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Bundesgerichtshof
Urt. v. 26.01.1982, Az.: 4 StR 631/81
„Salzsäure-Fall“

Verurteilung wegen versuchten Mordes und wegen versuchter schwerer Körperverletzung; Abgrenzung einer Vorbereitungshandlung zum Versuch ; Vorliegen der Voraussetzungen einer mittelbaren Täterschaft

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
26.01.1982
Aktenzeichen
4 StR 631/81
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1982, 11347
Entscheidungsname
Salzsäure-Fall
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Frankenthal - 19.08.1981

Fundstellen

  • BGHSt 30, 363 - 366
  • JZ 1982, 379-380 (Volltext mit amtl. LS)
  • MDR 1982, 418-419 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW 1983, 2226-2229 (Urteilsbesprechung von Wissenschaftlicher Mitarbeiter Kurt Sippel)
  • NJW 1982, 1164 (Volltext mit amtl. LS)

Verfahrensgegenstand

Versuchter Mord u.a.

Amtlicher Leitsatz

Zum fehlgeschlagenen und untauglichen Versuch des mittelbaren Täters, wenn der Tatmittler die Tat nicht begeht.

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat
in der Sitzung vom 26. Januar 1982,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Salger,
die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Knoblich Dr. Ruß Dr. Engelhardt Goydke als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt ... in der Verhandlung,
Staatsanwalt ... bei der Verkündung als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Justizhauptsekretär ... als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision des Angeklagten gegen des Urteil des Landgerichts Frankenthal vom 19. August 1981 wird verworfen.

Der Angeklagte hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes und wegen versuchter schwerer Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren sechs Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten lügt Verletzung sachlichen Rechts. Sie bleibt ohne Erfolg.

2

1.

Der Angeklagte wollte seinen Nebenbuhler Klaus J. aus Eifersucht töten. Da J. ihn kannte und der Angeklagte bei einem Fehlschlag mit einer Entdeckung rechnen mußte, entschloß er sich, die Tat durch Dritte ausführen zu lassen. Diese sollten über seine Tötungsabsieht im Unklaren bleiben, durch die Aussicht auf hohe Beute für einen Raubüberfall geködert werden und sich bei der Tatausführung unwissentlich eines tödlichen Mittels bedienen.

3

Im Dezember 1980 übergab der Angeklagte dem Hilfsbüffetier G. eine Plastikflasche, die angeblich ein Schlafmittel, in Wirklichkeit aber mindestens 100 ml 35 %ige Salzsäure enthielt, die bei Aufnahme von 20 ml in den leeren Magen mit Sicherheit tödlich wirkt. G. sollte zusammen mit den Türken C. und Ü. alsbald Klaus J. überfallen, ihm - notfalls mit Gewalt - das angebliche Schlafmittel verabreichen und ihn dann berauben. Unterwegs öffneten die zur Begehung der angesonnenen Tat entschlossenen Männer aus Neugierde den Schraubverschluß der Flasche. Der ätzende Geruch, der ihnen beinahe den Atem benahm, nachte ihnen klar, daß es sich nicht um ein Schlafmittel, sondern um eine gefährliche Säure handelte. Sie nahmen daraufhin von der Tat Abstand.

4

Im Januar 1981 händigte der Angeklagte dem Gerüstbauer Dieter A. eine Plastikflasche aus, die angeblich essigsaure Tonerde, in Wirklichkeit aber 39,6 Promilleige "Me.-F.säure" enthielt, eine hochgiftige Flüssigkeit, die bei oraler Aufnahme von nur 5 ml spätestens nach 4 Stunden zum Tode führt, schon bei bloßer Hautberührung tödlich wirken kann, jedenfalls aber zumindest erhebliche Entstellungen und bei Augenkontakt Erblindung zur Folge hat. A. sollte J. mit dieser Flüssigkeit alsbald anspritzen und ihn so veranlassen, vorübergehend ein Krankenhaus aufzusuchen, damit der Angeklagte seine Wohnung ausrauben könne. A. ging nur zum Schein auf den Plan des Angeklagten ein. Er übergab die Plastikflasche der Kriminalpolizei.

5

2.

Eine Straftat versucht, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt (§ 22 StGB). Die Grenze von der Vorbereitungshandlung zum Versuch wird nicht erst überschritten, wenn der Täter ein Tatbestandsmerkmal verwirklicht, sondern schon dann, wenn er Handlungen vornimmt, die nach seinem Tatplan der Erfüllung eines Tatbestandsmerkmals vorgelagert sind, in die Tatbestandshandlung unmittelbar einmünden und das geschützte Rechtsgut - nach der Vorstellung des Täters - in eine konkrete Gefahr bringen. Ein Versuch liegt deshalb vor, wenn der Täter Handlungen begeht, die im ungestörten Fortgang unmittelbar zur Tatbestandserfüllung führen sollen oder die im unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit ihr stehen (BGHSt 28, 162, 163; BGH, Urteil vom 26. Juli 1979 - 4 StR 304/79). Dem nach der Vorstellung des Täters "unmittelbaren Einmünden" seiner Handlungen in die Tatbestandsverwirklichung kommt dabei entscheidende Bedeutung zu (BGH, Urteil vom 15. Oktober 1980 - 2 StR 469/80).

6

Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.

7

a)

Der Tatplan des Angeklagten war auf eine Tatbestandsverwirklichung in mittelbarer Täterschaft gerichtet. Mittelbarer Täter ist, wer eine Straftat "durch einen anderen begeht" (§ 25 Abs. 1 StGB), der selbst nicht Täter dieser Straftat ist. Das ist u.a. der Fall, wenn der Tatmittler infolge eines vom mittelbaren Täter erregten oder ausgenutzten Irrtums nicht vorsätzlich handelt, aber auch wenn der Tatmittler infolge des Irrtums glaubt, eine minder schwere Straftat zu begehen (vgl. Roxin in LK § 25 Rdnr. 59, 78).

8

So liegt der Fall hier. Der Angeklagte täuschte die von ihm ausgewählten Tatmittler zwar nicht darüber, daß sie eine strafbare Handlung begehen sollten. Er verheimlichte ihnen aber Tatumstände, die den Tatbestand einer schwereren Straftat begründeten, als die Tatmittler sie sich vorstellten. G. und C. wollten einen Raub mittels einer Körperverletzung begehen, nicht aber eine Tötung; dies wird schon dadurch ersichtlich, daß sie von der Tat Abstand nahmen, als sie erkannten, daß der Angeklagte ihnen kein Schlafmittel sondern eine gefährliche Säure gegeben hatte, die auf das Tatopfer tödlich wirken konnte. A. erklärte sich dem Angeklagten gegenüber nur dazu bereit, durch Begehung einer Körperverletzung ohne schwere Folgen bei dem angeblich geplanten Raub mitzuwirken; daß der Angeklagte selbst davon ausging, A. werde zur Mitwirkung bei einer schweren Körperverletzung nicht bereit sein, ist schon daraus erkennbar, daß er ihn über den Inhalt der Flasche täuschte, aus der er das Tatopfer anspritzen sollte.

9

b)

In mittelbarer Täterschaft versucht eine Straftat derjenige, der nach seiner Vorstellung die erforderliche Einwirkung auf den Tatmittler abgeschlossen hat, so daß nach dem Tatplan dieser im unmittelbaren Anschluß die Tat ausführen soll und das geschützte Rechtsgut damit bereits in diesem Zeitpunkt gefährdet ist (vgl. Lackner, StGB, 14. Aufl., § 22 Anm. 1 c; für die frühere Gesetzesfassung auch BGHSt 4, 270, 273). Denn wer die Tat durch einen anderen begehen will (§ 25 Abs. 1 StGB), setzt zur Verwirklichung des Tatbestandes der geplanten Straftat unmittelbar an (§ 22 StGB), wenn er den Tatmittler zur Tatausführung bestimmt hat und ihn aus seinem Einwirkungsbereich in der Vorstellung entläßt, daß er die tatbestandsmäßige Handlung nunmehr vornehmen werde (vgl. Eser in Schönke/Schröder 20. Aufl., § 22 StGB Rdnr. 54 m.w.Hinweisen).

10

Dies ist im vorliegenden Fall geschehen. Der Angeklagte hat zunächst G., C. und Ü. mit dem angeblichen Schlafmittel und dann A. mit der angeblichen essigsauren Tonerde losgeschickt, um J. alsbald zu überfallen und das in Wirklichkeit hochgiftige Mittel bei ihm anzuwenden. Darin lag nach seiner Vorstellung bereits ein derartiger unmittelbarer Angriff auf Leben und Gesundheit des Tatopfers, daß dieses bereits gefährdet war und der Schaden sich unmittelbar anschließen konnte.

11

c)

Ebenso wie die Tatsache, daß die zunächst tatentschlossenen G., C. und Ü. die Tat nicht ausgeführt haben, der Versuch also fehlgeschlagen ist, die Strafbarkeit der Handlung des Angeklagten nicht beseitigt, steht der Umstand, daß A. nur zum Schein bereit war, die vom Angeklagten geplante Tat auszuführen, er also von vornherein ein untauglicher Tatmittler war, der Annahme eines strafbaren Versuchs nicht entgegen (vgl. RGSt 53, 45). Denn für die Strafbarkeit eines untauglichen Versuchs kommt es nicht auf die tatsächliche Gefährdung eines bestimmten Rechtsgutes maßgebend an, sondern auf die - für sich gesehen schon gefährliche - Auflehnung gegen die rechtlich geschützte Ordnung (BGHSt 11, 268, 271; Dreher/Tröndle, 40. Aufl., § 22 StGB Rdnr. 25). Deshalb begeht der mittelbare Täter einen strafbaren untauglichen Versuch, wenn er aus seiner Sicht alles für die Tatvollendung Notwendige in die Wege geleitet hat, dabei jedoch irrig an die Handlungsbereitschaft des vorgesehenen Tatmittlers glaubte, der in Wirklichkeit zur Tatausführung nicht bereit war. Entscheidend ist für die Strafbarkeit des untauglichen Versuchs somit allein die Vorstellung des mittelbaren Täters von der Tauglichkeit seiner Handlung.

12

3.

Auch im übrigen läßt das angefochtene Urteil Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten nicht erkennen. Die Strafkammer hat aus den getroffenen Feststellungen zutreffend rechtlich gefolgert, daß der Tatplan des Angeklagten sich im ersten Fall auf einen Mord, im zweiten zumindest auf eine schwere Körperverletzung richtete. Soweit die Revision die tatsächlichen Feststellungen beanstandet, erschöpft sie sich in unzulässigen Angriffen gegen die Beweiswürdigung. Insbesondere ist ein Verstoß gegen den Grundsatz "in dubio pro reo" nicht erkennbar.

13

Auch die Strafzumessungserwägungen der Strafkammer sind frei von Rechtsfehlern.

Salger
Knoblich
Ruß
Engelhardt
Goydke