Bundesgerichtshof
Urt. v. 08.01.1981, Az.: III ZR 157/79
Unfall eines Tanklastzuges; Schadensersatz auf Grund einer Zustandsstörereigenschaft; Vorliegen einer internationalen Zuständigkeit für Ansprüche; Haftung für die Handlung eines Verrichtungsgehilfen; Schaden wegen Beschädigung des Grundwassers
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 08.01.1981
- Aktenzeichen
- III ZR 157/79
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1981, 12092
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- OLG Karlsruhe - 20.12.1978
- LG Heidelberg
Rechtsgrundlagen
Fundstellen
- BGHZ 80, 1 - 7
- DVBl 1981, 630-632 (Volltext mit amtl. LS)
- IPRspr 1981, 24
- MDR 1981, 474 (Volltext mit amtl. LS)
- NJW 1981, 1516-1517 (Volltext mit amtl. LS) "Ersatzpflicht für Vorsorgeaufwendungen"
- VerwRspr 32, 801 - 806
- VwRspr 1981, 801-806 (Volltext mit amtl. LS)
Prozessführer
Bundesrepublik Deutschland,
vertreten durch das Land B.-W.,
dieses vertreten durch das Autobahnamt B.-W., K. straße ..., S.
Prozessgegner
1. Kraftfahrer Adolf R., Kr. straße ..., N./Kre., Ö.
2. Firma Johann Sc. & Co. KG, F. gasse ..., L./D., Ö.
3. Frau Pauline Sc., F. gasse ..., L./D., Ö.
4. Firma Gebr. C.,
vertreten durch ihren Geschäftsführer Manfred C., A. dorfer Straße ..., Wi., Ö.
Amtlicher Leitsatz
- a)
Als Inhaber einer Anlage i. S. von § 22 Abs. 2 WHG ist derjenige anzusehen, der die Anlage in Gebrauch hat und die Verfügungsgewalt besitzt, die ein solcher Gebrauch voraussetzt; dies kann auf mehrere Beteiligte zugleich zutreffen.
- b)
Nach § 22 Abs. 2 WHG können auch Aufwendungen ersetzt verlangt werden, die zur Abwendung eines sicher bevorstehenden Gewässerschadens erforderlich waren.
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
auf die mündliche Verhandlung vom 8. Januar 1981
durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Nüßgens und
die Richter Dr. Krohn, Kröner, Boujong und Dr. Scholz-Hoppe
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 20. Dezember 1978 im Kostenpunkt - ausgenommen die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 3) - und insoweit aufgehoben, als die Klage gegen die Beklagte zu 4) abgewiesen worden ist.
Im Umfange der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Die Beklagte zu 2), die im Frachtgewerbe tätig ist, und die Beklagte zu 4), die eine Speditionsfirma mit Sitz in Wi. betreibt, hatten am 22. Januar 1974 einen "Beschäftigungsvertrag" geschlossen. Darin verpflichtete sich die Beklagte zu 2), zum Schleppen des von der Beklagten zu 4) bereitgestellten Tankaufliegers eine Zugmaschine zur Verfügung zu stellen. Die Beklagte zu 4) sollte die Zugmaschine in ganz Europa einsetzen können und der Beklagten zu 2) je gefahrenen Kilometer 8 ö.S., zahlen. Entsprechend dieser Vereinbarung stellte die Beklagte zu 2) eine Zugmaschine mit Fahrer für den von der Beklagten zu 4) bereitgestellten Tankauflieger zur Verfügung. Dieser Tankauflieger, den die Beklagte zu 4) an ihre Bank sicherungsübereignet hatte, wurde auf die Beklagte zu 2) zugelassen und von ihr haftpflichtversichert. Die Beklagte zu 2) verwendete für die Fahrten mit dem Tankauflieger eine Zugmaschine, die die Beklagte zu 3) gekauft, auf sich zugelassen und der Beklagten zu 2) zur Benutzung überlassen hatte.
Am 3. Oktober 1974 ließ der Fahrer der Beklagten zu 2), der Beklagte zu 1), auf unmittelbare Weisung der Beklagten zu 4) in Heidelberg eine Ladung Äthylacetat in den Tankauflieger füllen, mit der er auf die Bundesautobahn in Richtung Stuttgart fuhr. In einer scharfen Rechtsbiegung kippte der Tankzug auf der regennassen Fahrbahn um und geriet in Brand. Dabei traten 7.000 l Äthylacetat aus, die teilweise verbrannten und im übrigen ins Erdreich abflossen. Die Berufsfeuerwehr Heidelberg leistete Unfall- und Brandhilfe. Ferner wurden auf Anordnung der Stadt Heidelberg Maßnahmen zum Schutz des Grundwassers gegen das Eindringen des Äthylacetats getroffen; insbesondere wurden am 4. und 6. Oktober 1974 1.500 cbm Erdreich ausgehoben und ersetzt. Ferner riet das Geologische Landesamt Baden-Württemberg in seinem Gutachten vom 9. Oktober 1974 zu bestimmten hydrologischen Vorsichtsmaßnahmen. In einem zweiten Gutachten vom 17. Februar 1975 führte es aus, daß bei einer Untersuchung am 4. Februar 1975 im Grundwasser Äthylacetat und dessen Zerfallsprodukt Äthylalkohol in unschädlichen Mengen festgestellt worden seien. Es empfahl eine weitere Beobachtung. In einem dritten Gutachten vom 9. April 1975 wurde ausgeführt, daß in Wasserproben vom 27. Februar 1975 äußerst geringe Spuren von Äthylacetat ohne schädliche Wirkungen festgestellt worden seien. Mit den Kosten für den Austausch und die Lagerung des durchtränkten Erdreichs sowie für die wassertechnischen Untersuchungen wurde die Klägerin als sog. Zustandsstörer belastet.
Mit der Klage verlangt die Klägerin, die Bundesrepublik Deutschland, von den Beklagten die durch den Unfall entstandenen Aufwendungen für die Feuerwehr, die Ausbesserung der Autobahnanlagen, die Ersetzung des durchtränkten Erdreichs und die wassertechnischen Untersuchungen ersetzt. Von der Haftpflichtversicherung für den Tanklastzug hat sie 100.000 DM erhalten. Mit der Klage macht sie einen Anspruch auf weitere 132.950,04 DM nebst Zinsen geltend. Das Landgericht hat durch Teilurteil den Beklagten zu 1) im wesentlichen antragsgemäß verurteilt und die Klage gegen die Beklagten zu 3) und 4) abgewiesen; über die Klage gegen die Beklagte zu 2) hat es noch nicht entschieden. Die Berufung der Klägerin gegen die Abweisung der Klage gegen die Beklagte zu 3) und 4) ist vom Berufungsgericht zurückgewiesen worden. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageanspruch gegenüber der Beklagten zu 4) weiter.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht hat seine internationale Zuständigkeit für Ansprüche gegen die Beklagte zu 4) aus § 22 Abs. 2 WHG und § 831 BGB bejaht. Es hat derartige Ansprüche jedoch für nicht begründet angesehen. Ein Anspruch aus § 22 Abs. 2 WHG entfalle deshalb, weil die Beklagte zu 4) mangels tatsächlicher Gewalt und wirtschaftlicher Beherrschung nicht Inhaber des Tanklastzuges gewesen sei. Ein Anspruch aus § 831 BGB sei nicht gegeben, weil die Beklagte zu 4) gegenüber dem Unfallfahrer keine allgemeine Weisungsbefugnis gehabt habe.
II.
Die Revision der Klägerin führt, soweit das angefochtene Urteil sich gegen die Beklagte zu 4) richtet, zu dessen Aufhebung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1.
Das Berufungsgericht hat zutreffend seine internationale Zuständigkeit für Ansprüche aus § 22 Abs. 2 WHG und § 831 BGB gegen die in Wien ansässige Beklagte zu 4) bejaht. Die internationale Zuständigkeit folgt grundsätzlich den Regeln für die örtliche Zuständigkeit. Demzufolge ist hier entsprechend § 32 ZPO der für unerlaubte Handlungen und die Gefährdungshaftung geltende Gerichtsstand des Begehungsortes gegeben (vgl. Stein/Jonas/Schumann, ZPO 20. Aufl. § 32 Rdn. 4 und 19).
2.
Als materielles Recht sind die deutschen Haftungsbestimmungen anzuwenden; denn nach dem sich aus Art. 12 EGBGB ergebenden Grundsatz ist für unerlaubte Handlungen das Recht des Tatortes maßgebend; dies gilt auch für die Gefährdungshaftung (vgl. BGHZ 23, 65, 67 f).
3.
Eine Haftung der Beklagten zu 4) gemäß § 831 BGB hat das Berufungsgericht zu Recht verneint, denn weder der Unfallfahrer noch die Beklagte zu 2) war ihr Verrichtungsgehilfe im Sinne dieser Bestimmung. Der Unfallfahrer war nicht von ihr, sondern von seiner Arbeitgeberin, der Beklagten zu 2), für die betreffende Fahrt eingesetzt worden. Die Beklagte zu 4) hatte auch keinen Einfluß darauf, welcher Fahrer den Tankzug fuhr. Ihr fehlte ferner die erforderliche Weisungsbefugnis gegenüber dem jeweiligen Fahrer. Dieser führte die von ihr angeordneten Fahrten mit dem Tankzug nur deshalb aus, weil er von der Beklagten zu 2) als seiner Arbeitgeberin dazu angewiesen worden war.
Die Beklagte zu 2) kommt als Verrichtungsgehilfin der Beklagten zu 4) deshalb nicht in Betracht, weil es bei ihr an der erforderlichen Abhängigkeit gegenüber der Beklagten zu 4) fehlt. Sie ist bei der Auswahl und Überwachung des Fahrers als selbständige Transportunternehmerin und damit nicht als Verrichtungsgehilfin tätig geworden (vgl. RGZ 170, 1, 8; BGHZ 26, 152, 159).
4.
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts liegen jedoch die Haftungsvoraussetzungen des § 22 Abs. 2 WHG für das Begehren der Klägerin gegen die Beklagte zu 4) vor.
Nach § 22 Abs. 2 WHG ist dann, wenn aus einer Anlage, die zur Beförderung von Stoffen bestimmt ist, derartige Stoffe in ein Gewässer gelangen, der Inhaber der Anlage zum Ersatz des daraus einem anderen entstehenden Schadens verpflichtet.
a)
Zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, daß der Tanklastzug eine Anlage im Sinne dieser Bestimmung ist und daß die darin vorgesehene Haftung nicht durch die im Straßenverkehrsgesetz geregelte Haftung verdrängt oder eingeschränkt wird (vgl. BGHZ 47, 1 ff [BGH 23.12.1966 - V ZR 144/63]; Senatsurteil BGHZ 57, 257, 259 [BGH 22.11.1971 - III ZR 112/69]; Sieder/Zeitler/Hlawaty/Dahme, WHG § 22 Rdn. 31).
b)
Von Rechtsirrtum beeinflußt ist jedoch die Annahme des Berufungsgerichts, daß die Beklagte zu 4) nicht Inhaber des Tankaufliegers im Sinne von § 22 Abs. 2 WHG gewesen sei. Als Inhaber im Sinne dieser Bestimmung ist - ähnlich wie der Halter im Sinne des Straßenverkehrsgesetzes und des Luftverkehrsgesetzes sowie der Betriebsunternehmer im Sinne des Reichshaftpflichtgesetzes - derjenige anzusehen, der die Anlage für eigene Rechnung in Gebrauch hat und die Verfügungsgewalt besitzt, die ein solcher Gebrauch voraussetzt; dies kann auf mehrere Beteiligte zugleich zutreffen (vgl. Breuer, Öffentliches und privates Wasserrecht 1976 Rdn. 307; Sieder/Zeitler/Hlawaty/Dahme a.a.O. § 22 Rdn. 41; Gieseke/Wiedemann/Czychowski, WHG 3. Aufl. § 22 Rdn. 50 f; Wussow, Unfallhaftpflichtrecht 12. Aufl. Rdn. 832; vgl. für § 7 StVG BGHZ 13, 351).
Nach den vom Berufungsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen erfüllt die Beklagte zu 4) diese Voraussetzungen. Sie besaß die erforderliche tatsächliche Verfügungsgewalt über den von ihr erworbenen und an eine Bank sicherungsübereigneten Tankauflieger. Nach dem "Beschäftigungsvertrag" vom 22. Januar 1974 stellte die Beklagte zu 2) zwar die Zugmaschine und den Fahrer; dies nahm der Beklagten zu 4) aber nicht die tatsächliche Verfügungsgewalt über den Auflieger. Vielmehr sollte der Auflieger für alle im Rahmen der von ihr betriebenen Speditionsgeschäfte eingesetzt werden und durfte ausschließlich mit ihrem Wissen für Transporte verwendet werden. Folglich bestimmte sie allein über seinen Einsatz, und zwar nicht nur über die jeweils auszuführende Fahrt, sondern vor allem auch über die Füllung des Tanks, aus der sich seine besondere Gefährlichkeit im Hinblick auf den Wasserschutz ergab. In dieser ausschließlichen Einsatzmöglichkeit liegt eine ausreichende tatsächliche Herrschaft. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist nicht erforderlich, daß die Beklagte zu 4) durch eigene Leute die Transporte mit dem Tankauflieger durchführte. Vielmehr reicht es aus, daß sie dessen jeweiligen Einsatz konkret und ausschließlich bestimmte.
Die wirtschaftlichen Gegebenheiten sprechen nicht gegen die Inhaberstellung der Beklagten zu 4). Zum überwiegenden Teil zog sie die Nutzungen und trug das wirtschaftliche Risiko des Tankaufliegers. Da er ausschließlich für ihre Speditionsgeschäfte eingesetzt wurde, hat sie den sich daraus ergebenen Gewinn gezogen oder einen etwaigen Verlust tragen müssen. Auf sie entfiel auch ein erheblicher Teil der Kosten. Sie hat zunächst die Anschaffungskosten getragen. Ferner hat sie in § 2 des "Beschäftigungsvertrages" die Kosten für Reparaturen, Tankreinigung und Erneuerung der Reifen übernommen. Schließlich zahlte sie in Form des Kilometergeldes die Kosten für Zugmaschine und Fahrer, die erforderlich waren, um den Tankauflieger als Transportmittel einzusetzen. Insgesamt ist sie danach als Inhaberin des Tankaufliegers im Sinne von § 22 Abs. 2 WHG anzusehen. Ob daneben die Beklagte zu 2) Mitinhaberin ist, wofür verschiedene Umstände sprechen, braucht nicht entschieden zu werden, da im Rahmen des Revisionsverfahrens nur Ansprüche gegen die Beklagte zu 4) zu prüfen sind.
c)
Die weitere Voraussetzung des § 22 Abs. 2 WHG, daß der Stoff aus der Anlage "in ein Gewässer gelangt" ist und dadurch den geltend gemachten Schaden verursacht hat, ist ebenfalls erfüllt.
Als ein Gewässer im Sinne dieser Bestimmung ist auch das Grundwasser anzusehen, so daß ein Schaden, der durch die Beeinträchtigung des Grundwassers entstanden ist, unter diese Vorschrift fällt (vgl. BGHZ 47, 1, 10) [BGH 23.12.1966 - V ZR 144/63].
Im vorliegenden Fall war unmittelbar nach dem Unfall, als das durchtränkte Erdreich ausgewechselt wurde, das ausgelaufene Äthylacetat noch nicht in das Grundwasser gelangt. Vielmehr ist erst bei der späteren Untersuchung vom 4. Februar 1975 festgestellt worden, daß trotz der Rettungsmaßnahmen Äthylacetat in das Grundwasser gedrungen war. Der geltend gemachte Schaden, nämlich die Kosten zur Abwendung der Verunreinigung des Grundwassers, war somit zu einem Zeitpunkt entstanden, für den eine vollendete Verunreinigung noch nicht festgestellt worden ist. Dennoch sind auch diese Kosten, soweit sie zur Verhinderung der sicher bevorstehenden Wasserverunreinigung erforderlich waren, erstattungsfähig. Bei der Auslegung des § 22 Abs. 2 WHG ist nämlich der vollendeten Beeinträchtigung des Gewässers der Fall gleichzusetzen, daß frei gewordene Stoffe ein Gewässer bedrohen und sie ohne Rettungsmaßnahmen mit Sicherheit in das Wasser gelangen würden.
Im Schrifttum wird es zwar allgemein abgelehnt, daß auch "Rettungskosten" unter § 22 Abs. 2 WHG fallen (vgl. Sieder/Zeitler/Hlawaty/Dahme a.a.O. § 22 Rdn. 55 a; Gieseke/Wiedemann/Czychowsky a.a.O. § 22 Rdn. 30; Breuer a.a.O. Rdn. 296; Appel/Schlarmann VersR 1973, 993 f; Wussow a.a.O. Rdn. 824). Diese Auffassung hält sich jedoch in dieser Allgemeinheit zu eng an den Wortlaut des § 22 Abs. 2 WHG, ohne seinen Schutzzweck zu berücksichtigen. Dieser ist auf einen möglichst umfassenden Schutz der Gewässer vor Gefährdung gerichtet. Damit wäre es nicht zu vereinbaren, nur für die Beseitigung einer bereits eingetretenen Wasserverunreinigung, nicht aber für deren Verhinderung einen Ersatzanspruch zu gewähren, obwohl die Verhinderung eine für den Wasserschutz ebenso wichtige Maßnahme ist. Daher ist, auch wenn im Bereich der Gefährdungshaftung eine extensive Auslegung nur ausnahmsweise in Betracht kommt, die Haftung auf die Fälle einer sicher bevorstehenden Rechtsverletzung zu erstrecken. Diese Betrachtungsweise entspricht auch der für den vorbeugenden Rechtsschutz geltenden Rechtslage. Dort ist allgemein anerkannt, daß sicher bevorstehende Störungen wie der Eingriff selbst zu behandeln sind, denn es wird als nicht sinnvoll und unbefriedigend angesehen, den Rechtsschutz erst bei vollständiger Verwirklichung des Eingriffs einsetzen zu lassen (vgl. RGZ 101, 335, 340; RG JW 1931, 1191, 1192; Palandt/Bassenge, BGB 40. Aufl. § 1004 Anm. 2 b; Soergel/Siebert/Mühl, BGB 10. Aufl. § 1004 Rdn. 6). Für den hier betroffenen Bereich ist diese Erstreckung allerdings nur gerechtfertigt, wenn sich feststellen läßt, daß ohne die Rettungsmaßnahmen derartige Stoffe in das Gewässer (Grundwasser) gelangt wären. Ist das nicht der Fall, kann Ersatz von "Rettungskosten" jedenfalls nicht auf Grund des § 22 Abs. 2 WHG gefordert werden.
Im vorliegenden Fall stand die Beeinträchtigung des Grundwassers sicher bevor. Wie sich aus den später festgestellten Spuren von Äthylacetat in dem Grundwasser ergibt, ist der nicht beseitigte Rest des ausgeflossenen Äthylacetats zum Grundwasser durchgesickert. Dasselbe wäre daher mit Sicherheit auch darüber hinaus geschehen, wenn die durchtränkte Erde nicht zuvor fortgeschafft worden wäre.
d)
Die Klägerin ist zur Geltendmachung des Ersatzanspruchs aus § 22 Abs. 2 WHG berechtigt, denn als Eigentümerin des Bundesautobahngeländes mit dem dazugehörigen Grundwasser wird sie durch dessen Verunreinigung unmittelbar in ihren eigenen Rechten betroffen (vgl. BGHZ 47, 1, 11 [BGH 23.12.1966 - V ZR 144/63]; Breuer a.a.O. Rdn. 295).
e)
Somit sind die Voraussetzungen für einen Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte zu 4) aus § 22 Abs. 2 WHG erfüllt. Hinsichtlich der im einzelnen streitigen Höhe des Anspruchs bedarf es noch weiterer tatrichterlicher Feststellungen. Daher war die Entscheidung des Berufungsgerichts, soweit sie sich gegen die Beklagte zu 4) richtet, aufzuheben; insoweit war die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Krohn
Kröner
Boujong
Scholz-Hoppe