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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 31.01.1978, Az.: VI ZB 7/77

Beantragung des Armenrechts zur Durchführung der Berufung; Zustellung des Armenrechtsbeschlusses, wenn der Antragsteller vorher noch nicht endgültigen Auftrag zur Einlegung des Rechtsmittels erteilt hat; Gewährung einer Überlegungsfrist

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
31.01.1978
Aktenzeichen
VI ZB 7/77
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1978, 11655
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
OLG Nürnberg - 27.01.1977

Fundstellen

  • MDR 1978, 482-483 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW 1978, 1920 (Volltext mit amtl. LS)

Amtlicher Leitsatz

Wird das zur Durchführung der Berufung beantragte Armenrecht erst nach Ablauf der Berufungsfrist bewilligt, so beginnt die Frist für den Antrag auf Wiedereinsetzung (§ 234 Abs. 1 ZPO) auch dann mit der Zustellung des Armenrechtsbeschlusses, wenn der Antragsteller vorher noch nicht endgültigen Auftrag zur Einlegung des Rechtsmittels erteilt hat; eine zusätzliche Überlegungsfrist kann ihm nicht zugebilligt werden.

In dem Rechtsstreit
hat der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes
in seiner Sitzung am 31. Januar 1978
unter Mitwirkung
des Vorsitzenden Richters Dr. Weber und
der Richter Dunz, Scheffen, Dr. Steffen und Dr. Deinhardt
beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluß des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 27. Januar 1977 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens fallen dem Beklagten zur Last.

Gründe

1

I.

Das Landgericht hat den Beklagten am 26. August 1976 zur Zahlung von 10.000 DM nebst Zinsen verurteilt. Dieses Urteil wurde am 8. September 1976 zugestellt. Am 25. September 1976 suchten die Prozeßbevollmächtigten des Beklagten, die ihn bereits im ersten Rechtszug vertreten hatten, mit dem Hinweis auf die beabsichtigte Berufungseinlegung um Bewilligung des Armenrechts nach. Der Beschluß, durch den das Berufungsgericht das nachgesuchte Armenrecht bewilligte, wurde ihnen am 6. Dezember 1976 zugestellt. Am 27. Dezember 1976 ging daraufhin die Berufung des Beklagten gleichzeitig mit dem Gesuch um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist ein.

2

Das Berufungsgericht hat mit Beschluß vom 27. Januar 1977 sowohl das Wiedereinsetzungsgesuch als auch die Berufung als unzulässig verworfen.

3

II.

Das Oberlandesgericht stützt seine Entscheidung darauf, daß die Wiedereinsetzung nicht innerhalb der Zweiwochenfrist des § 234 Abs. 1 ZPO eingereicht worden sei, die mit der Zustellung des Armenrechtsbeschlusses am 6. Dezember 1976 zu laufen begonnen habe.

4

Die dagegen gerichteten Angriffe des Beschwerdeführers vermögen nicht zum Erfolg zu führen.

5

1.

Das Berufungsgericht geht zutreffend davon aus, daß das in der Armut einer Partei zu sehende Hindernis i.S. von § 234 Abs. 2 ZPO dann behoben ist, wenn dieser oder ihrem Prozeßbevollmächtigten der die Armenrechtsbewilligung enthaltende Beschluß zugegangen ist (BGH Beschl. v. 10. Mai 1961 - IV ZB 142/61 = LM ZPO § 234 [B] Nr. 14 und Beschluß vom 25. Juni 1963 - VI ZB 5/63 = LM ZPO § 234 [B] Nr. 17). Eine zusätzliche Überlegungsfrist kann der Partei, damit sie die Frage der Rechtsmitteleinlegung erwägt und entscheidet, nur zugebilligt werden, wenn das Armenrecht versagt worden ist (BGH Beschl. v. 21. März 1962 - IV ZB 78/62 = LM ZPO § 234 [B] Nr. 16). Der Standpunkt des Beschwerdeführers, ihm müsse auch im vorliegenden Fall noch eine solche Überlegungsfrist zugebilligt werden, ist unrichtig. Die unterschiedliche Festlegung des Beginns der Frist des § 234 Abs. 1 ZPO rechtfertigt sich daraus, daß die Prüfung der Frage, ob der Rechtsstreit infolge der Versagung des Armenrechts auf eigene Kosten weiter in der Rechtsmittelinstanz durchgeführt werden soll, wegen des damit verbundenen offensichtlichen Risikos eine gründlichere und daher auch zeitaufwendigere Beurteilung der Erfolgsaussicht erfordert als der Entschluß, nach Bewilligung des Armenrechts und daher nach wesentlicher Verringerung der Gefahr einer Kostenbelastung das Rechtsmittel einzulegen. Die vom Beschwerdeführer angeführte Bemerkung von Hartmann in Baumbach, 36. Aufl. § 234 Anm. 3 B a.E. (Hinweis auf Lüderitz ZZP 78, 157) kann allenfalls de lege ferenda verstanden werden.

6

2.

Die hiergegen vom Beschwerdeführer vorgebrachten Argumente greifen nicht durch.

7

a)

Ohne Erfolg macht er geltend, er habe zum Zeitpunkt des Armenrechtsantrages und auch nach der Bewilligung des Armenrechts seinem Anwalt weder Vollmacht noch Auftrag zur Einlegung der Berufung erteilt. Dabei übersieht er, daß seine erstinstanzlichen Anwälte bereits aufgrund der ihnen erteilten Prozeßvollmacht im Außenverhältnis berechtigt waren, wirksam für ihn um das Armenrecht für die Berufung nachzusuchen. Ein vollmachtsloses Handeln lag daher nicht vor (Stein/Jonas 19. Aufl. Anm. II 2 zu § 81 ZPO; Rosenberg/Schwab, Zivilprozeßrecht 12. Aufl., § 54 II 6 a). Der vom Beklagten gebrachte Hinweis könnte daher allenfalls rechtliche Wirkung zwischen ihm und seinen Anwälten entfalten, berührt aber die Wirksamkeit der Prozeßhandlungen seiner Anwälte nicht. Der Beklagte war nur durch seine Armut, i.S. von § 233 ZPO also durch einen unabwendbaren Zufall, daran gehindert, fristgerecht Berufung einzulegen. Die Armenrechtsbewilligung war das das Hindernis i. S. von § 234 Abs. 2 ZPO beseitigende Ereignis. Diese Wirkung kann der Beschwerdeführer nicht dadurch ausschließen, daß er das Fehlen der Erteilung des (endgültigen) Auftrags zur Berufungseinlegung geltend macht. Denn die Prozeßbevollmächtigten der ersten Instanz waren, wie bereits ausgeführt, auch ohne besonderen Auftrag bevollmächtigt, Berufung einzulegen. Insoweit lag also kein Hindernis vor. Der Beklagte kann nicht, um den Zeitraum bis zur schließlichen Einlegung der Berufung zu verlängern, sich zunächst das Armenrechtsgesuch und seinen darin enthaltenen Hinweis auf das beabsichtigte Rechtsmittel zu Nutze machen, sich dann aber auf das Fehlen eines konkreten Auftrags an seine Anwälte berufen. Wie die Begründung des Wiedereinsetzungsgesuchs, insbesondere das von ihm vorgelegte Schreiben seines Prozeßbevollmächtigten vom 22. September 1976 ergibt, hat er schon zu diesem Zeitpunkt erfahren, daß ein Armenrechtsgesuch eingereicht worden war, hat sich aber nicht dagegen gewendet.

8

b)

Ein anderes, etwa in seinem Gesundheitszustand begründetes Hindernis i.S. von § 234 Abs. 2 ZPO hat der Beklagte nicht glaubhaft gemacht. Auf eine Erkrankung im September kann es nicht ankommen, wenn die Frist erst im Dezember zu laufen begann. Im übrigen läßt er selbst vortragen, daß er am 15. Dezember 1976 die entscheidende Unterredung mit seinem Anwalt hatte und an diesem Tage den Auftrag zur Einlegung der Berufung ausdrücklich erteilte; dann aber ist kein Grund zu erkennen, der der Anbringung eines Wiedereinsetzungsgesuches verbunden mit der Nachholung der versäumten Berufungseinlegung innerhalb der bis zum 20. Dezember 1976 laufenden Frist hätte entgegenstehen können.

Dr. Weber
Dunz
Scheffen
Dr. Steffen
Dr. Deinhardt