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Bundesgerichtshof
Urt. v. 12.01.1981, Az.: VIII ZR 184/79

Anspruch auf Ersatz der Kosten für einen Rücktransport; Bestimmung des Leistungsortes; Erfüllungsort eines Herausgabeanspruchs wenn der Besitzer nach Eintritt der Bösgläubigkeit oder Rechtshängigkeit den Standort verändert hat

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
12.01.1981
Aktenzeichen
VIII ZR 184/79
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1981, 12199
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
OLG Koblenz - 18.05.1979

Fundstellen

  • BGHZ 79, 211 - 215
  • JZ 1981, 191-192 (Volltext mit amtl. LS)
  • MDR 1981, 491 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW 1981, 752-753 (Volltext mit amtl. LS)

Prozessführer

T. F., A.-Service-Station, O. Straße in N.-R.

Prozessgegner

1. Firma K. Bau KG,
vertreten durch die Firma K. GmbH als persönlich haftende Gesellschafterin,
diese vertreten durch die Geschäftsführer Alois K. und Helmut K., Industriegebiet in B.

2. Firma K. GmbH,
vertreten durch die Geschäftsführer Alois K. und Helmut K., Industriegebiet in B.

Amtlicher Leitsatz

Der bösgläubige Besitzer hat die Sache an den Eigentümer dort herauszugeben, wo sie sich bei Eintritt seiner Bösgläubigkeit befand.

Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
auf die mündliche Verhandlung vom 12. Januar 1981
durch
den Vorsitzenden Richter Braxmaier und
die Richter Hoffmann, Wolf, Merz und Dr. Skibbe
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 18. Mai 1979 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Firma Ro. GmbH benutzte im Rahmen ihres Baubetriebes elf Personen- und Nutzkraftfahrzeuge, die im Sicherungseigentum teils der Volksbank R., teils der H.-Kreditversicherungs-AG standen. Nachdem sie in Vermögensverfall geraten war, wurde am 25. April 1974 ein Veräußerungsverbot gegen sie angeordnet. Die Eröffnung eines Konkursverfahrens wurde mangels Masse abgelehnt.

2

Die Beklagte zu 1 (im folgenden: die Beklagte), deren persönlich haftende Gesellschafterin die Beklagte zu 2 ist, war am Erwerb der elf Fahrzeuge interessiert. Nach Absprache mit dem Zeugen Dr. von M., der den erkrankten Geschäftsführer der Firma Ro. GmbH vertrat, schaffte sie die Fahrzeuge Ende April, Anfang Mai 1974 vom Betriebsgrundstück der Firma Ro. GmbH in N.-R. zu ihrem etwa 300 km entfernten Betriebsgelände in B.. Im Oktober 1974 kaufte der Kläger von der Volksbank R. und von der H.-Kreditversicherungs-AG die elf Fahrzeuge und ließ sich deren Herausgabeansprüche gegen die Beklagten abtreten. Mit Schreiben vom 22. November 1974 forderte er die Beklagte auf, die Fahrzeuge herauszugeben und nach N.-R. zu verbringen. Nachdem dies abgelehnt wurde, erhob er Herausgabeklage. Durch Teilanerkenntnisurteil vom 16. Mai 1975 wurden die Beklagten verurteilt, die Fahrzeuge an den Kläger herauszugeben. Die Übergabe erfolgte am 21. und 22. Mai 1975 in B..

3

Der Kläger verlangt von den Beklagten Ersatz der Kosten für den Transport der Fahrzeuge von B. nach N.-R., die er mit 4.353,96 DM berechnet. Diese Forderung sowie andere Schadensersatzansprüche macht er im vorliegenden Verfahren geltend.

4

Das Landgericht hat durch Teilurteil die Beklagten zur Erstattung der Transportkosten in Höhe von 4.353,96 DM nebst Zinsen verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen.

5

Mit der zugelassenen Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

6

Die Beklagten beantragen,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision ist begründet.

8

I.

Das Berufungsgericht führt aus, der Kläger habe gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Aufwendungsersatz wegen Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 683, 687 BGB), weil er mit dem Rücktransport der Fahrzeuge kein Geschäft im Interesse der Beklagten besorgt habe. Diese sei weder den Sicherungseigentümern noch der Firma Ro. GmbH als früherer Besitzerin gegenüber zur Rückführung der Fahrzeuge verpflichtet gewesen.

9

Der unrechtmäßige und bösgläubige Besitzer hafte, so führt das Berufungsgericht weiter aus, nur für den Schaden infolge Verschlechterung der Sache oder Unmöglichkeit der Herausgabe; hierzu gehörten nicht die Rückschaffungskosten einer Sache im Falle der unberechtigten Ortsveränderung. Den unrechtmäßigen Besitzer treffe eine schärfere Haftung (§§ 992, 823 BGB) nur, wenn ihm eine Straftat oder verbotene Eigenmacht vorzuwerfen sei. Das Vorbringen des Klägers sei jedoch nicht hinreichend substantiiert, um den Besitzerwerb der Beklagten als gegenüber den Sicherungseigentümern begangene verbotene Eigenmacht oder als Straftat beurteilen zu können.

10

II.

Diese Ausführungen halten dem Revisionsangriff nicht stand.

11

1.

Mit dem Landgericht, dessen tatsächliche Feststellungen das Berufungsgericht von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig nicht überprüft hat, ist in der Revisionsinstanz davon auszugehen, daß die Beklagte den Sicherungseigentümern und damit auch dem Kläger gegenüber unrechtmäßige und bösgläubige Besitzerin war. Dann ist aber der Anspruch des Klägers auf Ersatz der Kosten für den Rücktransport der Fahrzeuge dem Grunde nach gerechtfertigt. Dieser Erstattungsanspruch ergibt sich aus § 684 BGB in Verbindung mit §§ 812 ff BGB, weil die Beklagte zur Rückführung der Fahrzeuge an ihren früheren Standort verpflichtet war. Die Beklagte ist um denjenigen Wert bereichert (§ 818 Abs. 2 BGB), der ihrem Vermögen durch das Freiwerden von dieser Verpflichtung dadurch zugewachsen ist, daß der Kläger selbst die Abholung der Fahrzeuge übernommen hat (vgl. BGH Urteil vom 14. Juni 1976 - III ZR 81/74 = WM 1976, 1056, 1060).

12

2.

Die Beklagte war nach § 985 BGB nicht nur verpflichtet, die Fahrzeuge an den Kläger herauszugeben, vielmehr hatte sie die Fahrzeuge nach Nieder-Roden zu bringen. Die Übergabe hatte nämlich an dem Ort zu erfolgen, an dem die Fahrzeuge sich zum Zeitpunkt des bösgläubigen Besitzerwerbs befanden.

13

a)

Ist der Besitzer zum Zeitpunkt der Ortsveränderung einer Sache redlich und unverklagt, so hat er die Sache dem Eigentümer dort herauszugeben, wo sie sich befindet. Er muß für die Kosten der Rückführung nicht aufkommen.

14

Umgekehrt steht außer Zweifel, daß der Deliktsbesitzer (§§ 992, 823 BGB) im Rahmen seiner Schadensersatzpflicht in Form der Wiederherstellung des früheren Zustandes die Sache an den früheren Standort zurückzubringen hat.

15

b)

Umstritten ist jedoch, an welchem Ort ein Besitzer, der nach Eintritt der Bösgläubigkeit oder Rechtshängigkeit den Standort der Sache verändert hat, den Herausgabeanspruch des Eigentümers zu erfüllen hat.

16

Hierzu wird die Ansicht vertreten, der Herausgabeanspruch des § 985 BGB sei dort zu erfüllen, wo sich die Sache zum Zeitpunkt der Herausgabe befinde; der Eigentümer müsse sie abholen (Planck/Brodmann, BGB, 4. Aufl. § 985 Anm. 2 a; Pikart in BGB-RGRK, 12. Aufl. § 985 Rdn. 33; Staudinger/Gursky, BGB, 12. Aufl. § 985 Rdn. 32, der allerdings dem bösgläubigen Besitzer die Rückschaffungskosten analog § 989 BGB auferlegen will § 989 Rdn. 8).

17

Nach anderer Meinung ist bei einer Ortsveränderung, die nach Eintritt der Bösgläubigkeit des Besitzers oder nach Rechtshängigkeit des Herausgabeanspruchs vorgenommen worden ist, die Sache dort herauszugeben, wo sie sich bei Eintritt der Bösgläubigkeit oder Rechtshängigkeit befand (Erman/Hefermehl, BGB, 6. Aufl. § 985 Rdn. 8; Palandt/Bassenge, BGB, 39. Aufl. § 985 Anm. 3 a; Soergel/Mühl, BGB, 11. Aufl. § 985 Rdn. 22 - allerdings nur für Rechtshängigkeit -; Staudinger/Berg, BGB, 11. Aufl. § 985 Rdn. 6; Johannsen in BGB-RGRK, 11. Aufl. § 985 Anm. 11; Baur, Lehrbuch des Sachenrechts, 10. Aufl. § 11 C I 3 a S. 92; Dernburg, Sachenrecht, 4. Aufl. § 119, 7 S. 420; Lent/Schwab, Sachenrecht, 17. Aufl. § 44 III 1, S. 175; Westermann, Sachenrecht, 5. Aufl. § 30 III 1 S. 133; Wolff/Raiser, Sachenrecht, 10. Aufl. § 84 III 1 S. 321).

18

3.

a)

Aus § 985 BGB läßt sich zum Leistungsort nichts entnehmen. Auch in den weiteren sachenrechtlichen Bestimmungen fehlt es an einer ausdrücklichen Regelung hierzu, so daß auf § 269 BGB zurückzugreifen ist, der, obwohl zum allgemeinen Schuldrecht gehörend, auch beim Eigentumsherausgabeanspruch für die Bestimmung des Leistungsorts anzuwenden ist (vgl. Motive III S. 399 = Mugdan Bd. III S. 222; Baur aaO; Wolff/Raiser aaO; Staudinger/Berg aaO; Pikart in BGB-RGRK aaO; Soergel/Mühl aaO; Jauernig, BGB, 1979 § 985 Anm. 3 b; OLG Braunschweig OLGZ 26, 175, 176).

19

§ 269 Abs. 1 BGB sieht vor, daß für die Bestimmung des Leistungsorts besondere Umstände insbesondere aus der Natur des Schuldverhältnisses zu berücksichtigen sind. Solche können beim Eigentumsherausgabeanspruch (§ 985 BGB) in der Stellung des herausgabepflichtigen Besitzers liegen. Der redliche Besitzer muß die Sache dort an den Eigentümer herausgeben, wo sie sich befindet. Der bösgläubige Besitzer dagegen, der eine Ortsveränderung der Sache nach Eintritt seiner Bösgläubigkeit veranlaßt hat, hat die Herausgabe am ursprünglichen Standort der Sache vorzunehmen. Er darf - anders als der redliche - nicht auf die Endgültigkeit seines Besitzerwerbes vertrauen und hat deshalb eine Fürsorgepflicht zugunsten des Eigentümers. Er hat bei der Ortsänderung der Sache auf die mutmaßlichen Interessen des Eigentümers Rücksicht zu nehmen und alles zu unterlassen, was die Realisierung des Eigentumsherausgabeanspruchs erschwert. Ist der bösgläubige Besitzer zur Ortsänderung entgegen den Interessen des Eigentümers nicht befugt, so folgt daraus seine Verpflichtung, diese Ortsveränderung wieder rückgängig zu machen mit der Folge, daß der Eigentumsherausgabeanspruch am früheren Standort der Sache zu erfüllen ist.

20

b)

Da für die Revisionsinstanz davon auszugehen ist, daß die Beklagte schon bei der Besitzerlangung in N.-R. bösgläubig war und erst anschließend die Fahrzeuge nach B. schaffte, hatte sie diese auch in N.-R. dem Kläger zu übergeben. Von dieser Verpflichtung und den damit verbundenen Kosten wurde sie dadurch befreit, daß der Kläger die Abholung selbst übernehmen mußte, nachdem die Beklagte die Verbringung der Fahrzeuge nach N.-R. abgelehnt hatte. Diese Aufwendungen hat sie dem Kläger nach § 684 BGB in Verbindung mit §§ 812 ff BGB zu ersetzen.

21

Die Beklagte zu 2 haftet hierfür gemäß § 128 HGB.

22

c)

Der Anspruch des Klägers ist nicht durch die Sonderregelung der §§ 987 bis 993 BGB, insbesondere § 993 Abs. 1 Halbsatz 2 BGB ausgeschlossen; denn der Kläger begehrt weder Schadensersatz noch Nutzungsherausgabe (vgl. hierzu Senatsurteil vom 11. Januar 1971 - VIII ZR 261/69 = BGHZ 55, 176, 178). Die für den Rücktransport vom Kläger aufgewendeten Beträge sind ein Teil des Herausgabeanspruchs (§ 985 BGB), während sich die §§ 987 ff BGB ausschließlich auf die Nebenansprüche des Eigentümers gegen den Besitzer beziehen.

23

III.

1.

In der Sache selbst kann der Senat nicht entscheiden, weil noch festzustellen ist, ob, wie die Beklagten unter Beweis gestellt haben, in den Kaufverträgen zwischen den Sicherungsgebern und dem Kläger B. als Erfüllungsort vereinbart worden ist. Weiter ist aufzuklären, ob die Beklagte bei Erlangung des Besitzes der Fahrzeuge bösgläubig war. Die Berufung der Beklagten greift gerade diese Feststellung des Landgerichts an; das Berufungsgericht wird dem nunmehr nachzugehen haben. Auch die Höhe des Anspruchs ist entgegen der Ansicht der Revision streitig; denn die Beklagten haben die Schätzung des Landgerichts hierzu nicht hingenommen.

24

2.

Die Revision wendet sich weiter gegen die Feststellung des Berufungsgerichts, den Beklagten sei weder verbotene Eigenmacht noch eine Straftat vorzuwerfen. Hierauf braucht nicht mehr eingegangen zu werden, nachdem, wie ausgeführt, die Feststellung der Bösgläubigkeit im Zeitpunkt des Besitzerwerbs genügt, um die Haftung der Beklagten für die Kosten des Rücktransports zu begründen.

25

3.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens war dem Berufungsgericht zu übertragen, weil sie vom endgültigen Ausgang der Sache abhängt.

Braxmaier
Hoffmann
Wolf
Merz
Dr. Skibbe