts, sondern auch noch während des Beschwerdeverfahrens. Das folgt aus dem vom erkennenden Senat entwickelten Rechtsgrundsatz, daß das Beschwerdegericht nicht nur bei Verpflichtungsbeschwerden, sondern auch bei Anfechtungsbeschwerden, soweit sie sich wie hier, gegen Verwaltungsakte mit Dauerwirkung richten, den zur Zeit seiner Entscheidung vorliegenden Sachverhalt zu berücksichtigen hat (Beschl. v. 17. Mai 1973 - KVR 1/72 "Asbach", WuW/E 1283, 1286 m.w.N.; Beschl. v. 12. Februar 1980 - KVR 3/79 "Valium II", WuW/E 1678, 1680).

15

3.

Es hat auch zu Recht angenommen, daß die Gesellschaftsvertragsänderungen vom 14. Dezember 1979 dem Erlaß der angefochtenen Auflösungsverfügung nicht entgegenstanden, weil dadurch der Zusammenschlußtatbestand des § 23 Abs. 2 Nr. 2 b GWB, der schon dem Untersagungsbeschluß zugrunde lag, im Kern nicht verändert worden ist. Es genügt hier auf die eine gleichartige Regelung betreffende Entscheidung des erkennenden Senats vom 28. September 1982 (KVR 8/81 "Springeraz Anzeigenblatt", WuW/E 1954) zu verweisen.

16

4.

Dagegen kann dem Beschwerdegericht nicht in der Auffassung gefolgt werden, die am 28. Oktober/3. November 1981 vorgenommenen Änderungen der Gesellschaftsverträge könnten der Auflösungsverfügung nicht die Grundlage entziehen, weil die Beteiligung der Betroffenen zu 3 an der Betroffenen zu 4 nunmehr den Tatbestand des § 23 Abs. 2 Nr. 2 Satz 4 GWB erfülle.

17

a)

Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts kann hier diese erst durch die 4. Novelle zum GWB vom 26. April 1980 eingefügte Auffangregelung nicht eingreifen. Auflösungsanordnungen sind nur aufgrund und im Rahmen einer rechtskräftigen Untersagungsverfügung zulässig. Nach § 24 Abs. 2 Satz 5 GWB begründet erst (und nur) eine Untersagungsverfügung des Bundeskartellamts die Verpflichtung, einen vollzogenen Zusammenschluß aufzulösen. Sie schafft die rechtliche Grundlage für die spätere Auflösung des Zusammenschlusses (Senatsbeschluß vom 23. Oktober 1979 - KVR 3/78 "Zementmahlanlage II", WuW/E 1655, 1661) und damit auch für die Entscheidung der Frage, unter welchen Voraussetzungen eine freiwillige Auflösung einer Auflösungsverfügung die Grundlage entzieht. Die am 18. Januar 1978 ergangene und mit der Zurückweisung und Verwerfung der Rechtsbeschwerden durch den Beschluß des erkennenden Senats vom 18. Dezember 1979 rechtsbeständig gewordene Untersagungsverfügung des Bundeskartellamts konnte aber nur Wirkungen entfalten, die ihr das Gesetz in der damals geltenden Fassung zuerkannt hat. Das bedeutet, daß die Erweiterung der Untersagungsbefugnis durch die 4. Novelle zum GWB nicht berücksichtigt werden darf; denn diese ist erst am 1. Mai 1980 in Kraft getreten und hat sich insoweit nur eine Rückwirkung bis 28. Februar 1980 beigemessen. Für Eingriffsakte, um die es hier geht, gilt der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung; die Verwaltungsbehörde kann danach nur im Rahmen und aufgrund der Gesetze Regelungen treffen und Rechtsfolgen begründen. Dementsprechend waren die Betroffenen berechtigt, die Auflösungsanordnung des Bundeskartellamts dadurch abzuwenden, daß sie den untersagten Zusammenschluß freiwillig auf ein Maß zurückführten, das unterhalb der Eingriffsschwelle des § 23 Abs. 2 GWB in der Fassung vor dem Inkrafttreten der 4. Novelle zum GWB lag.

18

b)

Kann sonach die Auflösungsverfügung nicht mit der Begründung gerechtfertigt werden, der Zusammenschluß erfülle nach der Änderung der Gesellschaftsverträge am 28. Oktober/3. November 1981 den Tatbestand des § 23 Abs. 2 Nr. 2 Satz 4 GVB, so kann die hierauf gestützte Entscheidung des Beschwerdegerichts vom 2. Juli 1982 keinen Bestand haben. Sie kann auch mit anderer Begründung nicht gehalten werden. Die der Beurteilung zugrundezulegenden Gesellschaftsvertrage vom 28. Oktober/3. November 1981 erfüllen keinen der Tatbestände des § 23 Abs. 2 Nr. 2 GWB in der vor der 4. Novelle zum GVB geltenden Fassung.

19

aa)

Dem Bundeskartellamt kann nicht in der Auffassung gefolgt werden, daß die Betroffene zu 3 durch den Anteilserwerb, wie er in diesen Gesellschaftsverträgen festgelegt ist, allein oder zusammen mit sonstigen Anteilen 25 % des stimmberechtigten Kapitals der Betroffenen zu 4 oder zu 5 erreicht (§ 23 Abs. 2 Nr. 2 a GWB).

20

Soweit die Betroffene zu 5 in Frage steht, ist dies offensichtlich; insoweit kann auf die Ausführungen des Beschwerdegerichts Bezug genommen werden.

21

Nichts anderes gilt für die Beteiligung an der Betroffenen zu 4: Die Anteile der Betroffenen zu 3 erreichen seit der Vertragsänderung vom 28. Oktober 1981 nur noch 24,9 % des stimmberechtigten Kapitals; im Unterschied zum Gesellschaftsvertrag in der Fassung vom 14. Dezember 1979 beschränkt sich sowohl das Stimmrecht als auch der Kapitalanteil der Betroffenen zu 3 auf 24,9 %. Die Betroffene zu 3 ist allerdings an dem nach Abzug der der Komplementär-GmbH (der Betroffenen zu 5) eingeräumten Ansprüche (Auslagenersatz, Risikoprämie für die persönliche Haftung) und der den Gesellschaftern auf ihre Kapitalkonten zustehenden Zinsen verbleibenden Gewinn und Verlust zur Hälfte beteiligt (§ 11 des Gesellschaftsvertrages). Dementsprechend hat sie auch bei ihrem Ausscheiden einen Abfindungsanspruch in Höhe der Hälfte des Gesellschaftsvermögens (§ 15 des Gesellschaftsvertrages) und bei der Liquidation der Gesellschaft einen Anspruch auf die Hälfte des Liquidationserlöses. Hierbei handelt es sich jedoch um Vermögensrechte der Gesellschafter, die für die Beurteilung der Frage, ob der vom Gesetz festgelegte Mindestanteil am stimmberechtigten Kapital erreicht ist, auszuscheiden haben. Nach Wortlaut, Sinn und Zweck der Regelung soll der Einfluß der Gesellschafter in der Gesellschaft erfaßt werden.

22

Dem Bundeskartellamt kann auch nicht zugestimmt werden, soweit es meint, § 23 Abs. 2 Nr. 2 a GWB könne hier deshalb angewandt werden, weil er den durch die 4. Novelle zum GWB eingefügten Tatbestand des Satzes 4 ohnehin umfasse. Diese Vorschrift gebe nur deklaratorisch den vor der Novelle bestehenden Rechtszustand wieder. Das Bundeskartellamt verkennt damit die dem § 23 Abs. 2 Nr. 2 a GWB zugrundeliegende Wertung des Gesetzgebers, daß erst ein Wert von 25 % des stimmberechtigten Kapitals den Zusammenschlußtatbestand erfüllt. Unterhalb dieser Grenze mag diese Norm in dem hier nicht gegebenen Falle angewandt werden können, daß einem Gesellschafter Rechte eingeräumt worden sind, die ihm eine Stellung verschaffen, die ein Gesellschafter - in einer solchen Gesellschaft - mit 25 % des stimmberechtigten Kapitals innehat. Es fehlen jedoch Anhaltspunkte dafür, daß es schon nach § 24 Abs. 2 Nr. 2 a GWB zulässig sein soll, auf die Rechtsstellung abzustellen, die bei einer Aktiengesellschaft ein Aktionär mit 25 % (oder mehr) des stimmberechtigten Kapitals innehat. Der Regierungsentwurf (BT-Drucks. VIII/2136) und der Bericht des Wirtschaftsausschusses (BT-Drucks. VIII/3690) lassen in dieser Richtung ebenfalls nichts erkennen.

23

Etwas anderes gilt nur unter dem Blickpunkt des § 23 Abs. 2 Nr. 2 Satz 4 und des § 23 Abs. 2 Nr. 5 GWB (ebenso Monopol, kommission, Hauptgutachten IV 1980/81 Nr. 554 und Kammergericht, Beschluß vom 12. Juni 1981 - Kart 18/81, WuW/E OLG 2517, 2520).

24

bb)

Entgegen der Auffassung des Bundeskartellamts können auch die Voraussetzungen des § 23 Abs. 2 Nr. 5 GWB nicht als gegeben angesehen werden, wonach als Zusammenschluß jede sonstige Verbindung von Unternehmen gilt, aufgrund deren ein oder mehrere Unternehmen unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluß auf ein anderes Unternehmen ausüben können. Die der Betroffenen zu 3 durch den Gesellschaftsvertrag eingeräumten Mitwirkungsrechte halten sich im Rahmen der allgemeinen Befugnisse, die einem Gesellschafter mit einem Anteil von 24,9 % des stimmberechtigten Kapitals in einer handelsrechtlichen Personengesellschaft zustehen, und verschaffen keinen beherrschenden Einfluß. Das Bundeskartellamt hat auch nicht dargetan, daß für die Betroffene zu 3 beherrschende Einflußmöglichkeiten auf der Grundlage rechtlicher oder wirtschaftlicher Bindungen außerhalb des Gesellschaftsvertrages oder aufgrund sonstiger Umstände bestehen.

25

Die Annahme einer gemeinsamen Beherrschung - durch die Betroffene zu 3 und den Betroffenen zu 6 - scheitert schon daran, daß angesichts der dem Betroffenen zu 6 zustehenden Mehrheit von 75,1 % eine dauerhafte einheitliche Willensbildung und damit eine einheitliche Leitungsmacht nicht zu erwarten ist.

26

5.

Da der Beschluß des Beschwerdegerichts und die Auflösungsverfügung des Bundeskartellamts schon aus diesen Gründen aufzuheben sind, soweit die Kündigung und das Ausscheiden der Betroffenen zu 3 aus den Betroffenen zu 4 und 5 in Frage steht, bedarf es keiner Entscheidung, ob die angefochtenen Beschlüsse auch aus anderen Gründen keinen Bestand haben können. Es sei jedoch darauf hingewiesen, daß gegen die angefochtenen Entscheidungen auch deshalb Bedenken bestehen, weil die Betroffene zu 3 am Untersagungsverfahren nicht beteiligt war und demgemäß die Untersagungsverfügung sie nicht einbezogen hat. In einem Falle der vorliegenden Art, in dem die Betroffene zu 3 lange vor Erlaß der Untersagungsverfügung Rechtsnachfolgerin der Bergedorfer Buchdruckerei geworden war, kann nicht ohne weiteres angenommen werden, daß die Untersagungsverfügung auf sie zu beziehen ist (vgl. hierzu auch V. Mutius, Verw.Arch. 71 (1979), 93 f). Weitere Bedenken ergeben sich daraus, daß sich das Auflösungsverfahren gegen die Betroffene zu 5 richtet, obwohl sie in die Untersagungsverfügung nicht einbezogen war. Schließlich könnte die Einbeziehung der Betroffenen zu 1 und 2 gegenstandslos sein, weil diese an den Betroffenen zu 4 und 5 nicht beteiligt sind und somit weder kündigen noch ausscheiden können.

27

II.

Aus den vorstehenden Ausführungen folgt, daß auch die Anordnung zu IV 2 b aa der Auflösungsverfügung des Bundeskartellamts (Unwirksamkeitserklärung der Gesellschaftsverträge, soweit Beschlüsse über Gründung und Erwerb neuer oder Veräußerung sowie Einstellung bestehender periodischer Verlagsobjekte der Zustimmung aller Gesellschafter bedürfen) und der diese Verfügung bestätigende Beschluß des Beschwerdegerichts keinen Bestand haben können.

28

Das Beschwerdegericht ist insoweit zu Recht davon ausgegangen, daß diesen Teilen der Verfügung nicht schon dadurch die Grundlage entzogen worden ist, daß die Betroffenen die Gesellschaftsverträge am 28. Oktober/3. November 1981 geändert und dabei die beanstandete Bestimmung gestrichen haben Die Notwendigkeit, in diesen Fällen die Zustimmung aller Gesellschafter der Betroffenen zu 4 - der Trägerin des Unternehmens - einzuholen, folgt daraus, daß es sich hierbei um Vertragsänderungen handelt.

29

Dieser Teil der Verfügung erweist sich jedoch deshalb als unbegründet, weil die Gesellschaftsverträge in der Fassung vom 28. Oktober/3. November 1981 - wie dargelegt - unter fusionsrechtlichen Gesichtspunkten insgesamt nicht zu beanstanden sind.

30

III.

Dagegen ist der Beschluß des Beschwerdegerichts zu bestätigen, soweit die Beschwerden der Betroffenen für unzulässig erklärt worden sind.

31

1.

Die Beschwerden gegen die Anordnung zu I 2 der Auflösungsverfügung des Bundeskartellamts, die der Betroffenen zu 3 aufgab, den von ihr entsandten Geschäftsführer der Betroffenen zu 5 abzuberufen, hat das Beschwerdegericht wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses verworfen. Es hält diesen Teil der Auflösungsanordnung für erledigt. Grund für diese Anordnung sei allein das der Betroffenen zu 3 in dem alten Gesellschaftsvertrag eingeräumte Recht gewesen, einen Geschäftsführer zu entsenden. Dieses Recht gewähre der neue Gesellschaftsvertrag vom 3. Dezember 1981 nicht mehr. Es sei auch nicht ersichtlich, daß die Betroffene zu 3 ein solches Recht noch beanspruchen wolle. Das läßt keinen Rechtsfehler erkennen, zumal wenn man weiter berücksichtigt, daß die Verfügung des Bundeskartellamts insoweit nur dazu diente, "während der Dauer der Kündigungsfrist" Einflußnahmen der Betroffenen zu 3 zu vermeiden. Die Rechtsbeschwerden enthalten insoweit auch keine Rügen.

32

2.

Hinsichtlich der restlichen Anordnungen des Bundeskartellamts (zu IV 1, 2 a, b, bb) haben die Betroffenen und das Bundeskartellamt das Verfahren vor dem Beschwerdegericht in der Hauptsache für erledigt erklärt. Die Betroffenen haben insoweit beantragt auszusprechen, daß die Verfügung von Anfang an unbegründet gewesen sei. Das Beschwerdegericht hat diesen Antrag mit der Begründung als unzulässig bezeichnet, es fehle an einem berechtigten Interesse. Die ausgesprochenen Unwirksamkeitserklärungen bezögen sich auf Bestimmungen konkreter Gesellschaftsverträge, die in dieser Form nicht mehr bestünden. Es sei auch nicht ersichtlich, daß die Betroffenen die beantragte Feststellung ihrem künftigen Verhalten - insbesondere künftigen Gesellschaftsverträgen - zugrunde legen wollten.

33

Das ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Die Betroffenen greifen die Ausführungen des Beschwerdegerichts auch nur mit der Begründung an, ihr Feststellungsinteresse ergebe sich daraus, daß sie nur dadurch Einfluß auf die Kostenentscheidung nehmen könnten. Sie haben damit keinen Erfolg. Ein berechtigtes Interesse des Beschwerdeführers, das den Ausspruch rechtfertigt, eine erledigte Verfügung der Kartellbehörde sei unzulässig oder unbegründet gewesen (§ 70 Abs. 2 Satz 2 GWB), ist zwar nicht nur dann zu bejahen, wenn rechtliche Interessen berührt sind. Es genügt vielmehr jedes schutzwürdige Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art (vgl. Senatsbeschluß vom 5. Mai 1967 - KVR 1/65 "Großgebinde IV", WuW/E 852; Eyermann/Fröhler, VwGO 8. Aufl., § 113 Anm. 41 i.V.m. § 43 Anm. 11). Das Interesse muß sich jedoch auf die Sachentscheidung selbst beziehen. Das Interesse, eine Kostenentscheidung zum Nachteil des Beschwerdegegners zu erlangen, reicht nicht aus.

34

IV.

Nach alledem sind der angefochtene Beschluß des Beschwerdegerichts und die Auflösungsverfügung des Bundeskartellamts im Kostenpunkt und insoweit aufzuheben, als sie die Kündigung und das Ausscheiden der Betroffenen zu 3 aus den Gesellschaften der Betroffenen zu 4 und 5 sowie die Unwirksamkeitserklärung der Gesellschaftsverträge gemäß Nr. IV 2 b aa der Auflösungsverfügung des Bundeskartellamts betreffen.

35

Die weitergehenden Rechtsbeschwerden sind als unbegründet zurückzuweisen. Das Beschwerdegericht hat insoweit zu Recht angenommen, daß die Beschwerden unzulässig sind.

36

Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerde- und Rechtsbeschwerdeverfahrens folgt aus § 77 Abs. 1 Satz 1 und 2 GWB. Der Senat sieht keinen Anlaß, die Erstattung außergerichtlicher Kosten anzuordnen, soweit die Rechtsbeschwerden Erfolg gehabt haben.

37

Die Aufhebung des Auflösungsbeschlusses des Bundeskartellamts ergreift auch die Gebührenfestsetzung von 20.000 DM. Die Rechtsbeschwerden führten zur Aufhebung der wesentlichen Teile des Auflösungsbeschlusses. Die darüber hinaus ergangenen Anordnungen hatten - neben den aufgehobenen Teilen - im Auflösungsverfahren des Bundeskartellamts keine selbständige Bedeutung, so daß uneingeschränkt der allgemeine Grundsatz anzuwenden ist, daß mit der Aufhebung des Verwaltungsaktes auch die Rechtsgrundlage der für ihn festgesetzten Gebühr entfällt.

Pfeiffer
v. Gamm
Dr. Kellermann
Theune
Scholz-Hoppe