Bundesgerichtshof
Urt. v. 07.12.1977, Az.: VIII ZR 214/75
Alleinvertrieb von Backwaren für Westdeutschland ; Fremdbezug an Aprikosentörtchen; Kündigung eines Alleinvertriebsvertrages; Haftung des Kommanditisten; Erforderlichkeit der Nachfristsetzung
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 07.12.1977
- Aktenzeichen
- VIII ZR 214/75
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1977, 13008
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- OLG Düsseldorf - 08.07.1975
- LG Mönchengladbach - 10.09.1974
Rechtsgrundlagen
Fundstellen
- DB 1978, 389-390 (Volltext mit amtl. LS)
- GmbHR 1978, 206-207 (Volltext mit amtl. LS)
- MDR 1978, 485 (Volltext mit amtl. LS)
- NJW 1978, 416-417 (Volltext mit amtl. LS)
Prozessführer
Kaufmann Herbert Ku., L.weg ... in M./R.
Prozessgegner
Firma Leon D. van Ca., C., T./B.
Amtlicher Leitsatz
Der Gläubiger kann ein auf längere Zeit angelegtes Rechtsverhältnis, dessen Durchführung besonderes gegenseitiges Vertrauen voraussetzt (hier: Alleinvertriebsvertrag), fristlos kündigen, wenn der Schuldner nicht von sich aus eine bald nach Vertragsabschluß von ihm vorgenommene, auf Beschränkung der Haftung gerichtete Minderung in der Struktur seines Unternehmens (hier: Umwandlung des einzelkaufmännischen Unternehmens in eine GmbH & Co. KG) dem Gläubiger mitteilt.
In dem Rechtsstreit
hat der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs
auf die mündliche Verhandlung vom 23. November 1977
durch
die Richter Dr. Hiddemann, Claßen, Hoffmann, Wolf und Merz
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision des Klägers wird unter Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen das Urteil des 23. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 8. Juli 1975 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als es die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Mönchengladbach vom 10. September 1974 hinsichtlich des Antrags auf Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von 10.957 belgischen Francs nebst Zinsen als unzulässig verworfen hat.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Die Kosten der Revision werden dem Kläger auferlegt.
Tatbestand
Die Beklagte, ein in B. ansässiges Unternehmen zur Herstellung von Biskuitwaren, übertrug durch Vertrag vom 18. Juli 1970 der damals noch als Einzelkaufmannsunternehmen betriebenen Firma Hans K. in Rh. den Alleinvertrieb ihrer Backwaren für Westdeutschland (Ziff. 1), während die Firma K. sich verpflichtete, keine Konkurrenzprodukte in ihre Kollektion aufzunehmen (Ziff. 4). Unter Ziff. 11 bezeichneten die Vertragsteile es als Zweck der Vereinbarung, den Produkten der Beklagten "mittels der Firma K. den ihnen zustehenden Platz auf dem deutschen Markt zu erarbeiten und zu sichern"; die Vereinbarung setze daher "das absolute Vertrauen beider Partner und den ehrlichen Willen von beiden Seiten, das gesteckte Ziel zu erreichen, voraus".
Ende 1970 wandelte Hans K. sein Unternehmen in eine GmbH & Co. KG um. Zu diesem Zweck gründete er die am 24. Dezember 1970 im Handelsregister eingetragene Firma "H. Vermögensverwaltungs GmbH" mit einem Stammkapital von 20.000 DM und wurde als deren alleiniger Geschäftsführer eingetragen. Die genannte GmbH wurde alleinige persönlich haftende Gesellschafterin der am 30. Dezember 1970 begonnenen, weiterhin unter "Hans K." firmierenden Kommanditgesellschaft, bei der Hans K. als alleiniger Kommanditist mit einer Einlage von 80.000 DM beteiligt war. Am 19./20. Januar 1972 wurden im Handelsregister das Ausscheiden K. in seiner Eigenschaft als Kommanditist sowie als Geschäftsführer der GmbH und der Eintritt des Klägers als des neuen Kommanditisten mit einer Einlage von gleichfalls 80.000 DM sowie seine Bestellung zum neuen alleinigen Geschäftsführer der GmbH eingetragen. Im Frühjahr 1973 übertrug der Kläger seine Kommanditbeteiligung an der KG an einen Karel Ko., der den Kläger auch als alleiniger Geschäftsführer der GmbH ablöste.
Die Beklagte, die ihre aufgrund des Vertrages vom 18. Juli 1970 an die Firma Hans K. laufend erbrachten Lieferungen an Backwaren in erheblichem Umfang, zeitweilig bis 200.000 DM, kreditiert hatte, erfuhr von der Änderung der gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse der Firma Kessel erst im Frühjahr 1972. Kurz zuvor hatte sie auch erfahren, daß die Firma K. Aprikosentörtchen in erheblichem Umfang, nach den unwidersprochenen Angaben der Beklagten etwa 20 bis 28 t, von dritter Seite bezogen hatte. Beides nahm die Beklagte zum Anlaß, den Alleinvertriebsvertrag vom 18. Juli 1970, der an sich erstmals zu Ende Mai 1972 mit dreimonatiger Frist kündbar war, mit Schreiben vom 5. Juni 1972 fristlos aufzukündigen.
Der Kläger, damals noch Geschäftsführer der Komplementär-GmbH, widersprach dieser Kündigung mit der Behauptung, ein wichtiger Grund zur vorzeitigen Beendigung des mit der Firma K. geschlossenen Alleinvertriebsvertrages liege nicht vor. Die Firma K. habe, weil sie schon vor Abschluß des Vertrages vom 18. Juli 1970 Aprikosentörtchen von dritter Seite bezogen habe, diese auch weiterhin von ihren bisherigen Lieferanten beziehen dürfen; von einer Änderung ihrer Rechtsform habe die Firma K. die Beklagte nicht zu unterrichten brauchen.
Die Firma K. hat Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte wegen der fristlosen Aufkündigung des Alleinvertriebsvertrages, insbesondere wegen entgangenen Gewinns, geltend gemacht und diese in erster Instanz mit 148.500 DM beziffert. Im Berufungsverfahren hat sie Zahlung von 50.000 DM nebst Zinsen gefordert und darüber hinaus im Wege der Stufenklage 5 % als entgangene Provision aus dem von der Beklagten vom 1. Juni 1972 bis 31. Mai 1973 getätigten Umsatz verlangt, soweit diese Provision 50.000 DM übersteigt. Schon im landgerichtlichen Verfahren hatte die Firma K. - als ursprüngliche Klägerin - mitgeteilt, sie habe ihre Ansprüche gegen die Beklagte an den Kläger anläßlich seines Ausscheidens aus der Firma K. abgetreten; dieser hat darauf den Rechtsstreit im eigenen Namen fortgeführt.
In den beiden Vorinstanzen ist der Kläger unterlegen. Dies gilt auch hinsichtlich eines weiteren Antrags auf Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 10.957 bfrs. Insoweit hatte der Kläger seine Ansprüche nicht aus der Aufkündigung, sondern aus der Abwicklung des Alleinvertriebsvertrags (rückständige Provision, Umsatzrückvergütung) hergeleitet. Diese Ansprüche hatte der Kläger schon im landgerichtlichen Verfahren mit einem wesentlich höheren Betrag beziffert geltend gemacht, war jedoch auch insoweit unterlegen. Nachdem er sodann in der Berufungsbegründungsschrift zunächst erklärt hatte, daß diese Ansprüche "einstweilen nicht geltend gemacht würden, da die Beklagte nach Klageerhebung Gutschriften erteilt" habe, so daß das Bestehen einer etwaigen "Restforderung" noch der Klärung bedürfe, hatte er mit Schriftsatz vom 7. Mai 1975 unter Gegenüberstellung seiner Forderung und der erteilten Gutschriften einen Saldo von 10.957 bfrs zu seinen Gunsten errechnet und auch insoweit Verurteilung der Beklagten zur Zahlung beantragt. Bezüglich dieser "Abwicklungsansprüche" hat jedoch das Berufungsgericht die Berufung des Klägers als unzulässig verworfen, da sie insoweit nicht innerhalb der Frist des § 519 Abs. 2 ZPO begründet worden sei.
Mit seiner Revision, um deren Zurückweisung die Beklagte bittet, verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Das angefochtene Urteil holt im wesentlichen der rechtlichen Nachprüfung stand; lediglich bezüglich der "Abwicklungsansprüche" des Klägers, deren Prüfung das Berufungsgericht abgelehnt hat, ist Aufhebung und Zurückverweisung geboten.
I.
Das Berufungsgericht nimmt an, aus zwei Gründen sei die Beklagte berechtigt gewesen, den Alleinvertriebsvertrag fristlos zu kündigen: wegen des umfangreichen Fremdbezugs an Aprikosentörtchen (BU S. 18-20) und wegen der ihr nicht mitgeteilten Änderung der Unternehmensstruktur und der Haftungsverhältnisse der Firma K. (BU S. 20 ff). In der Revisionsverhandlung haben die Parteien unterschiedliche Auffassungen vertreten, ob das Berufungsgericht jeden der beiden genannten Umstände für sich allein oder ob es erst deren Zusammentreffen, ihr gleichzeitiges Vorliegen, als wichtigen Grund zur Aufkündigung des Vertrags gewertet hat. Die Ausführungen des Berufungsgerichts (BU S. 20 f) machen beide Deutungen jedenfalls vertretbar. Auf die Auslegung des Berufungsurteils zu diesem Punkt kommt es indes letztlich nicht an; denn der vom Berufungsgericht festgestellte Sachverhalt zwingt rechtlich zu der Folgerung, daß die Beklagte jedenfalls schon deshalb berechtigt war, die Vertragsbeziehungen fristlos zu beenden, weil ihr die Änderung der Unternehmensstruktur der Firma K. nicht mitgeteilt wurde. Diese Rechtsfolge kann der Senat von sich aus aussprechen, da es weiterer tatsächlicher Feststellungen nicht mehr bedarf.
II.
Die Umwandlung der Einzelkaufmannsfirma Hans K. in eine GmbH & Co. KG hatte für die Beklagte eine wesentliche Erhöhung des üblichen Lieferantenrisikos zur Folge. Denn fortan war die Haftung ihres Schuldners auf eine bestimmte Vermögensmasse - das Gesellschaftsvermögen der Komplementär-GmbH - begrenzt (vgl. BGH Urteil vom 10. März 1974 - II ZR 167/72 = BGHZ 62, 216, 226 f); die Kommanditeinlage kam, wenn sie - wie üblich - bereits geleistet war, als Gegenstand eines Gläubigerzugriffs nicht mehr in Betracht (§ 171 HGB). Wie das Berufungsgericht (BU S. 22) rechtsfehlerfrei feststellt, hatte die Beklagte ihre Lieferungen an die Firma K. mit durchweg 100.000 bis 200.000 DM kreditiert; die Beklagte war also, als sie im Frühjahr 1972 von der Umwandlung des Unternehmens erfuhr, für ihre Forderungen wesentlich weniger gesichert als bei Vertragsschluß. Kenntnis von der eingetretenen Erhöhung ihres wirtschaftlichen Risikos hatte sie nicht, denn die schon fünf Monate nach Abschluß des Alleinvertriebsvertrags vorgenommene Umwandlung des Unternehmens Hans K., das zunächst die alte Firma ohne Zusatz fortführte, war der Beklagten nicht mitgeteilt worden.
Die dadurch hervorgerufene Erschütterung des Vertrauens machte es der Beklagten unzumutbar, die Firma K. weiterhin im bisherigen Umfang und in der bisher geübten Weise (Kreditierung) zu beliefern. Dabei ist rechtlich ohne Bedeutung, daß die Beklagte von der eingetretenen Erhöhung ihres wirtschaftlichen Risikos über ein Jahr hindurch zunächst nichts wußte. Die Firma K. konnte ein Recht zur Fortsetzung der Vertragsbeziehungen auch nicht etwa daraus herleiten, daß sie den Zahlungsanforderungen der Beklagten in der Vergangenheit im wesentlichen nachgekommen war: Sie hatte, indem sie ihre Umwandlung in eine GmbH & Co. KG der Beklagten nicht mitteilte, für letztere nicht nur objektiv eine Gefahrenlage geschaffen, sondern auch für die Zukunft deren Vertrauen in die Bereitschaft zur fairen Vertragsdurchführung erschüttert. Ein solches Verhalten der Firma K. war mit dem in Ziff. 11 des Vertrages als Vertragsgrundlage ausdrücklich herausgestellten "absoluten Vertrauen" und der Zusage eines "ehrlichen Willens" zur Zusammenarbeit schlechthin unvereinbar. Der darin liegende Verstoß gegen vertraglich übernommene Pflichten von derart entscheidender Bedeutung befugte die Beklagte, die vertraglichen Beziehungen fristlos zu beenden.
III.
Die hiergegen vorgetragenen Revisionsangriffe sind unbegründet:
1.
Soweit die Revision darauf hinweist, die Firma K., deren Umwandlung alsbald im Handelsregister eingetragen worden war, sei bis zum Bekanntwerden des Urteils vom 18. März 1974 (BGHZ a.a.O.) - also in den hier in Betracht kommenden Jahren 1970 bis 1973 - befugt gewesen, auch nach ihrer Umwandlung in eine GmbH & Co. KG die bisherige Firma ohne jeden Zusatz forzuführen, mag dies zutreffen. Das entband sie aber nicht von der Verpflichtung, der Beklagten als ihrer Vertragspartnerin die erfolgte einschneidende Änderung der Haftungsverhältnisse mitzuteilen und so der Beklagten die Entschließung zu überlassen, ob sie wegen des erhöhten wirtschaftlichen Risikos den Vertrag vorzeitig beenden oder ihn gleichwohl - dann vielleicht unter noch auszuhandelnden neuen Bedingungen - fortsetzen wollte. Soweit die Revision eine Unterrichtungspflicht mit der Begründung in Abrede zu stellen sucht, die Umwandlung der Firma K. habe das Risiko der Beklagten überhaupt nicht erhöht, denn der frühere Alleininhaber Hans K. habe auch nach der Umwandlung ungeachtet seiner Stellung als Kommanditist unbeschränkt gehaftet, ist der Revision entgegenzuhalten, daß in der hier in Betracht kommenden Zeit (1970 bis 1972) der registerlichen Eintragung noch die alleinmaßgebliche Bedeutung hinsichtlich der Faftungsverhältnisse beigemessen wurde; eine unbegrenzte Haftung des früheren Alleininhabers für neue Schulden wurde deshalb damals noch ganz überwiegend abgelehnt, wenn er nach Umwandlung seines Unternehmens in eine GmbH & Co. KG nur noch als Kommanditist - d.h. in seiner Haftung begrenzt auf die Höhe der übernommenen Einlage - beteiligt blieb.
2.
Erst in mehreren Entscheidungen aus jüngerer Zeit hat der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs sich zu dem Grundsatz bekannt, daß in Fällen der vorgenannten Art im Interesse des Gläubigerschutzes dem Rechtsschein der registerlichen Eintragung (§ 15 Abs. 2 HGB) eine Grenze gesetzt sein muß (vgl. Urteile vom 8. Mai 1972 - II ZR 170/69 - WM 1972, 822 = LM HGB § 15 Nr. 5 = NJW 1972, 1418; vom 8. Juli 1976 - II ZR 211/74 = WM 1976, 1084; vom 6. Oktober 1977 - II ZR 4/77 = WM 1977, 1405). Er hat eine unbeschränkte Haftung des früheren Unternehmens Inhabers bejaht, mag dieser auch durch Übernahme einer bloßen Kommanditistenrolle in der GmbH & Co. KG eine Beschränkung seiner Haftung angestrebt haben.
Bei dem hier zur Entscheidung stehenden Sachverhalt geht es nicht unmittelbar um Haftungsfragen, sondern darum, ob die Fortsetzung eines auf längere Zeit angelegten engen Vertragsverhältnisses, das vom "absoluten Vertrauen" beider Teile und vom "ehrlichen Willen" zur Erreichung des gemeinsamen Zwecks (Erschließung des deutschen Marktes für Erzeugnisse der Beklagten) getragen sein sollte, auch dann noch zumutbar ist, wenn der eine Teil seine Unternehmensstruktur in Richtung auf eine Beschränkung seiner Haftung von Grund auf ändert und dies dem anderen Teil nicht mitteilt. Bei der hier gegebenen Sachlage war das Unterlassen einer Mitteilung an die Beklagte ein wichtiger Grund, der sie zur fristlosen Aufkündigung des Alleinvertriebsvertrages berechtigte.
3.
Die Revision meint freilich, ein Recht der Beklagten zur fristlosen Kündigung sei verwirkt, weil sie nach Kenntniserlangung von der Umwandlung der Firma K. mit der Kündigung noch etwa 6 Wochen gewartet habe. Dieser Angriff geht fehl. Denn was die Beklagte nur nach und nach über das Verhalten der Firma K. in Erfahrung brachte, bedurfte einer sorgfältigen Überprüfung auf sachliche Richtigkeit, wobei die Beklagte - im Ausland ansässig und mit dem deutschen Recht kaum vertraut - in einer schwierigen Lage war. Auch das Gewicht der von ihr zu fassenden Entschließung verbot ein überhastetes Vorgehen.
4.
Zum ändern meint die Revision, eine fristlose Aufkündigung des Alleinvertriebsvertrages sei allenfalls erst dann zulässig gewesen, wenn die Beklagte zuvor die Firma K. erfolglos abgemahnt hätte (§ 326 BGB). Auch dem ist nicht zu folgen. Hier handelt es sich nicht um die Rückabwicklung eines auf einmaligen Austausch gerichteten, sondern um die Fortsetzung eines auf Dauer angelegten Rechtsverhältnisses, so daß schon deshalb der uneingeschränkten Anwendbarkeit des § 326 BGB Bedenken entgegenstehen. Der Senat hat in seinem zur Veröffentlichung vorgesehenen Urteil vom 19. Oktober 1977 - VIII ZR 42/76 - ausgesprochen, daß es einer "Nachfristsetzung" dann nicht bedarf, wenn infolge Verstoßes des Schuldners gegen die Leistungstreuepflicht das Vertrauen des Gläubigers in eine vertragsgemäße Erfüllung zerstört ist; da ein solcher Vertrauensschwund auch durch eine Nachfristsetzung nicht zu beheben ist, darf sich der andere Teil in der Regel "ohne Einhaltung des in § 326 BGB vorgesehenen Weges" vom Vertrag lösen. Dieser Grundsatz besagt für den vorliegenden Fall, daß angesichts des bereits endgültig zerstörten Vertrauensverhältnisses die Beklagte zu einer "Abmahnung" vor der fristlosen Kündigung nicht verpflichtet war. Im übrigen verkennt die Revision, daß es Sache der Firma K. und nicht etwa der Beklagten gewesen wäre, die erfolgte Umwandlung des Unternehmens nicht nur mitzuteilen, sondern auch Vorschläge für eine etwaige Fortsetzung des Vertragsverhältnisses unter vielleicht neu auszuhandelnden Bedingungen zu unterbreiten. Nicht die über ein Jahr hindurch in Unwissenheit gehaltene Beklagte, sondern die Firma K. hätte auf den anderen Teil zugehen und annehmbare Vorschläge unterbreiten müssen, um eine vorzeitige Aufkündigung des Alleinvertriebsvertrages durch die Beklagte zu vermeiden.
5.
Nach allem war hinsichtlich des Hauptstreitpunktes die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
IV.
begründet ist die Revision jedoch insoweit, als sie eine fehlsame Anwendung des § 519 ZPO durch das Berufungsgericht rügt. Das Berufungsgericht durfte die Prüfung der vom Kläger erhobenen "Abwicklungsansprüche" nicht mit der Begründung ablehnen, der Kläger habe seine Berufung insoweit nicht innerhalb der Frist des § 519 Abs. 2 ZPO begründet. Zwar hat der Kläger diese Ansprüche erst in seinem Schriftsatz vom 7. Mai 1975 errechnet und einen bezifferten Antrag gestellt. Diese Ansprüche waren aber nicht nur Gegenstand der erstinstanzlichen Prüfung und der entsprechenden Klageabweisung gewesen, sondern sie blieben auch nach dem Inhalt der Berufungsbegründungsschrift (S. 20) weiterhin Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens. Wenn der Kläger sich dort zu einer Bezifferung noch außerstande sah, weil bei Errechnung der Ansprüche erst nach Klageerhebung noch erteilte Gutschriften der Beklagten zu berücksichtigen waren, und wenn er dies in die Worte faßte, daß die Abwicklungsansprüche "einstweilen nicht geltend gemacht werden", so war andererseits doch klar zu erkennen, daß der Kläger auf diese Ansprüche weder verzichten, noch sie aus dem weiteren Berufungsverfahren herausnehmen wollte, wie schließlich der Inhalt des schon genannten Schriftsatzes vom 7. Mai 1975 deutlich machte. Bei solcher Sachlage kann nicht, wie es im Berufungsurteil (S. 29 f) geschieht, von einem Nachschieben neuer Gründe gesprochen werden. Die Auffassung des Berufungsgerichts, die den entscheidenden Anstoß letztlich daran nimmt, daß innerhalb der Berufungsbegründungsfrist eine Bezifferung des Antrags nicht erfolgte, würde zu dem nicht vertretbaren Ergebnis führen, daß der Kläger, der sein Anliegen bereits in erster Instanz vorgebracht und dieses Anliegen immerhin schon in der Berufungsbegründungsschrift eindeutig weiterverfolgt hat, schlechter gestellt wäre als ein Kläger, der irgendwann im Laufe des Berufungsverfahrens ein zusätzliches Anliegen erstmals vorbringt und im Wege der Klageerweiterung in den Rechtsstreit einführen möchte.
Da eine tatrichterliche Prüfung der Abwicklungsansprüche bisher nicht erfolgt ist, war insoweit der Rechtsstreit unter entsprechender Teilaufhebung des angefochtenen Urteils an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
V.
Schon jetzt kann über die Kosten der Revisionsinstanz befunden werden. Diese sind ganz dem Kläger aufzuerlegen; denn der Betrag, bezüglich dessen die Beklagte allenfalls noch unterliegen könnte (Abwicklungsansprüche, Streitwert insoweit: 737,63 DM), ist gegenüber der Klagehauptsumme verschwindend gering, und besondere Kosten sind durch die Zuvielforderung nicht veranlaßt (§§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 2 ZPO).
Über die Kosten der beiden Vorinstanzen hat das Berufungsgericht zu befinden.
Claßen
RiBGH Hoffmann ist erkrankt und kann deshalb nicht unterschreiben, Dr. Hiddemann
Wolf
Merz