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Bundesgerichtshof
Urt. v. 15.11.1977, Az.: VI ZR 101/76
„Alkoholtest“

Schadensersatzanspruch bei rufschädigender Berichterstattung; Anforderungen an Sorgfaltspflichten von Zeitungsredakteuren bei dem Verfassen von Berichten; Zulässigkeitsanforderungen an Feststellungsklage; Anspruch auf Erstattung von Aufwendungen für Anzeigenwerbung; Anspruch auf Gegendarstellung in Massenmedien; Werbeaussagen als Richtigstellung von fehlerhaften Zeitungsmeldungen

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
15.11.1977
Aktenzeichen
VI ZR 101/76
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1977, 12883
Entscheidungsname
Alkoholtest
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
OLG Stuttgart - 24.03.1976
LG Stuttgart - 04.12.1975

Fundstellen

  • BGHZ 70, 39 - 47
  • AfP 1978, 29-32
  • DB 1978, 391-392 (Volltext mit amtl. LS)
  • MDR 1978, 303 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW 1978, 210-212 (Volltext mit amtl. LS)

Prozessführer

Firma A. S. V. AG, H.

Prozessgegner

Firma Dr. S. D. D., E.

Amtlicher Leitsatz

Der Warenhersteller, der wegen eines Presseangriffs auf sein Produkt nach § 824 BGB ersatzberechtigt ist, kann zur Schadensminderung in der Regel eine Richtigstellung als "Werbeanzeige" im Anzeigenteil der verantwortlichen Zeitung auf deren Kosten veröffentlichen. Dagegen kann er Aufwendungen für eine zusätzliche Werbung, die nicht im Dienst der sachlichen Richtigstellung steht, nur in besonderen Fällen vom Schädiger erstattet verlangen (Ergänzung zu BGHZ 66, 182, 192 ff).

Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
auf die mündliche Verhandlung vom 15. November 1977
durch
den Vorsitzenden Richter Dr. Weber und
die Richter Scheffen, Dr. Steffen, Dr. Kullmann und Dr. Ankermann
für Recht erkannt:

Tenor:

  1. I.

    Auf die Rechtsmittel der Beklagten werden unter ihrer Zurückweisung im übrigen das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 24. März 1976 aufgehoben und das Urteil der 17. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 4. Dezember 1975 im Zahlungsausspruch zu Ziffer 1 sowie im Kostenpunkt abgeändert:

    1. 1.

      Die Beklagte hat an die Klägerin 13.712,53 DM nebst 12 % Zinsen aus 11.865,53 DM vom 24. August 1973 bis 24. April 1975 und aus 1.847 DM vom 11. Februar 1974 bis 24. April 1975 sowie 8,5 % Zinsen aus 13.712,53 DM seit dem 25. April 1975 zu zahlen.

    2. 2.

      Der weitergehende Zahlungsanspruch wird abgewiesen.

  2. II.

    Von den Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte 3/4, die Klägerin 1/4 zu tragen.

Tatbestand

1

Die Hamburger Ausgabe der von der beklagten Verlags-AG herausgegebenen Zeitung "Bild" brachte am 1. August 1973 unter der Schlagzeile "Zähneputzen genügt: Führerschein futsch!" eine Reportage darüber, welche Menge an alkoholischen Getränken ausreichen, um bei den von der Verkehrspolizei verwendeten Alkoholteströhrchen ein positives Ergebnis anzuzeigen. Dabei berichtete der Reporter über einen von der Zeitung bei ihren Redakteuren veranlaßten Alkoholtest. Unter dem Bild des inzwischen verstorbenen Redakteurs P. heißt es:

"Richard P. (71), 1,66 m, 89 kg, Nicht-Trinker, Pilzgericht zum Mittag um 12.30 Uhr. Nichtraucher. Zähne mit alkoholischer Zahncreme geputzt. Kein Alkohol getrunken. Test nach 15 Minuten um 15.25 Uhr: Röhrchen über 0,8 Promille verfärbt. Blutprobe sicher, Führerschein vorerst futsch."

2

Im Artikel selbst führte der Reporter aus:

"Bild machte die Probe aufs Exempel. 12 Redakteure unterzogen sich dem gefürchteten Puste-Test der Polizei. Das Ergebnis ist eine Warnung an alle Autofahrer: Vergessen Sie sofort alle Promille-Tabellen und "Faustregeln"! Jedes Glas, das Sie vor der Autofahrt trinken, kann zuviel sein.

Sogar ein Reporter, der keinen Tropfen Alkohol getrunken hatte, wäre bei einer Polizeikontrolle seinen Führerschein vorläufig los geworden. Bei Richard P. (71) signalisierte das Teströhrchen: Mehr als 0,8 Promille! Er hatte seine Zähne vor dem Alkoholtest mit der alkoholhaltigen Zahnpaste "Duro-Alkohol" (Preis: DM 2,35) geputzt!"

3

Einen ähnlichen Artikel brachte der Reporter am 2. August 1973 in der Gesamtausgabe der Zeitung "Bild". Der Name der bei dem Test verwendeten Zahncreme wird in dieser Reportage nicht erwähnt; hier ist nur von einer alkoholhaltigen Zahnpaste die Rede.

4

Nach dem Erscheinen dieser Artikel beauftragte die Klägerin, die als einzige Herstellerin von alkoholhaltiger Zahncreme in der Bundesrepublik u.a. "Duro-Alkohol" auf den Markt bringt, ihre Werbeagentur, in der Zeitung "Bild" folgende Anzeige zu veröffentlichen:

"Zähneputzen genügt: Führerschein futsch!

(Schlagzeile der Bild-Zeitung vom 2. August 1973)

Dazu eine Erklärung der Dr. Sch.-Forschung:

Alkohol für die Zahnpflege als Schutz vor Karies Die beste Vorbeugung gegen Karies und der beste Schutz gegen eine Ausbreitung ist die tägliche Pflege mit Alkohol-Zahncreme. Das wissenschaftliche Battelle-Institut, Frankfurt, hat schon 1963 bestätigt, daß die Wirkung von Alkohol in unserer Zahncreme die weitverbreitete Karies eindeutig reduziert. Duro ist die einzige nach Patent Nr. 974 935 hergestellte Alkohol-Zahncreme.

Fortschritt durch Sauerstoff gegen Parodontose (Zahnfleischsehwund)

dontomed Alkohol-Sauerstoff-Zahncreme (Patent offengelegt unter Nr. 1 617 430) enthält zusätzlich hochwirksamen Sauerstoff. Wissenschaftliche Untersuchungen haben bewiesen, daß Alkohol in Verbindung mit Sauerstoff eine verstärkte Durchblutung des Zahnfleisches fördert und somit der Volkskrankheit Parodontose vorbeugt.

Sie sehen also:

Alkohol-Zahncreme wird nur im Mund aktiv und ist für die Gesundheit von Zähnen und Zahnfleisch da. Sie geht nicht ins Blut. Deshalb keine Angst vor 0,8 Promille.

Duro Alkohol und dontomed - die einzigen Alkohol-Zahncremes!"

5

Die Anzeigenabteilung der Beklagten weigerte sich jedoch, den Satz: "Deshalb keine Angst vor 0,8 Promille"zu veröffentlichen. Die Klägerin stimmte schließlich dessen Streichung zu. Daraufhin erschien die Anzeige am 14. August 1973 in der Bild-Zeitung. Hierfür wurden der Klägerin von ihrer Werbeagentur 26.341,47 DM in Rechnung gestellt.

6

Nunmehr ließ die Klägerin am 23. August 1973 die Beklagte auffordern, die Behauptungen in jenen Artikeln zu widerrufen und ihr die Kosten der Anzeige zu erstatten. Aufgrund anschließender Verhandlungen veröffentlichte die Beklagte am 13. und 24. November 1973 in der Hamburger und in der Gesamtausgabe ihrer Zeitung unter der Überschrift "Beim Zähneputzen passiert gar nichts" einen Artikel, in dem ausgeführt wird, schon nach dem Zähneputzen mit "Duro-Alkohol" trete im Teströhrchen eine Verfärbung bis zur 0,8 Promille-Grenze auf, wenn der Test unmittelbar nach der Zahnreinigung erfolge, dagegen sei der entstellende Einfluß des "Mundalkohols" nach etwa 15 Minuten geschwunden. Die weitergehende Forderungen der Klägerin lehnte jedoch die Beklagte ab.

7

Mit der Klage hat die Klägerin neben den von der Beklagten inzwischen anerkannten Kosten für die Einschaltung ihrer Prozeßbevollmächtigten bei den Verhandlungen über die Veröffentlichung einer Richtigstellung (1.847 DM) Erstattung ihrer Aufwendungen für die Veröffentlichung der Anzeige (26.341,47 DM) sowie die Feststellung der Pflicht der Beklagten zum Ersatz ihres weiteren Schadens aus den Veröffentlichungen vom 1./2. August 1973 begehrt.

8

Das Landgericht hat bis auf die in den Klagebeträgen enthaltene Mehrwertsteuer der Klage stattgegeben, der Feststellungsklage mit der Einschränkung, daß der entstandene Schaden zu ersetzen sei.

9

Die Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben.

10

Mit der Revision verfolgt die Beklagte die Abweisung der Klage weiter.

Entscheidungsgründe

11

I.

Nach Ansicht des Berufungsgerichts kann die Klägerin ihren Schaden durch die Berichterstattung über die Wirkung ihrer Zahnpasta im Alkoholtest nach § 824 BGB ersetzt verlangen.

12

1.

Soweit sich die Revision gegen die Zuerkennung des Anspruchs schon dem Grunde nach richtet, hat sie keinen Erfolg.

13

a)

Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, daß bei dem Durchschnittsleser durch die Reportagen der Eindruck erweckt wurde, ein Kraftfahrer müsse, wenn er 15 Minuten zuvor seine Zähne mit der alkoholhaltigen Zahnpasta der Klägerin gereinigt habe, allein deshalb bei einer Alkoholkontrolle mit einer Blutprobe und damit mit vorläufiger Einbehaltung seines Führerscheins rechnen. Diese Behauptung war nach den fehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts falsch. Danach traf es schon nicht zu, daß sich 15 Minuten nach dem Zähneputzen mit dieser Zahnpasta beim Atemalkoholnachweis das Teströhrchen über die 0,8 Promille-Marke hinaus verfärbe. Die Widersprüche der insoweit eindeutigen Befunde des gerichtlichen Sachverständigen - übrigens auch des Privatgutachters der Beklagten - zu den Beobachtungen des Redakteurs P. konnte das Berufungsgericht ohne Verfahrensverstoß mit der Unzuverlässigkeit der Testanordnungen des Reporters erklären.

14

b)

Das Berufungsgericht hat auch die Anforderungen an die Sorgfaltspflicht der Beklagten nicht überspannt, wenn es ihr den falschen Bericht als Verschulden anlastet, weil sie bzw. ihre Organe nicht für eine Überwachung des "Tests" durch einen Fachmann gesorgt habe. Der Ansicht der Revision, der Verleger einer Zeitung müsse sich auf das eigene Wissen seiner Redakteure verlassen dürfen, kann schon in dieser Allgemeinheit nicht gefolgt werden. Seine Pflicht, Informationen vor ihrer Veröffentlichung auf ihre Zuverlässigkeit prüfen zu lassen, ist nicht deshalb geringer, weil der Informant dem "eigenen Haus" als Redakteur angehört; im Gegenteil wird in solchen Fällen häufig eine Nachprüfung leichter möglich und daher eher zumutbar sein. Abgesehen davon verkennt die Revision, daß es hier in erster Linie nicht auf die Zuverlässigkeit des P. als Informant ankam, sondern darauf, ob auf seinen ohne Gegenprobe und zudem ohne Anleitung und Überwachung eines Fachmanns durchgeführten "Test" hin eine mit wirtschaftlichen Nachteilen für die Klägerin verbundene öffentliche Warnung an die Kraftfahrer erfolgen sollte. Daß aufgrund eines solchen "Tests", selbst wenn - wie die Beklagte unter Beweis gestellt hat - ihm andere Mitglieder der Redaktion beigewohnt haben sollten, eine zuverlässige Aussage nicht gemacht werden konnte, lag für eine gewissenhafte Zeitungsredaktion auf der Hand; das Risiko einer Veröffentlichung auf dieser unzuverlässigen Grundlage mußte den Beteiligten bewußt sein. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Beklagten ein Vorwurf auch dann hätte gemacht werden müssen, wenn der "Stellenwert" eines solchen Tests nicht nur hinsichtlich der Fragwürdigkeit des Testvorgangs selbst, sondern in seiner Bedeutung für den Kraftfahrer wahrheitsgemäß herausgestellt worden wäre; denn gerade daran hat es im Streitfall gefehlt. Der Bericht suggerierte die Gefahr eines vorübergehenden Führerscheinentzugs bei Verwendung der Zahnpasta als eine ebenso ernstzunehmende Gefahr wie bei Genuß von Bier, Wein usw.. Dieser unzutreffende Eindruck konnte nur dadurch erreicht werden, daß wichtige Informationen, vor allem die besondere Bedeutung des Zeitfaktors für den Nachweis von Alkohol in den Mundschleimhäuten im Unterschied zu vom Blut resorbierten Alkohol, nicht mitgeteilt wurde; offensichtlich hätte jener "Test" für den Leser eine ganz andere Bedeutung gehabt, wenn ihm gesagt worden wäre, daß der Alkohol in der Zahnpasta nicht ins Blut gelangen kann, sondern sich allenfalls vorübergehend in den Schleimhäuten findet und auch dort nach kurzer Zeit nicht mehr nachzuweisen ist.

15

c)

Eine solche Berichterstattung, der es offenbar auf Kosten der "Information" mehr um die "Sensation" (den "Aufmacher") geht und die dabei dem Leser einen falschen Sindruck ihres Aussagegehalts vermittelt, ist zumindest leichtfertig. Deshalb beruft sich die Revision zu Unrecht auf § 824 Abs. 2 BGB; die Reportagen lagen außerhalb des Bereichs, in dem ein Pressebericht, auch wenn er sich später als unzutreffend erweist, in Anbetracht des mit ihm verfolgten Anliegens wegen Wahrnehmung berechtigter Interessen geschützt ist. Insoweit kommt der Beklagten nicht zugute, daß Anlaß der Berichterstattung eine die Öffentlichkeit besonders interessierende Angelegenheit war; an so leichtfertig gegebenen Informationen, die geeignet waren, Dritte zu schädigen, bestand kein schutzwertes Interesse (vgl. Senatsurteile vom 21. Juni 1966 - VI ZR 266/64 = NJW 1966, 2011 und vom 20. Juni 1969 - VI ZR 234/67 = NJW 1970, 187, 189).

16

2.

Ebenso ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Zuerkennung des Feststellungsanspruchs.

17

a)

Daß die Feststellungsklage nicht deshalb nach § 256 ZPO unzulässig war, weil die Klägerin, die unstreitig bei Klageerhebung die Schadensentwicklung noch nicht übersehen konnte, im Laufe des Rechtsstreits möglicherweise zur positiven Feststellungsklage hätte übergehen können, entspricht festen Rechtsprechungsgrundsätzen (vgl. die Nachweise bei Stein/Jonas/Schumann/Leipold ZPO 19. Aufl. § 256 Anm. IV 7 a N. 225). Die Voraussetzungen, unter denen eine Ausnahme von dieser Regel zu machen ist (BGH Urteil vom 31. Januar 1952 - III ZR 131/51 = LM ZPO § 256 Nr. 5; vgl. auch Baumbach/Hartmann ZPO 35. Aufl. § 256 Anm. 5 Stichwort: Leistungsklage) liegen nicht vor. Zu Unrecht meint die Revision, der Klägerin habe jedenfalls nach Beendigung der ersten Instanz bis zur ersten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht die abschließende Berechnung ihres Schadens und der Übergang zur Leistungsklage zugemutet werden können. Sie verkennt, daß solches prozessuales Verhalten, mit dem das Risiko eines Instanzverlustes verbunden sein kann, auch vom III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs in der erwähnten Entscheidung nicht verlangt worden ist. Daß die Klägerin im ersten Rechtszug noch nicht zur Leistungsklage übergehen mußte, hat das Berufungsgericht zutreffend dargelegt; insoweit will auch die Revision offenbar keine Beanstandungen erheben.

18

b)

Unbegründet sind auch die Angriffe der Revision gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, die Klägerin habe infolge der beanstandeten Reportagen zumindest für die ersten 31/2 Monate nach der Veröffentlichung mit Umsatzeinbußen zu rechnen, für die die Beklagte uneingeschränkt aufkommen müsse. Die Revision meint, die Klägerin müsse sich jedenfalls zurechnen lassen, daß sie von ihrem Recht zur Gegendarstellung keinen Gebrauch gemacht habe. Sie übersieht dabei, daß die schadensmindernden Wirkungen der von der Klägerin stattdessen durchgeführten Anzeigenwerbung (hierzu sogleich unter II) keinesfalls geringer sein konnten, und diese nach fehlerfreier Auffassung des Berufungsgerichts den Schaden nicht vollständig aufgefangen haben.

19

II.

Das Berufungsgericht hält auch den Zahlungsanspruch für begründet, da die Klägerin ihre Aufwendungen für die Anzeigenwerbung in der "Bild"-Zeitung vom 14. August 1973 als Schadensposten (§§ 824, 249 ff BGB) erstattet verlangen könne. Dabei geht das Berufungsgericht zutreffend davon aus, daß zu dem Schaden, für die der nach dieser Vorschrift Verantwortliche aufzukommen hat, auch die Kosten einer Anzeige gehören können, mit der der Geschädigte der Beeinträchtigung seines wirtschaftlichen Rufs entgegenwirken will - allerdings nur unter der Voraussetzung, daß die Maßnahme zur Schadensverhütung bzw. -minderung nach den gegebenen Umständen erforderlich war (BGHZ 66, 182, 192 ff = NJW 1976, 1198, 1200 ff). Diese Voraussetzung ist nach Auffassung des Berufungsgerichts hier erfüllt: Die Anzeige halte sich in den Grenzen des Notwendigen und Zumutbaren; daß sie auch Werbung enthalte, sei nicht zu beanstanden, weil Werbung gerade geeignet sei, gegenüber der Warnung der Beklagten die erstrebte gegenteilige Wirkung hervorzurufen. Daß in der Anzeige die Werbung überwiege, habe im übrigen die Beklagte zu vertreten, da sich ihre Anzeigenabteilung geweigert habe, den von der Klägerin vorgesehenen Schlußsatz: "Deshalb keine Angst vor 0,8 Promille" abzudrucken. Ebensowenig könne der Klägerin entgegengehalten werden, von der Möglichkeit zu einer presserechtlichen Gegendarstellung keinen Gebrauch gemacht zu haben; insbesondere verletze der Geschädigte nicht seine Schadensminderungspflicht, wenn er in solchen Fällen einer Anzeige den Vorzug vor der Gegendarstellung gebe.

20

Zu Recht rügt die Revision, daß das Berufungsgericht den Begriff der Erforderlichkeit zu einseitig an den Interessen der Klägerin ausgerichtet und dabei das ebenfalls schutzwürdige Interesse der Beklagten an einer Geringhaltung des von ihr zu ersetzenden Schadens (§ 254 Abs. 2 BGB) vernachlässigt hat.

21

1.

Nach den Grundsätzen, die der erkennende Senat in seinem Urteil BGHZ 66, 182, 192 ff im einzelnen dargelegt und näher erläutert hat, ist es dem durch den Angriff eines Massenmediums (Presse, Rundfunk, Fernsehen) in seinem Ruf Betroffenen im allgemeinen verwehrt, den Verantwortlichen mit den höheren Aufwendungen einer berichtigenden Darstellung durch besondere Anzeigen zu belasten, wenn er dem Angriff durch eine presserechtliche Gegendarstellung begegnen kann, wie dies auch der Klägerin nach § 11 des Hamburgischen Pressegesetzes vom 29. Januar 1965 - GVBl I 15 - im Grundsatz offenstand. Schadensrechtlich ist vielmehr zunächst die Gegendarstellung als der wirtschaftlichere (BGHZ a.a.O. S. 193) Weg anzusehen, ihn vor der Öffentlichkeit selbst zu Wort kommen zu lassen und durch Verdeutlichung seines Standpunkts schadensmindernd einzuwirken. Er kann auf anderem - kostspieligerem - Wege nur dann auf Kosten des Schädigers mit eigenen Erklärungen an die Öffentlichkeit gehen, wenn die konkreten Umstände solche Maßnahme zur Schadensverhütung oder -minderung (§ 254 Abs. 2 BGB) nicht nur als der Gegendarstellung überlegen, sondern bei voller Würdigung der schutzwürdigen Belange des Schädigers auch angebracht erscheinen lassen. Diese Schranken in der Verfolgung seiner wirtschaftlichen Interessen muß der Betroffene mit Rücksicht auf die schutzwürdigen Belange des Schädigers gegen sich gelten lassen; dies nicht zuletzt in Anbetracht der besonderen Bedeutung, die Artikel 5 GG dem Recht der freien Rede in den öffentlichen Medien, und der Wertung, die die Rechtsordnung der presserechtlichen Gegendarstellung als Korrelat zu der verfassungsrechtlichen Gewährleistung der Pressefreiheit zumißt (BGHZ a.a.O. S. 195; zu eng die Kritik von Eschenlohe NJW 1976, 1202).

22

2.

Hieran muß sich im Grundsatz die Schadensregulierung auch dann orientieren, wenn die "Geschäftsehre" einer Person nur durch einen Angriff auf den Ruf ihrer Ware betroffen wird. Daß das Interesse des betroffenen Warenherstellers nicht höher bewertet werden kann, bedarf keiner weiteren Ausführungen.

23

a)

Andererseits entspricht es der Verbrauchererwartung, daß der Hersteller über seine Ware durch Werbeanzeigen informiert. Das rechtfertigt es, dem Hersteller die Möglichkeit nicht zu verschließen, seine berichtigende Darstellung gegenüber einem Presseangriff in publikumswirksamer Aufmachung sozusagen als "Werbeanzeige" im Anzeigenteil der verantwortlichen Zeitung auf deren Kosten unterzubringen (vgl. auch Löffler, Presserecht 2. Aufl. Bd. I S. 504 Kap. 14 Rz. 148). Ob und inwieweit dieser Anspruch etwa schon aus dem Recht der presserechtlichen Gegendarstellung begründet ist, also gegenüber jedem Presseangriff auf die Ware unabhängig von der Berechtigung der Kritik und ohne Rücksicht auf die unter Umständen bedeutenden Mehrkosten immer besteht, braucht im vorliegenden Rechtsstreit nicht entschieden zu werden. Der Anspruch auf Erstattung schadensmindernder Aufwendungen, um den es hier geht (vgl. BGHZ 32, 280, 285), schließt wegen der besonderen Art der Rechtsverletzung bei einem Angriff auf den Ruf einer Ware solche Maßnahmen in der Regel als zur Schadensminderung erforderlich ein. Ebenso hält es sich im Rahmen des Vertretbaren und dem Schädiger Zumutbaren, wenn der Hersteller in solchem Fall die Dienste einer Werbeagentur für die wirksame Gestaltung seiner richtigstellenden "Werbeanzeige" in Anspruch nimmt; auch diese Kosten hat der Schädiger ihm zu erstatten. Jedoch bestehen bei Würdigung der schutzwürdigen Belange beider Seiten, wie sie auch im Institut der presserechtlichen Gegendarstellung berücksichtigt sind, Einschränkungen für diesen Erstattungsanspruch vornehmlich in folgendem: Der betroffene Hersteller kann, von besonderen hier nicht gegebenen Fallgestaltungen abgesehen, seine "Werbeanzeige" nur in dem Blatt veröffentlichen lassen, gegen dessen Angriffe er sich wendet. Er hat, jedenfalls wenn es wie hier ausschließlich um unwahre Tatsachenbehauptungen geht, die Anzeige grundsätzlich auf deren Richtigstellung zu beschränken. Diese kann er im Regelfall nur in dem Maß als "Werbeanzeige" aufmachen und nur insoweit mit Werbeaussagen anreichern, als dies wegen der besonderen Art der Schädigung zur wirksamen, den Verbraucher ansprechenden Präsentation der Entgegnung erforderlich ist.

24

Darüberhinausgehende Werbeaussagen, die in diesem Sinn nicht mehr im Dienst der sachlichen Richtigstellung als Antwort auf einen solchen Angriff stehen, sondern als zusätzliche Werbung anzusehen sind, kann der angegriffene Warenhersteller entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts gewöhnlich nicht auf Kosten des Schädigers einsetzen. Allerdings sind Fälle denkbar, in denen eine andersartige Schadensentwicklung etwa wegen der spezifischen Verknüpfung der Marktgeltung einer Ware mit der Werbung für sie dazu führen kann, daß zur Schadlosstellung von Einbrüchen in das "Image" der Ware eine besondere Werbeaktion auf Kosten des Schädigers erforderlich wird. Es kann sich dann auswirken, daß Anzeigenwerbung für den Ruf eines Produkts funktionale Bedeutung hat, die ihr in anderen Fällen einer Beeinträchtigung des wirtschaftlichen Rufs des Unternehmers so nicht zukommt.

25

Die "berichtigende Werbung" in diesem Sinn ist aberanders als das Berufungsgericht offenbar annimmt - nicht allgemein schon dann eine zum Ausgleich oder zur Abwehr des Schadens erforderliche Maßnahme, wenn im Bezug auf das Produkt eine falsche, seinen Absatz gefährdende Behauptung aufgestellt worden ist. Eine wirtschaftliche, die schutzwürdigen Interessen beider Seiten berücksichtigende Betrachtung legt auch hier dem Betroffenen in der Verfolgung eigener Belange, soweit dies auf Kosten des Schädigers geht, gewisse Zurückhaltung auf. Selbstverständlich kann er nicht schon den Umstand, daß seine Ware ins Gerede gebracht worden ist, zum Anlaß nehmen, einen Teil seines Werbeetat sozusagen als Mindestschaden ohne weitere Nachweise auf den Schädiger abzuwälzen. Anderes kann gelten, wenn etwa das Produkt als Folge der Presseveröffentlichung ein "negatives Image" erhalten hat, das auf der Ebene rationaler Argumente erfahrungsgemäß nicht mehr zu berichtigen ist, so daß der geschädigte Warenhersteller, ohne gegen die für § 254 Abs. 2 BGB geltenden Maßstäbe zu verstoßen, eine "positive" Werbung für erforderlich halten durfte. Sind wie vorliegend solche besonderen Umstände nicht dargetan, muß er sich mit einer Richtigstellung oder Ergänzung falscher Tatsachenbehauptungen, wenn auch nach Form und Inhalt als publikumswirksame "Werbeanzeige" ausgestaltet, als der angemessenen Form der Entgegnung beschränken. Er erleidet hierdurch keine unzumutbaren Nachteile, da ihm die Möglichkeit bleibt, Ersatz der Schäden zu verlangen, die er durch seine Anzeige nicht verhindern konnte.

26

b)

Daraus ergibt sich, daß die Klägerin von der Beklagten nicht die Aufwendungen für eine zusätzliche, sachlich nicht auf den Angriff der Beklagten bezogene Werbung für ihre Produkte erstattet verlangen kann, da es an besonderen Umständen fehlt, die solche Werbung auf Kosten der Beklagten erforderlich gemacht hätten. In der inkriminierten Berichterstattung war die Zahnpasta der Klägerin weder nach Qualität oder Funktion in Frage gestellt, noch sonst "schlecht gemacht" worden. Die beanstandeten Angaben betrafen eine ganz bestimmte Nebenwirkung, die das "Image" des Produkts nicht unmittelbar berührte; um den Charakter der "Warnung" als spektakulären "Aufmacher" des Berichts ohne ernstzunehmenden Aussagegehalt deutlich zu machen, genügte eine "Werbeanzeige", die sich im wesentlichen darin erschöpfte, klarzustellen, daß der in der Zahnpasta enthaltene Alkohol nicht ins Blut gelangt und auch in den Schleimhäuten alsbald nach Gebrauch nicht mehr nachzuweisen ist, wie dies in der Anzeigenwerbung der Klägerin auch im wesentlichen herausgestellt worden ist. Nur zur wirksamen Präsentation dieser Richtigstellung durfte die Klägerin für Form und Inhalt ihrer Anzeige auf Werbeelemente zurückgreifen. Darüberhinaus auf die angeblich positiven Wirkungen des Alkohols für die Zahnpflege und auf andere Vorzüge ihrer Zahnpasta hinzuweisen, war demgegenüber zur Schadensbeseitigung oder -verhütung nicht erforderlich; mit diesen Aufwendungen kann die Beklagte daher nicht belastet werden.

27

3.

Weil und soweit allerdings die Anzeigenwerbung auch Funktionen erfüllt hat, für die die Klägerin eine Richtigstellung auf Kosten der Beklagten hätte in Anspruch nehmen können, ist ihr Zahlungsanspruch teilweise begründet: Denn in diesem Umfang hätte die Beklagte ihr für ihre Anzeige Raum in der Zeitung unberechnet zur Verfügung stellen müssen. Den Umfang der insofern berechtigten Ersatzforderung kann der erkennende Senat aufgrund des festgestellten Sachverhalts nach § 287 ZPO selbst ermitteln. Aus der Anzeige hätte die Beklagte jedenfalls den einleitenden Teil: "Zähneputzen genügt: Führerschein futsch! (Schlagzeile der Bild-Zeitung vom 2. August 1973). Dazu eine Erklärung der Dr. Sch.-Forschung"und den Schlußabsatz: "Alkohol-Zahncreme wird nur im Mund aktiv und ist für die Gesundheit von Zähnen und Zahnfleisch da. Sie geht nicht ins Blut" sowie Firma und Firmenzeichen der Klägerin an dieser Stelle und in dieser Größe veröffentlichen müssen. Ferner hätte die Klägerin den von der Beklagten zurückgewiesenen Satz: "Deshalb keine Angst vor 0,8 Promille" in die Anzeige aufnehmen dürfen. Einschließlich weiterer begleitenden, nach Vorstehendem vertretbarer Werbeelemente hätte der so auf Berichtigung beschränkte Teil der Anzeige etwa 1/2 der abgedruckten Anzeige ausgemacht. Deshalb hat die Beklagte von den entstandenen Anzeigenkosten einschließlich der Vergütung für die Werbeagentur die Hälfte zu tragen. Unter Ausklammerung der Mehrwertsteuer, die die Vorinstanzen wegen der Berechtigung der Klägerin zum Vorsteuerabzug zutreffend unberücksichtigt gelassen haben, berechnet sich somit die Ersatzforderung der Klägerin auf (23.731,05 DM: 2 =) 11.865,53 DM. Unter Einrechnung der von der Beklagten anerkannten vorprozessualen Aufwendungen von 1.847 DM ist der Klägerin deshalb der Zahlungsanspruch in Hohe von 13.712,53 DM zuzusprechen.

28

Mit dieser Maßgabe war das Urteil des Landgerichts abzuändern. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO.

Dr. Weber
Scheffen
Dr. Steffen
Dr. Kullmann
Dr. Ankermann