Bundesgerichtshof
Urt. v. 13.03.1979, Az.: 1 StR 739/78
Verurteilung wegen eines gemeinschaftlich begangenen Versuchs der räuberischen Erpressung und wegen Verabredung eines schweren Raubes ; Beurteilung der Schwelle zum unmittelbaren Anssetzen; Abstandnehmen von einer Tat; Abgrenzung Täterschaft und Teilnahme
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 13.03.1979
- Aktenzeichen
- 1 StR 739/78
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1979, 12306
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG München I - 26.07.1978
Rechtsgrundlagen
Fundstellen
- BGHSt 28, 346 - 349
- JZ 1979, 483
- MDR 1979, 592-593 (Volltext mit amtl. LS)
- NJW 1979, 1721-1722 (Volltext mit amtl. LS)
Verfahrensgegenstand
Räuberische Erpressung u.a.
Prozessgegner
Heinz Willi B. aus M., geboren am ... 1951 in St. G./Kreis V., zur Zeit in Haft,
Amtlicher Leitsatz
Zum "Rücktritt" eines Beteiligten, der die Tat mit verabredet, mit geplant und auch durch Vorbereitungshandlungen gefördert hat, vor dem Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat
in der Sitzung vom 13. März 1979,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Pikart,
die Richter am Bundesgerichtshof Loesdau, Dr. Woesner, Herdegen, Kuhn als beisitzende
Richter,
Bundesanwalt Dr. ... als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Justizhauptsekretärin ... als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
Tenor:
- I.
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts München I vom 26. Juli 1978 mit den Feststellungen aufgehoben,
- 1.
soweit der Angeklagte B. wegen "eines Verbrechens der versuchten gemeinschaftlichen räuberischen Erpressung" (Fall V. der Urteilsgründe) verurteilt worden ist,
- 2.
im Ausspruch über die gegen den Angeklagten B. verhängte Gesamtstrafe.
- II.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
- III.
Die weitergehende Revision der Anklagebehörde wird verworfen.
Gründe
Die Strafkammer hat den Angeklagten B. wegen eines gemeinschaftlich begangenen Versuchs der (schweren) räuberischen Erpressung und wegen Verabredung eines schweren Raubs in zwei Fällen zur Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Gegen das Urteil ist von der Staatsanwaltschaft zu Ungunsten des Angeklagten Revision eingelegt worden. Die Anklagebehörde rügt Verletzung des materiellen Rechts. Sie möchte erreichen, daß der Angeklagte wegen einer vollendeten (gemeinschaftlich begangenen) schweren räuberischen Erpressung und wegen versuchten schweren Raubs in zwei Fällen verurteilt wird. Das Rechtsmittel hat zum Teil - zugunsten und zu Ungunsten des Angeklagten - Erfolg.
I.
Es ist unbegründet, soweit es sich gegen die Verurteilung wegen Verabredung der Begehung eines schweren Raubs in zwei Fällen richtet (III. und IV. der Urteilsgründe). Die Strafkammer hat zu beiden Fällen festgestellt, daß der Angeklagte und sein "Tatgenosse", ausgerüstet mit Gaspistolen und mit Mützen, die mit Sehschlitzen versehen waren, auf der gegenüberliegenden Straßenseite den geeigneten Zeitpunkt zum Eindringen in das Gebäude, in dem sie einen anderen bedrohen und Geld wegnehmen wollten, oder zum Überfall auf einen Geldboten abwarteten und daß sie im einen Falle aufgaben, weil die "einkalkulierte Ausgangslage" sich veränderte (derjenige, der bedroht werden sollte, verließ "vorzeitig" das Geschäft), und im anderen Falle von der Tatbegehung Abstand nahmen, weil sie glaubten, Polizeibeamte hielten sich in dem Bereich auf, der für den Überfall auf den (noch nicht in Erscheinung getretenen) Geldboten in Betracht kam.
Nach diesen Feststellungen standen der Angeklagte und sein "Tatgenosse" zwar "zum Sprung" bereit, aber sie hatten, als sie aufgaben, subjektiv die Schwelle zum "jetzt geht es los" noch nicht überschritten und objektiv zur tatbestandsmäßigen Angriffshandlung noch nicht angesetzt, weil das Tun, das ohne Zwischenakte in die Tatbestandsverwirklichung übergehen konnte, noch nicht angelaufen war. Infolgedessen ist das Stadium des Versuchs nicht erreicht worden (vgl. BGHSt 26, 201, 203/204).
II.
1.
Der Verurteilung des Angeklagten wegen eines (gemeinschaftlich begangenen) Versuchs der (schweren) räuberischen Erpressung liegen folgende Feststellungen zugrunde:
Der Angeklagte und die Mitangeklagte Ba., mit der er zusammenlebte und die ein Kind von ihm hatte, sowie die Mitangeklagte Sch., eine Hausgenossin, verabredeten in bis in die Nacht dauernden Gesprächen einen Überfall auf eine Bank in der A.straße in M. am Mittag des nächsten Tages. Sie hatten den Gedanken eines Banküberfalls schon längere Zeit erwogen und der Angeklagte und Frau Sch. hatten bereits zwei Fahrräder gestohlen, die bei der Fahrt zum und vom Tatort Verwendung finden sollten. Im Anschluß an die Verabredung, noch in der Nacht, besahen sich der Angeklagte und die zwei Frauen die Bank von außen. Am Vormittag traf das Trio seine letzten Vorbereitungen; kurz nach 12 Uhr machte es sich auf den Weg zur Bank. Der Angeklagte, der eine Kindersonnenbrille trug, ging zu Fuß und schob vor sich einen Kinderwagen her, in dem sein fast 15 Monate alter Sohn lag. Frau Ba. und Frau Sch. fuhren mit den gestohlenen Rädern zur Bank. Jede von ihnen hatte eine geladene Gaspistole bei sich. Der Tatplan sah vor, daß die Frauen gleichzeitig durch die beiden Kundeneingänge in die Bank gehen und mit den Pistolen das Personal und etwaige Kunden bedrohen. Der Angeklagte sollte über den Tresen springen und verlangen, daß eine mitgebrachte Plastiktüte mit Geld gefüllt wird.
Die Ausführung dieses Tatplans mußte abgewandelt werden. Der Angeklagte bekam Bedenken. Vor der Bank "unternahm er einen kurzen verbalen Versuch", um wenigstens seine Freundin vom Tatvorhaben abzubringen (UA S. 19). Obgleich sie darauf nicht einging, folgte ihr der Angeklagte nicht, als sie in den Kundenraum eindrang und die Gaspistole auf zwei Bankangestellte richtete. Er entfernte sich mit dem Kinderwagen, kehrte aber nochmals zurück, um "nach den beiden Frauen zu sehen". Sie hatten inzwischen den Überfall mit Erfolg durchgeführt, 10.210 DM erbeutet und sich vom Tatort entfernt. Von dem erpreßten Geld erhielt die Mitangeklagte Ba. 6.500 DM. Der Betrag war zur Abdeckung von Schulden und für den gemeinsamen Lebensunterhalt bestimmt. Der Angeklagte ließ zu Hause das Hartgeldsäckchen verschwinden, in welchem sich das Münzgeld befunden hatte, das von Frau Ba. und Frau Sch. neben Banknoten erlangt worden war.
2.
Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen kommt eine Verurteilung des Angeklagten wegen eines (gemeinschaftlich begangenen) Versuchs der schweren räuberischen Erpressung nicht in Betracht. Er hat entweder die - nicht im Versuch stecken gebliebene, sondern vollendete - Tat gemeinschaftlich mit seiner Freundin und Frau Sch. als Mittäter begangen oder er hat für sie als Gehilfe nicht annullierte Beiträge geleistet.
a)
Auf die Rücktrittsvoraussetzungen, die in § 24 Abs. 2 StGB aufgestellt sind, kommt es nicht an. Als der Angeklagte die Tat nicht mehr wollte und "einen kurzen verbalen Versuch unternahm", seine Freundin vom Tatvorhaben "abzubringen", war das Stadium der Vorbereitung noch nicht überschritten. Hätte der Angeklagte bis zu diesem Zeitpunkt keinen fortwirkenden oder noch wirksam werdenden Tatbeitrag erbracht gehabt, wäre sein (zunächst geistiges, dann auch körperliches) Sich-Absetzen ausreichend gewesen, um Bestrafung wegen Beteiligung an der (versuchten oder vollendeten) Tat zu vermeiden (vgl. RGSt 47, 358, 359; 54, 177, 178; Lenckner, Gallas-Festschrift S. 281, 282; Grünwald, Welzel-Festschrift S. 701, 706; Lackner, StGB 12. Aufl. § 24 Anm. 6 c; Rudolphi in SK StGB § 24 Rdn. 31). Der Angeklagte hatte aber auf der Grundlage gemeinsamen Wollens die Tatbestandsverwirklichung fördernde Vorbereitungs- und Unterstützungshandlungen (Fahrraddiebstahl und Auskundschaften des Tatorts) geleistet, die ebensowenig wie der in der Mitverabredung der räuberischen Erpressung und der Mitgestaltung des Tatplans liegende psychische Tatbeitrag des Angeklagten ihre Bedeutung verloren, als er sich entschloß, an der tatbestandsmäßigen Ausführungshandlung nicht teilzunehmen. Er ist infolgedessen an der vollendeten Tat beteiligt, obgleich er einen ihm zugedachten wesentlichen Tatbeitrag nicht erbrachte und deshalb die Deliktsverwirklichung als solche, die aber im übrigen durchaus dem Tatplan entsprach, allein von den Tatgenossinnen übernommen werden mußte (vgl. RGSt 54, 177, 178; 55, 105, 106; 59, 412, 413; BGHSt 11, 268, 272; BGH NJW 1951, 410; Lenckner a.a.O. S. 283 Anm. 7, 286, 289/290). Nach Auffassung des Senats hat das Reichsgericht zutreffend entschieden, daß ein Beteiligter selbst dann für die vollendete Tat einstehen muß, wenn er sich vor Beginn der tatbestandsmäßigen Handlung bemüht, den Täter (oder einen Mittäter) von der Tat abzubringen, der andere scheinbar auf den Umstimmungsversuch eingeht, in Wahrheit aber am Tatplan festhält und bei der Realisierung aus dem vom "Rücktrittswilligen" geleisteten Tatbeitrag Nutzen zieht (RGSt 55, 105, 106; Lenckner a.a.O. S. 288). Der Angeklagte hat einen Umstimmungsversuch unternommen, der nicht einmal scheinbar eine positive Resonanz fand. In seinem Falle kann daher das Einstehenmüssen für die vollendete Tat nicht zweifelhaft sein.
b)
Ob der Angeklagte, der die objektiven Voraussetzungen der Mittäterschaft auf Grund seiner fördernden Tatbeiträge erfüllt hat (vgl. BGHSt 11, 268, 271; 14, 123, 128/129; 16, 12, 14; BGH Urt. vom 19. März 1977 - 1 StR 39/77), als Gehilfe oder als Mittäter anzusehen ist, hängt davon ab, ob er die Tat als eigene oder nicht als eigene wollte (BGHSt 8, 70, 73; 8, 393, 396; 16, 12, 13; 18, 87, 89/90). Ob das eine oder andere zutrifft, ist auf Grund aller Umstände, welche von der Vorstellung des Angeklagten umfaßt waren, in wertender Betrachtung zu entscheiden (BGHSt 8, 393, 396 [BGH 10.01.1956 - 5 StR 529/55]; 14, 123, 129; 16, 12, 13; BGH Urt. vom 19. März 1977 - 1 StR 39/77). Für die Beurteilung fallen auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen einerseits das eigene, zur Tat drängende Interesse des Angeklagten (der Geld zur Schuldentilgung und zur Deckung des Lebensbedarfs benötigte) und andererseits der Umstand, daß der Angeklagte das Ob und das Wie des eigentlichen Geschehensablaufs nicht mit beherrschte, besonders ins Gewicht. Zwar kann der Umstand, daß das Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung, die Durchführung und der Ausgang der Tat nicht mehr vom Willen des Angeklagten abhingen, nichts an der inneren Einstellung ändern, mit welcher er seine Tatbeiträge erbrachte. Da sie für die wertende Betrachtung aber nur ein Gesichtspunkt neben anderen ist (BGHSt 8, 393, 396 [BGH 10.01.1956 - 5 StR 529/55]; 14, 123, 129; 18, 87, 90), entscheidet sich die Frage, ob der Angeklagte Mittäter oder Gehilfe war, nicht schon und nicht allein auf Grund dieser, das Stadium der Vorbereitung nicht überdauernden Einstellung (vgl. Lenckner a.a.O. S. 286 Anm. 16).
c)
Weitere Erörterungen erübrigen sich. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß das neue Tatgericht zu Feststellungen gelangt, die mit den bisherigen nicht völlig übereinstimmen.
III.
Die Entscheidung entspricht im Ergebnis dem Antrag des Generalbundesanwalts.
Loesdau
Woesner
Herdegen
Kuhn