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Bundesgerichtshof
Urt. v. 20.05.1981, Az.: IVb ZR 556/80

Klage auf Leistung von Trennungsunterhalt; Ausschluss des Anspruchs wegen grober Unbilligkeit; Vorliegen einer Eheverfehlung durch Verschulden des Scheiterns der Ehe

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
20.05.1981
Aktenzeichen
IVb ZR 556/80
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1981, 13352
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
OLG Düsseldorf - 14.02.1979
LG Leverkusen

Fundstellen

  • MDR 1981, 920-921 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW 1981, 1782-1784 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW 1982, 17-18 (Urteilsbesprechung von Richter Rudolf von Hornhardt)

Prozessführer

Technischer Angestellter Eckart U., K. straße 12, L.

Prozessgegner

Hausfrau Hiltraut U. geborene B., D. straße 4, H. D.

Amtlicher Leitsatz

  1. a)

    Betreut ein getrennt lebender Ehegatte ein Pflegekind, das die Eheleute vor ihrer Trennung gemeinsam aufgenommen hatten, so kann diese Betreuung zu den persönlichen Verhältnissen des Ehegatten gerechnet werden, von denen nach § 1361 Abs. 2 BGB abhängt, ob er darauf verwiesen werden kann, seinen Unterhalt durch eine Erwerbstätigkeit selbst zu verdienen.

  2. b)

    Zur Frage, ob Einkommen aus einer Erwerbstätigkeit, die ein Ehegatte nach der Trennung der Eheleute aufnimmt, die ehelichen Lebensverhältnisse (§ 1361 Abs. 1 BGB) beeinflußt.

  3. c)

    Zur Frage, wann das Unterhaltsbegehren eines getrennt lebenden Ehegatten, der sich einem anderen Partner zugewandt hat, deswegen grob unbillig ist (§ 1579 Abs. 1 Nr. 4 BGB).

Der IV b - Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
auf die mündliche Verhandlung vom 28. Januar 1981
durch
die Richter Lohmann, Portmann, Knüfer, Dr. Seidl und Dr. Blumenrohr
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 5. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 14. Februar 1979 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien haben am 21. August 1962 die Ehe geschlossen, aus der Kinder nicht hervorgegangen sind. Die Klägerin war bis zum Jahre 1967 als Materialbuchhalterin beschäftigt; nachdem sie ihre letzte Arbeitsstelle wegen Rationalisierungsmaßnahmen verloren hatte, war sie mit Zustimmung des Beklagten nur noch im eigenen Haushalt tätig. Im Jahre 1974 nahmen die Parteien eine am 14. Mai 1963 geborene Pflegetochter auf, für die sie Pflege- und Kindergeld erhielten.

2

Im Dezember 1976 erhob die Klägerin Ehescheidungsklage, nachdem der Beklagte seinerseits Scheidungsabsichten geäußert hatte; er erhob Widerklage auf Scheidung. Ende Januar 1977 verließ die Klägerin zusammen mit der Pflegetochter der Parteien die eheliche Wohnung und bezog ihre jetzige Wohnung in Hellenthal. Seit Mitte 1977 unterhält sie Beziehungen zu dem Eigentümer des Hauses, in dem sie zur Miete wohnt. Im November 1977 meldete sie sich bei dem zuständigen Arbeitsamt als Arbeitsuchende, nahm eine Erwerbstätigkeit aber nicht mehr auf. Sie erhält keine Arbeitslosenhilfe. Das Pflege- und das Kindergeld für die Pflegetochter werden ihr ausgezahlt.

3

Die Klägerin hat den Beklagten auf Zahlung von Trennungsunterhalt in Anspruch genommen und monatlich 550 DM seit dem 17. Oktober 1977 verlangt. Das Amtsgericht - Familiengericht - hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht den Beklagten verurteilt, an die Klägerin 8.516,10 DM als Unterhaltsrückstand für die Zeit seit dem 17. Oktober 1977 sowie monatlich 550 DM ab 1. Februar 1979 zu zahlen. Mit seiner vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision erstrebt der Beklagte die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.

4

Inzwischen hat das Amtsgericht - nach Abtrennung des Verfahrens über den Zugewinnausgleich - durch Urteil vom 20. Dezember 1979 die Ehe der Parteien geschieden und den Versorgungsausgleich durchgeführt. Dieses Urteil ist von den Parteien und sonstigen Verfahrensbeteiligten nicht mit Rechtsmitteln angefochten worden.

Entscheidungsgründe

5

I.

Das Berufungsgericht hat die Auffassung vertreten, der sich aus § 1361 BGB ergebende Unterhaltsanspruch der Klägerin sei nicht nach §§ 1361 Abs. 3, 1579 Abs. 1 Nr. 4 BGB ganz oder teilweise als grob unbillig ausgeschlossen. Es hat offengelassen, ob § 1579 Abs. 1 Nr. 4 BGB schon deshalb außer Betracht zu bleiben habe, weil die Klägerin das Pflegekind betreue (§ 1579 Abs. 2 BGB), und hat seine Auffassung darauf gestützt, daß der Beklagte keinen Grund dargetan habe, der - wie § 1579 Abs. 1 Nr. 4 BGB verlangt - ebenso schwer wiege wie die in Nr. 1 bis 3 der Vorschrift genannten Gründe.

6

Dabei ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß persönliche Eheverfehlungen den Tatbestand des § 1579 Abs. 1 Nr. 4 BGB erfüllen könnten, wenn das Verschulden am Scheitern der Ehe ganz klar nur bei einem Ehegatten liege und ein sehr erhebliches Gewicht habe. Es hat aber gemeint, der Beklagte habe nicht dargetan, daß die Klägerin die Alleinschuld am Scheitern der Ehe treffe. Diese habe unwiderlegt behauptet, die Ehe sei schon aufgrund des Verhaltens des Beklagten gescheitert gewesen, ehe sie - die Klägerin - wesentlich später Beziehungen zu einem anderen Mann aufgenommen habe. Zwar habe sie in anderem Zusammenhang vorgetragen, sie sei in ihre jetzige Wohnung gezogen, weil sie dort in der Nähe des Mannes lebe, den sie liebe und später zu heiraten gedenke. Auf die Richtigkeit ihrer erstgenannten Behauptung deute aber hin, daß sie den Beklagten noch vor Erhebung der Scheidungsklage durch Anwaltsschreiben habe auffordern lassen, sie mit Achtung und Anstand zu behandeln, damit die Ehe Fortgang nehmen könne. Darauf habe der Beklagte unstreitig mit Schreiben vom 10. November 1976 als erster Scheidungsabsichten geäußert und erklärt, er wolle auf jeden Fall geschieden werden. Weiterhin habe die Klägerin unwidersprochen vorgetragen, der Beklagte habe eine leerstehende Wohnung in seinem Hause, in der sie von ihm hätte getrennt leben können, verschlossen gehalten. Bei seiner Parteivernehmung im Scheidungsrechtstreit habe er eingeräumt, die Klägerin daran gehindert zu haben, die von ihr als zu kalt empfundene eheliche Wohnung stärker zu beheizen. In einem jahrelang geheimgehaltenen Testament vom 27. April 1971 habe er die Klägerin bei der Erbeinsetzung zu Gunsten eines Neffen übergangen und ihr neben einigen Vermächtnissen nur einen Nießbrauch am Hausgrundstück eingeräumt. Schließlich habe die Klägerin behauptet, der Beklagte habe sie lieblos behandelt und ständig zu Gunsten seiner Angehörigen zurückgesetzt; nach einer Fehlgeburt habe er ihr grundlos vorgeworfen, das Kind umgebracht zu haben. Auf diese Vorwürfe, die er bei seiner Parteivernehmung im Scheidungsrechtsstreit im wesentlichen in Abrede gestellt habe, sei er im vorliegenden Unterhaltsprozeß von sich aus nicht eingegangen, so daß sie nicht widerlegt werden könnten. Das gereiche ihm zum Nachteil, weil er für den Ausschlußgrund des § 1579 Abs. 1 Nr. 4 BGB die Darlegungs- und Beweislast trage.

7

Sei somit davon auszugehen, daß die Klägerin wenigstens nicht die alleinige oder überwiegende Schuld am Scheitern der Ehe trage, so stehe ihrem Unterhaltsanspruch in dem zuerkannten Umfange nicht entgegen, daß sie nach der Trennung der Parteien Beziehungen zu einem anderen Mann aufgenommen habe. Einem Treubruch erst nach dem unheilbaren Scheitern der Ehe komme ein den in § 1579 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BGB genannten Gründen vergleichbares Gewicht nicht zu, selbst wenn die Klägerin mit dem anderen Manne inzwischen einen gemeinsamen Haushalt führe. Das dem neuen Ehescheidungsrecht zugrunde liegende Zerrüttungsprinzip verbiete es, Eheverfehlungen von bloß durchschnittlicher Schwere gegeneinander aufzurechnen.

8

Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision jedenfalls im Ergebnis stand.

9

Ihr rechtlicher Ausgangspunkt entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, daß nur ein schwerwiegendes und klar bei einem der Ehegatten liegendes evidentes Fehlverhalten geeignet ist, die Voraussetzungen des § 1579 Abs. 1 Nr. 4 BGB zu erfüllen (BGH Urteile vom 7. März 1979 - IV ZR 36/78 - LM BGB § 1579 Nr. 1 = NJW 1979, 1348, 1349 = FamRZ 1979, 569, 570; vom 9. Mai 1979 - IV ZR 88/78 - LM a.a.O. Nr. 2 = NJW 1979, 1452, 1453 = FamRZ 1979, 571, 573; Senatsurteile vom 23. April 1980 - IV b ZR 527/80 - NJW 1980, 1686, 1687 = FamRZ 1980, 665, 666; vom 25. Februar 1981 - IV b ZR 544/80 - FamRZ 1981, 439, 440 f). Ein solches Fehlverhalten kann insbesondere darin liegen, daß der Unterhalt begehrende Ehegatte sich gegen den Willen des anderen von der Ehe abkehrt und einem anderen Partner zuwendet, dem er die seinem Ehegatten geschuldete Hilfe und Betreuung zuteil werden läßt (vgl. Senatsurteil vom 23. April 1980 aaO). Auch die Zuwendung zu einem anderen Partner läßt das Unterhaltsbegehren aber nur dann als grob unbillig erscheinen, wenn sie im Sinne der angeführten Rechtsprechung als einseitiges evidentes Fehlverhalten gewertet werden kann. Das eheliche Verhalten des anderen Ehegatten kann daher auch in solchen Fällen nicht außer Betracht bleiben. So hat der erkennende Senat im Urteil vom 25. Februar 1981 a.a.O. die Aufnahme eines nachhaltigen, auf längere Dauer angelegten intimen Verhältnisses dann nicht als schwerwiegenden Bruch der ehelichen Solidarität angesehen, wenn der andere Ehegatte sich vorher seinerseits von seinen ehelichen Bindungen losgesagt hatte. Etwas anderes kann grundsätzlich auch dann nicht gelten, wenn der Unterhalt begehrende Ehegatte - wie es das Berufungsgericht hier zu Gunsten des Beklagten unterstellt hat - mit seinem neuen Partner in eheähnlicher Gemeinschaft lebt und diesen zu heiraten gedenkt. Entgegen der Ansicht der Revision kann daher § 1579 Abs. 1 Nr. 4 BGB nicht dahin verstanden werden, daß ein solches Verhalten regelmäßig zur groben Unbilligkeit des Unterhaltsbegehrens führe und der Frage nach der Trennungsschuld, also nach dem Anteil beider Ehegatten an der Trennung nur noch die Bedeutung eines Entschuldigungsgrundes zukomme. Die Begründung einer eheähnlichen Gemeinschaft - wie die Revision erwägt - mit dem Fall der Wiederheirat gleichzustellen, der nach § 1586 Abs. 1 BGB zum Erlöschen des Unterhaltsanspruches führt, hat der Bundesgerichtshof im Urteil vom 26. September 1979 (IV ZR 87/79 - NJW 1980, 124, 125 = FamRZ 1980, 40, 41) bereits abgelehnt.

10

Nach diesen Grundsätzen ist es aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, daß das Berufungsgericht sich außerstande gesehen hat, einen zur groben Unbilligkeit des Unterhaltsbegehrens führenden "anderen Grund" im Sinne des § 1579 Abs. 1 Nr. 4 BGB festzustellen. Es hat mir Recht darauf verwiesen, daß der Beklagte unstreitig als erster Scheidungsabsichten geäußert hat, noch ehe die Klägerin ihrerseits den Scheidungsrechtsstreit anhängig gemacht hatte, und es ihr verwehrt hat, die - ersichtlich von ihm selbst gewünschte - Trennung der Parteien in der Weise vorzunehmen, daß sie eine in seinem Hause leerstehende Wohnung bezog. Erst danach ist die Klägerin in ihre jetzige Wohnung nach Hellenthal gezogen; daß sie zu ihrem dortigen Vermieter früher als Mitte des Jahres 1977 Beziehungen aufgenommen hat, ist nicht festgestellt. Bei dem zeitlichen Ablauf allein dieser Vorgänge, die gegen eine einseitige Abkehr der Klägerin von der Ehe sprechen, sind gegen die tatrichterliche Würdigung des Berufungsgerichts rechtliche Bedenken nicht zu erheben, ohne daß es auf die weiteren Vorwürfe ehewidrigen Verhaltens, die die Klägerin gegen den Beklagten erhoben hat, noch ankäme. Den Rügen, die die Revision gegen die Verwertung dieser weiteren Vorwürfe erhebt, braucht daher nicht nachgegangen zu werden. Der Beklagte seinerseits hat der Klägerin kein Fehlverhalten vorgeworfen, das über die Zuwendung zu einem anderen Mann hinausginge; jedenfalls hat die Revision solche Vorwürfe nicht als übergangen gerügt. Daß der Beklagte durch eine - vom Berufungsgericht unterstellte - häusliche Gemeinschaft der Klägerin mit einem anderen Mann in ungewöhnlicher Weise betroffen würde, wird nicht geltend gemacht und ist ohne weiteres nicht anzunehmen, zumal sie an einen anderen Ort verzogen ist.

11

II.

Das Berufungsgericht, das unangefochten von einem monatlichen Nettoeinkommen des Beklagten in Höhe von 2.425 DM ausgegangen ist, hat der Klägerin eigene Einkünfte in Höhe von monatlich 1.050 DM angerechnet, nämlich 850 DM als durch Halbtagsarbeit erzielbares Arbeitseinkommen und einen Anteil am Pflege- und Kindergeld in Höhe von 200 DM. Hieraus hat es gefolgert, sie könne von dem Beklagten gemäß § 1361 BGB noch monatlich 550 DM Unterhalt verlangen.

12

Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht in allen Teilen stand.

13

1.

Entgegen der Ansicht der Revision ist allerdings die Auffassung des Berufungsgerichts nicht zu beanstanden, wegen der Betreuung des Pflegekindes sei von der Klägerin, wenigstens vor rechtskräftiger Scheidung der Ehe, eine über eine Halbtagsbeschäftigung hinausgehende Erwerbstätigkeit nicht zu erwarten gewesen (§ 1361 Abs. 2 BGB).

14

Das Berufungsgericht hat hierzu ausgeführt, selbst zwischen getrennt lebenden Ehegatten bestehe noch eine eheliche Fürsorge- und Beistandspflicht, welche jeden von ihnen verpflichte, auf die Verhältnisse des anderen Rücksicht zu nehmen. Diese Pflicht zur Rücksichtnahme bestehe im Rahmen des § 1361 Abs. 2 BGB gegenüber den Interessen eines Pflegekindes sowie der Pflegemutter jedenfalls dann, wenn die Ehegatten das Kind schon längere Zeit vor ihrer Trennung gemeinsam aufgenommen hätten und sich eine persönliche, dem Verhältnis Elternkind ähnliche Beziehung mindestens zu einem von ihnen entwickelt habe. Auch wenn gegenüber einem Pflegekind nicht dieselbe unauflösliche natürliche Sorgepflicht bestehe wie gegenüber einem leiblichen Kinde, könnten gewachsene Bindungen nicht ohne persönlichen Schaden für beide Beteiligten, Pflegeeltern und Kind, kurzfristig gelöst werden. Hierauf hätten Ehegatten auch während des Getrenntlebens wechselseitig Rücksicht zu nehmen. Infolgedessen sei ein Ehepartner, der unter solchen Voraussetzungen ein 15-jähriges, noch schulpflichtiges Pflegekind nach der Trennung allein umfassend versorge und erziehe, regelmäßig berechtigt, dies gegenüber dem anderen Ehegatten als Grund für eine nur halbtätige Erwerbstätigkeit geltend zu machen. Von einer derartigen Sachlage sei im vorliegenden Fall auszugehen. Die Klägerin habe unwidersprochen vorgetragen, die Parteien hätten nach längerer Zeit kinderlos gebliebener Ehe das Pflegekind nicht aus wirtschaftlichen Erwägungen aufgenommen, sondern um ein Kind in der Familie zu haben, das sie wie ein eigenes hätten großziehen wollen. Allein wegen der inzwischen gewachsenen persönlichen Beziehungen behalte sie, die Klägerin, das Kind; mehrere Kinder in Pflege zu nehmen und damit ihren Unterhalt zu verdienen, traue sie sich nicht zu. Das Berufungsgericht hat offengelassen, ob der Beklagte von der Klägerin auf längere Sicht eine Auflösung des Pflegeverhältnisses verlangen könne; jedenfalls vor einer Ehescheidung könne sie sich ihm gegenüber auf die persönliche Bindung zu dem Pflegekind berufen.

15

Diese Ausführungen sind aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Es begegnet keinen rechtlichen Bedenken, daß das Berufungsgericht jedenfalls unter den hier gegebenen Umständen die Betreuung des Pflegekindes zu den persönlichen Verhältnissen der Klägerin gerechnet hat, die nach § 1361 Abs. 2 BGB für die Frage ihrer Erwerbspflicht von Bedeutung sind (vgl. dazu Senatsurteil vom 5. November 1980 - IV b ZR 549/80 - FamRZ 1981, 17, 18) Solche Bedenken werden von der Revision auch nicht erhoben. Die Ansicht des Berufungsgerichts, neben der Betreuung eines 15-jährigen, noch schulpflichtigen Mädchens sei der Klägerin mehr als eine Halbtagsarbeit nicht zuzumuten gewesen, hält sich im Rahmen der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. Urteile vom 9. Mai 1979 aaO; vom 21. Mai 1980 - IV b ZR 522/80 - NJW 1980, 2081, 2082 = FamRZ 1980, 771, 772; vom 5. November 1980 aaO). Die gegen sie erhobenen Einwendungen der Revision, die sich vornehmlich auf statistische Erhebungen über die Entwicklung der Frauenarbeit, insbesondere der Erwerbstätigkeit von Frauen mit Kindern stützen, geben zu einer anderen Beurteilung keinen Anlaß. Die Entscheidung darüber, ob und inwieweit von einem Ehegatten nach seinen persönlichen Verhältnissen eine Erwerbstätigkeit erwartet werden kann, ist weitgehend Sache tatrichterlicher Beurteilung. Daß die Auffassung des Berufungsgerichts besonderer Begründung unter Darlegung der für das Pflegekind zu erbringenden Erziehungs- und Pflegeleistungen bedurft hätte, kann der Revision nicht zugegeben werden.

16

2.

Erfolglos bleibt auch die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe nicht geprüft, ob eine Unterhaltsbedürftigkeit der Klägerin durch einen Unterhaltsanspruch gegen ihren neuen Lebensgefährten oder dessen tatsächliche Unterstützungsleistung in vollem Umfange beseitigt werde. In seinen Entscheidungen vom 26. September 1979 (FamRZ 1980, 41) und 23. April 1980 (FamRZ 1980, 668) hat der Bundesgerichtshof sich mit den von der Revision in diesem Zusammenhang herangezogenen Vorschriften der §§ 16, 122 BSHG auseinandergesetzt und die aus ihnen abzuleitende Rechtsvermutung als nicht geeignet befunden, das Problem der eheähnlichen Verbindungen im Rahmen des ehelichen Unterhaltsrechts zu lösen. In diesen Entscheidungen ist ferner ausgeführt worden, daß durch eine eheähnliche Gemeinschaft als solche Rechtsansprüche, insbesondere auf Unterhalt, zwischen den Partnern nicht begründet werden.

17

Mit der weiteren Frage, ob die Klägerin sich für ihre Arbeit im Haushalt und im Büro ihres neuen Lebensgefährten ein Entgelt anrechnen lassen muß, hat das Berufungsgericht sich bereits befaßt. Im Hinblick auf die Gründe, die zur Aufhebung des Berufungsurteils führen (folgend unter 3.), wird es sich dieser Frage gegebenenfalls erneut zuwenden müssen.

18

3.

Bei der Bemessung des Unterhaltsanspruchs der Klägerin ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, sie könne gemäß der Düsseldorfer Tabelle zwei Fünftel des Unterschiedsbetrages der beiderseits anrechenbaren Monatseinkommen beanspruchen. Es hat dem monatlichen Einkommen des Beklagten in Höhe von 2.425 DM Einkünfte der Klägerin in Höhe von monatlich 1.050 DM gegenübergestellt und ist so zu einem Unterhaltsanspruch in Höhe von monatlich 550 DM gelangt.

19

Diese Berechnung begegnet rechtlichen Bedenken.

20

Nach § 1361 Abs. 1 Satz 1 BGB bemißt sich der Unterhaltsbedarf nach den Lebensverhältnissen der Ehegatten. Wie die von ihm angewandte sogenannte Differenzmethode (vgl. dazu BGH Urteil vom 13. Juni 1979 - IV ZR 189/77 - NJW 1979, 1985 = FamRZ 1979, 692) zeigt, hat das Berufungsgericht bei der Ermittlung dieser Lebensverhältnisse die Summe des von beiden Parteien erzielten oder doch erzielbaren Einkommens zugrunde gelegt. Denn diese Methode geht davon aus, daß in einer Ehe, in der beide Ehegatten einer Erwerbstätigkeit nachgehen, die Lebensverhältnisse regelmäßig von dem beiderseitigen Einkommen bestimmt werden (vgl. Senatsurteile vom 9. Juli 1980 - IV b ZR 526/80 - FamRZ 1980, 876, 877; vom 10. Dezember 1980 - IV b ZR 534/80 - FamRZ 1981, 241; vom 8. April 1981 - IV b ZR 566/80 - zur Veröffentlichung bestimmt). Von einer solchen Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse kann jedoch im vorliegenden Fall nicht ohne weiteres ausgegangen werden. Das ergibt sich allerdings nicht schon daraus, daß das Berufungsgericht eine Verpflichtung der Klägerin zur Aufnahme einer Halbtagsarbeit erst für die Zeit nach der Trennung der Parteien festgestellt hat, während diese vorher im Einverständnis mit dem Beklagten einer Erwerbstätigkeit nicht nachgegangen war. Denn wie der erkennende Senat für den nachehelichen Unterhaltsanspruch ausgesprochen hat, sind grundsätzlich die ehelichen Lebensverhältnisse nicht im Zeitpunkt der Trennung der Eheleute, sondern der Scheidung maßgebend (Urteile vom 23. April 1980 - IV b ZR 510/80 - FamRZ 1980, 770; vom 10. Dezember 1980 aaO). An einer Entwicklung der Lebensverhältnisse von der Trennung bis zur Scheidung nimmt der unterhaltsberechtigte Ehegatte daher in aller Regel teil (Urteil vom 10. Dezember 1980 a.a.O. S. 242).

21

Im vorliegenden Fall hat das Berufungsgericht aber ein Einkommen der Klägerin in Höhe von 850 DM allein deshalb berücksichtigt, weil sie sich gemäß § 1361 Abs. 2 BGB darauf verweisen lassen müsse, durch Halbtagsarbeit ihren Unterhalt (teilweise) selbst zu verdienen. Der Unterhalt, den der getrenntlebende Ehegatte nach näherer Maßgabe des Gesetzes selbst zu verdienen hat, ist jedoch derselbe, der sich nach Abs. 1 der Vorschrift nach den Lebensverhältnissen der Ehegatten bemißt. Dieser war bis zur Trennung der Parteien allein durch das Einkommen des Beklagten (und in geringem Umfang durch das Pflege- und Kindergeld für das Pflegekind) bestimmt worden. Die Auffassung des Berufungsgerichts würde - durch Hinzurechnung des von der Klägerin erzielbaren Einkommens - allein deshalb zu einer Verbesserung dieser Lebensverhältnisse führen, weil sie sich nach § 1361 Abs. 2 BGB auf Eigenverdienst verweisen lassen muß. Das wäre mit der gesetzlichen Regelung nicht zu vereinbaren. Die dem angefochtenen Urteil zugrunde liegende Beurteilung der ehelichen Lebensverhältnisse der Parteien kann daher mit der bisherigen Begründung nicht bestehen bleiben; vielmehr bedarf es insoweit neuer tatrichterlicher Feststellungen.

22

Auf den Unterhaltsbedarf, der sich aus den festzustellenden ehelichen Lebensverhältnissen ergibt, muß die Klägerin sich den Verdienst aus einer Erwerbstätigkeit, die nach § 1361 Abs. 2 BGB von ihr erwartet werden kann, anrechnen lassen. Da das Berufungsgericht offengelassen hat, ob sie tatsächlich eine entsprechende Arbeitsstelle finden konnte oder nicht, ist zu Gunsten des Beklagten für dieses Revisionsverfahren davon auszugehen, daß sie durch Halbtagsarbeit das vom Berufungsgericht für erzielbar gehaltene Einkommen tatsächlich erzielen konnte. Unter diesen Umständen ist nicht auszuschließen, daß ihr gegen den Beklagten kein Unterhaltsanspruch verbleibt oder nur ein Anspruch in geringerer Höhe, als das Berufungsgericht ihr zuerkannt hat. Das angefochtene Urteil kann daher keinen Bestand haben. Zur Nachholung der weiter erforderlichen tatrichterlichen Feststellungen ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

23

III.

Gegenüber den weiter von der Revision erhobenen Rügen ist auf folgendes hinzuweisen:

24

1.

Der Beklagte hat in der erneuten Berufungsverhandlung Gelegenheit, seine weiteren Einwendungen zum Umfang seiner Unterhaltspflicht geltend zu machen. Insbesondere gilt dies für die Rüge, das Berufungsgericht habe der Klägerin entgegen § 1613 Abs. 1 BGB Unterhalt für eine zurückliegende Zeit zugesprochen, in der er - der Beklagte - nicht in Verzug gewesen sei.

25

2.

Die Beschränkung des Unterhaltsanspruchs auf die Zeit bis zur Ehescheidung (vgl. Senatsurteil vom 14. Januar 1981 - IV b ZR 575/80 - FamRZ 1981, 242) braucht nicht in die Urteilsformel aufgenommen zu werden. Dem Anliegen der Revision, die zeitliche Begrenzung des Unterhaltstitels klarzustellen, wird eine erneute Berufungsentscheidung voraussichtlich schon deshalb Rechnung tragen, weil - nachdem die Ehe inzwischen geschieden ist - nur noch über Unterhalt für die Vergangenheit zu entscheiden ist.

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RiBGH Knüfer ist dienstunfähig erkrankt und kann nicht unterschreiben; Lohmann
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