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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 08.07.1981, Az.: IVb ZB 657/81

Folgen der Einlegung der Beschwerde in Familiensachen für das Rechtsmittel; Erstreckung eines Rechtsmittels in der Begründungsschrift auf andere Teile eines Verbundurteils; Einstufung eines Rechtsmittels entgegen der gewählten Bezeichnung; Umfang der Hemmung der Rechtskraft bei Einlegung eines Rechtsmittels nur bezüglich eines Teils eines Verbundurteils; Grundsätze zur Anfechtung von Verbundurteilen

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
08.07.1981
Aktenzeichen
IVb ZB 657/81
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1981, 12110
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
OLG Frankfurt am Main - 23.03.1981
AG Darmstadt

Fundstellen

  • MDR 1982, 43-44 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW 1981, 2360-2361 (Volltext mit amtl. LS)

Prozessführer

Bauzeichnerin Gisa K. geb. B., K. straße 46, D.-A.

Prozessgegner

Studiendirektor Karl Gerhard K., Am r. B. 7, M.-T.

Amtlicher Leitsatz

Ist gegen ein Verbundurteil in einer Familiensache "Beschwerde gemäß § 621 e ZPO" eingelegt worden, so kann das Rechtsmittel in der Begründungsschrift zulässigerweise - nunmehr als Berufung - auf andere Teile des Verbundurteils erstreckt werden, gegen die das Rechtsmittel der Berufung gegeben ist.

In dem Rechtsstreit
hat der IV b - Zivilsenat des Bundesgerichtshofs
am 8. Juli 1981
durch
die Richter Lohmann, Portmann, Dr. Seidl, Dr. Blumenröhr und Dr. Macke
beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluß des 1. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 23. März 1981 aufgehoben und der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der sofortigen Beschwerde, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Beschwerdewert: 6.600 DM.

Gründe

1

I.

Das Amtsgericht - Familiengericht - hat durch Verbundurteil die Ehe der Parteien geschieden (Ziff. I des Urteilsausspruchs), die elterliche Sorge über die gemeinschaftlichen Kinder geregelt (Ziff. II), den Antragsgegner zu Unterhaltsleistungen für eine der Töchter (Ziff. III) und zur Zahlung von monatlich 450 DM nachehelichem Unterhalt für die Antragstellerin (Ziff. IV) verurteilt sowie den Versorgungsausgleich gemäß § 1587 b Abs. 2 BGB durchgeführt (Ziff. V). Das Urteil ist der Antragstellerin am 12. Dezember 1980 zugestellt worden. Sie hat dagegen am 31. Dezember 1980 ohne weitere Kennzeichnung des Streitgegenstandes "Beschwerde gemäß § 621 e ZPO" zum Oberlandesgericht einlegen lassen und dabei Antragstellung und Begründung einem besonderen Schriftsatz vorbehalten. Am 26. Januar 1981 ist die Begründung des Rechtsmittels bei Gericht eingegangen. Darin heißt es, "in der Berufungssache K. ./. dto" richte sich die Beschwerde nur gegen Ziff. IV des angefochtenen Urteils, soweit der Unterhaltsanspruch der Antragstellerin von früher monatlich 600 DM auf 450 DM geändert worden sei; entsprechend dem Antrag in der ersten Instanz werde die Verurteilung des Antragsgegners zur Zahlung von monatlich 1.000 DM Unterhalt begehrt. Durch einen weiteren Schriftsatz vom 30. Januar 1981 hat die Antragstellerin "klargestellt", "daß der als Beschwerde deklarierte Rechtsbehelf als Berufung anzusehen" sei.

2

Das Oberlandesgericht hat durch Beschluß die Berufung der Antragstellerin gegen Ziff. IV des amtsgerichtlichen Urteils und ihre Beschwerde gegen das Urteil als unzulässig verworfen. Dagegen wendet sich die Antragstellerin mit der sofortigen Beschwerde.

3

II.

Das Rechtsmittel hat Erfolg.

4

1.

Das Oberlandesgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:

5

Soweit die Antragstellerin ihr Rechtsmittel als "Beschwerde gemäß § 621 e ZPO" bezeichnet habe, sei es nicht begründet worden. Die Rechtsmittelbegründung beziehe sich ausschließlich auf die Entscheidung zu ihrem nachehelichen Unterhalt, nicht aber auf die der Beschwerde gemäß § 621 e ZPO unterliegenden Teile des erstinstanzlichen Urteils in Ziffern II und V, die die Antragstellerin gerade nicht angreifen wolle. Als Beschwerde sei das Rechtsmittel demgemäß wegen Fehlens einer Begründung (§§ 621 e Abs. 3, 519 ZPO) unzulässig.

6

Soweit die Antragstellerin ihr Rechtsmittel als Berufung verstanden wissen wolle, fehle es bereits an einer wirksamen Einlegung. Nach § 518 Abs. 2 Nr. 2 ZPO bedürfe die Berufungsschrift der Angabe, daß gegen das angefochtene Urteil Berufung eingelegt werde. Hier enthalte die Rechtsmittelschrift aber die weder auslegungs- noch umdeutungsfähige Erklärung, es werde "Beschwerde gemäß § 621 e ZPO" eingelegt, d.h. nicht das gesamte Urteil, sondern nur der Teil angegriffen, der - wie die Regelung der elterlichen Sorge und des Versorgungsausgleichs - der Beschwerde und nicht der Berufung unterliege. Erst die nach dem Ablauf der Berufungsfrist eingegangene Begründung der "Beschwerde" habe erkennen lassen, daß sich das Rechtsmittel entgegen seiner Bezeichnung ausschließlich gegen Ziff. IV des amtsgerichtlichen Urteils wende und damit inhaltlich als Berufung gewollt sei.

7

2.

Das Rechtsmittel ist entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts zulässig.

8

Gegen Verbundurteile der Familiengerichte ist nach den allgemeinen Vorschriften (§ 511 ZPO) das Rechtsmittel der Berufung gegeben. Das gilt nicht nur, wenn ein Verbundurteil insgesamt angefochten wird, sondern im Grundsatz auch dann, wenn sich das Rechtsmittel nur gegen den Scheidungsausspruch oder die Entscheidung über einzelne Folgesachen richtet. Eine Ausnahme hiervon macht § 629 a Abs. 2 Satz 1 ZPO für den Fall, daß das Verbundurteil nur angefochten werden soll, soweit darin über Folgesachen der in § 621 Abs. 1 Nr. 1-3, 6, 7 und 9 ZPO bezeichneten Art (sog. FGG-Folgesachen) erkannt ist; dann findet entsprechend § 621 e ZPO nicht die Berufung, sondern die Beschwerde statt.

9

Im vorliegenden Fall hat die Antragstellerin bei dem Oberlandesgericht "Beschwerde gemäß § 621 e ZPO" eingelegt. Damit hat sie zu erkennen gegeben, daß sie mit ihrem Rechtsmittel eine Abänderung des Verbundurteils erstrebe, soweit darin über FGG-Folgesachen entschieden worden ist. Als solche kamen hier die Entscheidungen über das Sorgerecht (§ 621 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) und den Versorgungsausgleich (Nr. 6 der Vorschrift) in Betracht. Diese in der Rechtsmittelschrift erklärte Begrenzung hinderte die Antragstellerin indessen nicht, die Anfechtung in der Rechtsmittelbegründung - auch oder nur - auf andere Teile des Verbundurteils zu erstrecken.

10

Es ist nicht die Aufgabe der Rechtsmittelschrift, bereits den Umfang der Anfechtung zu umgrenzen. Die Rechtsmittel der Berufung und der Revision wie auch der Beschwerde und der weiteren Beschwerde in Familiensachen gemäß § 621 e ZPO erfordern außer ihrer Einlegung, also der Erklärung, daß eine bestimmte Entscheidung mit dem Rechtsmittel angefochten werde, ferner eine Rechtsmittelbegründung (§§ 519, 554, 621 e Abs. 3 ZPO). Soweit - für Berufung und Revision - ein Antrag vorgeschrieben ist, braucht dieser erst die Begründung zu enthalten (§§ 519 Abs. 3 Nr. 1, 554 Abs. 3 Nr. 1 ZPO). Aus der Unterscheidung zwischen Einlegung und Begründung des Rechtsmittels wird gefolgert, daß die Hemmung der Rechtskraft, die nach § 705 Satz 2 ZPO durch rechtzeitige Einlegung des zulässigen Rechtsmittels eintritt, sich auf das gesamte Urteil erstreckt, auch wenn der Rechtsmittelantrag nur einen Teil der Entscheidung betrifft (BGHZ 7, 143, 144 m. Anm. Ascher in LM ZPO § 518 Nr. 3; Stein/Jonas/Grunsky, ZPO 20. Aufl. § 514 Rdn. 11). Das gilt grundsätzlich auch dann, wenn der Rechtsmittelführer sein Rechtsmittel bei der Einlegung auf bestimmte Teile der angefochtenen Entscheidung beschränkt. Soweit hinsichtlich der übrigen Teile nicht ein wirksamer Rechtsmittelverzicht vorliegt, ist er durch eine solche Beschränkung nicht gehindert, sein Rechtsmittel mit der Begründung auf andere Teile der angefochtenen Entscheidung zu erstrecken, durch die er beschwert ist (BGHZ 7, 143, 144 f.; BGH Urteil vom 19. November 1957 - VI ZR 249/56 - LM ZPO § 553 Nr. 5 = NJW 1958, 343; s. auch BGH Urteil vom 13. Dezember 1962 - III ZR 89/62 - LM ZPO § 536 Nr. 9 und Beschluß vom 3. Juli 1968 - VIII ZB 26/68 - NJW 1968, 2106).

11

Diese anerkannten Grundsätze haben nach Auffassung des Senats auch für die Anfechtung von Verbundurteilen Bedeutung. Diese unterscheidet sich von den übrigen in der Zivilprozeßordnung geregelten Rechtsmittel dadurch, daß die Art des statthaften Rechtsmittels je nach dem Gegenstand der Anfechtung verschieden ist. Wie dargelegt, tritt an die Stelle der grundsätzlich gegebenen Berufung die Beschwerde, wenn ausschließlich die Entscheidung über sog. FGG-Folgesachen angegriffen werden soll. Diese Besonderheit läßt es aber weder als notwendig noch auch nur als angezeigt erscheinen, für diesen Bereich von dem Grundsatz abzugehen, daß Richtung und Umfang der Anfechtung erst durch die Begründung des Rechtsmittels bestimmt werden.

12

Dies leuchtet ohne weiteres ein, wenn gegen ein Verbundurteil Berufung eingelegt wird. Dieses Rechtsmittel bleibt - nunmehr als Beschwerde - fraglos auch dann zulässig, wenn es in der Begründung auf Entscheidungen über FGG-Folgesachen beschränkt wird. Nichts anderes kann - außer bei entsprechendem Rechtsmittelverzicht - dann gelten, wenn der Rechtsmittelführer bei Einlegung der Berufung angekündigt hatte, diese richte sich nur gegen den Scheidungsausspruch oder eine mit der Berufung anfechtbare Folgesachenentscheidung.

13

Aber auch in dem hier zu beurteilenden Fall, daß Beschwerde gemäß § 621 e ZPO eingelegt wird, kann nichts anderes gelten. Auch hier kann der Rechtsmittelführer sein Rechtsmittel mit der Begründung - nunmehr als Berufung - auf andere Teile des Verbundurteils erstrecken. Wie der Bundesgerichtshof bereits entschieden hat, kann über den Scheidungsausspruch eines Verbundurteils kein Teilrechtskraftzeugnis erteilt werden, wenn in einer Folgesache, über die in dem Urteil entschieden worden ist, ein Rechtsmittel eingelegt wird (Beschluß vom 5. Dezember 1979 - IV ZB 75/79 - NJW 1980, 702 = FamRZ 1980, 233). In der genannten Entscheidung ist dies damit begründet worden, daß der Rechtsmittelgegner sich - auch nach Ablauf der Berufungsfrist - dem nur hinsichtlich der Folgesache eingelegten Rechtsmittel mit dem Ziel anschließen könne, den Scheidungsausspruch zu Fall zu bringen. Da hiernach aber durch die Anfechtung auch nur einer Folgesachenentscheidung die Rechtskraft des gesamten Verbundurteils gehemmt wird, wäre es nicht einzusehen, wenn der Rechtsmittelführer seinerseits gehindert sein sollte, sein zunächst auf eine Folgesache beschränktes Rechtsmittel mit dessen Begründung auf andere Teile des Verbundurteils zu erstrecken. Dabei kann es keinen Unterschied machen, wenn zunächst nur die Entscheidung über (eine) FGG-Folgesache(n) angegriffen und demgemäß nicht Berufung, sondern Beschwerde eingelegt wird. In der Ausgestaltung, die die Beschwerde in Familiensachen durch § 621 e Abs. 3 ZPO erfahren hat, steht sie dem Rechtsmittel der Berufung so nahe, daß keine Bedenken bestehen, eine solche Beschwerde als Berufung weiterzuführen, wenn das Rechtsmittel mit seiner Begründung auf andere Teile des Verbundurteils erstreckt wird. Berufung und Beschwerde sind bei demselben Gericht einzulegen; für Einlegung und Begründung gelten dieselben Fristen. Auch in der Frage des Anwaltszwanges bestehen keine Unterschiede von Bedeutung, da Beschwerden in Scheidungsfolgesachen - ebenso wie Berufungen gegen Verbundurteile - nur durch einen bei dem Oberlandesgericht zugelassenen Rechtsanwalt eingelegt werden können (vgl. BGH Beschlüsse vom 17. Januar 1979 - IV ZB 111/78 - NJW 1979, 766 = FamRZ 1979, 232; vom 20. April 1979 - IV ZB 160/78 - FamRZ 1979, 908; vom 23. November 1979 - IV ZB 54/79 - VersR 1980, 262). Soweit Träger der gesetzlichen Rentenversicherungen in Versorgungsausgleich-Folgesachen und Jugendämter in Folgesachen, die die Regelung der elterlichen Sorge betreffen, vom Anwaltszwang ausgenommen sind (vgl. BGH Beschluß vom 20. September 1978 - IV ZB 97/78 - LM ZPO § 621 e Nr. 8 = NJW 1979, 108 = FamRZ 1978, 889; Senatsbeschlüsse vom 21. Mai 1980 - IV b ZB 628/80 - NJW 1980, 1958 = FamRZ 1980, 990; vom 25. Juni 1980 - IV b ZB 634/80 - NJW 1980, 2260 = FamRZ 1980, 991), handelt es sich um Verfahrensbeteiligte, für die eine Anfechtung sonstiger Teile des Verbundurteils ohnehin nicht in Betracht kommt.

14

Da § 621 e Abs. 3 Satz 2 ZPO nur auf § 519 Abs. 1 und 2 ZPO, nicht aber auf Abs. 3 der Vorschrift verweist, sind an die Begründung einer Beschwerde allerdings geringere Anforderungen zu stellen als an die einer Berufung; auch bedarf es bei ihr keines Rechtsmittelantrages (BGH Beschlüsse vom 17. Januar 1979, aaO; vom 20. Juni 1979 - IV ZB 147/78 - NJW 1979, 1989 = FamRZ 1979, 909). Das bedeutet jedoch nur, daß diese Erleichterung entfällt, wenn das zunächst als Beschwerde eingelegte Rechtsmittel mit der Rechtsmittelbegründung auf Teile des Verbundurteils erstreckt wird, die der Anfechtung durch Berufung unterliegen, und daß die Begründung nunmehr den Anforderungen des § 519 Abs. 3 ZPO genügen muß. Bedenken gegen eine solche Erstreckung sind daraus aber nicht herzuleiten. Auch die gesetzliche Regelung, daß gegen Verbundentscheidungen in FGG-Folgesachen die Berufung gegeben ist, wenn sie zusammen mit anderen Teilen des Verbundurteils angefochten werden (§ 629 a Abs. 2 Satz 1 ZPO), sowie die Bestimmung in Satz 2 der genannten Vorschrift zeigen, daß die Rechtsmittel der Berufung und der Beschwerde in diesem Bereich nicht strikt voneinander geschieden sind. Demzufolge hat der Bundesgerichtshof in dem bereits angeführten Beschluß vom 5. Dezember 1979 keine Bedenken dagegen gesehen, daß der Gegner einer in einer FGG-Folgesache eingelegten Beschwerde sich diesem Rechtsmittel mit dem Ziel der Anfechtung des Scheidungsausspruchs anschließt.

15

Die Berufung wäre allerdings dann unzulässig, wenn in der Einlegung der "Beschwerde gemäß § 621 e ZPO" ein Verzicht auf die Anfechtung derjenigen Teile des Verbundurteils zu erblicken wäre, gegen die das Rechtsmittel der Berufung gegeben ist. Für einen solchen Verzicht, den auch das Oberlandesgericht nicht angenommen hat, fehlen jedoch Anhaltspunkte. Allein in der Beschränkung des Rechtsmittels ist ein Verzicht auf weitergehende Anfechtung in aller Regel nicht zu erblicken (vgl. BGH Urteile vom 19. November 1957 aaO; vom 13. Dezember 1962 aaO; Stein/Jonas/Grunsky a.a.O. § 514 Rdn. 11 m.w.Nachw.).

Streitwertbeschluss:

Beschwerdewert: 6.600 DM.

Lohmann
RiBGH Dr. Seidl ist im Urlaub und kann daher nicht unterschreiben. Lohmann
Portmann
Blumenröhr
Dr. Macke