Suche

Nutzen Sie die Schnellsuche, um nach den neuesten Urteilen in unserer Datenbank zu suchen!

Bundesgerichtshof
Urt. v. 22.09.1977, Az.: VII ZR 162/74

Verringerung der Aufwendungen eines Betriebes durch Kündigungen bei Nichtauslastung des Betriebes; Voraussetzungen für das Eintreten der Erledigung der Hauptsache; Kündigung eines Sukzessivwerklieferungsvertrags über nicht vertretbare Sachen; Anrechnung der Ersparnis von Aufwendungen auf eine vereinbarte Vergütung

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
22.09.1977
Aktenzeichen
VII ZR 162/74
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1977, 11541
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
OLG Oldenburg - 26.04.1974

Fundstelle

  • BauR 1978, 55

Redaktioneller Leitsatz

Es erscheint möglich, daß sich die Aufwendungen eines Betriebs nicht durch Kündigungen verringern lassen, wenn der Betrieb nicht ausgelastet ist.

Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
auf die mündliche Verhandlung
vom 22. September 1977
durch
den Vorsitzenden Richter Dr. Vogt sowie
die Richter Dr. Girisch, Meise, Doerry und Bliesener
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts in Oldenburg vom 26. April 1974 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Durch Vertrag vom 6. September 1971 übernahm die Klägerin die von der Beklagten in Posten abzurufende Lieferung von 5.000.000 Werbeprospekten ("Tischlein deck dich") nach ihr zur Verfügung zu stellenden Lithos.

2

Die Beklagte forderte nur einen Teil der Drucksachen ab. Mit Schreiben vom 14. März 1972 erklärte sie den "Rücktritt" vom Vertrage, begehrte Wandelung und verlangte Erstattung bereits geleisteter Zahlungen sowie Herausgabe von ihr akzeptierter Wechsel.

3

Die Klägerin hat für Prospekte, die sie der Beklagten mit Schreiben vom 11. März 1972 angeboten hatte, Zahlung von 73.903,80 DM nebst Zinsen beansprucht und in dieser Höhe einen Vollstreckungsbefehl erwirkt. Die Beklagte hat vorgetragen, daß sie zur Kündigung des Vertrages aus wichtigem Grunde berechtigt gewesen sei, und hilfsweise mit verschiedenen Gegenforderungen aufgerechnet.

4

Das Landgericht hat den Vollstreckungsbefehl wegen eines Teilbetrages von 32.644,35 DM nebst Zinsen aufrechterhalten. Das Oberlandesgericht hat diesen Betrag auf 30.331,32 DM nebst Zinsen ermäßigt und die Beklagte zur Zahlung dieses Betrages nur "nach Empfang der Gegenleistung" von insgesamt 1.340.000 zum Teil kuvertierter Prospekte verurteilt.

5

Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf vollständige Abweisung der Klage weiter. Die Klägerin bittet, die Revision mit der Maßgabe zurückzuweisen, daß die Hauptsache für erledigt erklärt wird, hilfsweise die Revision als unzulässig und ganz hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

6

I.

Der Rechtsstreit ist nicht in der Hauptsache erledigt. Was die Klägerin zur Begründung ihres in erster Linie gestellten Antrages vorbringt, greift nicht durch. Dabei kann dahinstehen, ob ihr - insoweit neuer - Sachvortrag als unstreitig anzusehen ist und ob der Vortrag unter dieser Voraussetzung im Revisionsverfahren überhaupt berücksichtigt werden darf (vgl. BGH, Urteil vom 5. Februar 1974 - VI ZR 71/72 - LM ZPO § 561 Nr. 39, insoweit in NJW 1974, 639 [BGH 05.02.1974 - VI ZR 71/72] nicht abgedruckt).

7

1.

Soweit die Klage abgewiesen worden ist, kommt eine Erledigung ohnehin nicht in Betracht.

8

2.

Aber auch soweit die Klageforderung noch im Streit ist, kann von einer Erledigung keine Rede sein.

9

a)

Die Beklagte hat lediglich zur Abwendung der Zwangsvollstreckung gezahlt. Die Klägerin hatte, wie sie jetzt vorträgt, eine Bankbürgschaft in Höhe von 33.000 DM beigebracht, um aus dem Urteil des Landgerichts vollstrekken zu können. Erst daraufhin hatte die Beklagte die damalige Urteilssumme von 32.664,24 DM nebst 4.765,- DM Kosten überwiesen. Daß hierdurch eine Erledigung der Hauptsache noch nicht eingetreten ist, entspricht allgemeiner Ansicht (vgl. z.B. Baumbach/Lauterbach, ZPO, 35. Aufl., § 91 a Anm. 2 A und die dort angeführten Entscheidungen).

10

b)

Da das Urteil des Oberlandesgerichts einerseits auf Zahlung "nach Empfang der Gegenleistung" lautete, andererseits aber ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar war, hatte die Klägerin der Beklagten mit Schreiben vom 21. August 1974 vorgeschlagen, die Beklagte solle die Ware Zug um Zug gegen Herausgabe der Bürgschaft an die Klägerin abholen lassen. Dadurch sollten bei der Klägerin weitere Lagerkosten vermieden werden.

11

Die Beklagte hat sich damit zwar einverstanden gezeigt; die Hauptsache wurde dadurch jedoch nicht erledigt. Die Vereinbarung und ihre Ausführung dürfen nur im Zusammenhang mit der zur Vermeidung der Zwangsvollstreckung erfolgten Zahlung gesehen werden. Zahlung und Auslieferung der Prospekte waren nach dem Urteil des Oberlandesgerichts voneinander abhängig. Wie die Hauptsache sich nicht dadurch erledigte, daß die Beklagte zur Abwendung der Zwangsvollstreckung zahlte, so konnte eine Erledigung auch nicht dadurch eintreten, daß die Beklagte die ihr nach dem Urteil geschuldete Gegenleistung selbst abholte, daß sie also nicht wartete, bis die Klägerin ihr die Prospekte im Zuge der Zwangsvollstreckung tatsächlich anbot, um auf diese Weise in den Besitz der nunmehr herauszugebenden Bürgschaftsurkunde zu gelangen. Die Beklagte hält die Klage denn auch weiterhin für nicht gerechtfertigt.

12

3.

Der Senat hat daher auf die noch nicht erledigte Hauptsache einzugehen (BGH NJW 1965, 537 [BGH 25.11.1964 - V ZR 187/62]; 1965, 1597). Daß die Revision entgegen der hilfsweise geäußerten Ansicht der Klägerin zulässig ist, bedarf keiner Begründung.

13

II.

Das Berufungsgericht beurteilt die in dem Schreiben vom 6. September 1971 bestätigten Vereinbarungen der Parteien als Sukzessivwerklieferungsvertrag über nicht vertretbare Sachen im Sinne des§ 651 Abs. 1 Satz 2 BGB. Damit sei die Beklagte nach § 649 BGB einerseits jederzeit zur Kündigung berechtigt gewesen, andererseits aber grundsätzlich zur Entrichtung der vollen Vergütung verpflichtet geblieben. Dazu gehöre auch die Bezahlung bestimmter zusätzlich erbrachter Leistungen. Die Vergütungspflicht wäre zwar entfallen, sofern die Beklagte den Vertrag aus einem von der Klägerin zu vertretenden wichtigen Grunde gekündigt hätte. Diese Voraussetzung liege aber nicht vor, weil die Klägerin den Vertragszweck nicht gefährdet habe.

14

Das ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Soweit die Revision in der mündlichen Verhandlung gemeint hat, die Klägerin hätte beweisen müssen, daß der Zeuge P. den zur Prolongation der Wechsel bestimmten Scheck habe sperren dürfen, vermag der Senat ihr nicht zu folgen. Die Beklagte trägt die Beweislast für alle Tatsachen, die ihre Kündigung aus wichtigem Grund rechtfertigen könnten, mithin auch für die Behauptung, daß die Sperrung des Schecks vertragswidrig gewesen sei.

15

III.

Bei der Ermittlung der Vergütung, welche die Klägerin für die mit Schreiben vom 11. März 1972 angebotenen und gleichzeitig in Rechnung gestellten Leistungen zu beanspruchen hat, berücksichtigt das Berufungsgericht zugunsten der Beklagten nur einen bereits vom Landgericht - im Wege der "Minderung" - abgezogenen Betrag von 3.695,20 DM. Eine weitere Kürzung der damit auf 70.208,60 DM ermäßigten Rechnungssumme lehnt es ab, weil der Vortrag der Beklagten nicht hinreichend substantiiert ergebe, daß die Klägerin in bezug auf die hier in Rede stehenden Leistungen irgendwelche Aufwendungen erspart habe (§ 649 Satz 2 BGB).

16

Dagegen wendet sich die Revision ohne Erfolg.

17

1.

Auf die von ihr nachgewiesenen erstinstanzlichen Behauptungen und Beweisanträge der Beklagten brauchte das Berufungsgericht nicht einzugehen. Die Beklagte hatte sie entgegen der Ansicht der Revision nicht am Ende der Berufungsbegründung ausdrücklich wiederholt, sondern dort nur ganz allgemein auf ihren früheren Vortrag verwiesen. Das reichte nicht aus (BGHZ 35, 103, 106).

18

2.

Im zweiten Rechtszuge hatte die Beklagte in diesem Zusammenhang lediglich vorgebracht, daß die Prospekte im Zeitpunkt der Kündigung noch nicht vollständig fertiggestellt gewesen seien. Über die endgültige Gestaltung der den Prospekten beizufügenden Gutscheine sei nämlich noch keine Einigung erzielt worden. Aus dem Schreiben der Klägerin vom 17. November 1971 ergebe sich, daß nicht, wie die Klägerin behaupte, noch 1.000.000 sondern nur 800.000 Prospekte mit angeklebter Postkarte bereit lägen und daß auch nicht 340.000, sondern nur 125.000 Prospekte kuvertiert worden seien.

19

Auch diesen Vortrag durfte das Berufungsgericht als nicht ausreichend behandeln.

20

a)

Für die Frage, ob der Unternehmer sich auf die vereinbarte Vergütung die Ersparnis von Aufwendungen anrechnen lassen muß, hat der Besteller die Darlegungs- und Beweislast: Er muß die Tatsachen vortragen, aus denen sich die von ihm behauptete Einsparung ergibt.

21

Inhalt und Umfang der Substantiierungslast ergeben sich aus den Umständen des Einzelfalles. Die der Kalkulation des Unternehmers dienenden Grundlagen wird der Besteller im allgemeinen nicht kennen können; insoweit wird daher ein eingehender Vortrag regelmäßig nicht erwartet werden dürfen (Senatsurteil vom 7. Dezember 1961 - VII ZR 147/60). Es genügt aber auch nicht die bloße, sich letztlich als Versuch einer Ausforschung erweisende Behauptung, der Unternehmer habe die ihm nach dem Vertrage obliegende Leistung nur unvollständig ausgeführt; diese Behauptung muß sich auf Tatsachen stützen können. Auf den Umfang der bereits erbrachten Leistung kommt es im übrigen nicht immer an, mag auch die Erfahrung dafür sprechen, daß der Unternehmer infolge der vorzeitigen Beendigung des Vertragsverhältnisses Ersparnisse gemacht hat (RGRK/Glanzmann, 12. Aufl., § 649 Rdn. 13). Ist der Betrieb des Unternehmers nicht ausgelastet, ist es denkbar, daß die Aufwendungen sich trotz der Kündigung nicht verringern lassen.

22

b)

Gegen diese Grundsätze hat das Berufungsgericht nicht verstoßen.

23

aa)

Zur Substantiierung ihrer Behauptung, daß die Prospekte im Zeitpunkt der Kündigung noch nicht restlos fertiggestellt gewesen seien, hatte die Beklagte sich außer auf die bereits erwähnte Nachricht der Klägerin vom 17. November 1971 lediglich auf ihr eigenes Schreiben vom 26. Oktober 1971 bezogen. Dort hatte sie zwar mitgeteilt, daß von dem neuen Gutschein zunächst nur 200.000 Stück aufgelegt werden sollten, weil sie erst abwarten wolle, ob die Karte noch geändert werden müsse. Dem brauchte das Berufungsgericht jedoch keine Bedeutung beizumessen.

24

Die Klägerin hatte am 17. November 1971 darauf hingewiesen, daß sie ca. 800.000 Prospekte mit angeklebter Postkarte sowie ca. 125.000 kuvertierte Prospekte und Postkarten fertig habe. Da die Beklagte nicht vorgetragen hatte, daß sie daraufhin einen Verstoß gegen ihre Anordnungen vom 26. Oktober 1971 gerügt habe, durfte das Berufungsgericht davon ausgehen, daß entweder die Beschränkung der Druckauflage inzwischen entfallen war oder die Klägerin vorerst die schon gedruckten "alten" Gutscheine verwenden sollte. Hiervon hatte die Klägerin, wie sie gleichfalls in ihrem Schreiben vom 17. November 1971 berichtet hatte, noch 1.500.000 Stück auf Lager. Entgegen der Behauptung der Beklagten war es daher durchaus möglich, daß die Klägerin die am 11. März 1972 berechneten Prospekte und Umschläge zur Verfügung hatte. Der Vortrag der Beklagten war mithin bereits insoweit nicht hinreichend substantiiert. Ihre erst jetzt vorgetragene Behauptung, daß die Klägerin im Zuge der Zwangsvollstreckung nur insgesamt 850.000 Prospekte ausgeliefert habe, muß im Revisionsverfahren als neues Vorbringen unberücksichtigt bleiben.

25

bb)

Das Berufungsgericht durfte aber auch die Behauptung der Beklagten, daß die Klägerin bestimmte (reine) Arbeitsleistungen nicht erbracht und dadurch Aufwendungen erspart habe, als nicht ausreichend ansehen. Brauchen (reine) Arbeitsleistungen nicht ausgeführt zu werden, so spricht die Erfahrung nicht ohne weiteres für eine Ersparnis des Unternehmers, weil dessen Betrieb, wie bereits erwähnt, nicht voll ausgelastet gewesen sein muß. Mit Recht durfte das Berufungsgericht deshalb Darlegungen der Beklagten zur Frage vermissen, ob die Klägerin zusätz-liche Arbeitskräfte oder Subunternehmer hätte einsetzen müssen, um die angeblich nicht ausgeführten Leistungen erbringen zu können. Das von der Revision erwähnte Urteil des I. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 16. Februar 1973 (I ZR 50/72, S. 13) betrifft einen nicht vergleichbaren Fall.

26

IV.

Gegenüber der danach auf allenfalls 70.208,60 DM zu kürzenden Vergütung hat die Beklagte, wie das Berufungsgericht ausführt, mit Gegenansprüchen in Höhe von 2.333,03 DM und 37.544,25 DM, insgesamt 39.877,28 DM aufgerechnet, so daß sich eine Restforderung der Klägerin in Höhe von 30.331,32 DM nebst Zinsen ergibt. Hinsichtlich dieses Betrages hat das Berufungsgericht den Vollstreckungsbefehl des Amtsgerichts Bad Oeynhausen vom 11. April 1972 mit der Maßgabe aufrechterhalten, daß die Beklagte zur Zahlung nur "nach Empfang der Gegenleistung" von insgesamt 1.340.000 Prospekten verurteilt wird.

27

Das läßt einen die Beklagte beschwerenden Rechtsfehler nicht erkennen. Die Revision bringt dagegen denn auch nichts vor.

28

V.

Die Revision ist nach alledem mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.

Vogt
Girisch
Meise
Doerry
Bliesener